20.10.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 425/132


P9_TA(2020)0330

Lage in Äthiopien

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zur Lage in Äthiopien (2020/2881(RSP))

(2021/C 425/14)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten Josep Borrell vom 9. November 2020 zu den jüngsten Entwicklungen in Äthiopien,

unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten Josep Borrell und des für Krisenmanagement zuständigen Kommissionsmitglieds Janez Lenarčič vom 12. November 2020 zu Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung des für Krisenmanagement zuständigen Kommissionsmitglieds Janez Lenarčič vom 19. November 2020 zum Thema „Tigray conflict: EU humanitarian support to Ethiopian refugees reaching Sudan“ (Tigray-Konflikt: humanitäre Hilfe der EU für äthiopische Flüchtlinge im Sudan),

unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 4. November 2020,

unter Hinweis auf die Erklärungen der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, vom 6. und 13. November 2020 zum Thema Tigray,

unter Hinweis auf die informellen Gespräche im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vom 24. November 2020 über den anhaltenden Konflikt in der äthiopischen Region Tigray,

unter Hinweis auf den am 11. November 2020 herausgegebenen Lagebericht des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zu Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzenden der Kommission der Afrikanischen Union, S.E. Moussa Faki Mahamat, vom 9. November 2020 zur Lage in Äthiopien,

unter Hinweis auf die Erklärung der Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU vom 9. November 2020,

unter Hinweis auf die Erklärung der Außenminister der EU-Mitgliedstaaten vom 19. November 2020,

unter Hinweis auf die Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, die am 8. Dezember 1994 angenommen wurde, und insbesondere auf deren Bestimmungen in Kapitel III über Grundrechte und Grundfreiheiten, Menschenrechte und demokratische Rechte,

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Regierungsführung,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte,

unter Hinweis auf die zweite Überarbeitung des Cotonou-Abkommens,

gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass der derzeitige bewaffnete Konflikt zwischen der Bundesregierung Äthiopiens und der Regionalverwaltung von Tigray unter Führung der Volksbefreiungsfront von Tigray („Tigray People’s Liberation Front“ — TPLF) Hunderte von zivilen Todesopfern und Massenvertreibungen zur Folge hatte;

B.

in der Erwägung, dass die äthiopische Regierung am 4. November 2020 den Ausnahmezustand ausrief und am Tag nach einem gemeldeten Angriff der TPLF auf die Militärbasis der Bundesregierung in der Region Tigray militärische Operationen im Norden dieser Region einleitete; in der Erwägung, dass es seither zu bewaffneten Konfrontationen zwischen den Bundesstreitkräften (Bundesarmee, Spezialkräfte der Polizei und lokale Milizen in der Region Amhara) auf der einen Seite und regionalen Kräften (Spezialkräfte der Polizei und Milizen in der Region Tigray), die der TPLF loyal gegenüberstehen, auf der anderen Seite kam;

C.

in der Erwägung, dass sich die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Wohlfahrtspartei (PP) und der TPLF weiter verschärften, als die Bundesregierung die für Mai 2020 anberaumten nationalen Wahlen aufgrund der COVID-19-Krise verschob;

D.

in der Erwägung, dass die von der TPLF angeführte Regionalverwaltung in Tigray im September 2020 ihre eigene Wahl abhielt, die von der äthiopischen Regierung für illegal erklärt wurde, da ihre Amtszeit im September 2020 enden sollte; in der Erwägung, dass das Bundesparlament den Wahlprozess in der Region Tigray als illegal erachtete; in der Erwägung, dass die Verwaltung von Tigray angekündigt hat, die Bundesverwaltung bzw. ihre Gesetze nicht länger anzuerkennen; in der Erwägung, dass das Bundesparlament die TPLF am 3. November 2020 zu einer „terroristischen Vereinigung“ erklärte;

E.

in der Erwägung, dass sich die TPLF am 8. November 2020 an die Afrikanische Union gewandt hat, um die Aufnahme von Gesprächen vorzuschlagen, die Bundesregierung jedoch jegliche Verhandlungen mit der TPLF ausgeschlossen und internationale Aufrufe zu Dialog und Vermittlung mit dem Argument abgelehnt hat, dass es sich beim Tigray-Konflikt um eine interne Angelegenheit handele, die nicht auf internationaler Bühne behandelt werden sollte; in der Erwägung, dass die EU ihre Unterstützung angeboten hat, um zu einer Deeskalation der Spannungen, einer Rückkehr zum Dialog und zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit in ganz Äthiopien beizutragen;

F.

in der Erwägung, dass Abiy Ahmed im Jahr 2018 ein historisches Friedensabkommen mit Eritrea erzielte, durch das die über ein Jahrzehnt währende Aussetzung der diplomatischen und handelspolitischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgehoben wurde; in der Erwägung, dass die Regierung Abiy bedeutende Schritte unternommen hat, um Journalisten und politische Gefangene freizulassen, zuvor verbotenen Oppositionsgruppen die Arbeit zu ermöglichen und neue Gesetze über zivilgesellschaftliche Organisationen und die Bekämpfung von Terrorismus zu erlassen; in der Erwägung, dass die Regierung unlängst aufgrund der Inhaftierung von Oppositionspolitikern in die Kritik geriet; in der Erwägung, dass nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Verabschiedung eines neuen Gesetzes bestehen, mit dem Hassreden und Desinformation eingedämmt werden sollen, durch das allerdings die Meinungsfreiheit beeinträchtigt werden kann;

G.

in der Erwägung, dass einige politische Gruppierungen, die mit äthiopischen Volksgruppen in Verbindung stehen und sich durch das föderalistische Regierungssystem Äthiopiens an den Rand gedrängt fühlen, anführen, dass dieses System zu Günstlingswirtschaft und Diskriminierung auf ethnischer Basis geführt hat;

H.

in der Erwägung, dass es im Juni 2020 nach dem Tod von Hachalu Hundessa, einem Sänger und Aktivisten aus der Region Oromo, zu weit verbreiteten Ausbrüchen von Gewalt kam, wobei Hunderte von Menschen getötet und inhaftiert wurden; in der Erwägung, dass am 1. November 2020 über 50 Amharen bei Angriffen auf drei Dörfer getötet wurden, die weithin als ethnisch motiviert angesehen werden und möglicherweise von der Oromo-Befreiungsarmee (OLA), einer abtrünnigen Miliz der Oromo-Befreiungsfront (OLF), durchgeführt wurden;

I.

in der Erwägung, dass die äthiopischen Staatsorgane nach Angaben der Nationalen Amhara-Bewegung friedliche Proteste gegen ethnisch motivierte Tötungen, die am 28. Oktober 2020 abgehalten werden sollten, untersagt haben;

J.

in der Erwägung, dass es nach Angaben von internationalen Menschenrechtsorganisationen seit Beginn des Konflikts mehrere Zwischenfälle in verschiedenen Teilen von Tigray gegeben hat, bei denen wahllos Zivilisten getötet wurden, darunter ein Massaker in der Nacht vom 9. November 2020 in Mai-Kadra in der Region Tigray, bei dem die Tötung von Hunderten von Zivilisten ein Kriegsverbrechen sein könnte;

K.

in der Erwägung, dass nach Angaben von internationalen Menschenrechtsorganisationen anderswo im Land ansässige Bewohner von Tigray ihre Arbeit verloren haben und daran gehindert wurden, ins Ausland zu fliegen; in der Erwägung, dass es Berichte von körperlicher und digitaler Überwachung sowie von Massenfestnahmen und -inhaftierungen gibt;

L.

in der Erwägung, dass der Präsident von Tigray bestätigt hat, dass seine Streitkräfte Raketen auf den Flughafen von Eritrea in Asmara abgefeuert haben;

M.

in der Erwägung, dass die tödlichen Kämpfe zwischen den äthiopischen föderalen Streitkräften und der TPLF internationale Bedenken hinsichtlich der Risiken aufgeworfen haben, die mit einer Verschärfung der gegenwärtigen Sicherheitslage oder der Auslösung ähnlicher Situationen in Äthiopien einhergehen, was Auswirkungen auf die Nachbarländer haben und möglicherweise die gesamte Region am Horn von Afrika destabilisieren könnte; in der Erwägung, dass Äthiopien Truppen aus Somalia abgezogen hat, die islamistische Aufständische bekämpft haben; in der Erwägung, dass die kenianischen Staatsorgane die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze zu Äthiopien aus Angst vor eskalierenden Spannungen erhöht haben;

N.

in der Erwägung, dass der im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der EU für Äthiopien ausgegebene Betrag von 815 Mio. EUR für den Zeitraum 2014–2020 zu den größten weltweit gehört; in der Erwägung, dass Äthiopien darüber hinaus zu den wichtigsten Empfänger des Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika gehört, wobei sich die Mittel im Zeitraum 2015–2019 auf über 271,5 Mio. EUR beliefen; in der Erwägung, dass die EU im Jahr 2020 44,29 Mio. EUR für humanitäre Projekte in Äthiopien zur Verfügung stellt, indem sie die Bereitstellung lebensrettender Hilfe für Binnenvertriebene unterstützt, die durch Gewalt oder Naturkatastrophen entwurzelt wurden;

O.

in der Erwägung, dass das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) einen Zugang zur Region Tigray gefordert hat, die seit Beginn der Kämpfe weiterhin vollständig isoliert ist (die Internet- und Telefonverbindungen wurden unterbrochen); in der Erwägung, dass durch die fehlende Stromversorgung und Telekommunikation sowie durch den mangelnden Zugang zu Brennstoffen und Bargeld nach Angaben des UNHCR jegliche Maßnahmen zur humanitären Hilfe in Tigray und im übrigen Äthiopien beeinträchtigt werden, auch was die Versorgung bzw. Bergung der Personen, die bei den Kämpfen verwundet und getötet wurden, betrifft;

P.

in der Erwägung, dass bereits vor Beginn der Kämpfe 15,2 Millionen Menschen in Äthiopien auf humanitäre Hilfe angewiesen waren, davon zwei Millionen Menschen in der Region Tigray; in der Erwägung, dass die Region Tigray mit über 6 Millionen Einwohnern in Äthiopien in Bezug auf die Bevölkerungszahl an fünfter Stelle liegt und 100 000 Binnenvertriebene und 96 000 eritreische Flüchtlinge aufgenommen hat; in der Erwägung, dass es in der Region mehrere bedeutende Flüchtlingslager gibt, wobei nach Angaben von nichtstaatlichen Organisationen 44 % der dortigen Bewohner Kinder sind;

Q.

in der Erwägung, dass Äthiopien das Cotonou-Abkommen unterzeichnet hat, in dessen Artikel 96 festgelegt ist, dass die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein wesentlicher Bestandteil der Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EU ist;

R.

in der Erwägung, dass die Kämpfe Tausende von Toten und Verletzten auf beiden Seiten sowie schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zur Folge hatten; in der Erwägung, dass dem UNHCR zufolge bis zum 22. November 2020 mehr als 38 500 Flüchtlinge vor dem Konflikt geflohen waren und die Grenze zum Sudan überquert hatten; in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen vor einer „weitreichenden humanitären Krise“ warnen und ihre Organisationen sich auf die mögliche Ankunft von 200 000 Flüchtlingen über einen Zeitraum von sechs Monaten einstellen; in der Erwägung, dass die Kämpfe auch zur Binnenvertreibung der Bevölkerung führen; in der Erwägung, dass das UNHCR die beiden Konfliktparteien bereits aufgefordert hat, Korridore zu öffnen, damit Menschen ausreisen können und gleichzeitig Versorgungsgüter eingeführt werden können; in der Erwägung, dass internationale humanitäre Organisationen vor Ort schlecht ausgestattet sind und Engpässe bei den Versorgungsgütern bestehen, die benötigt werden, um neu ankommende Flüchtlinge und Opfer von Gewalt zu behandeln; in der Erwägung, dass die Organisationen der Vereinten Nationen unmittelbare Finanzierung in Höhe von 50 Mio. USD für die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und die Einrichtung neuer Lager benötigen; in der Erwägung, dass die Kommission zunächst eine Soforthilfe in Höhe von 4 Mio. EUR bereitstellt, um die im Sudan ankommenden Vertriebenen zu unterstützen;

1.

ist zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Äthiopien, einschließlich der anhaltenden Gewalt und der Vorwürfe, dass schwerwiegende Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte begangen werden; bedauert den derzeitigen bewaffneten Konflikt zwischen der Bundesregierung Äthiopiens und der Regionalverwaltung Tigrays unter der Führung der TPLF; fordert beide Parteien auf, sich zu einer sofortigen Waffenruhe zu verpflichten, politische Meinungsverschiedenheiten mit demokratischen Mitteln im Rahmen der Verfassung des Landes beizulegen, um eine dauerhafte friedliche Lösung zu finden, einen Mechanismus zur Überwachung der Waffenruhe einzurichten und durch einen inklusiven Dialog auf die Schaffung eines nationalen Konsenses hinzuarbeiten;

2.

bringt seine Solidarität mit den Opfern und den Familien der Betroffenen zum Ausdruck; bedauert den Verlust von Menschenleben, die Tötung unschuldiger Zivilisten und die außergerichtlichen Tötungen, unabhängig davon, von wem sie verübt werden;

3.

fordert die Zentralregierung Äthiopiens und die TPLF auf, unverzüglich Maßnahmen zur Deeskalation des Konflikts zu ergreifen; fordert nachdrücklich, dass alle Akteure in Bezug auf Sicherheit strikt einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz verfolgen;

4.

bedauert, dass der Zugang für humanitäre Helfer derzeit stark eingeschränkt ist; fordert die äthiopische Regierung auf, humanitären Organisationen sofortigen und uneingeschränkten Zugang zu den Konfliktgebieten zu gewähren, um humanitäre Hilfe sicherzustellen; warnt vor der Gefahr einer schweren humanitären Krise im Land sowie in den Nachbarstaaten und in der gesamten Region;

5.

nimmt mit Besorgnis das Ultimatum von Premierministers Abiy an die Kräfte von Tigray zur Kenntnis, in dem dieser sie nachdrücklich auffordert, sich zu ergeben, und erklärt, dass andernfalls eine Militäroperation gegen die Regionalhauptstadt Mek’ele durchgeführt werde;

6.

weist darauf hin, dass vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten Kriegsverbrechen darstellen; fordert die Kräfte auf beiden Seiten auf, die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu achten und den Schutz der Menschen in den betroffenen Gebieten sicherzustellen; fordert alle Konfliktparteien und die regionalen Regierungen nachdrücklich auf, den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten und den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung jederzeit sicherzustellen und zu ermöglichen;

7.

stellt mit großer Besorgnis fest, dass die Spannungen und die Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen in Äthiopien zunehmen; hält es für äußerst wichtig, dass die Regierungen von Äthiopien und Tigray verantwortungsvolle Führung unter Beweis stellen, indem sie ein inklusives politisches Umfeld für alle Akteure und ethnischen Gruppen fördern;

8.

fordert die Bundesbehörden nachdrücklich auf, der Praxis der willkürlichen Festnahme und Überwachung oder sonstigen Verfolgung ethnischer Gruppen ein Ende zu setzen; fordert die äthiopischen Staatsorgane auf, entschiedene Maßnahmen gegen jegliches ethnisches Profiling zu ergreifen und den Schutz ethnischer Minderheiten im ganzen Land sicherzustellen; fordert die äthiopische Regierung auf, Reformen durchzuführen, durch die die Menschenrechte geschützt werden und der gleichberechtigte Zugang aller ethnischen Gruppen zu staatlichen Diensten und Ressourcen sichergestellt wird;

9.

ist zutiefst besorgt über die zunehmende Verbreitung von Falschinformationen und die Verwendung von Hassreden, wodurch ethnische Gruppen gegeneinander aufgehetzt werden, um den derzeitigen Konflikt in Tigray zu schüren; fordert alle Konfliktparteien auf, sowohl online als auch offline von hetzerischer Sprache und Hassreden abzusehen; fordert die nationalen und lokalen Regierungen, Medienorganisationen und die Öffentlichkeit nachdrücklich auf, davon abzusehen, zu Gewalt, Diskriminierung oder Feindseligkeit gegenüber gefährdeten Bevölkerungsgruppen anzustacheln;

10.

fordert die Nachbarstaaten Äthiopiens, darunter Eritrea, sowie andere Staaten in der gesamten Region, wie die Länder im Nilbecken, auf, von allen politischen und militärischen Handlungen abzusehen, die den Konflikt schüren könnten; betont, dass andernfalls die gesamte Region destabilisiert werden könnte, was katastrophale Folgen für Frieden und Sicherheit in der Welt hätte; betont die entscheidende Rolle, die die Nachbarstaaten Äthiopiens bei der Bereitstellung diplomatischer Unterstützung im Hinblick auf die Deeskalation des Konflikts spielen können;

11.

bekundet seine uneingeschränkte Unterstützung für Vermittlungs- und Deeskalationsbemühungen unter der Leitung der Afrikanischen Union (AU), die vom südafrikanischen Vorsitz der AU eingeleitet wurden, insbesondere die Ernennung von drei Sondergesandten der AU, und fordert alle beteiligten Parteien auf, aktiv mitzuarbeiten und sich an den Vermittlungsbemühungen der AU zu beteiligen; fordert die äthiopischen Staatsorgane auf, mit den Bemühungen internationaler Organisationen wie der Afrikanischen Union, der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde (IGAD) und der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, um in einen inklusiven Dialog einzutreten, damit Frieden, Sicherheit und Stabilität im Land und in der Region verwirklicht werden;

12.

ist zutiefst besorgt über die De-facto-Kommunikationssperre in der Region Tigray im Norden des Landes; fordert die äthiopische Regierung nachdrücklich auf, als Akt der Rechenschaftspflicht und Transparenz für ihre Militäroperationen in der Region alle Formen der Kommunikation mit Tigray wiederherzustellen und eine freie Kommunikation zwischen den Menschen in Tigray zu ermöglichen; betont die Bedeutung und Notwendigkeit des Zugangs zu Informationen, sowohl online als auch offline, da das Recht aller Menschen auf Information und auf Zugang zu Informationen in Krisensituationen besonders wichtig ist; fordert nachdrücklich, dass eine unabhängige Berichterstattung über die Lage zugelassen wird; erachtet es als äußerst wichtig, unabhängigen Medien unverzüglich Zugang zu Tigray zu gewähren; fordert die Regierung Äthiopiens eindringlich auf, die freie Meinungsäußerung und die Vereinigungs- und Pressefreiheit, die in der äthiopischen Verfassung garantiert werden, uneingeschränkt zu achten und zu Unrecht inhaftierte Journalisten und Blogger freizulassen; ist fest davon überzeugt, dass friedliche Proteste zur Demokratie gehören und dass unter allen Umständen davon Abstand genommen werden sollte, mit übermäßiger Gewalt darauf zu reagieren;

13.

fordert alle Konfliktparteien auf, dafür zu sorgen, dass sich die Zivilbevölkerung sicher und frei bewegen kann und dass das Recht auf Versammlungsfreiheit gewahrt bleibt;

14.

fordert alle am Konflikt in der Region Tigray im Norden des Landes beteiligten Parteien auf, ungehinderten Zugang für unabhängige Menschenrechtsbeobachter zu gewährleisten, damit die internationalen Menschenrechtsstandards eingehalten werden; fordert alle Konfliktparteien auf, eng mit den einschlägigen Akteuren zusammenzuarbeiten, um eine transparente Untersuchung des Massakers in Mai-Kadra durchzuführen, und fordert, dass die für dieses Verbrechen Verantwortlichen unverzüglich zur Rechenschaft gezogen und strafrechtlich verfolgt werden;

15.

fordert die äthiopischen Bundesbehörden auf, alle Tötungen und Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der Anwendung übermäßiger Gewalt, willkürlicher Verhaftungen und Verschleppungen, gründlich, unabhängig, wirksam und unparteiisch zu untersuchen, und fordert die Behörden von Tigray auf, bei diesen Ermittlungen mitzuwirken; fordert alle staatlichen Stellen Äthiopiens auf, aktiv gegen Straflosigkeit vorzugehen; weist die äthiopische Regierung darauf hin, dass sie nach der Afrikanischen Charta und anderen internationalen und regionalen Menschenrechtsnormen einschließlich des Cotonou-Abkommens dazu verpflichtet ist, die Achtung der Grundrechte zu garantieren, wozu auch der Zugang zur Justiz und das Recht auf ein faires und unabhängiges Verfahren gehören; fordert die äthiopischen Staatsorgane nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die faire und unparteiische Rechtsstaatlichkeit in ganz Äthiopien geachtet und gewahrt wird;

16.

fordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den humanitären Hilfsorganisationen der EU und dem UNHCR und fordert das UNHCR auf, die Flüchtlinge, die vor dieser Krise geflohen sind, weiterhin zu unterstützen, auch in der Nähe der Gebiete, aus denen sie geflohen sind; erinnert daran, dass die äthiopische Regierung für die Sicherheit der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen auf ihrem Hoheitsgebiet verantwortlich ist; weist darauf hin, dass mehr als 96 000 eritreische Flüchtlinge überwiegend in Flüchtlingslagern in der Region Tigray Zuflucht gefunden haben; schließt sich den an die internationale Gemeinschaft und humanitäre Organisationen gerichteten Appellen an, die Hilfeleistungen für Flüchtlinge und Vertriebene aufzustocken;

17.

fordert die EU und ihre Partner auf, die sudanesische Regierung und die lokalen Behörden dabei zu unterstützen, unverzüglich auf die Forderung zu reagieren, äthiopische Flüchtlinge aufzunehmen, die vor den Kämpfen in der Region Tigray fliehen; würdigt die Bereitschaft des Sudan, Flüchtlinge aufzunehmen, die vor dem Konflikt fliehen; betont, dass dringend Vorbereitungen für die Ankunft von bis zu 200 000 Flüchtlingen im Sudan getroffen werden müssen; stellt fest, dass Äthiopien ein wichtiges Bestimmungs-, Transit- und Herkunftsland von Migranten ist; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass bei allen finanzierten Projekten, die im Rahmen des EU-Treuhandfonds für Afrika eingeleitet werden, die Menschenrechte geachtet werden, insbesondere die Rechte von Migranten und Binnenvertriebenen;

18.

fordert, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten dringend zusätzliche Ressourcen mobilisieren und strukturiert und abgestimmt einsetzen, um den durch den Konflikt ausgelösten Gesamtbedarf zu decken;

19.

begrüßt die Zusage der äthiopischen Regierung, im Jahr 2021 Parlamentswahlen abzuhalten; fordert alle politischen Akteure im ganzen Land nachdrücklich auf, im Vorfeld der Wahlen in einen politischen Dialog mit Bürgern einzutreten, die dem gesamten politischen, ideologischen, regionalen und ethnischen Spektrum angehören; betont nachdrücklich, dass freie, faire, inklusive und glaubwürdige Wahlen nur in einer Atmosphäre stattfinden können, die frei von Einschüchterung, Gewalt und Schikanen ist und in der die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit im Einklang mit internationalen Standards garantiert ist; bedauert, dass das Engagement für freie Wahlen durch die Inhaftierung mehrerer Oppositionspolitiker des gesamten politischen Spektrums seit Juni 2020 und durch schwerwiegende Verstöße gegen ordentliche Verfahren, die das Recht der Häftlinge auf ein faires Verfahren gefährden, untergraben wird; fordert die Staatsorgane auf, alle Inhaftierten freizulassen, es sei denn, ihnen werden rechtlich anerkannte Straftaten zur Last gelegt und sie können im Einklang mit internationalen Standards für ein faires Verfahren strafrechtlich verfolgt werden;

20.

bringt sein Engagement für die Einheit und territoriale Integrität Äthiopiens zum Ausdruck und fordert alle Akteure in Äthiopien auf, auf eine friedliche Lösung jedes Konflikts innerhalb des Landes hinzuarbeiten;

21.

fordert die EU auf, weiterhin alle erforderlichen diplomatischen Mittel einzusetzen, um mit der Bundes- und den regionalen Regierungen sowie mit regionalen Partnern und multilateralen Institutionen zusammenzuarbeiten, damit der Konflikt friedlich beigelegt wird;

22.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der Bundesregierung und dem Bundeshaus Äthiopiens, der Regierung Tigrays, der Regierung der Republik Sudan, den Regierungen der IGAD, der Afrikanischen Union und ihren Mitgliedstaaten, dem Panafrikanischen Parlament und der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zu übermitteln.