11.12.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 429/114


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Beitrag der Zivilgesellschaft zur Grünen Agenda und zur nachhaltigen Entwicklung des Westbalkans im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses“

(Initiativstellungnahme)

(2020/C 429/16)

Berichterstatterin:

Dragica MARTINOVIĆ DŽAMONJA

Mitberichterstatter:

Pierre Jean COULON

Beschluss des Plenums

20.2.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Außenbeziehungen (REX)

Annahme in der Fachgruppe

24.7.2020

Verabschiedung im Plenum:

18.9.2020

Plenartagung Nr.

554

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

215/1/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die Erweiterung der Europäischen Union (EU) um die sechs Länder des westlichen Balkans (1) und tritt weiterhin nachdrücklich für die Erweiterung ein, sofern die Länder alle für die Mitgliedschaft erforderlichen Kriterien erfüllen.

1.2

In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA die Maßnahmen der Europäischen Kommission für das überarbeitete Verfahren zur Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sowie ihre Bemühungen, den Prozess dynamischer und berechenbarer zu gestalten. Der EWSA fordert jedoch eine stärkere Rolle für die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft (OZG).

1.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass zur Erholung von der COVID-19-Krise auf Maßnahmen zur Ökologisierung gesetzt werden sollte und die Öko-Wende wesentlicher Bestandteil eines umfassenden und zukunftsorientierten Aufbauplans für den Westbalkan sein muss (2). Zu diesem Zweck begrüßt der EWSA das von der Kommission angekündigte Konjunkturbelebungspaket für den Westbalkan.

1.4

Der EWSA ist der Ansicht, dass der Westbalkan wichtige europäische Strategien und Initiativen übernehmen und in diese einbezogen werden sollte, was aufgrund seiner geografischen Lage insbesondere für den europäischen Grünen Deal gilt.

1.5

Angesichts der erforderlichen umfangreichen Investitionen und Änderungen von Rechtsvorschriften ist der EWSA fest davon überzeugt, dass den Sozialpartnern und den OZG beim Übergang zu einer ökologischeren und nachhaltigeren Gesellschaft eine sehr wichtige Rolle zukommt, vor allem vor dem Hintergrund der besonderen politischen Kontexte im Westbalkan.

1.6

Der EWSA weist erneut darauf hin, wie wichtig es ist, die Vereinigungsfreiheit zu gewährleisten und einen förderlichen zivilgesellschaftlichen Raum zu schaffen. Er macht auch darauf aufmerksam, dass der Kapazitätsaufbau bei den OZG im Hinblick auf einen starken und wirksamen zivilen Dialog umfassender als bisher unterstützt werden muss.

1.7

Der EWSA weist darauf hin, dass der Westbalkan äußerst anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist, die allgemeine Gesundheit und die Wirtschaft beeinträchtigen. Daher müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um die Lebensqualität der Bevölkerung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, durch einen gerechten Übergang zu einem ökologischeren Modell zu verbessern, wobei niemand zurückgelassen werden darf.

1.8

Der EWSA fordert, die künftigen Maßnahmen zur Ökologisierung des Westbalkans an die besonderen Herausforderungen und Bedürfnisse der Region anzupassen, dazu gehören u. a. ein angemessener Rechtsrahmen, grenzüberschreitende Tätigkeiten, innovative technologische Lösungen, vor Ort erzeugte und verbrauchte Energie sowie Energieeffizienz, nachhaltiger städtischer Verkehr, Straßen- und Schienennetze, öffentliches und privates Engagement, IKT und Bereitstellung von schnellem Internet, Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel usw.

1.9

Nach Ansicht des EWSA können aus den Herausforderungen in Verbindung mit der Dekarbonisierung, Beseitigung von Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung, Konnektivität und dem Klimawandel im Westbalkan Chancen erwachsen, wenn in Forschung und Innovation, Verbreitung und Übernahme alternativer Konzepte, Kreislaufwirtschaft, Abfallwirtschaft, Lösungen für grünere Energie und Konnektivität und aktive Maßnahmen zum Schutz der reichen biologischen Vielfalt der Region investiert wird.

1.10

Der EWSA betont, dass grüne Kompetenzen innerhalb der aktiven nationalen und regionalen Strategien für allgemeine und berufliche Bildung sowie Kompetenzstrategien in Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren im Rahmen eines wirksamen sozialen Dialogs entwickelt werden müssen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Gleichstellung der Geschlechter liegen sollte.

1.11

Der EWSA unterstreicht, dass eine verantwortungsvolle Staatsführung und demokratische Institutionen, Rechtsstaatlichkeit, erfolgreiche Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität sowie die Wahrung der Menschenrechte und die Sicherheit im Westbalkan angemessen durchgesetzt werden müssen. Vor dem Hintergrund des hohen Investitionsbedarfs für die Ökologisierung der Wirtschaft ist hervorzuheben, dass Rechtsstaatlichkeit entscheidend zu einem effizienten Geschäftsklima beiträgt, das private und ausländische Direktinvestitionen anzieht.

2.   EU-Integration des Westbalkans

2.1

Der EWSA befürwortet die Erweiterung der EU um die sechs Länder des westlichen Balkans nachdrücklich, sofern sie alle für die Mitgliedschaft erforderlichen Kriterien erfüllen. Er hat ein sehr enges Netz zu den Sozialpartnern und OZG in der Region geknüpft und setzt sich entschlossen dafür ein, dass deren Stimme gehört wird.

2.2

Der EWSA begrüßt die Solidarität gegenüber den Westbalkanländern, die die europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfeltreffen am 6. Mai 2020 in Zagreb zum Ausdruck gebracht haben. Er weist jedoch auf seinen Beitrag für diesen Gipfel (3) hin, in dem er mehr Engagement für den Beitritt in der Zukunft einfordert und bedauert, dass die wichtige Stimme der Zivilgesellschaft nicht ausreichend anerkannt wird.

2.3

Der EWSA begrüßt die Mitteilung „Stärkung des Beitrittsprozesses — Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ (4), in der ein überarbeitetes Verfahren für Kandidatenländer vorgeschlagen und ein glaubwürdigerer Prozess angestrebt wird, um die Erweiterung voranzutreiben, nimmt jedoch mit Bedauern die unzureichende Anerkennung der Rolle der Sozialpartner und OZG zur Kenntnis.

2.4

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Überwachung der staatlichen Maßnahmen zur Erfüllung der notwendigen Beitrittskriterien zu verstärken, insbesondere für die wesentlichen Elemente und das Cluster „Grüne Agenda und nachhaltige Konnektivität“.

2.5

Der EWSA unterstützt das Hilfspaket der Europäischen Kommission, mit dem die Länder des Westbalkans bei ihren Bemühungen zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie unterstützt werden sollen, wie dies in den Mitteilungen über die globale Reaktion der EU auf COVID-19 (5) und über die Unterstützung des Westbalkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie (6) dargelegt wurde.

2.6

Der EWSA verstärkt sein Engagement für die Region sowohl in Bezug auf die Krisenreaktion als auch auf den künftigen Wirtschafts- und Investitionsplan für den Westbalkan, fordert jedoch, den Reformen und der Konditionalität, die die EU in Bezug auf demokratische Reformen und die Achtung der europäischen Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte anwendet, größeres Gewicht beizumessen.

2.7

Der EWSA bekräftigt seine Überzeugung, dass die Sozialpartner und andere OZG auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene in sinnvoller Weise in den gesamten Prozess der Integration des Westbalkans in die EU einbezogen werden müssen. Es ist nötig, ihre Kapazitäten durch technische und wirtschaftliche Hilfe zu stärken, ihnen einen leichteren Zugang zu EU-Finanzierungsquellen zu gewähren und sie vollständig am Prozess der Beitrittsverhandlungen zu beteiligen (7).

3.   Der Grüne Deal, ein wichtiger Aspekt der EU-Integration für den Westbalkan

3.1

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Länder des Westbalkans ihre Bemühungen um die Übernahme der Leitlinien, Ziele und Werte der EU fortsetzen sollten und dass die EU weiterhin bestrebt sein sollte, den Westbalkan in ihre Initiativen einzubeziehen. Dies gilt insbesondere für den europäischen Grünen Deal, in den der Westbalkan aufgrund seiner geografischen Lage im Herzen des europäischen Kontinents und als Region, die von allen Seiten von der EU umgeben ist, aufgenommen werden muss. Es ist daher nicht überraschend, dass in der Mitteilung zum Grünen Deal vom 11. Dezember 2019 insbesondere eine „Grüne Agenda für den Westbalkan“ (8) angekündigt wird, die bis Ende 2020 im Rahmen des strategischen Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan vorgelegt werden soll.

3.2

Der EWSA fordert, mit der Grünen Agenda für den Westbalkan die regionale Zusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen Energie und Verkehr, wirksam zu stärken und zu fördern. Die aktive Beteiligung und Mitwirkung der Sozialpartner und der OZG an bestehenden regionalen Kooperationsgemeinschaften, -verträgen und -initiativen ist von wesentlicher Bedeutung, um das Wohlergehen und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in der Region zu fördern und gleichzeitig das Potenzial einer grünen Niedrigemissions-Kreislaufwirtschaft im Westbalkan zu erschließen. In der Grünen Agenda für den Westbalkan sollten diese Fragestellungen im Rahmen von fünf Themenschwerpunkten behandelt werden: 1) Dekarbonisierung, 2) Kreislaufwirtschaft, 3) biologische Vielfalt, 4) Umweltverschmutzung und 5) Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel.

3.3

Der EWSA teilt die Ansicht, dass die COVID-19-Krise enorme Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Unternehmen hat und die politischen Ziele daher überdacht werden müssen. Er vertritt jedoch die Auffassung, dass die Öko-Wende wesentlicher Bestandteil eines umfassenden Aufbauplans sein muss, der zukunftsorientiert sein sollte und umfangreiche öffentliche und private Investitionen in Verkehr- und Energieverbindungen, nachfrageseitige Energieeinsparungen und ökologischere Technologien wie Sonnen- und Windenergie, sauberen Wasserstoff, Batterien und Kohlenstoffabscheidung umfassen sollte, mit denen die Auswirkungen auf die natürliche Umwelt und die Menschen verhindert oder verringert werden.

3.4

Der EWSA nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass in der Region einige besorgniserregende Entwicklungen und Trends zu beobachten sind, die dringend Maßnahmen erfordern. Die Volkswirtschaften im Westbalkanraum sind weiterhin stark von festen fossilen Brennstoffen abhängig und sehr energieintensiv. Die Region ist vom Klimawandel besonders betroffen (Dürren, Überschwemmungen), bis Ende des Jahrhunderts wird ein Temperaturanstieg um bis zu 4 oC erwartet (9). Der Großteil des Straßenverkehrs wird mit älteren, weniger kraftstoffeffizienten Fahrzeugen abgewickelt. Einige Städte in der Region stehen auf den europäischen Ranglisten für Feinstaubbelastungen mit PM2,5 und PM10,0 an oberster Stelle (Sarajewo, Pristina, Skopje, Belgrad).

3.5

Der EWSA weist jedoch darauf hin, dass in der Region ein beträchtliches Potenzial für erneuerbare Energie (Wasser-, Wind- und Sonnenenergie) sowie ein großes Potenzial für natürliche Rohstoffe und eine außergewöhnliche biologische Vielfalt besteht. Aus den Herausforderungen für die Region in Verbindung mit Dekarbonisierung, Beseitigung von Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung, Konnektivität und Klimawandel können Chancen erwachsen, wenn auf Forschung und Innovation, alternative Konzepte, Kreislaufwirtschaft, Abfallwirtschaft, grünere Energie sowie Lösungen für Energieeffizienz und Konnektivität gesetzt wird.

3.6

Der EWSA weist darauf hin, dass die EU beim Westbalkan-Gipfel im polnischen Posen (10) ihr Engagement für Umwelt und Klima bekräftigt und am 21. Februar 2019 eine gemeinsame Erklärung zur Energiewende im Westbalkan angenommen hat.

3.7

Beim Übergang von einer von fossilen Brennstoffen abhängigen zu einer grünen Wirtschaft sind auch die Aspekte der Interkonnektivität zu berücksichtigen, die von Energie-, Verkehrs- und Verteilungsinfrastrukturen bis hin zur digitalen Agenda reichen. Die Unternehmen müssen als Teil der Lösung betrachtet werden, wenn es um die Bewerkstelligung des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft geht. Mit dem richtigen Rechtsrahmen und angemessener Unterstützung werden durch den Übergang zu einer Niedrigemissions-Wirtschaft die Industrie modernisiert und neue hochwertige Arbeitsplätze und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen. Die Beteiligung von Sozialpartnern, Unternehmen und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft des Westbalkans an der Gestaltung und Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung einer intelligenten Niedrigemissions-Kreislaufwirtschaft ist von entscheidender Bedeutung. Hierbei sind die Sozialpolitik und der soziale Dialog wichtige Garanten für eine von Zusammenhalt geprägte Gesellschaft, in der die Schaffung von Arbeitsplätzen für alle und der Abbau von Ungleichheit und Ausgrenzung angestrebt werden.

3.8

Der EWSA betont, dass die Sozialpartner und die OZG umfassend einbezogen werden müssen, wenn es darum geht, die nachhaltige Entwicklung als ein vorrangiges politisches Ziel festzulegen und „grüne Investitionen“ bei Investitionstätigkeiten in der Region zu fördern. Wissenschaft und Forschung, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie gesellschaftliche Katalysatoren wie beispielsweise Unternehmer, Medien, Religionsführer oder sonstige Führungspersönlichkeiten sind über nationale Grenzen hinweg wichtige Träger einer integrativen und nachhaltigen Entwicklung. So verfügen etwa wissenschaftliche Gemeinschaften, kulturelle Gruppen, Industriecluster, Verbraucherverbände usw. über ein umfassendes Fachwissen, um diese wichtige Entscheidung für die Region zu unterstützen und sie zur richtigen Lösung für Wirtschaft und Gesellschaft zu machen.

3.9

Im Rahmen aktiver nationaler und regionaler Strategien für die Bereiche allgemeine und berufliche Bildung und Kompetenzen müssen in Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren, durch einen wirksamen sozialen Dialog und unter Einbeziehung von Studierenden, Lehrkräften und Eltern grüne Kompetenzen für eine ressourceneffiziente und umweltfreundliche Niedrigemissions-Wirtschaft entwickelt werden. Da der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft als strategisches Ziel für den Westbalkan betrachtet wird, sollte die Förderung grüner Kompetenzen an die nationalen Wachstumsstrategien angepasst werden, damit Bildungs- und Ausbildungsinitiativen nationale strategische Ziele erfüllen und ausreichend finanziert werden. Der EWSA fordert, der Beteiligung von Frauen an der Ausarbeitung neuer Strategien für die allgemeine und berufliche Bildung (Weiterqualifizierung und Umschulung) und an ihrer Umsetzung besonderes Augenmerk zu schenken, um eine bessere Gleichstellung der Geschlechter und einen gerechteren Übergang zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft zu gewährleisten.

3.10

Um gegen die Arbeitslosigkeit und Qualifikationslücken vorzugehen, sollten bessere Kompetenzprognosen eingeführt werden, damit die Kompetenzen der Studierenden und der Arbeitskräfte den auf dem Arbeitsmarkt benötigten Fähigkeiten entsprechen. Zudem sollten die berufliche Aus- und Weiterbildung und insbesondere das berufsbegleitende Lernen und die dualen Bildungssysteme gestärkt werden, die in einigen EU-Mitgliedstaaten zur erfolgreichen Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit beigetragen haben. Zur Verwirklichung dieser Ziele sollte die aktive Einbeziehung von Unternehmen und ihren Verbänden wie Handelskammern fortgesetzt und gefördert werden.

3.11

Beim Übergang zu einer Niedrigemissions-Wirtschaft unterstützt der EWSA den Grundsatz, dass niemand zurückgelassen werden darf. Besondere Aufmerksamkeit sollte auf den Bürgerinnen und Bürgern und vor allem auf schutzbedürftigen Gruppen liegen, indem sichergestellt wird, dass Energie erschwinglich und zugänglich ist und diese Gruppen Unterstützung für Energieeffizienzmaßnahmen erhalten. Kohleabhängige Regionen müssen beim gerechten Übergang unterstützt werden, um partizipatorische, von der Basis ausgehende Sanierungspläne zu entwickeln, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen aufgefangen werden kann. Die Verbraucher müssen informiert, angeleitet und beteiligt werden, um verantwortungsbewusste Verhaltensweisen einzunehmen, die zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels beitragen.

3.12

Der EWSA ist sich der geopolitischen und geoökonomischen Bedeutung der Region für die EU bewusst und fordert Wachsamkeit gegenüber Investitionen aus Drittstaaten, bei denen Nachhaltigkeitsziele häufig weniger berücksichtigt werden. Der EWSA fordert die Behörden und die Zivilgesellschaft in der Region auf, über das positive Engagement und die finanzielle Unterstützung der EU für den Einsatz umweltfreundlicherer Technologien zu informieren und dafür zu sensibilisieren.

3.13

Der EWSA fordert eine Ex-ante-Bewertung der Finanzierung nachhaltiger entwicklungsbezogener Tätigkeiten in den Ländern des Westbalkans sowie die Anwendung des Grundsatzes der Konditionalität bei der Nachhaltigkeit von Projekten.

4.   Klimawandel und Westbalkan

4.1

Der EWSA weist darauf hin, dass der Westbalkan äußerst anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist und in den vergangenen Jahren stark unter Überschwemmungen und Dürren mit großen Schäden gelitten hat. Der Regionale Kooperationsrat RCC (11) gibt in seiner Studie zum Klimawandel an, dass bereits ein Temperaturanstieg von 1,2o C zu verzeichnen und ein weiterer Anstieg um 1,7–4,0o C bis zum Ende des Jahrhunderts zu erwarten ist. Umfassend dokumentiert sind auch Probleme mit der Luftverschmutzung, die die allgemeine Gesundheit und die Wirtschaft beeinträchtigen.

Der Klimawandel hat einschneidende Auswirkungen auf die Grundbedürfnisse des Menschen (Unterkunft, Nahrung und Wasser). Kinder und junge Menschen sind besonders anfällig für die direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels, was durch die COVID-19-Pandemie noch verschärft wurde (12).

4.2

Der EWSA weist darauf hin, wie wichtig die im Rahmen des Übereinkommens von Paris (13) von den Ländern des Westbalkans eingegangenen Verpflichtungen sind, die Treibhausgasemissionen zu verringern und mit der Zeit ehrgeizigere national festgelegte Beiträge im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen vorzulegen. Neben den Regierungen spielen andere Interessenträger wie Unternehmen, Städte und NGO eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des Übereinkommens von Paris.

4.3

Der EWSA weist ferner auf die Verpflichtungen der Länder im Rahmen der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung bis 2030 hin, die eine Strategie zur Bewältigung der Herausforderungen vorgeben, die sich bei der nachhaltigen Entwicklung stellen, darunter Armut, Ungleichheit, Klimawandel, Umweltzerstörung, Frieden und Gerechtigkeit. Äußerst wichtig ist zudem, dass das neue Entwicklungsmodell von der Bevölkerung, den Unternehmen und dem Finanzsektor in jedem Land und auf internationaler Ebene unterstützt wird.

4.4

Der EWSA ist sich bewusst, dass die Themen Umwelt und Klimawandel zu den schwierigsten Verhandlungskapiteln gehören, insbesondere mit Blick auf investitionsintensive Richtlinien wie die Richtlinien über Wasser, Abfall, Industrieemissionen und Emissionshandel. Seines Erachtens erfordert der Klimawandel jedoch tiefgreifende Maßnahmen mit transformativer Wirkung, für die nicht nur eine Anpassung der Politik und der Rechtsvorschriften, sondern auch ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaft und der Übergang zu einer CO2-neutralen, klimaresistenten und ressourceneffizienten Gesellschaft nötig sind. Klima- oder Dekarbonisierungsstrategien auf lokaler und nationaler Ebene sind daher neue Wachstumsstrategien.

4.5

Im Bewusstsein, dass für die Entwicklung einer Klimastrategie tiefgreifende Reformen und Veränderungen aller Sektoren nötig sind, fordert der EWSA die Länder des Westbalkans auf, ihre Strategien in Übereinstimmung mit dem Besitzstand der EU zu konzipieren und umzusetzen und die Erarbeitung langfristiger Strategien für eine emissionsarme Entwicklung bis 2050 als Vertragsparteien im Rahmen des UNFCCC unter aktiver Beteiligung und verstärkter Einbeziehung aller Akteure, auch der OZG, abzustimmen.

4.6

Alle Länder mit Ausnahme von Bosnien und Herzegowina haben hochrangige Koordinierungsgremien zum Klimawandel eingesetzt, um Klimaschutzmaßnahmen umfassend in andere Politikbereiche, insbesondere wirtschaftliche Entwicklung, Energie, Verkehr und Landwirtschaft, einzubeziehen und dabei die Anliegen und Anmerkungen aller einschlägigen Interessenträger bei der Erstellung strategischer und politischer Dokumente und Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Der EWSA empfiehlt, dass alle Gremien von Anfang an Vertreter der OZG und der Sozialpartner in die regulatorischen und/oder legislativen Konsultationen aufnehmen. Er empfiehlt ferner, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem auf alle Anliegen umgehend, transparent und in partizipativer Form eingegangen werden kann.

4.7

Da der Großteil der Kosten der Anpassung an die EU-EHS-Richtlinie der EU von der Industrie getragen werden muss, empfiehlt der EWSA, die Zivilgesellschaft, die Industrie und Unternehmensverbände in besonderem Maße in die Sensibilisierung und den Aufbau von Kapazitäten betreffend diese Richtlinie einzubeziehen. Die EU-EHS-Richtlinie geht mit einem hohen Investitionsbedarf für den Westbalkan einher, insbesondere für Länder mit großen Industriesektoren, die nicht über ausreichende Kapazitäten verfügen, um die Auswirkungen der Richtlinie abzufangen, die nicht nur Investitionen betreffen, sondern die auch Änderungen des Regelungsumfelds, der Verwaltung, der Überwachung und Berichterstattung sowie der Prüfung und Akkreditierung im Zusammenhang mit Emissionen erfordern.

5.   Energie in den Ländern des Westbalkans

5.1

Der EWSA unterstützt die Energieunion und die Klima- und Energierahmenpolitik bis 2030, mit denen die Ziele des Übereinkommens von Paris erreicht werden sollen. Die Länder des Westbalkans sind verpflichtet, diese Politik zu übernehmen, sollten sich jedoch aktiver beteiligen und von Anfang an in die Energieunion einbezogen werden.

5.2

Der EWSA unterstützt die gemeinsame Erklärung zur Energiewende im Westbalkan, auf die sich die Energie- und Umweltminister der Länder des Westbalkans bezüglich der Grundsätze für die nachhaltige Entwicklung von Wasserkraft im Westbalkan verständigt haben (14), und weist darauf hin, dass der Beitrag und das große Engagement der zivilgesellschaftlichen Organisationen maßgeblich für ihre Annahme waren. Der EWSA ist der Ansicht, dass dies zwar begrüßenswerte erste Schritte sind, allerdings noch mehr getan werden muss.

5.3

Infolgedessen empfiehlt der EWSA, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die OZG und die Sozialpartner aus dem Westbalkan eine aktive und konkrete Rolle bei den Tätigkeiten der EU-Beobachtungsstelle für Energiearmut übernehmen und dort Vorschläge unterbreiten können.

5.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Bemühungen zur Erreichung der Ziele von Paris und zur Schaffung von nachhaltigem Wachstum im Allgemeinen durch moderne, zweckdienliche und angemessene Maßnahmen für die Region unterstützt werden müssen. Dazu gehören eine moderne und zukunftsweisende Infrastruktur, die Festlegung eines angemessenen rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmens und der Einsatz neuer Technologien sowie entsprechende Geschäftsmodelle für eine „grüne und integrative“ Entwicklung der Wirtschaft der Region. Konkret bedeutet das die Einrichtung „intelligenter“ Stromübertragungs- und -verteilungsnetze, um dem immer größer werdenden Anteil intermittierender erneuerbarer Energieträger am Stromerzeugungsmix gerecht zu werden. Ebenso kommt die Entwicklung von Intraday-, Regelreserve- und Speichermärkten der Schaffung marktbasierter Lösungen zugute, mit denen bei der bereits laufenden Umstellung des Energiemixes von fossilen Brennstoffen auf saubere Energie Mittel in geeigneter Weise zugewiesen werden können.

5.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass ein solider, moderner und transparenter Rechts- und Ordnungsrahmen entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des Energiemarkts und die Anziehung neuer Investitionen hat, die für die Finanzierung neuer Infrastrukturen und Kapazitäten benötigt werden. Die Rolle der Energiegemeinschaft (15) und die Umsetzung und Anwendung des Besitzstands der Gemeinschaft sind eine unabdingbare Voraussetzung. Auch grenzüberschreitende Tätigkeiten wie der Stromhandel können zu großer Effizienz und Einsparungen bei Energie und Kosten führen, solange sich alle Marktteilnehmer an ähnliche Regeln in Bezug auf die Einhaltung von Umweltauflagen und die Bepreisung von CO2-Emissionen halten. Die Rolle des Regulierungsausschusses der Energiegemeinschaft (ECRB) ist daher äußerst wichtig und muss gestärkt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass nachhaltige Entscheidungen gut funktionierende grenzübergreifende Märkte erfordern. Die EU sollte das Sekretariat der Energiegemeinschaft dabei unterstützen, den Regierungen der Region bei der Ausarbeitung solider integrierter nationaler Energie- und Klimapläne unter Berücksichtigung der Ziele für das Jahr 2030 für die Region zur Seite zu stehen. Diese Pläne sollten die Bemühungen widerspiegeln, die für die Dekarbonisierung der Wirtschaft erforderlich sind, und auch Umweltschutzmaßnahmen berücksichtigen. Sie sollten Strategien und Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in allen wichtigen emissionsverursachenden Sektoren zur Verwirklichung der Ziele für 2030 sowie deren Beiträge im Rahmen des Pariser Übereinkommens und einen Ausblick auf die Entwicklung zu einer Niedrigemissions-Wirtschaft bis 2050 einschließen.

5.6

Der EWSA fordert, im Instrument für Heranführungshilfe (IPA) einen angemessenen Anteil der Haushaltsmittel für die Ökologisierung bereitzustellen. Er bedauert die geringe FEI-Intensität in den westlichen Balkanstaaten und fordert eine bessere Beteiligung dieser Länder an den verfügbaren EU-Programmen, einschließlich Horizont Europa, da solche Investitionen für die Entwicklung neuer Technologien für einen effizienten Übergang zu einer grünen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind.

5.7

Da Innovation eine entscheidende Rolle in dem sich verändernden Energieumfeld spielt, empfiehlt der EWSA, die dezentrale Energie, d. h. die vor Ort erzeugte und verbrauchte Energie, für den Westbalkan ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Da es in der Region ausgedehnte Gebirgsketten gibt, ist es weder einfach noch kosteneffizient, den groß angelegten Aufbau von Hoch- und Mittelspannungsstromnetzen zu unterstützen. Die derzeitigen technologischen Lösungen für dezentrale Energie sind deutlich ausgereifter und machen auch wirtschaftlich Sinn. Die bisherigen Erfahrungen der EU und ihr unterstützender Regelungsrahmen für Prosumenten und Energiegemeinschaften können diesen neuartigen Ansatz fördern. Durch Geschäftsmodelle wie diese, bei denen lokale Akteure direkt an nachhaltigen Lösungen beteiligt werden und so Eigenverantwortung für den Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung übernehmen, können die lokalen Bedürfnisse besser gedeckt und örtliche Besonderheiten besser berücksichtigt werden.

5.8

Überdies ist der EWSA der Ansicht, dass die Energieeffizienz ein großes Potenzial im Westbalkan hat. Die Sanierung des Gebäudebestands einschließlich öffentlicher und privater Gebäude und die Modernisierung von Industrie- und sonstigen Tätigkeiten wird zu erheblichen Energie- und Kosteneinsparungen führen und auch dazu beitragen, das wichtige Problem der Energiearmut anzugehen. Energieeinsparungen sind auch ein wichtiger Teil des Geschäfts- und Sozialmodells „Energie vor Ort“, da die Wärmerückgewinnung für industrielle und/oder private Zwecke auf lokaler oder regionaler Ebene sinnvoll ist. Die Verteilungsverluste sind in den meisten Ländern der Region ebenfalls hoch und erfordern umfangreiche Investitionen. Daher könnten auch hier EU-Mittel und internationale Mittel eine wichtige Rolle dabei spielen, die Erzeugung und den Verbrauch von Energie effizient, lokal und umweltschonend zu gestalten. In Anbetracht der begrenzten Mittel der Länder in der Region und der anfänglich hohen Kapitalintensität der Investitionen und ihres relativ langen Abschreibungszeitraums wird sich eine solche Finanzierung als notwendig erweisen. Europäische Technologien sind in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ausgereift und daher für die Region geeignet. Der EWSA fordert die EU und wichtige Geldgeber auf, ihr Engagement für lokale und regionale Energieeffizienzprojekte in der Region zu verstärken.

5.9

Der EWSA fordert, die Energiegemeinschaft, deren Ziel es ist, den EU-Besitzstand in den Bereichen Energie, Klima und Umwelt auf die Länder der Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der EU auszudehnen, in Zukunft noch enger in das Projekt der Energieunion einzubinden, insbesondere in Bezug auf die genannten vorrangigen Maßnahmen. Die Organisationen der Zivilgesellschaft sollten systematisch in die Treffen der Energiegemeinschaft einbezogen und eingebunden werden.

6.   Konnektivität des Westbalkans

Verkehrswesen

6.1

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Entwicklung moderner und zukunftsfähiger Verkehrsnetze in der Region, um den grenzübergreifenden Handel und die Mobilität zu verbessern. Da die bestehenden Stadt-, Straßen- und insbesondere die veralteten Eisenbahnnetze im Westbalkan umfassend verbessert werden müssen, sollte jeder Neubau von Anfang an so konzipiert sein, dass E-Mobilität oder sauberer Wasserstoff, gegebenenfalls aber auch gasbetriebene Fahrzeuge unterstützt werden. Dadurch könnten eine zuverlässige und angemessene Infrastruktur für mehrere Jahrzehnte geschaffen und gleichzeitig die Luftqualität verbessert und die Brennstoffimporte verringert werden.

6.2

Unabhängig davon, welche nachhaltige Lösung gewählt wird (z. B. Elektromobilität, Biokraftstoffe, sauberer Wasserstoff), können die EU und die europäischen Unternehmen mit ihrem Fachwissen zu ihrer reibungslosen Umsetzung in der Region beitragen. Der EWSA fordert die Länder des Westbalkans auf, aktiv mit öffentlichen und privaten Akteuren aus der EU zusammenzuarbeiten und ehrgeizige Schritte zur Entwicklung ihrer Verkehrsnetze zu unternehmen. Er empfiehlt ferner, Beispiele für bewährte Verfahrensweisen der EU, wie den Plan für nachhaltige Mobilität in den Städten, zu übernehmen. Diese Initiativen könnten im Rahmen der Verkehrsgemeinschaft durchgeführt werden, einer Organisation, die bislang wenig aktiv ist.

IKT

6.3

Datennetze und IKT werden zum Rückgrat wirtschaftlicher, industrieller und sozialer Tätigkeiten. Zudem besteht ein direkter und grundlegender Zusammenhang zwischen IKT, schneller Internetverbindung und nachhaltiger Entwicklung: Die mit intelligenten Netzen mögliche Automatisierung fördert effiziente Lösungen, z. B. Internet der Dinge, intelligente Städte und Dörfer, intelligente Verbrauchsmessung, vernetzte Fahrzeuge usw. Für diese Netze und Technologien, die derzeit kostspielig sind, aber die Wirtschaft der Region verändern können, müssen Skaleneffekte genutzt werden. Daher ruft der EWSA dazu auf, Finanzmittel der EU dafür bereitzustellen; gleichzeitig fordert er die Länder des Westbalkans aber auch dazu auf, zusammenzuarbeiten und einen regionalen Masterplan zur Einführung von schnellem Internet zu entwickeln, der es ihnen ermöglicht, gemeinsame Verträge auszuhandeln und durch Tarifverhandlungen und Skaleneffekte bessere Bedingungen auszuhandeln.

7.   Natürliche Rohstoffe, biologische Vielfalt und Maßnahmen im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel bieten dem Westbalkan Wachstumschancen

7.1

Der Westbalkan verfügt über eine reiche biologische Vielfalt und unberührte Lebensräume mit ausgedehnten Waldgebieten, die durch Zersiedelung in Stadt- und Küstengebieten, Bergbautätigkeiten, eine unzureichend regulierte Entwicklung kleiner Wasserkraftwerke, die ohne umfassende Prüfung ihrer Auswirkungen auf die biologische Vielfalt gebaut wurden, sowie unregulierte Jagd und Holzeinschlag bedroht sind. Die Regierungen haben Vorkehrungen getroffen, um Arten und Lebensräume zu schützen, und den Anteil der Schutzgebiete erhöht.

7.2

Der EWSA empfiehlt den fragilen Volkswirtschaften des Westbalkans zu prüfen, wie sie ihre Ressourceneffizienz verbessern, den Übergang zur Kreislaufwirtschaft vollziehen, Verfahren für den dauerhaften Schutz bedrohter Landschaften und Lebensräume (einschließlich Flüsse) mit hohem Erhaltungswert und sozialem Wert entwickeln und anwenden sowie neue ökologische Technologien einsetzen können. Die reiche Artenvielfalt und die unberührten Lebensräume der Region besitzen ein hohes wirtschaftliches Potenzial für umweltverträglichen Tourismus und Agrotourismus, wobei jedoch die Kapazitäten und die Einhaltung der Bestimmungen verbessert werden müssen. Im Durchschnitt ist die Ressourceneffizienz sehr gering, die Ressourcenproduktivität ist fünf Mal niedriger als der EU-Durchschnitt, Recyclingverfahren und Abfallwirtschaft sind unzureichend. Um die Lage zu verbessern, müssen der Übergang zur Kreislaufwirtschaft vollzogen und neue grüne Technologien in der Region entwickelt und eingesetzt werden.

7.3

Der EWSA empfiehlt den Ländern, die Grundsätze der kürzlich vorgeschlagenen EU-Biodiversitätsstrategie (16) vollständig zu übernehmen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Ausweitung der Schutzgebiete einschließlich eines strengen Schutzes und der Wiederherstellung beschädigter Lebensräume liegen sollte. Dementsprechend spricht er sich auch nachdrücklich für eine umgehende Überarbeitung der nationalen Strategien und Aktionspläne für biologische Vielfalt und/oder zumindest für die Vorlage nationaler Verpflichtungen für die wichtigsten Ziele aus.

7.4

Der Klimawandel beeinträchtigt auch die Nahrungsmittelherstellung und -wertschöpfungsketten und verursacht beträchtlichen Schaden und Produktionseinbußen bei Ackerbau, Viehhaltung, Fischerei und Forstwirtschaft. Mit der kürzlich vorgelegten Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (17) sollten die Leitprinzipien für die Entwicklung einer regionalen und nationalen Landwirtschaftsstrategie, einschließlich Verringerung des Einsatzes von Pestiziden, Düngemitteln und Antibiotika, festgelegt werden, um nachhaltige Nahrungsmittel zu erzeugen und sicherzustellen, dass die Landwirte ein angemessenes Einkommen und angemessene Preise erhalten, wobei gleichzeitig umweltschädliche Subventionen schrittweise abgebaut werden.

8.   Bereichsübergreifende Voraussetzungen für einen erfolgreichen nachhaltigen Wandel im Westbalkan

8.1

Der EWSA weist darauf hin, dass eine erfolgreiche Ökologisierung des Westbalkans ohne ein förderliches Umfeld, insbesondere betreffend stabile und transparente politische Rahmenbedingungen, und ohne politischen Willen in den einzelnen Ländern nicht erreicht werden kann. Die Rechtsstaatlichkeit innerhalb des Clusters „Wesentliche Elemente“, wie er im überarbeiteten Beitrittsverfahren festgelegt ist, stellt einen zentralen Wert dar, auf dem die EU gründet und der zu Recht das Tempo des Beitrittsprozesses bestimmt. Mangelnde Rechtsstaatlichkeit schafft ein ungünstiges Umfeld für Veränderungen, Investitionen und den dringend erforderlichen Übergang zu nachhaltigeren Gesellschaften.

8.2

Der EWSA fordert daher die nationalen Behörden der Region auf, tiefgreifende und umfassende Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um ein wirksames und transparentes Funktionieren der öffentlichen Verwaltungen sicherzustellen, Korruption zu bekämpfen und zu beseitigen, für die vollständige Unabhängigkeit der Justiz zu sorgen, ein berechenbares und attraktives Geschäftsumfeld und gleiche Ausgangsbedingungen (d. h. Markttransparenz, rechtliche Klarheit und offene Konsultation aller Interessenträger) zu schaffen, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und die Beteiligung der Sozialpartner und der OZG zu verstärken, da nur so spürbare und langfristige Ergebnisse erzielt werden können.

8.3

Die organisierte Zivilgesellschaft in all ihren Teilen, die Sozialpartner und andere Organisationen spielen eine zentrale und aktive Rolle bei den Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung im Westbalkan. Aufgrund ihrer Verbindungen zur Gesellschaft können sie einen starken Rückhalt der Öffentlichkeit und Legitimität für dieses politische Ziel bewirken. Die organisierte Zivilgesellschaft kann dazu beitragen, dass die nachhaltige Entwicklung als „aktive Entscheidung der Gesellschaft“ wahrgenommen wird, die über alle politischen und sozialen Trennlinien hinweg mitgetragen und unterstützt wird.

8.4

Der EWSA weist die Behörden der Westbalkanstaaten erneut darauf hin, wie wichtig es ist, die Vereinigungsfreiheit zu gewährleisten und einen förderlichen zivilgesellschaftlichen Raum für einen starken und wirksamen zivilen Dialog zu schaffen. Er fordert alle Regierungen der Länder des westlichen Balkans auf, nationale Strategien und die dazugehörigen Aktionspläne anzunehmen, um für die Sozialpartner und die OZG ein förderliches Umfeld zu schaffen und den Aufbau ihrer Kapazitäten voranzutreiben.

Brüssel, den 18. September 2020

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo (diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status des Kosovo und steht im Einklang mit der Resolution 1244/99 des UN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos), Montenegro, Nordmazedonien, Serbien.

(2)  COM(2020) 315 final (29.4.2020) — „Mitteilung der Kommission — Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie“.

(3)  Beitrag des EWSA zum Gipfeltreffen EU-Westbalkan am 6. Mai 2020 (28.4.2020)

https://www.eesc.europa.eu/de/news-media/presentations/eescs-external-relation-section-contribution-eu-western-balkans-summit-6-may2020.

(4)  COM(2020) 57 final (5.2.2020) Stärkung des Beitrittsprozesses — Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan.

(5)  JOIN(2020) 11 (8.4.2020) — „Mitteilung über die globale Reaktion der EU auf COVID-19“.

(6)  COM(2020) 315 final (29.4.2020) — „Mitteilung der Kommission — Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie“.

(7)  ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 15.

(8)  COM(2019) 640 final (11.12.2019) — Anhang zum europäischen Grünen Deal.

(9)  https://www.rcc.int/pubs/62.

(10)  Teil des im Jahr 2014 eingeleiteten Berlin-Prozesses, mit dem die sechs Vertragsparteien der Energiegemeinschaft in Südosteuropa — Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien — bei der Verstärkung der regionalen Zusammenarbeit und der Förderung von nachhaltigem Wachstum und Arbeitsplätzen unterstützt werden sollen.

(11)  https://www.rcc.int/pubs/62.

(12)  Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge werden mehr als 80 % der klimawandelbedingten Krankheiten, Verletzungen und Todesfälle Kinder betreffen.

(13)  Der Kosovo ist nicht Vertragspartei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) und hat dementsprechend keine national festgelegten Beiträge. Er hat jedoch eine Strategie zur Bekämpfung der Klimaänderung angenommen.

(14)  Wasserkraft sowie andere erneuerbare Energiequellen, Sanierung bestehender Strukturen als Priorität, begrenzte Anzahl zusätzlicher großer Wasserkraftanlagen, Netzintegration erneuerbarer Energiequellen und regionaler Strommarkt, integrierte Bewirtschaftung der Wasserressourcen, Berücksichtigung der Auswirkungen von Veränderungen, Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des Ausbaus der Wasserkraft sowie grenzüberschreitende Überlegungen und Nachhaltigkeitsprinzipien bei der Wasserkraftplanung.

(15)  Die seit 2006 bestehende Energiegemeinschaft (ihr Mandat wurde 2016 verlängert) zielt darauf ab, die Regeln und Grundsätze des EU-Energiebinnenmarkts auf ihre Mitglieder auszudehnen. Mitglieder sind die Europäische Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Moldau und die Ukraine, assoziiert sind Armenien, Georgien, Norwegen und die Türkei. Die Gemeinschaft hat ihren Hauptsitz in Wien: www.energy-community.org.

(16)  COM(2020) 380 final (20.5.2020) — EU-Biodiversitätsstrategie.

(17)  COM(2020) 381 final — Strategie „Vom Hof auf den Tisch“.