1.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 324/41


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Ein Fahrplan für sauberen Wasserstoff — der Beitrag der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu einem klimaneutralen Europa

(2020/C 324/07)

Berichterstatterin:

Birgit HONÉ (SPE/DE), Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung (Niedersachsen)

Referenzdokument:

Initiativstellungnahme

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Notwendigkeit einer klimaneutralen EU bis 2050

1.

begrüßt nachdrücklich, dass der Europäische Rat das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 gebilligt hat und die Europäische Kommission mit ihrem Vorschlag des Europäischen Klimagesetzes (1) anstrebt, dieses Ziel rechtlich für die EU zu verankern;

2.

betont, dass es gerade nach der COVID-19-Krise wichtig ist, ökologisch und sozial nachhaltiges Wachstum zu erzeugen. Der europäische Grüne Deal (2) mit energie- und ressourceneffizienten, klimafreundlichen technologischen und sozialen Innovationen muss ein Kernelement der wirtschaftlichen Wiederbelebung nach der COVID-19-Pandemie bilden. Sauberer Wasserstoff als eine solche Zukunftstechnologie muss jetzt mit Nachdruck in der EU vorangebracht werden;

3.

begrüßt deshalb ausdrücklich, dass die Kommission der Forderung dieser Stellungnahme nach der Vorlage einer EU-Wasserstoffstrategie nun vorzeitig nachkommen wird (3); begrüßt darüber hinaus, dass der überarbeitete Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU 2021-2027 mit seinem Aufbauplan die Entwicklung einer sauberen Wasserstoffwirtschaft verstärkt ermöglicht, und fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, diese Möglichkeiten im Gesetzgebungsprozess zu erhalten;

4.

erinnert daran, dass das Ziel der Klimaneutralität einen vollständigen Umbau der Strom-, Kälte- und Wärmeversorgung impliziert und insbesondere tiefgreifende Veränderungen in Industrie und Verkehr erforderlich macht. Es werden viele verschiedene technische Lösungen auf der Basis erneuerbarer Energien erforderlich sein. Um vielversprechende Technologien schneller voranzubringen, müssen aber auch diese gezielt unterstützt werden können. Sauberer Wasserstoff und abgeleitete synthetische Grund-, Kraft- und Brennstoffe (4) werden künftig unerlässlich für die Erreichung dieses Zieles sein und benötigen daher eine besondere Förderung. Hierbei ist ein besonderer Schwerpunkt auf grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu legen;

5.

ist der Ansicht, dass in diesem frühen Stadium der Marktentwicklung ein offener Ansatz im Hinblick auf mögliche Anwendungen von sauberem Wasserstoff vorteilhaft ist, da gewisse Anteile sauberen Wasserstoffs in vielen Sektoren realistisch sind; hält im weiteren Verlauf der Marktentwicklung eine Fokussierung auf erfolgversprechende Anwendungen für nötig;

6.

weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sauberer Wasserstoff und E-Fuels durch Umwandlungsverluste im Vergleich zur direkten Nutzung erneuerbaren Stroms Effizienznachteile aufweisen, die auch noch langfristig bei vielen Anwendungen zu höheren Kosten führen dürften. Aus diesem Grund werden mittel- bis langfristig die prioritären Anwendungsfelder von sauberem Wasserstoff/E-Fuels dort gesehen, wo Wasserstoff als Rohstoff verwendet wird oder wo Energieeffizienzmaßnahmen und direkte Elektrifizierung keine Lösungen darstellen (z. B. Ammoniak- und Stahlherstellung, Schwerlast- und Langstreckenverkehr, Hochtemperaturprozesse, saisonale Stromspeicherung), und wo die Versorgung von Gebäuden mit thermischer Energie oder Fernwärme nicht über Wärmepumpen oder Fernwärmenetze sichergestellt werden kann;

7.

schlägt vor, dass die Kommission die Erzeugungspotentiale für grünen Wasserstoff in der EU, einschließlich in weniger entwickelten NUTS-2-Regionen, und in benachbarten Regionen (z. B. im Nahen Osten und in Nordafrika — MENA) unter besonderer Berücksichtigung der Konkurrenz zur direkten Nutzung des Stroms aus erneuerbaren Energien untersuchen lässt, weil umfassende und detaillierte Kenntnisse der realisierbaren Potentiale für verschiedene Szenarien eine wichtige Grundlage für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft in Europa sind; darüber hinaus könnten die Nutzungsmöglichkeiten von blauem Wasserstoff als Übergangslösung untersucht werden;

8.

empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Förderung einer grünen Wasserstoffwirtschaft in die Aktualisierung ihrer Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) in 2023 aufzunehmen, sowie integrierte nationale Wasserstoffstrategien mit Umsetzungsmaßnahmen in enger Kooperation mit allen Akteuren aufzustellen. Bei der Erarbeitung und Umsetzung dieser Vorhaben sollten die Mitgliedstaaten eng mit den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften (LRG) bzw. ihren nationalen und regionalen Verbänden und der Wissenschaft zusammenarbeiten; es wird empfohlen, dass jeder Mitgliedstaat das Erzeugungspotenzial für grünen Wasserstoff untersucht;

Nachhaltigkeitsaspekte

9.

betont, dass langfristig nur Wasserstoff, der durch die Elektrolyse von Wasser mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird („grüner Wasserstoff“) eine nachhaltige Methode der Wasserstofferzeugung darstellt. Deshalb muss grüner Wasserstoff im Zentrum der Anstrengungen der EU und der Mitgliedstaaten beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft stehen. Bis ausreichende Mengen zur Verfügung stehen, können technologische Übergangslösungen (bspw. blauer Wasserstoff) helfen, die CO2-Emissionen der bestehenden Wasserstofferzeugung zu reduzieren. Dabei ist sicherzustellen, dass der Umstieg auf grünen Wasserstoff nicht behindert wird. Die Übergangslösungen müssen tatsächliche signifikante Vorteile im Hinblick auf Kosten und Umsetzungsgeschwindigkeit gegenüber grünem Wasserstoff bieten und dürfen keine langfristigen Pfadabhängigkeiten schaffen;

10.

hält eine umfassende und transparente Nachhaltigkeitsklassifizierung und -zertifizierung von Wasserstoff/E-Fuels für ebenso erforderlich wie eine flächendeckende und verpflichtende Nutzung der daraus entwickelten Zertifikate. Nur durch anspruchsvoll, klar und differenziert ausgestaltete definierte Zertifikate, die auch eine Unterscheidung zwischen blauem und grünen Wasserstoff ermöglichen, kann sich ein Markt für grünen Wasserstoff entwickeln. Der AdR fordert die Kommission auf, den Prozess zur Klassifizierung von Gasen im Rahmen des Europäischen Forums für Erdgasregulierung (Madrid Forum) engagiert voranzutreiben und zügig einen Vorschlag für ein Klassifizierungs- und Zertifizierungssystem vorzulegen, der im Einklang mit der bestehenden Gesetzgebung zum Nachweis erneuerbarer Energien ist; fordert in diesem Zusammenhang, dass eine Zusammenführung der bestehenden parallelen Systeme der Herkunftsnachweise (Art. 19 EER II) und der Nachhaltigkeitszertifikate (Art. 25-31 EER II) geprüft wird. Die Kommission sollte sich für eine internationale Verbreitung des zu entwickelnden europäischen Systems der Zertifikate/Herkunftsnachweise einsetzen;

Die besondere Rolle der Regionen

11.

betont, dass grüner Wasserstoff die Möglichkeit der dezentralen Erzeugung und Nutzung bietet und damit Teil einer dezentraleren zukünftigen Energieversorgung sein kann, wie sie in der langfristigen Strategie „Ein sauberer Planet für alle“ der Kommission (5) beschrieben und vom AdR (6) unterstützt wird. Grüner Wasserstoff kann die regionale und lokale Entwicklung fördern, weil wichtige Teile der Wertschöpfungskette in den Regionen und Kommunen aufgebaut und damit positive Effekte für Beschäftigung und KMU erzielt werden können; außerdem kann die überschüssige Wärme aus der Erzeugung von grünem Wasserstoff in der lokalen und regionalen Wärmeversorgung genutzt werden und Wasserstoff, der als Nebenprodukt bei bestimmten Prozessen entsteht, im Rahmen der Wasserstoff-Rückgewinnung lokal und regional genutzt werden;

12.

betont ausdrücklich, dass die LRG eine entscheidende Rolle bei der Implementierung der Wasserstoffwirtschaft spielen. Zahlreiche LRG entwickeln Wasserstoffstrategien, Förderprogramme und konkrete Projekte, wie zum Beispiel im Rahmen der „European Hydrogen Valleys Partnership“ (7). Die genaue Kenntnis lokaler Umstände, die Verbindungen zu den Akteuren vor Ort, die Aufsicht über Planungs- und Genehmigungsprozesse und verschiedene regionale und lokale Anreiz- und Fördermöglichkeiten, die öffentliche Beschaffung sowie Kompetenzen in der beruflichen und akademischen Aus- und Weiterbildung machen LRG zu unerlässlichen Akteuren für den Marktaufbau;

13.

betont hierbei, dass die Regionen bei der Entwicklung regionaler Strategien und Förderprogramme für grünen Wasserstoff eine wichtige Vernetzungsfunktion mit Blick auf eine integrierte Entwicklung regionaler Wertschöpfungsketten für grünen Wasserstoff übernehmen können. Die räumliche Nähe von Erzeugung und Nutzung ermöglicht ihnen den Aufbau zunächst regionaler Wasserstoffnetze, die im zeitlichen Verlauf ausgeweitet werden können. Die zentrale großtechnische Erzeugung von Wasserstoff in Industrieclustern kann mit der dezentralen Nachfrage in der Industrie, im Verkehr, im Gebäudesektor und für den Lastausgleich im Umfeld des Industrieclusters auf regionaler, nationaler oder internationaler Ebene (Sektorenkopplung) verknüpft werden. Standorte in Hafennähe könnten dabei besonders attraktiv sein, da sie auf lange Sicht auch für den Import von Wasserstoff/E-Fuels günstig gelegen sind. Der AdR fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, die Entwicklung und Durchführung solcher regionalen Strategien und Programme für Wertschöpfungsketten und Cluster für grünen Wasserstoff zu unterstützen;

Koordination der Marktentwicklung

14.

erinnert daran, dass sich ein Markt für grünen Wasserstoff ohne erhebliche Investitionen, einschließlich der Privatwirtschaft, nicht entwickeln kann. Diese können nur ausgelöst werden, wenn Vertrauen in die langfristige Marktentwicklung besteht. Ambitionierte und verbindliche Ziele, ein klarer Rechtsrahmen, eine explizite Strategie und ein konkreter Fahrplan für grünen Wasserstoff können zum Vertrauensaufbau beitragen;

15.

fordert die Kommission auf, in der angekündigten EU-Wasserstoffstrategie eine EU-weite Vision insbesondere für grünen Wasserstoff für 2030 und 2050 zu formulieren und einen Ausblick auf Anwendungsbereiche von grünem Wasserstoff, seinen Markthochlauf sowie die Förderung von weiterer Innovation unter Berücksichtigung der Empfehlungen dieser Stellungnahme zu geben;

16.

fordert die Kommission auf, mit der EU-Wasserstoffstrategie einen integrierten Fahrplan aus nicht-legislativen und legislativen Maßnahmen zum Aufbau einer europäischen sauberen Wasserstoffwirtschaft und eines Wasserstoff-Binnenmarktes mit einem Fokus auf grünen Wasserstoff vorzulegen, der auf den Empfehlungen dieser Stellungnahme und den Empfehlungen des Strategischen Forums für wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse aufbaut. Die EU-Wasserstoffstrategie sollte ambitionierte Ziele für die Erzeugungskapazitäten von grünem Wasserstoff beinhalten, sich hierfür auf eine Analyse der regionalen Erzeugungspotentiale stützen und einen systematischen Ausbau der Produktion und Verwendung von Wasserstoff mit der Etablierung entsprechender Wertschöpfungsketten fördern. Sie soll zur EU-weiten Koordination der Entwicklung von Angebot, Nachfrage und Infrastruktur sowie der Koordination der regulatorischen Aktivitäten und Förderung auf Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und der LRG beitragen, unter besonderer Berücksichtigung der dargelegten Vernetzungsfunktion von Regionen beim Ausbau der Produktion und der Verwendung von grünem Wasserstoff im Rahmen der Energie- und Grundstoffwende;

17.

sieht die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft als einen Eckpfeiler der vom europäischen Grünen Deal angestrebten nachhaltigen Industriepolitik; gibt zu bedenken, dass die Wasserstoff-Elektrolyse-Technologie im Gigawatt-Maßstab ausgebaut werden muss, damit grüner Wasserstoff konkurrenzfähig wird. Die Elektrolyseur-Herstellung in den EU-Mitgliedstaaten bietet hierbei neue Chancen (Beschäftigungspotenzial) und internationales Exportpotenzial. Der AdR fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, diese zu fördern; hebt die Notwendigkeit hervor, die europäischen Regionen — zusammen mit der Industrie — in die Entwicklung sektorübergreifender Wasserstoffwertschöpfungsketten einzubeziehen, in denen Angebot, Infrastruktur und Nachfrage miteinander verknüpft sind; fordert die Kommission auf, im Rahmen der Umsetzung der neuen Industriestrategie für Europa (8) Leitmärkte für grüne Wasserstofftechnologien und -systeme und deren Einsatz für die klimaneutrale Produktion vor allem in der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie zu fördern; fordert, dass die angekündigte EU-Strategie für sauberen Stahl von der Kommission zügig verabschiedet wird und einen Fokus auf den Einsatz von grünem Wasserstoff legt;

18.

begrüßt ausdrücklich die in der neuen Industriestrategie angekündigte Gründung einer Europäischen Allianz für sauberen Wasserstoff; fordert, dass diese zügig eingerichtet wird, auf grünen Wasserstoff fokussiert und der EU zu einer Vorreiterrolle in dieser Schlüsseltechnologie verhilft, indem sie zur Koordination und zum Wissens- und Erfahrungsaustausch beiträgt; fordert, dass die von der Kommission angekündigte Einbindung von Regionen und von KMU in die Allianz konsequent umgesetzt wird;

19.

weist darauf hin, dass die zunehmende Integration der Sektoren durch die Nutzung der gleichen Energieträger eine verstärkt systemische Betrachtung der Sektoren erfordert; unterstreicht, dass die Strategie für ein integriertes Energiesystem und die EU-Wasserstoffstrategie (9) der Europäischen Kommission die systemische Bedeutung grünen Wasserstoffs im Verhältnis zu anderen Energieformen zur Sektorenintegration wie Strom, erneuerbaren Gasen und E-Fuels im zukünftigen Energie- und Wirtschaftssystem hervorheben müssen. Sie müssen Wege für eine systemdienliche Implementierung aufzeigen, wie durch angepasste und neue Marktregeln zügig ein funktionierender Wasserstoffmarkt entstehen kann, der einerseits eine dynamische Entwicklung der Wasserstoffproduktion und -nutzung ermöglicht und andererseits gut mit dem Strom- und Gasmarkt integriert ist;

Unterstützende Rahmengesetzgebung und Entwicklung der Infrastruktur unter dem europäischen Grünen Deal

20.

betont, dass der dynamische Ausbau der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung das Fundament der Marktentwicklung grünen Wasserstoffs in Europa ist; fordert eine Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EER II) infolge einer Verschärfung der EU-Klimaziele für 2030, wobei insbesondere das EU-Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch entsprechend anzuheben ist; ermutigt die Mitgliedsstaaten und LRG zu ehrgeizigen nationalen, regionalen und lokalen Ausbauzielen für erneuerbare Energien wie der Windenergie und Solarenergie; erwartet, dass die von der Kommission angekündigte Strategie für erneuerbare Offshore-Energien einen Schub für diesen Sektor leistet, u. a. durch die Finanzierung innovativer Projekte für die Offshore-Gewinnung grünen Wasserstoffs;

21.

empfiehlt der Kommission zu prüfen, ob durch die EER II und delegierte Rechtsakte ausreichende Anreize zur Nutzung von E-Fuels auf Basis industrieller CO2-Emissionen beziehungsweise CO2-Abscheidung und -Nutzung (CCU) in einer Übergangsphase gesetzt werden. Dabei ist allerdings sicherzustellen, dass eine doppelte Anrechnung von THG-Emissionsminderungen ebenso vermieden wird wie eine vollständige Anrechnung der E-Fuels als „erneuerbar“;

22.

fordert außerdem eine zügige Erarbeitung delegierter Rechtsakte nach der EER II, die Klarheit schaffen hinsichtlich der Klassifizierung von Netzstrom zur Herstellung von Wasserstoff (Art. 27 EER II) und Mindestanforderungen an die THG-Emissionsminderung synthetischer Kraftstoffe (Art. 25 EER II);

23.

betont, dass bei der Nutzung von Netzstrom zur Wasserstoffherstellung ein netz- und systemdienlicher Betrieb der Elektrolyse sichergestellt werden sollte (Demand Side Management); fordert, in der EU-Wasserstoffstrategie und in den Wasserstoffstrategien auf nationaler und regionaler Ebene die Schaffung zusätzlicher Erzeugungskapazität von Grünstrom für die Elektrolyse einzuplanen;

24.

weist darauf hin, dass die Internalisierung externer Kosten faire Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Energieträger schafft und die wirtschaftliche Attraktivität grünen Wasserstoffs erhöht; unterstützt deshalb eine umfassende Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie zum Zweck der Harmonisierung der Energiebesteuerung mit den Zielen des europäischen Grünen Deals und der Aufnahme von Wasserstoff und E-Fuels in den Geltungsbereich der Richtlinie; ermuntert die Mitgliedsstaaten, die bereits vorhandenen Spielräume für eine umweltgerechte Besteuerung zu nutzen und zusätzliche Einnahmen für eine Reduzierung der Abgabenlast auf CO2-armen Strom zu verwenden;

25.

betont, dass das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) wichtige Anreize für THG-Emissionsminderungen in der energieintensiven Industrie (z. B. Chemie- und Stahlindustrie) setzt, für die grüner Wasserstoff eine zentrale Dekarbonisierungsoption darstellt. Die Überarbeitung der Emissionshandelsrichtlinie sollte den neuen Klimazielen für 2030 z. B. durch Erhöhen des linearen Reduktionsfaktors Rechnung tragen. Die Investitionssicherheit könnte erhöht werden, indem das EU-EHS um einen Mindestpreis ergänzt wird;

26.

unterstützt die Entwicklung eines geeigneten, WTO-konformen Grenzausgleichssystems für CO2-Emissionen (10) für aus Drittstaaten eingeführte Produkte, deren Herstellung mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist und die in starkem internationalem Wettbewerb stehen. Ein solches System könnte in Verbindung mit einem angepassten EU-EHS Anreize zur Nutzung grünen Wasserstoffs in der energieintensiven Industrie setzen;

27.

fordert die Kommission auf, die Verordnung über die transeuropäische Energieinfrastruktur (TEN-E) (11) und die EU-Vorschriften für den europäischen Gasmarkt, vorrangig die EU-Gasrichtlinie 2009/73/EG (12), so zu überarbeiten, dass eine dynamische Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft mit einem EU-weiten Transport von Wasserstoff möglich wird. Dies umfasst beispielsweise die Definition einheitlicher und klarer Standards (z. B. zulässiger Anteil von Wasserstoff im Erdgasnetz), die entsprechende Anpassung der Vorgaben für Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCI) nach TEN-E, die koordinierte Planung von Strom- und Gasinfrastruktur, die Umwidmung bestehender Gasinfrastruktur sowie die Formulierung eindeutiger Regeln für die Einspeisung von zertifiziertem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ins Erdgasnetz. Auch bedarf es einer Erarbeitung der regulatorischen Grundlagen für öffentliche Wasserstoffnetze mit einem diskriminierungsfreien Netzzugang. Der AdR weist darauf hin, dass der Auf- und Ausbau dezidierter Wasserstoffnetze eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass Wasserstoff den prioritären Anwendungen in Reinform zur Verfügung steht, für die es keine absehbaren Alternativen zu Wasserstoff gibt;

28.

ist der Ansicht, dass CO2-arme Antriebstechnologien für LKW, Reisebusse und Binnenschiffe wie Elektromotoren, die durch Wasserstoffbrennstoffzellen oder über Oberleitungen mit Strom versorgt werden, durch die Revision der Verordnung über das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) einen deutlich höheren Stellenwert bekommen sollten. Der Aufbau der entsprechenden Infrastruktur zunächst entlang der Kernnetzkorridore ist eine Voraussetzung für die Verbreitung dieser Technologien. Die Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) sollte dafür ausreichende Finanzmittel bereitstellen. Die Überarbeitung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe bietet die Möglichkeit, konkrete Anforderungen an die Dichte des Wasserstoff-Tankstellennetzes innerhalb der Mitgliedstaaten zu stellen;

29.

fordert die Kommission auf, die Förderung für die Schaffung von Leitungsinfrastruktur für den Transport von Wasserstoff (Bau neuer Leitungen bzw. Umrüstung bestehender Erdgastransportleitungen) und für die Schaffung von Speicherinfrastruktur zu ermöglichen; betont, dass die Entwicklung und Finanzierung einer grenzüberschreitenden Wasserstoffinfrastruktur zwischen Industrieclustern wirtschaftliche Chancen bietet. Dabei ist die Zusammenarbeit mit anderen Sektoren, die neue Energieinfrastrukturen benötigen, aus Gründen der Raumplanung und Kostenwirksamkeit ratsam;

30.

fordert die Kommission auf, im Rahmen ihrer angekündigten Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität den Einsatz von grünem Wasserstoff und E-Fuels als Ergänzung zur elektrischen Mobilität in den Bereichen Schwerlastverkehr, öffentlicher Personenverkehr, Schiffsverkehr und Luftverkehr zu priorisieren. Hierfür bedarf es eines klaren und verlässlichen Fahrplanes und eines europäischen Rechtsrahmens, der es erlaubt, den Einsatz von emissionsarmen Fahrzeugen innerhalb der bestehenden Mautsysteme zu fördern;

Förderung durch finanzielle und regulatorische Maßnahmen sowie staatliche Beihilfen

31.

betont, dass der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft, insbesondere der Ausbau der Erzeugung, durch öffentliche Mittel gefördert werden muss, da grüner Wasserstoff derzeit nicht wirtschaftlich ist; weist darauf hin, dass die Überarbeitung der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen die Spielräume für Förderinstrumente erhalten bzw. ausbauen sollte, um eine Stimulation der frühen Marktentwicklung zu ermöglichen;

32.

erinnert daran, dass bei der Erzeugung grünen Wasserstoffs sowohl Investitions- als auch Stromkosten relevante Kostenbestandteile darstellen. Grundsätzlich stehen sowohl angebots- als auch nachfrageseitige Instrumente zur Förderung der Erzeugung grünen Wasserstoffs zur Verfügung, die je nach Ausgestaltung ähnliche Wirkungen erzielen können. Investitionszuschüsse und Einspeiseprämien sind mögliche angebotsseitige Instrumente. Der AdR betont, dass Erfahrungen im Stromsektor gezeigt haben, dass über einen gewissen Zeitraum garantierte Erlöse einen Ausbau von Erzeugungskapazität ermöglichen können. Um dennoch Wettbewerbsdruck zu erzeugen, können sowohl Einspeiseprämien als auch Investitionszuschüsse von Beginn an ausgeschrieben werden;

33.

hebt hervor, dass durch regulatorische Maßnahmen eine Nachfrage nach grünem Wasserstoff in bestimmten Sektoren oder Anwendungsfeldern generiert werden kann, die wiederum den Ausbau der Erzeugung anreizt. THG-Emissionsreduktionsziele in den relevanten Sektoren können in Verbindung mit Instrumenten wie verbindlichen Beimischungsquoten (z. B. Luft- und Seeverkehr), THG-Minderungsquoten für Inverkehrbringer von Kraftstoffen oder CO2-Flottengrenzwerten (z. B. für LKW, Reisebusse oder Binnenschiffe) eine zuverlässige Nachfrage nach grünem Wasserstoff bzw. E-Fuels erzeugen. In diesem Zusammenhang fordert der AdR die Mitgliedstaaten auf, bei der Umsetzung der EER II die bereits bestehenden gesetzlichen Spielräume zur Förderung von grünem Wasserstoff/E-Fuels zu nutzen; Eine Alternative für Anwendungen, die bereits heute große Mengen Wasserstoff benötigen, könnten sogenannte „Carbon Contracts for Difference“ (CCfD) sein, die die Differenz zwischen tatsächlichen THG-Vermeidungskosten der Anwender und dem aktuellen CO2-Preis ausgleichen;

34.

weist darauf hin, dass auch die öffentliche Beschaffung eine spürbare und planbare Nachfrage erzeugen kann. LRG können hier eine wichtige Rolle spielen, da sich Fahrzeugflotten von Kommunen und kommunalen Unternehmen (z. B. Straßenreinigung, Entsorgung, ÖPNV, Taxidienste) zunehmend als interessante Anwendungsfälle für grünen Wasserstoff und andere klimaneutrale Antriebstechnologien erweisen;

35.

begrüßt die Initiativen zur Schaffung von wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) für grünen Wasserstoff; ermuntert die Kommission, den Rechtsrahmen für IPCEI-Projekte für grünen Wasserstoff zu schaffen, und die Mitgliedstaaten, hiervon anschließend Gebrauch zu machen, um so den Weg für großskalige Demonstrationsprojekte zu ebnen. Dabei sollte insbesondere auf die Nutzung von Synergien zwischen den verschiedenen IPCEI-Projekten für Wasserstoff geachtet werden, um bei der Entwicklung der Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff das Henne-Ei-Problem zu vermeiden;

36.

fordert eine Ausweitung der Förderung von Demonstrationsvorhaben für grünen Wasserstoff durch den aus dem EU-EHS gespeisten Innovationsfonds und den Modernisierungsfonds und die gezielte Förderung von grünem Wasserstoff durch das Programm „InvestEU“; ermutigt die Mitgliedstaaten und Regionen, in der kommenden Förderperiode die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) einschließlich Interreg für den Aufbau und die Stärkung regionaler und lokaler sowie regionsübergreifender Wasserstoffcluster mit zu nutzen; betont die Notwendigkeit, auf allen Ebenen Synergien zwischen diesen Förderungen, IPCEI, CEF und der Forschungsförderung zu erzielen;

37.

begrüßt die von der Europäischen Investitionsbank (EIB) beschlossene neue Finanzierungspolitik im Energiesektor einschließlich der Gestaltung neuer Finanzierungsansätze unter dem InnovFin-Beratungsprogramm; fordert hierbei eine bedeutende Förderung durch die EIB von grünen Wasserstoff mit Finanzierungsansätzen, von denen auch KMU und LRG bzw. ihre Förderbanken profitieren;

38.

ist der Ansicht, dass eine zentrale Anlaufstelle (One-Stop-Shop) auf EU-Ebene die Zugänglichkeit zur Projektförderung für Unternehmen, einschließlich KMU, und für Regionen und Städte erheblich erleichtern könnte;

39.

empfiehlt den Mitgliedsstaaten, in enger Kooperation mit den LRG bzw. ihren nationalen und regionalen Verbänden die EU-Förderung durch nationale Programme für größer skalierte Demonstrationsprojekte und Reallabore sowie zur nationalen Vernetzung und zum Austausch von Wasserstoffregionen zu ergänzen;

40.

betont, dass langfristige Signale erforderlich sind, um Finanz- und Kapitalströme des Privatsektors auf Investitionen in eine grüne Wende mit einer grünen Wasserstoffwirtschaft zu lenken, auch zugunsten innovativer KMU; erwartet diesbezüglich Unterstützung von der Kommission in der angekündigten Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen;

Forschung und Innovation

41.

betont, dass auch während der großskaligen Implementierung von Erzeugung und Anwendung grünen Wasserstoffs Forschung und Innovation eine entscheidende Rolle spielen. Sie müssen darauf ausgerichtet sein, die Kosten in allen Teilen der Wertschöpfungskette zu senken, sowie die Regelbarkeit, Effizienz und Lebensdauer der Anlagen zu verbessern. Der AdR empfiehlt deshalb im Rahmen des Programms Horizont Europa einschließlich seiner Aufgaben im Rahmen des Grünen Deals („Green Deal Missions“), des SET-Planes und des Europäischen Innovationsrates (EIC) einen expliziten Fokus auf grünen Wasserstoff zu legen;

42.

begrüßt den Vorschlag der Kommission, eine Europäische Partnerschaft für sauberen Wasserstoff im Rahmen von Horizont Europa als Nachfolge des Gemeinsamen Unternehmens „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ (FCH JU) zu implementieren (13); empfiehlt, die finanzielle Ausstattung sowie den Mechanismus und die Struktur der Partnerschaft im Vergleich zum FCH JU zu verbessern und dabei die besondere Bedeutung der LRG gebührend zu berücksichtigen, um mehr Demonstrationsvorhaben für grünen Wasserstoff in der EU einschließlich im Rahmen der „European Hydrogen Valleys Partnership“ unterstützen zu können; betont, dass die Verbesserung des Wissens- und Erfahrungsaustauschs zwischen den Regionen, zwischen den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten und den LRG, aber auch zwischen Unternehmen ein wichtiges Ziel der Partnerschaft sein muss;

43.

ermutigt die Mitgliedstaaten und die LRG, im Rahmen ihrer Kompetenzen für die Hochschul- und berufliche Bildung die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte und Wissenschaftler entlang der gesamten Wertschöpfungskette von grünem Wasserstoff zu fördern. Darüber hinaus sollten sie entsprechende Beratungsdienstleistungen insbesondere für KMU etablieren und verbessern. Der AdR fordert die Kommission auf, entsprechende Bemühungen insbesondere im Rahmen des in der neuen Industriestrategie für Europa (14) angekündigten neuen europäischen „Kompetenzpakts“ und des europäischen Bildungsraumes zu unterstützen;

Internationale Dimension

44.

weist darauf hin, dass langfristig ein bedeutender Teil der Nachfrage nach Wasserstoff/E-Fuels wahrscheinlich durch Importe aus Regionen mit sehr guten erneuerbaren Ressourcen gedeckt werden wird; hierbei müssen für importierten Wasserstoff/E-Fuels gleichermaßen anspruchsvolle Nachhaltigkeitskriterien gelten; empfiehlt, die Erzeugung von grünem Wasserstoffs/E-Fuels in Drittstaaten und den Transport in die EU im geforderten Fahrplan für grünen Wasserstoff zu berücksichtigen; ermutigt außerdem die Kommission, frühzeitig Kooperationen mit potentiellen Exportländern, aber auch anderen Importländern (z. B. Japan) aufzubauen, um einen koordinierten Aufbau einer internationalen sauberen Wasserstoffwirtschaft mit einem Fokus auf grünen Wasserstoff zu unterstützen. Ergänzend sollten einschlägige internationale Initiativen wie die Wasserstoffinitiative des „Clean Energy Ministerial“-Forums und die Forschungsinitiative „Mission Innovation“ gestärkt werden. Wie im Falle der „European Hydrogen Valleys Partnership“ bereits geschehen, sollten auch hier LRG eingebunden werden.

Brüssel, den 2. Juli 2020

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Europäisches Klimagesetz) (COM(2020) 80 final).

(2)  Mitteilung der Kommission — Der europäische Grüne Deal (COM(2019) 640 final).

(3)  Siehe Fahrplan — Ares(2020)2722353.

(4)  Im Weiteren wird für synthetische Kraft- und Brennstoffe vereinfachend der Begriff „E-Fuels“ verwendet.

(5)  COM(2018) 773 final.

(6)  Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Umsetzung des Übereinkommens von Paris durch eine innovative und nachhaltige Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene (ABl. C 39 vom 5.2.2020, S. 72); Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — Ein sauberer Planet für alle — Eine Europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft (ABl. C 404 vom 29.11.2019, S. 58).

(7)  Unter dem Dach der „Smart Specialisation Platform“ (S3P).

(8)  COM(2020) 102 final.

(9)  Siehe den Fahrplan der Europäischen Kommission, Ares(2020)2722353 (nur in englischer Sprache).

(10)  Siehe Folgenabschätzung in der Anfangsphase, Ares(2020)1350037.

(11)  Siehe Folgenabschätzung in der Anfangsphase, Ares(2020)2487772.

(12)  Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 94).

(13)  Siehe Folgenabschätzung in der Anfangsphase, Ares(2019)4972390.

(14)  COM(2020) 102 final.