18.12.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 440/71


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Eine Strategie zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas und eine europäische Datenstrategie

(2020/C 440/13)

Berichterstatter:

Mark WEINMEISTER (DE/EVP), Staatssekretär für Europaangelegenheiten, Land Hessen

Referenzdokumente:

Gestaltung der digitalen Zukunft Europas

(COM(2020) 67 final)

Eine europäische Datenstrategie

(COM(2020) 66 final)

Sichere 5G-Einführung in der EU — Umsetzung des EU-Instrumentariums

(COM(2020) 50 final)

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Zusammenfassung

1.

betont, dass die Digitalisierung einen spürbaren Nutzen und greifbare Vorteile für die Menschen mit sich bringen muss und daher bei der Entwicklung von digitalen Technologien auch rechtliche, gesellschaftspolitische, soziale, umweltpolitische, kulturelle und insbesondere ethische Aspekte berücksichtigt werden müssen;

2.

weist darauf hin, dass die Digitalisierung ein branchenübergreifendes Querschnittsthema ist, das alle Wirtschafts- und Lebensbereiche durchdringt und nachhaltig verändern wird, so dass nur eine branchenübergreifende Digitalisierung grundlegend neue Potenziale eröffnet für disruptive Geschäftsmodelle, innovative digitale Dienstleistungen und Produkte; betont, dass insbesondere Start-Ups eine wichtige Rolle für digitale Innovationen für Europa spielen;

3.

unterstreicht den wichtigen Beitrag der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zur praktischen Umsetzung der Digitalen Agenda der EU, insbesondere innerhalb von „Smart Cities“ und „Smart Regions“, und gleichzeitig die Bedeutung, die die kommunale Verwaltung für den Zugang und die Verfügbarkeit von Daten spielt;

4.

weist in besonderem Maße auf die Unterstützungsbedarfe beim Kompetenzaufbau von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen und dabei insbesondere der KMU, aber auch der öffentlichen Dienste, hin. Es gibt viele Möglichkeiten, die Digitalisierung der Arbeitswelt zu nutzen, um Arbeitsbelastungen zu reduzieren und gute Arbeit zu fördern und gleichzeitig Wirtschafts- und Sozialsysteme resilienter zu machen;

5.

betont, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung bei der Bewältigung gesellschaftlicher, klimapolitischer und umweltpolitischer Herausforderungen und in bestimmten Krisensituationen — wie sich in der aktuellen Covid-19-Krise zeigt — insbesondere für Bildung, Arbeitsleben, die Wirtschaft und eine funktionierende Verwaltung besondere Bedeutung haben;

6.

legt Wert darauf, dass europäische Werte und ethische Regeln sowie die sozialen und ökologischen Standards auch im digitalen Raum gelten und dass die EU diese europäischen Werte und ethischen Regeln weltweit aktiv fördert;

7.

betont die Wichtigkeit der individuellen und gesamteuropäischen Datensouveränität. Dies ist umso wichtiger vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Juli 2020 (Fall C-311/18), mit dem der zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten eingerichtete Datenschutzschild für ungültig erklärt wurde; fordert die Kommission daher auf, die Auswirkungen dieses Urteils so bald wie möglich zu klären, da Unternehmen rechtlich abgesicherte Datenströme über die Grenzen der Europäischen Union hinaus benötigen;

8.

erachtet digitale Kohäsion als eine wichtige zusätzliche Dimension des im EU-Vertrag verankerten traditionellen Konzepts der wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Kohäsion;

Die Digitalisierung und damit verbundenen Chancen

9.

teilt die den drei Mitteilungen des EU-Digitalpakets zugrundeliegende Auffassung der Kommission, dass digitale Technologien zu tiefgreifenden Veränderungen im täglichen Leben der Bürgerinnen und Bürger führen und sieht dadurch die Mitgliedstaaten, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und Unternehmen ebenso betroffen;

10.

sieht die zunehmende Bedeutung von Daten und die daraus entstehenden Chancen und hebt die Notwendigkeit hervor, die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen vor den Risiken zu schützen, die der Austausch, die Verarbeitung und die Speicherung von Daten mit sich bringen können, und teilt die Auffassung, dass ohne übermäßigen Aufwand zu nutzende technische Instrumente und Standards zur einfachen Ausübung der Rechte zum Schutz der Privatsphäre des Einzelnen fehlen;

11.

begrüßt Maßnahmen, die dazu beitragen, dass Europa beim Übergang hin zu einem gesunden Planeten und auf dem Weg in eine digitale Welt die Führung übernehmen und dabei nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Prosperität generieren kann und dabei an den gemeinsamen europäischen Werten und einem darauf fußenden soliden Rechtsrahmen — im Hinblick auf Datenschutz, Grundrechte, Sicherheit und Cybersicherheit — festhält;

12.

stellt fest, dass KI-gestützte Dienste wie auch andere innovative Datenverarbeitungs-, Digitalisierungs- und Prozessautomatisierungstechnologien enormes Potenzial bergen, Verbrauchern und Dienstleistern Vorteile zu bringen, sie jedoch Herausforderungen in Bezug auf die verantwortungsvolle Gewährleistung von Nichtdiskriminierung, Transparenz und Erklärbarkeit von Algorithmen, Haftung sowie den Schutz der Privatsphäre mit sich bringen, und betont daher, dass die Digitalisierung und der Einsatz von KI sowie der weiteren neuen digitalen Technologien einer verantwortlichen Gestaltung bedarf; weiterhin wird festgestellt, dass bisherige Haftungsprivilegierungen für marktmächtige Plattformen vor dem Hintergrund europäischer Werte überprüft werden sollten, dass dies insbesondere auch für solche Plattformen gilt, deren Geschäftspolitik aus Nicht-EU-Staaten gesteuert wird und dass für grundrechtssensible algorithmische Systeme das EU-Marktortprinzip gelten sollte;

13.

weist im Zusammenhang mit der Corona-Krise auf die Möglichkeiten der Digitalisierung hin, etwa durch Arbeiten im Home-Office und digitale Bildung, und betont, dass im Zusammenhang mit der Corona-Krise und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen digitale Anwendungen und Infrastrukturen maßgeblich dazu beigetragen haben, die öffentliche Verwaltung auch in unerwarteten Krisenzeiten aufrecht zu erhalten;

14.

sieht darin einen guten Anknüpfungspunkt, mit Hilfe digitaler Techniken die Umsetzung des Grünen Deals zu befördern;

15.

betont, dass Prognosen zufolge die CO2-Emissionen digitaler Anwendungen bereits bis 2025 die des weltweiten Fahrzeugverkehrs übersteigen könnten. Allein der Kommunikations- und Informationssektor ist für schätzungsweise 5 bis 9 % des Stromverbrauchs und mehr als 2 % aller Emissionen weltweit verantwortlich. Andererseits können digitale Lösungen den ökologischen Wandel unterstützen. Umweltdaten ermöglichen beispielsweise die Entwicklung von Lösungen für den Ausbau erneuerbarer Energien, die Wiederaufforstung oder der Abfallvermeidung. In Bezug auf die Kreislaufwirtschaft ist eine mögliche Selbstverpflichtung von Online-Einzelhändlern zur Aufnahme von Umweltschutzkriterien in ihre Suchalgorithmen denkbar, oder ein „digitaler Produktpass“, der Informationen über den Material- und Klimafußabdruck der Lieferkette eines Produkts enthalten könnte, damit die Kunden nachhaltige Konsumentscheidungen treffen können;

16.

betont, dass auch angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen, die die Krise mit sich bringt, das Vorantreiben des digitalen Wandels und die damit einhergehenden Investitionen nicht vernachlässigt werden dürfen. Ganz im Gegenteil: erhebliche öffentliche und private Investitionen in die Digitalisierung sind der effizienteste Weg zur Wiederherstellung des Wirtschaftswachstums in der EU;

Vision der digitalen Gesellschaft

17.

bemängelt, dass im Entwurf des mehrjährigen Finanzrahmens weniger Mittel für das Programm „Digitales Europa“ vorgesehen sind. Diese Mittelkürzung könnte das Funktionieren des Programms beeinträchtigen;

18.

begrüßt das Bestreben der Kommission, für die Bürgerinnen und Bürger mithilfe digitaler Techniken Möglichkeiten der Entfaltung, freier und sicherer Entscheidungen und des gesellschaftlichen Engagements zu eröffnen und für Unternehmen einen Rahmen zu schaffen, der die Entwicklung von Innovationen, Wettbewerb und Zusammenarbeit unter fairen Bedingungen ermöglicht;

19.

unterstreicht das Potenzial von Quantencomputern und verweist auf die bestehenden einschlägigen europäischen Initiativen wie die Leitinitiative zur Quantentechnik; plädiert ferner für eine kontinuierliche Förderung von Quantenforschungsprojekten in der EU, um weltweit Maßstäbe bei der Erschließung des Potenzials von Quantentechnologien zu setzen;

20.

nimmt zur Kenntnis, dass der Datenwirtschaft im Zuge der fortlaufenden Digitalisierung eine immer größere wirtschaftliche Rolle zukommt und sie damit ein wesentliches Mittel der zukünftigen Wertschöpfung ist;

21.

befürwortet den gezielten Auf- und Ausbau einer europäischen Datenwirtschaft und das Erreichen einer technologischen Unabhängigkeit, auch durch entsprechendes industriepolitisches Engagement zur Förderung europäischer Champions;

22.

unterstreicht die vorgenommene Trennung in personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten, deren unterschiedliche Einsatz- und Verwendungszwecke und die damit verbundenen unterschiedlichen rechtlichen Rahmen, Handhabungen und Verfahrensweisen;

23.

hebt die Bedeutung von Open Source Angeboten zur Diversifizierung des Angebotes und zur Stärkung der technologischen Unabhängigkeit von Verwaltungen, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern hervor und erachtet die Unterstützung von Open-Source-Gemeinschaften in Europa als wichtig, in denen Unternehmen und Verwaltungen zusammenarbeiten;

Verlässliche Infrastrukturen und digitale Grundlagen

24.

unterstreicht die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der fünften Mobilfunkgeneration (5G) und fordert Sensibilisierungsmaßnahmen auf der Grundlage einer transparenten Bewertung der Technologien, um die Bürgerinnen und Bürger umfassend über die Vorteile und Nachteile der digitalen Infrastruktur aufzuklären, auch in Bezug auf Untersuchungen zu ökologischen oder gesundheitlichen Auswirkungen, und um sie nicht zu Opfern von Desinformation werden zu lassen;

25.

unterstreicht die Notwendigkeit eines umfassenden Konzepts zur Steigerung der Sicherheit und Widerstandsfähigkeit der 5G-Netze und weist darauf hin, dass ein gemeinsames Vorgehen in der EU zielführend ist und ein gemeinsamer europäischer Sicherheits-Mindeststandard positive Gesamteffekte auslöst;

26.

würdigt den Ansatz zur Umsetzung des Instrumentariums in Anbetracht der Zielsetzung, eine vielfältige und zukunftsweisende 5G-Lieferkette sicherzustellen und einen „Lock-in-Effekt“ zu vermeiden;

27.

fordert die Mitgliedstaaten auf, sich an das EU-Instrumentarium für sichere 5G-Netze zu halten, um die Cybersicherheit in Europa zu gewährleisten und die geopolitischen Interessen Europas vor der Bedrohung durch Überwachung und Spionage im Zusammenhang mit der Einführung von 5G-Netzen, die Technologien aus Drittländern nutzen, zu schützen;

28.

bekennt sich zur Glasfasertechnologie als unabdingbare digitale Infrastruktur und Grundversorgung, die für alle Menschen in der Europäischen Union zur Verfügung stehen sollte, insbesondere in den ländlichen Gebieten, in denen sich der technologische Anschluss insgesamt schwierig gestaltet;

29.

kann sich der Auffassung nicht umfänglich anschließen, dass sich Europas Datenstrategie auf ein florierendes Ökosystem stützen kann; insofern erscheint nicht nur aufgrund der aktuellen Lage die Unterstützung für insbesondere Start-ups von besonderer Bedeutung für die Umsetzung der Strategie;

30.

begrüßt die Ankündigung für Investitionen in ein High-Impact-Projekt für europäische Datenräume und zusammengeschlossene Cloud-Infrastrukturen;

31.

verweist in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit von „Smart Cities“, „Smart Regions“ und Start-Ups als Innovationstreiber und deren Unterstützung;

32.

begrüßt die Pläne zu Vereinbarungen mit den Mitgliedsstaaten über den Cloud-Zusammenschluss und die Schaffung eines EU-Cloud-Regelwerks;

33.

sieht die Gefahr, dass ein uneinheitliches Vorgehen hinsichtlich des Datenzugangs und der Datennutzung zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen würde, so dass dies unbedingt vermieden werden muss;

34.

unterstreicht die Wichtigkeit der sektorübergreifenden Maßnahmen für den Datenzugang und die Datennutzung, begrüßt im Sinne eines agilen Vorgehensmodells den Verzicht auf detaillierte Vorabregulierung und fordert die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr weiterhin für den Schutz des öffentlichen Interesses, den Schutz von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und die Effizienz der öffentlichen Verwaltung zu sorgen;

35.

weist in diesem Zusammenhang gleichwohl darauf hin, dass die diesbezüglichen Anforderungen gerade an lokale und regionale Behörden angemessen und unter Beachtung des Umsetzungsaufwands konzipiert sein sollten;

Der Mensch in der digitalen Welt

36.

stellt fest, dass umfangreiche öffentliche Mittel zur Förderung der Digitalisierung erforderlich sind, für die Förderung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Start-Ups, KMU, aber auch Regionen, vor allem im Sinne von „Smart Regions“, und insbesondere für den Aufbau gemeinsamer digitaler Spitzenkapazitäten und damit für die technologische Unabhängigkeit Europas;

37.

betont, dass eine europäische Regulierung stets die durch Artikel 4 Absatz 2 EUV primärrechtlich verankerte Garantie der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung berücksichtigen muss. Eine sekundärrechtliche Verpflichtung der kommunalen und/oder regionalen Gebietskörperschaften zur Weitergabe von Daten würde einen Eingriff in diese Garantie bedeuten und ist daher auszuschließen;

38.

hält es für unumgänglich, entsprechende Kapazitäten im mehrjährigen Finanzrahmen der EU vorzusehen und mahnt an, dass diese trotz möglicher Herausforderungen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Folgen der Corona-Krise bereitgestellt werden, insbesondere im Programm „Digitales Europa“;

39.

spricht sich dafür aus, auch die Versorgung der Menschen mit Rundfunkangeboten im Interesse von größtmöglichem Pluralismus rasch weiter zu digitalisieren;

40.

unterstreicht, dass die Sicherheit von digitalen Produkten und Dienstleistungen ein wesentlicher Faktor für den Aufbau von Vertrauen und somit für ihre erfolgreiche Verbreitung ist, erinnert an die Einbindung der Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA) und unterstützt eine intensivere Zusammenarbeit mit und zwischen den auf Cybersicherheit ausgerichteten Forschungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten und ggf. in den Regionen;

41.

betont, dass digitale Kompetenzen sowohl im Sinne einer Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere in den Kompetenzbereichen Big Data und Analytik, um die Potenziale von KI-gestützten Diensten realisieren zu können, als auch zur Stärkung der Resilienz der europäischen Wirtschafts-, Sozial-, und Bildungssysteme unabdingbar sind und im Sinne eines gelingenden, insbesondere auch alters- und wohnortunabhängigen Umgangs mit der Digitalisierung gesellschaftliche Teilhabe sicherstellen;

42.

betont die Bedeutung von Bildung in der digitalen Welt, vor allem „Digital Literacy“ bzw. Medienkompetenz, — nicht nur an Bildungseinrichtungen — als Voraussetzung dafür, dass alle Menschen souverän an der Digitalisierung teilhaben können;

43.

steht der Schaffung „persönlicher Datenräume“ mit mehr Kontrollmöglichkeiten des Einzelnen darüber, wer auf Daten zugreifen und diese nutzen kann, und der Prüfung eines erweiterten Rechts des Einzelnen auf Datenübertragbarkeit gemäß Artikel 20 DSGVO offen gegenüber;

44.

fordert die Kommission auf, in ihren Bemühungen um einen angemessenen Schutz der Privatsphäre nicht nachzulassen und sich insbesondere für eine rasche Verabschiedung der geplanten ePrivacy-Verordnung einzusetzen, um Inkonsistenzen im entsprechenden Regelwerk zu vermeiden und die Rechtssicherheit zu erhöhen;

45.

sieht in diesem Zusammenhang auch den Rat der Europäischen Union gefordert, für Transparenz und damit Rechtssicherheit zu sorgen;

46.

hält es für dringlich, dass die künftige europäische KMU-Strategie Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten für KMU und Start-ups vorsieht, damit diese die zahlreichen Chancen, die datengestützte Geschäftsmodelle bieten, in vollem Umfang nutzen können;

47.

unterstützt die geplante und in Abstimmung befindliche Einrichtung und Förderung von europäischen digitalen Innovationszentren (European Digital Innovation Hubs), regt einen diesbezüglichen engmaschigen und frühzeitigen Austausch zwischen der EU-Kommission sowie den Mitgliedstaaten und insbesondere den Regionen an und macht deutlich, dass ein transparenter und nachvollziehbarer Auswahlprozess und Chancengleichheit zwischen den europäischen Regionen unabdingbar sind;

Eine europäische digitale Wertegemeinschaft

48.

nimmt zur Kenntnis, dass Daten die Grundlage darstellen für digitale Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle und damit für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa, und dass sie die Entscheidungsgrundlage Einzelner, von Unternehmen, Organisationen, Verwaltung und Politik verbessern können;

49.

warnt, dass ausschließlich auf Daten basierende Entscheidungen, insbesondere in Verbindung mit einer automatisierten Verarbeitung, nicht immer zweckmäßig und angemessen sein können und daher immer im Gesamtkontext abgewogen werden müssen;

50.

betont, dass die digitale Gesellschaft inklusiv, fair und für alle zugänglich sein und dabei den Menschen in den Mittelpunkt stellen sollte;

51.

fordert robuste Maßnahmen zur Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten und der Demokratie in einem zunehmend digitalisierten Zeitalter, u. a. die Verringerung der Gefahr digitaler Rundumüberwachung und die Bekämpfung von Falschmeldungen, Desinformationskampagnen, Hassrede und Diskriminierungen, insbesondere Rassismus, im digitalen Bereich — unabhängig davon, ob diese Fehlentwicklungen ihren Ursprung innerhalb oder außerhalb der EU haben;

52.

stellt fest, dass digitale Technik und datengetriebene Lösungen wichtige Mittel zur Bewältigung gesellschaftlicher, entwicklungspolitischer, klimapolitischer und umweltpolitischer Herausforderungen sind und sie daher auch im Zusammenhang mit der Erreichung der Ziele des Grünen Deals wie der Milleniumsziele der UN relevant sind;

53.

begrüßt die Initiative für auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Geräte sowie Initiativen zur Verwirklichung klimaneutraler, hochgradig energieeffizienter und nachhaltiger Rechenzentren bis spätestens 2030;

54.

weist darauf hin, dass diese Herausforderungen eng miteinander verwoben sind und Chancen für die Führungsrolle Europas bieten;

Daten als digitaler Treibstoff der Wirtschaft und Entscheidungsgrundlage

55.

teilt die Auffassung, dass bei der europäischen Datenstrategie der Mensch im Mittelpunkt steht und weiterhin stehen sollte; Aufgabe der Digitalpolitik ist daher, laufend Auswirkungen zu beobachten und dabei Nutzen und Nachteil von Entwicklungen abzuwägen und gegebenenfalls steuernd einzugreifen;

56.

teilt die Auffassung, dass die Nutzung von Daten für das öffentliche Wohl äußerst wichtig ist, um Notlagen (Epidemien, Naturkatastrophen) zu bewältigen, um Umweltzerstörung und Klimawandel besser zu verstehen und Maßnahmen dagegen zielgerichtet einleiten zu können und um Verbrechensbekämpfung und Schutz vor Terrorismus besser gestalten zu können;

57.

unterstützt die Entwicklung gemeinsamer europäischer Datenräume für strategische Wirtschaftszweige und Bereiche von öffentlichem Interesse und betont, dass im Sinne eines agilen Vorgehens die Schaffung weiterer Datenräume möglich sein sollte;

58.

bekräftigt den auf europäische Regeln und Werte gestützten, einheitlichen europäischen Datenraum, um damit die übermäßige Abhängigkeit von andernorts geschaffenen digitalen Lösungen zu verringern;

59.

fordert die Kommission auf, die technologische Unabhängigkeit Europas in Schlüsseltechnologien und -infrastrukturen weiter zu stärken;

60.

unterstreicht die Wichtigkeit der Nutzung von Daten, um faktengestützte Politikgestaltung zu ermöglichen und öffentliche Dienstleistungen zu verbessern — alles im Rahmen von Datenschutz-, Sicherheits- und Ethik-Standards;

61.

teilt die Auffassung, dass Dateninteroperabilität (z. B. durch Standards) und die Qualität der Daten von entscheidender Bedeutung sind und begrüßt daher die Erarbeitung entsprechender organisatorischer Konzepte und Strukturen;

62.

hebt den Fortschrittsbericht der Expertengruppe der EU-Beobachtungsstelle für die Online-Plattformwirtschaft (1) über Wirtschaftsindikatoren und die Messung der Plattformwirtschaft hervor‚ demzufolge der Mangel an Daten über viele Aspekte der wirtschaftlichen Rolle und des wirtschaftlichen Verhaltens von Plattformunternehmen eine Herausforderung für politische Entscheidungsträger und Forscher darstellt. Die Experten bestehen zu Recht auch auf einem Monitoring der Plattformwirtschaft insbesondere in Hinblick auf folgende Aspekte: die wirtschaftliche Bedeutung der Plattformen; die Macht der Plattformen über ihre Nutzer; und die Transparenzbestimmungen;

63.

weist darauf hin, dass bei der Schaffung von Standards die Kompatibilität zu bestehenden IT-Landschaften von lokalen und regionalen Behörden im Auge behalten werden sollte;

64.

teilt die Auffassung, dass die Anzahl europäischer Cloud-Betreiber gering ist und eine große technologische Abhängigkeit von externen Anbietern besteht;

65.

teilt die Auffassung, dass die Cloud-Nutzung, insbesondere im europäischen öffentlichen Sektor, gering ist und damit u. a. IT-Kostensenkungspotenziale nicht genutzt werden;

66.

unterstreicht die Bedeutung von Investitionen in Zukunftstechnologien wie u. a. künstliche Intelligenz, Distributed-Ledger-Technologie (Blockchain) und Quanteninformatik. Dies erfordert vor allem Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung;

67.

weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Defizite bei der Interoperabilität verschiedener Cloud-Services und bei der Entwicklung von Fachverfahren für die öffentlichen Behörden in der Cloud bestehen;

68.

begrüßt das Vorhaben, die systemische Rolle bestimmter Online-Plattformen und die von ihnen erworbene Marktmacht so auszugestalten, dass die Fairness und Offenheit der Märkte nicht gefährdet werden;

69.

sieht im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Online-Plattformen Regelungsbedarf, um diese Form der Arbeit angemessen zu gestalten, damit sie für einen sozial abgesicherten, vollwertigen Lebensunterhalt sorgen kann; begrüßt daher die Absicht der Kommission, eine Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern auf Online-Plattformen zu veröffentlichen, spricht sich jedoch dafür aus, sie von 2021 auf 2020 vorzuziehen. Insbesondere in Zeiten der Corona-Epidemie hat sich gezeigt, dass mehrere Online-Plattformen wirtschaftlich von einem Lockdown profitieren, während die Plattformarbeiter nach wie vor prekär beschäftigt sind;

70.

begrüßt die zwischen den europäischen Sozialpartnern erzielte Vereinbarung über die Begleitung des digitalen Wandels (2), um die Entwicklung der Digitalisierung und ihren Auswirkungen auf die Arbeit, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie auf die Funktionsweise eines Unternehmens gemeinsam zu gestalten;

71.

bekräftigt, dass das, was außerhalb des Internets verboten ist, auch im Internet nicht erlaubt werden kann, und greift in diesem Zusammenhang die Position auf, dass die Rolle und Pflichten der Betreiber von Online-Plattformen zu präzisieren sind;

72.

stellt mit Bedauern fest, dass in einer digitalen Welt ohne Grenzen einige wenige Unternehmen mit dem größten Marktanteil den Hauptteil der Gewinne aus der Wertschöpfung generieren, die in der datengestützten Wirtschaft erzielt wird, dass diese Gewinne aufgrund veralteter Körperschaftsteuervorschriften häufig nicht dort besteuert werden, wo sie erzielt werden, und dass dadurch der Wettbewerb verzerrt wird;

73.

spricht sich vor dem Hintergrund bestehender Netzwerkeffekte der digitalen Plattformökonomie für eine Überprüfung aus, ob und wie das europäische Wettbewerbsrechts weiterentwickelt werden sollte;

74.

weist darauf hin, dass die Digitalisierung in allen Regionen Europas gleichermaßen Herausforderungen schafft, die durchaus heterogene Lösungsstrategien erfordern, und bittet daher um Berücksichtigung dieses Umstands bei der Erarbeitung übergreifender Strategien;

75.

setzt sich dafür ein, die Verfahren für den Zugang zu europäischen Fördermitteln zu vereinfachen, um möglichst viele Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu erreichen und diese zu ermutigen, die Digitalisierung aktiv mitzugestalten;

76.

weist darauf hin, dass dies gleichermaßen für „Smart Cities“ und „Smart Regions“ gilt;

77.

teilt die Auffassung, dass ohne übermäßigen Aufwand zu nutzende technische Instrumente und Standards zur einfachen Ausübung der Rechte zum Schutz der Privatsphäre des Einzelnen fehlen;

78.

unterstreicht die Wichtigkeit, „Lock in“-Effekten z. B. bei IoT-Geräten entgegenzutreten und die Stellung der Verbraucher zu stärken; wichtig in diesem Zusammenhang ist es, den Nutzern Werkzeuge und Mittel an die Hand zu geben, selbst die Entscheidung zu treffen, was mit ihren Daten passiert;

Europa in der Welt

79.

begrüßt den Einsatz der Kommission für die Interessen der europäischen Bürger in und gleichwertige Chancen von europäischen Unternehmen auf internationalen Märkten und für europäische Werte im internationalen Geschäfts- und Datenverkehr;

80.

begrüßt, Datenspeicherung und Datenverarbeitung aus anderen Ländern und Regionen nach Europa zu holen, und ist sich dabei der unterschiedlichen Stärken der europäischen Regionen bewusst, die als diverse Argumente dafür ins Feld geführt werden sollten;

81.

begrüßt die Initiativen der Europäischen Kommission und einzelner Mitgliedstaaten zur Klärung und Angleichung der Besteuerung digitaler Geschäftsaktivitäten aller Akteure, auch derjenigen, deren Geschäftspolitik außerhalb der EU definiert wird;

Würdigung der vorliegenden Mitteilungen der Kommission

82.

betont, dass die Stärkefelder der Europäischen Union im Mittelpunkt der Maßnahmen stehen müssen; beispielhaft sei das produzierende Gewerbe genannt, das vielfältige Anwendungsfelder für digitale Technologien schafft, darunter Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz, Robotik, additive Fertigung, Optik und Sensorik oder das Internet der Dinge;

83.

fordert, dass die für eine faire und wettbewerbsfähige Wirtschaft vorgeschlagenen Schlüsselmaßnahmen im Hinblick auf die Europäische Datenstrategie, die laufende Bewertung und Überprüfung der Eignung der EU-Wettbewerbsregeln, Regulierungsmaßnahmen und die Industriestrategie im Detail auf ihre Auswirkungen geprüft werden; dies gilt insbesondere hinsichtlich der Schaffung eines Rahmens, der ein geeignetes, wettbewerbsfähiges und sicheres digitales Finanzwesen und die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert schaffen soll;

84.

bekräftigt, dass die Digitalisierung der Regionen einen koordinierten und abgestimmten strategischen Ansatz erfordert, der über die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur und Konnektivität hinausgeht;

85.

fordert ein umfangreiches Qualifizierungsrahmenprogramm, um dem Mangel an Datenexperten und Datenkompetenz in der EU zu begegnen;

86.

fordert nicht nur aufgrund der aktuellen Lage Unterstützungsprogramme für Start-ups und Unternehmen, da sonst die Datenstrategie nicht umzusetzen ist;

87.

fordert eine Initiative zur Stärkung der technologischen Souveränität (z. B. Entwicklung eigener Prozessoren, Netzwerkkomponenten), um die notwendigen Infrastrukturen sicher aufbauen und betreiben zu können, und dringt auf eine angemessene Finanzierung europäischer Forschungs- und Entwicklungsprojekte;

88.

erkennt auf Basis der beschriebenen Herausforderungen und vorgeschlagenen Maßnahmen die Notwendigkeit an, die Resilienz und Souveränität im digitalen Raum weiter zu erhöhen, um die Potenziale der neuesten Kommunikationsstandards nachhaltig nutzen zu können; hierbei ist ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) zu richten, so dass die Handlungsfähigkeit des Staates sowie die Versorgung der Bevölkerung in einer Krisensituation auch längerfristig aufrechterhalten werden kann;

89.

regt an, weitere Maßnahmen zu prüfen, die zu einer raschen Verbesserung der Energieeffizienz, der Verminderung von Treibhausgasen, einer bestmöglichen Nutzung der Digitalisierung für den Umwelt- und Klimaschutz, der klimaschonenden Ausrichtung der Innovations- und Gigabitförderung führen können.

Brüssel, den 14. Oktober 2020

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/commission-expert-group-publishes-progress-reports-online-platform-economy.

(2)  https://bit.ly/2YptFYV.