Brüssel, den 30.11.2020

COM(2020) 768 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Evaluierung der EU-Verordnungen über Drogenausgangsstoffe











1.Hintergrund

Zur Herstellung illegaler Drogen wie Heroin, Kokain und Amphetaminen werden Chemikalien benötigt. Dieselben Chemikalien werden jedoch in erster Linie für vielfältige legale Zwecke verwendet, beispielsweise zur Herstellung von Arzneimitteln, Kosmetika, Kunststoffen und Parfümen. Solche Chemikalien werden als Drogenausgangsstoffe bezeichnet. Da Drogenausgangsstoffe oftmals nur mit einer aufwendigen Infrastruktur hergestellt werden können, werden sie selten von den Straftätern produziert, die sie zur Herstellung illegaler Drogen verwenden möchten. Deshalb versuchen die Straftäter, diese Stoffe aus dem legalen Handel abzuzweigen. Durch das Aufkommen der sogenannten Designer-Ausgangsstoffe (siehe S. 4 ff.) ändert sich dieses Muster (auf das die internationalen und EU-Rechtsvorschriften über Drogenausgangsstoffe bislang ausgerichtet waren).

Der Handel mit Drogenausgangsstoffen ist an sich nicht verboten, da sie zu wichtigen legalen Zwecken verwendet werden. Der beste Weg, die Abzweigung dieser Chemikalien für die Herstellung illegaler Drogen zu bekämpfen, ist eine wirksame Überwachung und Kontrolle des legalen Handels. Zu diesem Zweck wurde sowohl auf internationaler als auch auf EU-Ebene ein spezifischer Rechtsrahmen geschaffen.

Auf internationaler Ebene wurde am 19. Dezember 1988 in Wien das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen („VN-Übereinkommen von 1988“) geschlossen. Es soll die Abzweigung von Stoffen, die oftmals zur illegalen Drogenherstellung verwendet werden, verhindern.

Auf EU-Ebene wurden zu diesem Zweck die Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Union und Drittländern 1 („Verordnung über den externen Handel“) und die Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe 2 („Verordnung über den EU-internen Handel“) sowie die dazugehörigen delegierten Verordnungen und Durchführungsverordnungen verabschiedet. Diese werden nachstehend als „Verordnungen“ bezeichnet.

Maßnahmen gegen die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen und den Handel damit sind ein wesentlicher Bestandteil des EU-Drogenaktionsplans 2017-2020, der im Rahmen der für den Zeitraum 2013-2020 aufgelegten EU-Drogenstrategie 3 festgelegt wurde. Kontrollen von Drogenausgangsstoffen sind einer der Schwerpunkte des Strategiebereichs zur Reduzierung des Drogenangebots. Auch die EU-Agenda zur Drogenbekämpfung und der Aktionsplan für den Zeitraum 2021-2025 4 zielen darauf ab, Maßnahmen gegen die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen und den Handel damit zu ergreifen. Die betreffenden Maßnahmen sind der übergeordneten strategischen Priorität „Mehr Sicherheit – Zerschlagung der Drogenmärkte“ zugeordnet.

Im vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse der Evaluierung der Verordnungen vorgestellt, die im Zeitraum 2017 bis 2019 durchgeführt wurde. Sie wurde durch eine Studie unterstützt, mit der die Kommission einen externen Dienstleister beauftragt hatte. Außerdem fanden Konsultationen mit Interessenträgern und der Öffentlichkeit, Befragungen sowie ein Workshop für Interessenträger statt.

Mit der Evaluierung trägt die Kommission der Anforderung beider Verordnungen Rechnung, dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2019 „einen Bericht über die Durchführung und Funktionsweise dieser Verordnung[en]“ zu übermitteln, „insbesondere darüber, ob gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle verdächtiger Vorgänge mit nicht erfassten Stoffen erforderlich sind“. 5  

2.Ergebnisse der Evaluierung

Bei der Evaluierung wurden die Verordnungen im Hinblick auf Durchführung, Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und EU-Mehrwert bewertet.

2.1.Durchführung

Die Verordnungen über Drogenausgangsstoffe gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Folglich müssen sie von den Mitgliedstaaten nicht in nationales Recht umgesetzt werden.

Die wichtigsten Akteure für die Bekämpfung der Abzweigung sind die Wirtschaftsbeteiligten, die legalen Handel betreiben (Hersteller, Vertreiber, Vermittler, Einführer, Ausführer und Großhändler). Diese sind gesetzlich verpflichtet, Vorkehrungen gegen Diebstahl zu treffen, die Lauterkeit ihrer Kunden zu überprüfen, auf verdächtige Vorgänge zu achten und die Behörden darauf aufmerksam zu machen. Eine wirkungsvolle Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Behörden bildet daher die Grundvoraussetzung für die Durchführung des Rechtsrahmens.

Die Verordnungen gelten für die Drogenausgangsstoffe, die als „erfasste Stoffe“ bezeichnet und in den Anhängen der Verordnungen aufgeführt werden. Einige ihrer Bestimmungen gelten jedoch auch für „nicht erfasste Stoffe“ und beziehen sich insbesondere auf die Notwendigkeit, verdächtige Vorgänge an die Behörden zu melden. Nicht erfasste Drogenausgangsstoffe sind Stoffe, die zwar nicht im Anhang der entsprechenden Rechtsakte der EU aufgeführt sind, jedoch zur Herstellung illegaler Drogen verwendet werden können. Die am häufigsten verwendeten nicht erfassten Stoffe sind in der Liste der EU für die freiwillige Überwachung nicht erfasster Stoffe enthalten. Diese Liste ist vertraulich und wird nur vertrauenswürdigen Wirtschaftsbeteiligten ausgehändigt; diese sind aufgefordert, verdächtige Vorgänge mit Bezug auf die darin aufgeführten Stoffe an die Behörden zu melden.

Die Chemikalien werden „erfasst“ – d. h. formell in die Verordnungen aufgenommen –, wenn die Kosten einer solchen Erfassung für die Wirtschaftsbeteiligten und die zuständigen Behörden gegenüber dem Nutzen einer strengeren Kontrolle nicht überwiegen oder weil der Stoff zu Zwecken der Herstellung illegaler Drogen leicht ersetzt werden kann.

Bei der Betrachtung der in den Verordnungen niedergelegten Vorschriften wird nach Eignung und Bedeutung der Stoffe für die Herstellung illegaler Drogen differenziert, die wiederum in mehrere Kategorien unterteilt sind (drei Kategorien für den EU-internen Handel und vier Kategorien für den externen Handel).

Die Evaluierung hat ergeben, dass es bei der Durchführung der Verordnungen erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt. Die Ursachen liegen u. a. in dem unterschiedlichen Personalaufwand der Mitgliedstaaten für diese Aufgaben, in der sich erheblich unterscheidenden Häufigkeit der Vor-Ort-Überprüfungen bei Lizenz- oder Registrierungsinhabern, in den unterschiedlichen Auslegungen der Definition von Drogenausgangsstoffen enthaltenden Gemischen, in der unterschiedlichen Härte der Sanktionen bei Verstößen gegen die Verordnungen sowie in starken Unterschieden bei der Zahl der Meldungen verdächtiger Vorgänge in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Diese Abweichungen können allerdings weitgehend auf die besonderen Umstände in den Mitgliedstaaten zurückgeführt werden. Beispielsweise unterscheiden sich Umfang und Entwicklungsstand der chemischen Industrie in den Mitgliedstaaten in sehr hohem Maße. Darüber hinaus bestehen große Unterschiede hinsichtlich des Ausmaßes der illegalen Drogenherstellung, sodass der Strategie in Bezug auf Drogenausgangsstoffe unterschiedliches Gewicht beigemessen wird. Auch deutliche Unterschiede im Hinblick darauf, welche illegalen Drogen die meisten gesundheitlichen oder gesellschaftlichen Probleme verursachen, erklären die unterschiedliche Intensität der Überwachung bestimmter Drogenausgangsstoffe. So misst ein Mitgliedstaat, in dem Methamphetamin gar nicht oder nur in geringfügigen Mengen illegal hergestellt oder konsumiert wird, der Überwachung der dafür erforderlichen Drogenausgangsstoffe womöglich eine geringere Priorität bei. Dennoch bedürfen einige dieser Unterschiede, beispielsweise die erheblichen Abweichungen bei den Sanktionen bei Verstößen gegen die EU-Rechtsvorschriften zu Drogenausgangsstoffen, womöglich einer genaueren Betrachtung, insbesondere, um festzustellen, ob die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

2.2.Wirksamkeit

Analysen anhand des Verdachts auf Herstellung illegaler Drogen

Um die Wirksamkeit der Verordnungen insgesamt zu beurteilen, wird unterschieden zwischen den wichtigsten Arten von Drogenausgangsstoffen, die für die EU-Strategie relevant sind, und den Regionen, in denen diese Stoffe üblicherweise für die Herstellung illegaler Drogen verwendet werden.

a) Synthetische Drogenherstellung in der EU (vorwiegend MDMA und Amphetamine 6 )

Wesentliche Drogenausgangsstoffe 7  

Die wesentlichen Drogenausgangsstoffe – also die Stoffe, die bei der Herstellung ganz oder teilweise in die Molekularstruktur der Droge (d. h. in das Endprodukt) eingehen und ganz oder teilweise für die vom Drogenkonsumenten erwünschten psychotropen Wirkungen verantwortlich sind – werden im Allgemeinen nicht in der EU hergestellt, sondern legal oder illegal in die EU eingeführt.

Die Evaluierung lässt vermuten, dass diese Drogenausgangsstoffe nicht auf herkömmliche Weise „abgezweigt“ werden. Bei den wesentlichen Drogenausgangsstoffen für die Herstellung von Amphetaminen und MDMA in der EU handelt es sich mittlerweile fast ausschließlich um Designer-Ausgangsstoffe. Designer-Ausgangsstoffe sind enge chemische Verwandte eines erfassten Drogenausgangsstoffs, die eigens dazu hergestellt werden, die behördlichen Kontrollen zu umgehen, und haben in der Regel keinen bekannten legalen Verwendungszweck. Darüber hinaus wird Methamphetamin in der EU häufig auf der Grundlage der Ausgangsstoffe Ephedrin und Pseudoephedrin hergestellt. In vielen Fällen werden diese aus Arzneimitteln extrahiert, die diese Stoffe enthalten und rechtmäßig in Apotheken bestimmter Mitgliedstaaten erworben wurden. Mit anderen Worten, auch diese Ausgangsstoffe werden nicht im herkömmlichen Sinne „abgezweigt“. Somit kann im Hinblick auf das Angebot wesentlicher Chemikalien für die illegale Herstellung synthetischer Drogen in der EU festgestellt werden, dass die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen alles in allem wirksam verhindert werden konnte. In Verbindung mit neuen Produktionstechniken, bei denen keine erfassten Stoffe benötigt werden, dürfte jedoch gerade diese erfolgreiche Prävention der Abzweigung die Drogenhändler veranlasst haben, zunehmend auf Designer-Ausgangsstoffe zurückzugreifen (siehe „Relevanz“).

Ergänzende Drogenausgangsstoffe 8  

Neben den wesentlichen Drogenausgangsstoffen werden zur Herstellung synthetischer Drogen in der EU auch große Mengen ergänzender Drogenausgangsstoffe verschiedener Art benötigt, beispielsweise Reagenzien, Lösungsmittel, Trennmittel oder Dispergatoren, die bei einer chemischen Synthese zum Einsatz kommen, jedoch nicht Bestandteil der Droge werden.

Die Evaluierung ergab, dass viele dieser ergänzenden Drogenausgangsstoffe üblicherweise innerhalb der EU aus legalen in illegale Kanäle umgeleitet werden. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Zollbehörden der EU an den Außengrenzen der Union so gut wie nie ergänzende Drogenausgangsstoffe beschlagnahmen, was darauf schließen lässt, dass sie ihren Ursprung innerhalb der EU haben.

Die Chemikalien, bei denen es sich größtenteils um „Massenware“ handelt, werden üblicherweise in sehr großen Mengen hergestellt und gehandelt, sodass sich die Prävention der Abzweigung besonders schwierig gestaltet. Ein kleiner Prozentsatz des gesamten Produktions- und Handelsvolumens genügt, um die Hersteller illegaler synthetischer Drogen zu versorgen. Selbst wenn die überwiegende Mehrheit der Wirtschaftsbeteiligten die Verordnungen vollumfänglich einhält, genügt also eine sehr begrenzte Anzahl nachlässiger oder korrupter Akteure, damit die Hersteller illegaler Drogen die ergänzenden Drogenausgangsstoffe erhalten, die sie benötigen. Dies bedeutet allerdings, dass im Hinblick auf die Herstellung synthetischer Drogen innerhalb der EU und im Hinblick auf ergänzende Drogen die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen in der EU nicht wirksam verhindert werden konnte.

b) Heroinherstellung üblicherweise in Zentral- und Südostasien

Essigsäureanhydrid dient bei der Verarbeitung von Morphin zu Heroin als Acetylierungsmittel 9 und unterliegt aufgrund seiner entscheidenden Bedeutung für die Heroinherstellung der internationalen Kontrolle von Drogenausgangsstoffen. Es gehört zu den Drogenausgangsstoffen, nach denen die Behörden rund um die Welt besonders intensiv fahnden, weil Heroin zu den am stärksten suchterregenden Drogen der Welt gehört, einen überproportional hohen Anteil an drogenbedingten Gesundheitsproblemen und drogenbedingter Mortalität hat und auch, weil die Heroinproduktion in Afghanistan mit der Terrorismusfinanzierung in Zusammenhang gebracht wird.

Die legale Herstellung und der legale Handel mit Essigsäureanhydrid nehmen weltweit zu, was es in Anbetracht der verhältnismäßig geringen Mengen, die bei der illegalen Heroinproduktion benötigt werden (etwa 0,01 %), ausgesprochen schwierig macht, die Abzweigung zu illegalen Zwecken zu verhindern. Im Dezember 2013 verschärfte die EU ihre Rechtsvorschriften zu Drogenausgangsstoffen durch eine Registrierungspflicht für Endverwender von Essigsäureanhydrid, um die Abzweigung in der EU zu verringern. Trotz der strengen Kontrollen kommt es jedoch nach wie vor zur Abzweigung innerhalb der EU. Insbesondere die Türkei beschlagnahmt immer wieder Essigsäureanhydrid, das mutmaßlich aus der EU stammt und nach Afghanistan verbracht werden soll. Auch der Internationale Suchtstoffkontrollrat 10 macht in seinen jüngsten Berichten auf dieses Problem aufmerksam und hat die Behörden der EU aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Darüber hinaus wurden in bestimmten EU-Mitgliedstaaten illegale Labore entdeckt, in denen aus Morphin Heroin hergestellt wird. Der Grund für diesen untypischen Produktionsort – normalerweise wird Heroin näher an den Regionen synthetisiert, in denen die dazu verwendeten Pflanzen, insbesondere Mohn, wachsen – besteht Experten zufolge darin, dass Essigsäureanhydrid in der EU preisgünstiger und einfacher zu beschaffen ist als in Afghanistan oder den traditionellen Heroin produzierenden Regionen. Dies deutet darauf hin, dass die Abzweigung von Essigsäureanhydrid in der EU nicht wirksam verhindert werden konnte.

Analyse anhand der Anzahl der Beschlagnahmen und gestoppten Lieferungen

Auch die Analyse der Beschlagnahmen und gestoppten Lieferungen im Zeitverlauf gibt Aufschluss über die Entwicklung der Abzweigungen und die Wirksamkeit der EU-Strategie in Bezug auf Drogenausgangsstoffe. 11 Bei Beschlagnahmen handelt es sich um Lieferungen, die auf Anordnung eines Gerichts oder einer zuständigen Behörde eingezogen wurden. Bei gestoppten Lieferungen handelt es sich um Lieferungen, die auf Initiative eines Wirtschaftsbeteiligten oder der zuständigen Behörden dauerhaft unterbunden werden, weil der begründete Verdacht besteht, dass es sich um eine versuchte Abzweigung von Drogenausgangsstoffen handeln könnte.

Diese Überlegungen lagen der Analyse zugrunde, die im Zuge dieser Evaluierung vorgenommen wurde. Die einzige allgemeine Schlussfolgerung, die sich in der Praxis ziehen lässt, besagt allerdings, dass die fortgesetzten, wenn auch erratischen Beschlagnahmen nahezu sämtlicher erfasster Ausgangsstoffe auf eine anhaltende Abzweigung vom legalen Handel hindeuten. Und obwohl die Verschärfung einiger Verordnungen (z. B. die Einordnung von Essigsäureanhydrid in die Kategorie 2A im Jahr 2013 und die Pflicht für Endverwender, sich auch als Wirtschaftsbeteiligte zu registrieren) zu stärkeren Überwachungskontrollen geführt hat, blieben Anzahl und Menge der Beschlagnahmen auch nach diesen Veränderungen erheblich.

Eine andere Herangehensweise an das Problem besteht darin, die Beschlagnahme wesentlicher Chemikalien, die für gewöhnlich in der Kategorie 1 erfasst werden, zusammen mit den nicht erfassten Stoffen zu betrachten, die als Ersatz für diese Chemikalien dienen können. Diesen Ansatz wählten die niederländischen Zollbehörden in einem Bericht 12 jüngeren Datums. Diesem Bericht zufolge wurden 2017 und 2018 in der EU mindestens 189 Tonnen wesentlicher Chemikalien beschlagnahmt. Diese Menge hätte ausgereicht, um rund 170 Millionen MDMA-Pillen und 103 Tonnen Ampthetaminpaste herzustellen.

Das wahre Ausmaß von Abzweigung und Schmuggel dürfte weitaus größer sein. Dies lässt sich an den zahlreichen leeren Verpackungen ablesen, die in illegalen Laboren gefunden werden, und an den zahlreichen illegalen Deponien für chemische Abfälle. Laut dem European Reporting Instrument on Sites related to Synthetic Production (ERISSP, Europäisches Berichtsinstrument zu Orten mit Bezug zur synthetischen Herstellung) wurden im Jahr 2018 311 illegale Deponien gemeldet.

Eine weitere Schlussfolgerung aus dieser umfangreichen Herstellung synthetischer Drogen in der EU, die sich aus den erheblichen Mengen entdeckter wesentlicher Chemikalien ergibt, besteht darin, dass noch größere Mengen ergänzender Stoffe (Lösungsmittel, Reagenzien usw.) auf irgendwelchen Wegen in die illegalen Labore gelangt sein müssen – also abgezweigt wurden. 13 Erkenntnissen der Strafvollzugsbehörden zufolge wird der Großteil der in den illegalen Laboren verwendeten ergänzenden Stoffe innerhalb der EU beschafft, da sie so gut wie nie an den EU-Außengrenzen von den Zollbehörden beschlagnahmt werden. Zusammenfassend lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Anzahl der Fälle von Abzweigungen ergänzender Ausgangsstoffe innerhalb der EU sehr hoch ist. Dies bestätigt die oben angeführte Schlussfolgerung, dass die Abzweigung von ergänzenden Stoffen in der EU nicht erfolgreich verhindert werden konnte.

2.3.Effizienz

Die Effizienz wird im Allgemeinen anhand des Verhältnisses zwischen dem für eine Intervention erforderlichen Ressourceneinsatz und den damit bewirkten Veränderungen gemessen. Im Kontext der vorliegenden Evaluierung konnte dieses Verhältnis nicht eindeutig bestimmt werden. Es gibt keine auch nur annähernd stringente Methode, mit der monetär quantifiziert werden könnte, in welchem Umfang das Drogenangebot verringert wurde, weil die Abzweigung der für die Herstellung erforderlichen Drogenausgangsstoffe verhindert werden konnte.

Obwohl der Hauptnutzen (Verhinderung der Abzweigung) nicht monetarisiert werden kann, ergab die Evaluierung hinreichend Hinweise darauf, dass die Effizienz der Verordnungen nicht zu bezweifeln ist. Die Kosten, die sie für Behörden und Wirtschaftsbeteiligte mit sich bringen, können nicht als übermäßig betrachtet werden, und ihr Beitrag zu erheblichen Nutzeffekten (die sich allerdings nicht quantifizieren lassen) wurde weithin anerkannt.

Allerdings hat die Evaluierung auch ergeben, dass insbesondere im Bereich des externen Handels möglicherweise Spielraum zur Erhöhung der Effizienz besteht, indem die Fristen für die Vorausfuhrunterrichtung verkürzt werden, Schwellenwerte für eine Reihe von Verpflichtungen eingeführt werden und im Rahmen der EU-Initiative 14 , die eine Single-Window-Umgebung für den Zoll schafft, ein elektronisches System für Ein- und Ausfuhrgenehmigungen (eLicensing) eingerichtet wird, mit dem die Überprüfung dieser Genehmigungen durch die nationalen Zollbehörden automatisiert werden kann.

2.4.Relevanz

Da der Markt für illegale Drogen ausgesprochen schnelllebig ist, weil sich die verfügbaren illegalen Drogen und die zu ihrer Herstellung verwendeten Ausgangsstoffe ständig verändern, hängt die Relevanz der Rechtsvorschriften zu Drogenausgangsstoffen davon ab, inwieweit sie dazu beitragen, das Angebot der Ausgangsstoffe für die illegale Drogenherstellung und damit auch die Menge der illegalen Drogen, die hergestellt und in unserer Gesellschaft in Umlauf gebracht werden, zu verringern.

Geschwindigkeit, mit der neue Drogenausgangsstoffe in die Verordnungen aufgenommen werden können

Seit der Überarbeitung der Rechtsvorschriften im Jahr 2013 ist es möglich, Stoffe auf der Grundlage einer Delegierten Verordnung der Kommission in die Verordnungen aufzunehmen (sog. „Erfassung“). Auf diese Weise wurde die für die Anpassung der Verordnungen benötigte Zeit auf 12 bis 15 Monate verkürzt. Obwohl dies im Vergleich zu der Zeit vor 2013, in der solche Ergänzungen ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren (das oftmals mehrere Jahre beanspruchte) voraussetzten, eine erhebliche Verbesserung darstellt, wird die Dauer von 12 bis 15 Monaten nach wie vor als zu lang erachtet. Straftätern im Bereich der Drogenkriminalität bleibt dadurch ein recht ausgedehnter Zeitraum, in dem sie den betreffenden Stoff weiterhin verhältnismäßig leicht zur Herstellung illegaler Drogen verwenden und darüber hinaus während des Erfassungsverfahrens nach Alternativen suchen können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verordnungen dem Aufkommen neuer Stoffe für die Herstellung illegaler Drogen in gewissem Maße entgegenwirken können, es jedoch angesichts der Geschwindigkeit und Leichtigkeit, mit der die Hersteller illegaler Drogen neue, von den Verordnungen nicht erfasste Stoffe entwickeln können, auch erforderlich ist, weiterhin nach Möglichkeiten zu suchen, den Erfassungsprozess zu beschleunigen.

Eignung der Verordnungen, die zunehmende Verwendung nicht erfasster Stoffe, insbesondere „Designer-Ausgangsstoffe“, zu bekämpfen

Wie bereits erwähnt, verwenden die Hersteller illegaler synthetischer Drogen in der EU derzeit fast ausschließlich Designer-Ausgangsstoffe.

Den Ausführungen der Strafverfolgungsbehörden und Experten für Chemikalien zufolge sind den Herstellern von Designer-Ausgangsstoffen bei der Innovation praktisch keine Grenzen gesetzt. Mit anderen Worten: Jedes Mal, wenn ein neuer Stoff erfasst wird, sind die Straftäter in der Lage, durch die Manipulation einiger Moleküle einen neuen Designer-Ausgangsstoff zu erschaffen. Dazu bedarf es bisweilen wenig Zeit, jedenfalls oftmals weniger als zur Erfassung eines neuen Stoffs. Daher werden die Behörden niemals in der Lage sein, so schnell zu reagieren, dass dieses Problem innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens gelöst werden kann.

Dieser Mechanismus sei anhand der Entwicklung des wichtigsten Ausgangsstoffs verdeutlicht, der in den letzten zehn Jahren in der EU für die Herstellung von Amphetamin verwendet wurde. Vor 2010 wurde zur illegalen Herstellung dieser Droge in der EU vorwiegend der erfasste Ausgangsstoff Benzylmethylketon (BMK) verwendet. Vermutlich wegen der wirksamen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen der Behörden sahen sich die Hersteller illegaler Drogen nach Alternativen um. Dies führte zur Entwicklung von zunächst APAAN, dann APAA und schließlich MAPA, allesamt Designer-Ausgangsstoffe, die BMK bei der Herstellung von Amphetamin ersetzen. Unterdessen gibt es Hinweise darauf, dass die Menge illegal hergestellten Amphetamins in der EU weiterhin zunimmt. Diese Entwicklung verdeutlicht die Grenzen und Probleme des Ansatzes, die Drogenausgangsstoffe durch die Erfassung jedes einzelnen Stoffes zu kontrollieren.

Es sei auch darauf hingewiesen, dass die traditionellen Techniken zur „Verhinderung der Abzweigung von Stoffen“ mit einem legalen Verwendungszweck veraltet und in diesem Kontext weitaus weniger wirkungsvoll sind. Problematisch ist insbesondere die Zusammenarbeit mit der chemischen Industrie vermittels der Meldepflicht für verdächtige Vorgänge, die einen wesentlichen Pfeiler der Strategie zur Bekämpfung von Drogenausgangsstoffen in der EU darstellt. Die Wirtschaftsbeteiligten, die diese Designer-Ausgangsstoffe herstellen, agieren mit hoher Wahrscheinlichkeit bewusst illegal und werden daher niemals mit den Behörden zusammenarbeiten oder verdächtige Vorgänge melden.

Dieses Problem war den Gesetzgebern bei der Überarbeitung der Rechtsvorschriften im Jahr 2013 bereits bewusst (da APAAN vor 2013 aufkam), sodass sie sogenannte „Catch-all“-Bestimmungen in die Verordnungen aufnahmen. Diese Bestimmungen sollten die zuständigen Behörden in die Lage versetzen, auch dann einzugreifen, wenn nicht erfasste Stoffe, einschließlich Designer-Ausgangsstoffe, zu Zwecken der Herstellung illegaler Drogen gehandelt oder geschmuggelt werden.

Die Catch-all-Bestimmung in der Verordnung über den externen Handel verpflichtet die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten, die Verbringung von Sendungen nicht erfasster Stoffe in das oder aus dem Zollgebiet der Union zu verbieten, wenn ausreichende Hinweise dafür vorliegen, dass diese Stoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen bestimmt sind. Gemäß der Verordnung über den EU-internen Handel kann jeder EU-Mitgliedstaat die Maßnahmen erlassen, die erforderlich sind, damit die zuständigen Behörden verdächtige Vorgänge im Zusammenhang mit nicht erfassten Stoffen kontrollieren und überwachen können, und zwar insbesondere, damit die Behörden gegebenenfalls Sendungen aufhalten und beschlagnahmen können, um zu verhindern, dass bestimmte nicht erfasste Stoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen oder psychotropen Substanzen verwendet werden.

Die Erfahrungen seit dem Inkrafttreten der betreffenden Vorschriften haben jedoch gezeigt, dass die meisten Mitgliedstaaten diese Catch-all-Bestimmungen nicht anwenden oder nicht anwenden können, was in erster Linie auf mangelnde Klarheit über den Begriff „ausreichende Hinweise“ zurückzuführen ist.

Die mit den Catch-all-Bestimmungen verbundenen Probleme und Lösungsmöglichkeiten waren in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher Besprechungen der Expertengruppe der EU zu Drogenausgangsstoffen. Nach der einvernehmlichen Einschätzung aller Experten und Strafverfolgungsbehörden bedarf es unbedingt und dringend einer Methode, mit der das Problem nicht erfasster Stoffe, insbesondere Designer-Ausgangsstoffe, ohne obligatorische vorherige Erfassung der fraglichen Stoffe wirkungsvoll angegangen werden kann.

Es sei jedoch auch darauf hingewiesen, dass ungeachtet der Notwendigkeit, alternative Methoden zur Bewältigung der mit Designer-Ausgangsstoffen verbundenen Herausforderungen zu entwickeln, die „Verhinderung der Abzweigung“ traditioneller wesentlicher Chemikalien wie Safrol, BMK und PMK ihre Relevanz behält, da die Händler stets den Weg des geringsten Widerstands wählen werden. Da jede Lockerung durch die Behörden von den Straftätern sofort ausgenutzt wird, würden die Hersteller illegaler Drogen wieder auf Safrol, BMK, PMK usw. zurückgreifen.

Daraus lässt sich schließen, dass das derzeitige Kontroll- und Überwachungssystem für Drogenausgangsstoffe nicht mehr ausreicht, um den allgemeinen Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht zu werden, für die es geschaffen wurde.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Abzweigung von Drogenausgangsstoffen und der Handel damit ein globales Phänomen darstellt, das eine internationale Zusammenarbeit erfordert. Rechtsgrundlage auf multilateraler Ebene ist das VN-Übereinkommen von 1988, und der praktische Rahmen für diese Zusammenarbeit wird durch die Suchtstoffkommission der VN (Commission on Narcotic Drugs, CND) und die Taskforce für Ausgangsstoffe beim Internationalen Suchtstoffkontrollrat (International Narcotics Control Board, INCB) geschaffen. Im Hinblick auf das Problem der Designer-Ausgangsstoffe stimmen alle Beteiligten darin überein, dass es keine Patentlösung gibt und dass neue Ansätze erforderlich sind, die auch eine internationale Zusammenarbeit vorsehen.

Darüber hinaus hat die EU mit elf Drittländern, darunter China, die USA, Mexiko, Kolumbien und die Türkei, Abkommen über Drogenausgangsstoffe geschlossen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Zusammenarbeit mit China am wichtigsten, da, soweit bekannt, alle Designer-Ausgangsstoffe, die zur Herstellung illegaler Drogen in der EU verwendet werden, aus China stammen.

Die Bewertung der internationalen Zusammenarbeit ist jedoch nicht Gegenstand dieser Evaluierung. Es sei darauf hingewiesen, dass im Zuge der laufenden Evaluierung des Abkommens zwischen der EU und China über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich auch überprüft wird, ob diese Zusammenarbeit in Bezug auf Drogenausgangsstoffe verstärkt werden muss.

Eignung der Verordnungen zum Vorgehen gegen den Missbrauch von Online-Handelsplattformen

Ein Anliegen, auf das Interessenträger aus der Industrie während der Evaluierung aufmerksam machten, war die mangelnde Kontrolle über Online-Handelsplattformen. Solche Handelsplattformen gibt es in verschiedenen Formen: Einige stellen lediglich gegen Gebühr oder kostenlos Informationen über Käufer und Verkäufer zur Verfügung, ohne selbst an Transaktionen beteiligt zu sein; andere sind als echte Handelsplattformen direkt am Verkauf beteiligt; und Hersteller verkaufen ihre Produkte oftmals über die Websites ihrer Unternehmen.

Gegenwärtig sind jedoch sehr wenige verlässliche Informationen zu diesem Thema verfügbar. Ob die betreffenden Online-Handelsplattformen durch bestimmte Vorschriften in den Verordnungen reguliert werden müssen oder nicht, ist schwer zu beurteilen und hängt u. a. davon ab, welche Form sie im Einzelnen annehmen oder welche Dienste sie anbieten. Dies muss genauer analysiert werden. In diesem Zusammenhang wird auf Kohärenz mit der Europäischen Digitalstrategie zu achten sein.

2.5.Kohärenz

Die Evaluierung der Kohärenz in Bezug auf die Verordnungen über Drogenausgangsstoffe erstreckte sich auf mehrere Dimensionen.

Funktionieren der Verordnungen als solche und in Beziehung zueinander

Öffentliche und gezielte Konsultationen förderten eine Reihe konkreter Kritikpunkte im Hinblick auf die innere Kohärenz der evaluierten Rechtsvorschriften zutage. Diese betrafen die Definition von Gemischen, die Tatsache, dass der Kategorie 4 zugeordnete Stoffe 15 (die im Anhang zur Verordnung über den externen Handel aufgelistet sind) nicht auch von der Verordnung über den EU-internen Handel erfasst werden, und die Zweckmäßigkeit einer Zusammenführung der beiden getrennten Verordnungen.

Die Analyse dieser Kritikpunkte (die nur von einer Minderheit der Befragten vorgebracht wurden) ergab, dass sie die innere Kohärenz der Verordnungen als solche nicht infrage stellen. Die Schwierigkeiten bei der Definition von Gemischen liegen nicht in Widersprüchen oder Mehrdeutigkeiten der Rechtsakte, sondern in deren uneinheitlicher Durchführung begründet. Das Fehlen der Stoffe der Kategorie 4 in der Verordnung über den EU-internen Handel steht der Wirksamkeit der entsprechenden Bestimmungen der Verordnung über den externen Handel in keiner Weise entgegen, da letztere die Verpflichtungen in Bezug auf diese Stoffe nur im Hinblick auf Ausfuhren regelt, sodass sie ihre Wirkung außerhalb der EU entfaltet. Was die mögliche Zusammenführung der beiden Verordnungen anbelangt, so wurden hierfür ausnahmslos Gründe der Zweckmäßigkeit angeführt; es wurden keine Bestimmungen benannt, die zu Unsicherheit bezüglich des notwendigen Vorgehens führen oder einander gar widersprechen.

Beziehung der Verordnungen zu anderen Interventionen auf EU-Ebene

Durch Maßnahmen, mit denen die Abzweigung wesentlicher Chemikalien für die Drogenherstellung verhindert werden soll, leisten die Verordnungen einen Beitrag zur Erfüllung eines der fünf Ziele der EU-Drogenstrategie 2013-2020, d. h. einen „Beitrag zur Zerschlagung der illegalen Drogenmärkte und zu einer messbaren Reduzierung der Verfügbarkeit von illegalen Drogen“. Die Zahl der beschlagnahmten und gestoppten Lieferungen von Drogenausgangsstoffen lässt erkennen, dass die bestehenden Rechtsvorschriften über Drogenausgangsstoffe zu einer Verringerung des Angebots illegaler Kanäle für Drogenausgangsstoffe und folglich zu einer Reduzierung des Angebots an illegalen Drogen führen. Allerdings können die Auswirkungen dieser Rechtsvorschriften auf die allgemeine Reduzierung der Drogenausgangsstoffe, die in illegale Kanäle umgeleitet werden, nicht genau quantifiziert werden.

Dennoch wird es weiterhin wichtig sein, dass die Strategie der EU in Bezug auf Drogenausgangsstoffe durchgängig auf die EU-Agenda zur Drogenbekämpfung und den Aktionsplan abgestimmt ist. Ein besonders bedeutsamer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Unterstützung, die die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) bei der Erhebung, Konsolidierung und Analyse von Daten zu Drogenausgangsstoffen leisten könnte.

Reibungslose Vereinbarkeit der Verordnungen mit verwandten nationalen Interventionen, die nach den EU-Verträgen zulässig sind

Der Umstand, dass der Stoff γ-Butyrolacton (GBL) sowohl ein Drogenausgangsstoff als auch eine eigenständige Droge ist, birgt ein potenzielles Kohärenzproblem. Der Stoff wird aufgrund seines unklaren Status in den Mitgliedstaaten auf ganz unterschiedliche Weise überwacht. Außerdem wurde festgestellt, dass einige Stoffe im Betäubungsmittelrecht der Mitgliedstaaten als Droge, in den Verordnungen hingegen als Drogenausgangstoff eingestuft werden. Die Wirksamkeit der Verordnungen wird dadurch nicht unmittelbar beeinträchtigt, doch in bestimmten Fällen können sich Probleme für die Integrität des EU-Binnenmarkts ergeben. Diese Gefahr ist jedoch nicht auf die Bestimmungen der Verordnungen selbst zurückzuführen und kann auch nicht durch Änderungen derselben behoben werden. Die in den Tabellen des VN-Übereinkommens von 1988 aufgeführten Stoffe müssen weiterhin in den Verordnungen über Drogenausgangsstoffe erfasst werden, unabhängig davon, ob sie zum Teil von einigen Mitgliedstaaten als Drogen eingestuft (und behandelt) werden. Hinsichtlich der Verordnungen ist es wichtig zu gewährleisten, dass die Erfassung der Stoffe nach einheitlich angewandten Kriterien erfolgt, auch wenn dies aufgrund der verbindlichen Verpflichtungen, die sich aus dem Text des VN-Übereinkommens von 1988 ergeben, nicht mit absoluter Gewissheit sichergestellt werden kann.

Vereinbarkeit der Verordnungen mit internationalen Verpflichtungen

Die Verordnungen enthalten die Verpflichtungen, die das VN-Übereinkommen von 1988 den Unterzeichnern auferlegt, insbesondere die Verpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, um die Abzweigung genau bezeichneter Stoffe zur illegalen Herstellung von Drogen zu verhindern (Artikel 12 Absatz 1 des Übereinkommens), sowie die Verpflichtung, ein System zur Überwachung des internationalen Handels mit genau bezeichneten Stoffen zu errichten und zu unterhalten (Artikel 12 Absatz 9 Buchstabe a).

Hinsichtlich der Frage, auf welche Stoffe sich diese Verpflichtungen erstrecken, gibt es einige Abweichungen zwischen den in den Tabellen I und II des VN-Übereinkommens von 1988 aufgeführten und den in den Verordnungen erfassten Stoffen. Diese Abweichungen sind allerdings darauf zurückzuführen, dass in den Rechtsvorschriften der EU über die im VN-Übereinkommen von 1988 aufgeführten Stoffe hinaus weitere Stoffe erfasst sind, um spezifische Probleme in der EU anzugehen. Die Kohärenz mit dem VN-Übereinkommen von 1988 an sich wird dadurch offenbar nicht beeinträchtigt. Neben den Verpflichtungen, die sich aus dem VN-Übereinkommen von 1988 ergeben, verabschiedet die Suchtstoffkommission der VN regelmäßig Entschließungen zur Kontrolle und Überwachung von Drogenausgangsstoffen. Diese Entschließungen sind nicht verbindlich, und die darin enthaltenen Empfehlungen werden überdies von der EU in vielen Fällen bereits vor ihrer Verabschiedung umgesetzt, da die EU „bewährte Verfahren“ oder innovative Ansätze für die Strategie in Bezug auf Drogenausgangsstoffe oftmals frühzeitig annimmt.

Insgesamt wurden bei der Evaluierung keine schwerwiegenden Kohärenzmängel im Hinblick auf die Verordnungen über Drogenausgangsstoffe festgestellt. Insbesondere ergaben sich weder intern noch hinsichtlich der verbindlichen Verpflichtungen der EU auf diesem Gebiet erkennbare Inkohärenzen.

2.6.EU-Mehrwert

Bei der Untersuchung, welchen Mehrwert die Verordnungen über Drogenausgangsstoffe erbringen, wurden zwei wichtige Besonderheiten festgestellt:

-Das VN-Übereinkommen von 1988, das von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde, hätte auf jeden Fall eine Gesetzgebung auf diesem Gebiet erfordert, sei es auf nationaler oder auf EU-Ebene.

-Die kontrafaktische Alternative zu einer Intervention auf EU-Ebene (also Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene) verbietet sich entweder aus rechtlichen Gründen oder ist nur unter eng definierten Umständen möglich.

Ferner sei darauf hingewiesen, dass die auf EU-Ebene geltende Verordnung über den externen Handel mit Drogenausgangsstoffen eine unmittelbare Folge der ausschließlichen Zuständigkeit der EU auf diesem Gebiet darstellt und eine symmetrische Regulierung des EU-internen Handels aus Kohärenzerwägungen wünschenswert ist.

Ungeachtet der Tatsache, dass der Spielraum für Interventionen auf nationaler Ebene ohnehin begrenzt ist, gibt es zwingende Gründe, weshalb Maßnahmen auf EU-Ebene grundsätzlich vorzuziehen sind. Insbesondere wird in den Verordnungen über Drogenausgangsstoffe auf die gegenseitige Amtshilfe zwischen den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten mit der Kommission verwiesen. Dies ist ein äußerst wertvolles (und geradezu unerlässliches) Instrument für regulatorische Interventionen, mit dem verhindert werden soll, dass bestimmte Güter in illegale Kanäle umgeleitet und für strafbare Handlungen verwendet werden, da solche Handlungen per definitionem nicht öffentlich bekannt sind und Informationen darüber nur von den zuständigen Behörden eingeholt werden können und häufig vertraulich sind.

Die gezielten Fragebögen lieferten zusätzliche Erkenntnisse über die konkreten Vorteile, die sich aus der Kontrolle von Drogenausgangsstoffen auf EU-Ebene ergeben, z. B. gemeinsame Definitionen, Kriterien und Ansätze, die eine größere Kohärenz bei der Durchführung der Kontrollen gewährleisten und den Wirtschaftsbeteiligten klare und berechenbare Regeln vorgeben.

Die nachteiligen Auswirkungen, die der Intervention der EU zugeschrieben werden, betreffen die Langsamkeit von Änderungen der Verordnungen, mit denen zusätzliche Stoffe erfasst werden (siehe Relevanz), sowie die Probleme, die entstehen, wenn einzelne Mitgliedstaaten in Bezug auf die Stoffe, die sie kontrollieren wollen, unterschiedliche Prioritäten setzen.

Insgesamt haben die Antworten, die sowohl von den Behörden der Mitgliedstaaten als auch von den Wirtschaftsbeteiligten eingegangen sind, jedoch deutlich mehr Vor- als Nachteile ergeben.

Außerdem hat die Evaluierung überzeugend gezeigt, dass gesetzgeberische Maßnahmen auf nationaler Ebene nicht nur grundsätzlich durch die Bestimmungen der Verträge beschränkt sind, sondern auch sowohl hinsichtlich der Rechtssicherheit als auch der Wirksamkeit tendenziell schlechter abschneiden als eine Intervention auf EU-Ebene.

3.SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Evaluierung hat ergeben, dass in Bezug auf nicht erfasste Stoffe, insbesondere Designer-Ausgangsstoffe, zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind.

Daher wird die Kommission in Anbetracht dieser Erkenntnis und unbeschadet der Ergebnisse des besseren Regulierungsverfahrens eine Überarbeitung der EU-Verordnungen über Drogenausgangsstoffe und damit zusammenhängender Rechtsinstrumente, z. B. des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, in Erwägung ziehen.

Diese Gelegenheit bietet sich auch an, um eine Reihe anderer Aspekte der Verordnungen zu stärken, z. B. in Bezug auf die Abzweigung von ergänzenden Drogenausgangsstoffen und Essigsäureanhydrid aus dem EU-internen Handel, die Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Wirtschaftsbeteiligten und die zuständigen Behörden sowie eine strengere Kontrolle von Online-Handelsplattformen.

Zu diesem Zweck ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, um die Kohärenz mit anderen Initiativen und Maßnahmen auf EU-Ebene zu gewährleisten, insbesondere mit der EU-Agenda zur Drogenbekämpfung und dem Aktionsplan, der Überarbeitung des Mandats der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA), der Europäischen Digitalstrategie, dem neuen Aktionsplan im Zollbereich, insbesondere im Hinblick auf das Zollrisikomanagement (und die Möglichkeiten, den Beitrag der Risikoanalyse und der Kontrollen im Zollbereich zur Entdeckung von Drogenausgangsstoffen zu verstärken), der neuen Initiative zu Zollsanktionen, der Initiative der EU für eine Single-Window-Umgebung für den Zoll und der Bewertung der Zusammenarbeit im Zollbereich zwischen der EU und China.

(1) Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenaustauschstoffen zwischen der Gemeinschaft und Drittländern (ABl. L 22 vom 26.1.2005, S. 1).
(2) Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe (ABl. L 47 vom 18.2.2004, S. 1).
(3)   https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52012XG1229(01)&from=DE
(4) Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, EU-Agenda zur Drogenbekämpfung und Aktionsplan für den Zeitraum 2021-2025 (COM(2020) 606 final).
(5) Siehe Artikel 16 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 und entsprechend Artikel 32 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 111/2005.
(6) Zu den Amphetaminen gehören Amphetamine und Methamphetamine.
(7) In der Regel Stoffe der Kategorien 1 und 2 in den Verordnungen.
(8) In der Regel Stoffe der Kategorie 3 in den Verordnungen.
(9) Die wichtigsten Schritte bei der Herstellung von Heroin sind: Mohn (Anbau)OpiumMorphinHeroin.
(10) International Narcotics Control Board (INCB), Annual Reports on Precursors (2018 and 2019) – Precursors and chemicals frequently used in the illicit manufacture of narcotic drugs and psychotropic substances (Internationales Suchtkontrollamt, Jahresberichte zu Ausgangsstoffen (2018 und 2019) – Ausgangsstoffe und Chemikalien, die häufig zur illegalen Herstellung von Suchtstoffen und psychotropen Substanzen verwendet werden).
(11) Dabei ist zu beachten, dass dieser Indikator mit Vorsicht auszulegen ist. Eine Zunahme der Anzahl der Beschlagnahmen und/oder der beschlagnahmten Mengen mag auf den ersten Blick begrüßenswert erscheinen, da die Behörden anscheinend wirkungsvoller verhindern konnten, dass Chemikalien für die Herstellung illegaler Drogen verwendet werden. Es könnte jedoch schlicht bedeuten, dass die Menge der Abzweigungen zugenommen und sich das Problem in Wirklichkeit verschlimmert hat. Umgekehrt bedeutet ein Rückgang der Anzahl der Beschlagnahmen oder der beschlagnahmten Mengen nicht unbedingt, dass die Behörden die Abzweigung mit weniger Erfolg bekämpft haben. Es könnte auch heißen, dass die Menge der Abzweigungen zurückgegangen ist, was offenkundig eine begrüßenswerte Entwicklung wäre.
(12) Douane Belastingdienst, The smuggling of (pre-)precursors for the production of synthetic drugs – Situation Report 2017-2018, 2019 (Der Schmuggel von (Vor-)Ausgangsstoffen für die Herstellung synthetischer Drogen – Lagebericht 2017-2018, erschienen 2019).
(13) Beispielsweise dient Azeton zur Herstellung von Kokain, Heroin, Lysergesäurediäthylamid (LSD) sowie Amphetetamin- und Methamphetamin-Derivaten. Zur Herstellung von 1 Kilogramm dieser Drogen sind jeweils mehrere Dutzend Liter dieses Stoffs erforderlich (Quelle: Broschüre über Drogenausgangsstoffe der GD TAXUD, 2012).
(14)   https://ec.europa.eu/taxation_customs/general-information-customs/electronic-customs/eu-single-window-environment-for-customs_de
(15)  Ephedrin und/oder Pseudoephedrin oder seine Salze enthaltende Arzneimittel und Tierarzneimittel.