1.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 324/35


Prospektivstellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die Zukunft der EU-Luftqualitätspolitik im Rahmen des Null-Schadstoff-Ziels

(2020/C 324/06)

Berichterstatter:

János Ádám KARÁCSONY (HU/EVP), Mitglied des Gemeinderates von Tahitótfalu

Referenzdokument:

Prospektivstellungnahme

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einleitende Bemerkungen

1.

begrüßt den von der neuen Europäischen Kommission vorgeschlagenen europäischen Grünen Deal (1), das Null-Schadstoff-Ziel für eine schadstofffreie Umwelt — eine der drei Hauptprioritäten des neuen für Umwelt zuständigen Kommissionsmitglieds — und vor allem den Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft, Wasser und Boden, dessen Annahme für 2021 geplant ist;

2.

nimmt zur Kenntnis, dass laut einer Spezial-Eurobarometer-Umfrage zum Luftqualitätsbewusstsein in der EU die öffentliche Akzeptanz ehrgeiziger Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität steigt. Ehrgeizige Maßnahmen sind vor allem auch wegen der wachsenden Beunruhigung über Luftverschmutzung und der umfangreichen Mobilisierung junger Menschen für Umweltbelange angesagt;

3.

bemerkt, dass durch Luftverschmutzung, dem nach wie vor größten umweltbedingten Gesundheitsrisiko in Europa, jedes Jahr nahezu 500 000 vorzeitige Todesfälle (zehnmal so viele wie durch Unfälle im Straßenverkehr) verursacht werden. Luftverschmutzung verursacht Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Krebs. Sie hat zudem erhebliche negative Auswirkungen auf das Klima, die Ökosysteme, die bebaute Umwelt — einschließlich des kulturellen Erbes — und die Wirtschaft;

4.

weist darauf hin, dass die Lehren aus der COVID-19-Pandemie in den künftigen politischen Maßnahmen berücksichtigt werden müssen. Zum einen besteht ein möglicher Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung und der Schwere der Folgen einer Infektion mit dem COVID-19-Virus (2), weshalb die Bekämpfung der Luftverschmutzung zu den obersten Prioritäten des EU-Aufbauplans zählen muss. Zum anderen führten die erhebliche Verringerung des Verkehrsaufkommens, der Industrieproduktion und anderer Aktivitäten während des Lockdowns zu einem merklichen Rückgang der Luft- und Lärmverschmutzung. Die Bürgerinnen und Bürger konnten deutlicher sehen, dass eine gesündere Umwelt, weniger Verkehrsaufkommen, offenere öffentliche Räume und naturbasierte Lösungen für ihr Wohlergehen unerlässlich sind. Es gibt eine starke Unterstützung für diese historische Chance, etwas Besseres zu gestalten;

5.

stellt fest, dass sich die Luftqualität in Europa in den letzten Jahren stetig verbessert hat, viele Mitgliedstaaten indes die vorgeschriebenen Normen nicht einhalten und gegen mehr als die Hälfte von ihnen Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden sind; stellt ferner fest, dass der Feinstaubgehalt (PM 2.5), eine der für die menschlichen Atemwege gefährlichsten Form der Luftverschmutzung, in Europa nicht signifikant zurückgegangen ist;

6.

würdigt die Bemühungen von Mitgliedstaaten, europäischen Institutionen und internationalen Organisationen, die Luftverschmutzung zu bewerten und zu bekämpfen (3);

7.

bekräftigt seine Forderung nach einem integrierten Konzept, einer ehrgeizigen an den Emissionsquellen ansetzenden EU-Politik und einer Verknüpfung von Immissionsschutzpolitik und Emissionspolitik, sowohl in Bezug auf die Zielsetzungen als auch die Zeitpläne (4); fordert, die Schlussfolgerungen der Konsultation des AdR-Netzwerks regionaler Hubs (RegHub) (5) zur Umsetzung der EU-Richtlinien über Luftqualität und nationale Emissionshöchstmengen sowie die Empfehlungen aus seiner Stellungnahme „Der Weg zu einem 8. Umweltaktionsprogramm (UAP)“ (6) zu berücksichtigen;

8.

verweist auf die besondere diesbezügliche Verantwortung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften gegenüber den künftigen wie auch den jetzigen Generationen, insbesondere den stärker schutzbedürftigen Gruppen, und ist angesichts der Erfahrungen während der COVID-19-Krise davon überzeugt, dass ein Wandel möglich ist; spricht daher die folgenden Empfehlungen aus;

Mögliche neue Initiativen

Legislativmaßnahmen

9.

nimmt die Schlussfolgerung der Eignungsprüfung zur Kenntnis, dass die Luftqualitätsrichtlinien einen Teilerfolg bei der Verbesserung der Luftqualität verbuchen können, es jedoch noch Raum für weitere Verbesserungen gibt; empfiehlt, bei einer Überarbeitung zu erwägen, auf der Grundlage von WHO-Empfehlungen auch ultrafeine Partikel (UFP) und Ruß (Black Carbon, BC) miteinzubeziehen, die stark gesundheitsgefährdend sind. Zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Gesundheit sollte überdies weniger die Luftqualität bewertet als vielmehr die Exposition der Menschen gegenüber Luftverschmutzung gemessen werden; sieht den zeitnah hierzu vorzulegenden Legislativvorschlägen mit Interesse entgegen und wird gegebenenfalls mit Vorschlägen aus lokaler und regionaler Sicht zu diesen Verfahren beitragen;

10.

stimmt zu, dass die derzeitigen Überwachungsvorschriften eine gute Grundlage für die Ermittlung vergleichbarer zuverlässiger Luftqualitätsdaten bieten. Allerdings sollten die Überwachungssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten stärker harmonisiert werden. Der AdR empfiehlt, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) enger an der Standortwahl für Luftgütemessstationen zu beteiligen;

11.

stellt wie auch schon der Europäische Rechnungshof fest, dass die Luftqualitätsnormen der EU fast 20 Jahre alt und teilweise deutlich weniger streng sind als die Luftgüteleitlinien der WHO und die aufgrund der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen empfohlenen Grenzwerte;

12.

befürwortet die Ankündigung der Europäischen Kommission, eine engere Abstimmung der Luftqualitätsnormen auf die (derzeit in Überarbeitung befindlichen) WHO-Leitlinien vorschlagen zu wollen, möchte jedoch Nachstehendes zu bedenken geben. Angesichts der vielen Mitgliedstaaten, die die geltenden Normen nicht einhalten, erscheint es angemessen, gegebenenfalls zusätzliche Unterstützung bei der Umsetzung sowie geeignete und strikt überwachte Rahmen für die Erfüllung der Anforderungen vorzusehen. Der AdR hält Emissionsvorschriften für besonders wirkungsvoll und empfiehlt daher, den Schwerpunkt verstärkt auf ihre Verschärfung zu legen; gleichzeitig begrüßt er, dass manche Mitgliedstaaten, Regionen und Städte die Möglichkeit haben, auf eigene Initiative strengere Grenzwerte anzuwenden, was sie teils auch schon tun;

13.

betont die Notwendigkeit, verstärkt die Regulierung von Emissionen ins Visier zu nehmen, um durch die Verringerung von Emissionen an der Quelle (Vermeidung von Verschmutzung) eine bessere Luftqualität zu erreichen. In der NEC-Richtlinie werden ehrgeizige Reduktionsverpflichtungen für die Mitgliedstaaten vorgeschrieben, aber es werden auch EU-weite sektorspezifische Regelungen benötigt. EU-Rechtsvorschriften können für gerechtere Wettbewerbsbedingungen sorgen, denn strengere lokale Emissionsreduktionsanforderungen können sich wirtschaftlich nachteilig auswirken. EU-Rechtsvorschriften sollten auch verhindern, dass die Verschmutzung einfach verlagert wird, bspw. von einer Stadt, einem Land oder einem Kontinent in eine bzw. einen anderen oder über den Dieselauto-Weiterverkauf von westeuropäischen Städten, in denen Fahrverbote gelten, nach Osteuropa, Afrika und andere Teile der Welt. Das Augenmerk sollte auf bestimmte Bereiche gerichtet werden, die von den geltenden Bestimmungen nicht erfasst werden: u. a. die (Binnen-)Schifffahrt, Nicht-Auspuff-Emissionen im Straßenverkehr (Reifen- und Bremsabrieb), Dieselgeneratoren (lokale Stromversorgung), Luftverkehr, Kleinfeuerungsanlagen (<1 MWth) wie holz- und kohlebefeuerte Öfen und Heizkessel in Wohngebäuden. Insbesondere ist dabei auf die realen Fahr- und Betriebsbedingungen zu achten;

Finanzierung

14.

weist darauf hin, dass generell eine gezielte EU-Förderung für Luftqualitätsmaßnahmen, für die Erstellung und Durchführung von Luftqualitätsplänen und für die Überwachung der Luftqualität in Echtzeit und ihre Verbesserung im Allgemeinen fehlt. Auch der Zugang zur Finanzierung gilt als schwierig und muss deshalb erheblich vereinfacht werden, damit Anträge auf Finanzierung Erfolg haben. Die Bereitstellung von Finanzmitteln für diese Förderungen sollte nach dem Verursacherprinzip erfolgen;

15.

stellt fest, dass insbesondere große städtische Ballungsräume, stark industrialisierte Regionen und die ärmsten Gebiete in der EU, die vielfach auch unter Energiearmut leiden, von hoher Feinstaubbelastung betroffen sind. Deshalb sollten sektoraler Wandel (Agrar-, Verkehrs-, Industrie- und Energiewende) und Bekämpfung der Luftverschmutzung auf integrierte Weise und unter Anwendung eines maßgeschneiderten Ansatzes gehandhabt werden. Die Finanzierung ist von entscheidender Bedeutung, da eine erfolgreiche Umsetzung von Luftqualitätsprogrammen wesentlich von den finanziellen Möglichkeiten abhängt. Darüber hinaus leiden einige Regionen nicht nur unter ungünstigen sozioökonomischen Bedingungen, sondern auch unter nachteiligen geografischen oder klimatischen Gegebenheiten, und benötigen daher zusätzliche Unterstützung bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung;

16.

unterstreicht die Herausforderungen der Nachhaltigkeitswende, einschließlich einer besseren Luftqualität, für die LRG; begrüßt die Kommissionsmitteilung „Der EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan“ und fordert die Kommission auf, den Zugang zu EU-Finanzierungsmöglichkeiten zu erleichtern und auszuweiten, insbesondere zu EFRE, LIFE und ELER sowie zum Fonds für einen gerechten Übergang, als Mittel zur Erreichung allgemeinerer Ziele, die auch der Luftqualität zugutekommen, sowie insbesondere jener aus den in den Luftqualitätsrichtlinien vorgesehenen Luftqualitätsplänen. Diesbezüglich ist es von entscheidender Bedeutung, im Interesse einer größtmöglichen Wirkkraft für Kohärenz zwischen den von der EU finanzierten Vorhaben und den Maßnahmen der nationalen, regionalen und lokalen Behörden zu sorgen. Der AdR ruft die Mitgliedstaaten sowie die Europäische Kommission deshalb auf, die enge Zusammenarbeit mit den LRG bei der Entwicklung geeigneter Strategien, Maßnahmen und Programme zu fördern;

17.

fordert Anreize bzw. Formen der Anerkennung für positive Leistungen der LRG;

Verbesserung der Umsetzung

Multi-Level-Governance, Zusammenarbeit, Umsetzung und Durchsetzung

18.

nimmt zur Kenntnis, dass in der Eignungsprüfung Umsetzungsprobleme auch darauf zurückgeführt werden, dass nicht hinreichend wirksame Luftqualitätspläne und die mangelnde Bereitschaft der Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, erhebliche Verzögerungen bei der Einhaltung der Luftqualitätsnormen verursacht haben; weist darauf hin, dass eine wesentliche Ursache für die begrenzte Wirksamkeit von Luftqualitätsplänen auch die früheren, nicht für den realen Fahrbetrieb tauglichen EU-Fahrzeugemissionsgrenzwerte waren;

19.

merkt an, dass Luftverschmutzung auf verschiedene — natürliche, grenzüberschreitende, nationale, regionale und lokale (auch auf Straßenebene) — Quellen zurückgeht. Zur Bekämpfung der Luftverschmutzung sollten die Emissionen auf allen Ebenen verringert werden, und jede Ebene sollte ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Voraussetzung für eine echte Verbesserung ist eine enge und wirksamere Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen. Die regionalen Gebietskörperschaften könnten für Koordinierung zwischen der lokalen und nationalen Ebene sorgen, und es sollten bewährte Verfahren ermittelt und verbreitet werden. In die Zusammenarbeit sollten auch Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen und andere relevante Interessenträger sowie die breite Öffentlichkeit einbezogen werden;

20.

weist darauf hin, dass geeignete Mechanismen wie bspw. das Instrument für technische Hilfe und Informationsaustausch TAIEX-EIR Peer-to-Peer bereits zur Verfügung stehen und von mehreren Mitgliedstaaten und LRG auch erfolgreich angewendet werden;

21.

begrüßt die Bemühungen um den Abschluss eines internationalen Übereinkommens zur Verhinderung grenzüberschreitender Luftverschmutzung. Sowohl die Europäische Kommission als auch die Mitgliedstaaten sind eng in bestimmte Arbeitsgruppen, Taskforces und Kooperationsprogramme im Rahmen des Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (CLRTAP) (bzw. in Kürze der Luftreinhaltekonvention der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE)) eingebunden. Der AdR begrüßt ferner das im vergangenen Jahr ins Leben gerufene Forum für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Luftverunreinigung, das über die Verbreitung und den Austausch der bisherigen einschlägigen Erkenntnisse zur rascheren Verbesserung der Luftqualität weltweit beitragen könnte; betont zudem, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den LRG (sowohl innerhalb der EU als auch über die EU-Außengrenzen hinweg) wichtig sein kann und dass das Instrument des Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) einen nützlichen Rahmen für solche Initiativen bieten kann;

22.

unterstreicht das Erfordernis einer bereichsübergreifenden Zusammenarbeit und von Kohärenz zwischen den einschlägigen Politikbereichen. Die Maßnahmen sollten sich auf durchweg alle Quellen der Luftverschmutzung — Verkehr (Straßenverkehr wie auch nicht straßengebundener Verkehr), Energie (einschl. Wohnraumbeheizung), Landwirtschaft und Industrie — erstrecken und andere relevante Aspekte wie Klimawandel und Gesundheit berücksichtigen. Die Maßnahmen könnten eine wechselseitig positive Wirkung entfalten (bspw. Energiesparmaßnahmen), doch bestimmte Maßnahmen (wie die Förderung von Biomasseverbrennung oder von Dieselfahrzeugen) könnten sich negativ auf die Luftqualität auswirken. Synergien sollten gefördert und kontraproduktive Bestimmungen vermieden werden. Alle im europäischen Grünen Deal vorgesehenen relevanten Maßnahmen sollten zur Verwirklichung der gesetzten Luftqualitätsziele herangezogen werden, nicht nur der Null-Schadstoff-Aktionsplan, sondern auch die Biodiversitätsstrategie 2030, die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, die Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität und das Klimagesetz;

23.

stellt fest, dass in der Landwirtschaft bislang die geringsten Erfolge bei der Senkung der Emissionen erzielt werden (Ammoniak ist eine Vorläufersubstanz für Feinstaub). Verfahren zur Eindämmung von landwirtschaftlichen Emissionen sind verfügbar und technisch sowie wirtschaftlich tragfähig, werden jedoch noch nicht flächendeckend angewendet. Nachdem die GAP bereits eine Reihe von Reformen zur Verbesserung ihrer ökologischen Nachhaltigkeit durchlaufen hat, sollte sie wirksamer zur Umsetzung der Luftqualitätsziele beitragen. In den Verhandlungen über ihre Zukunft nach 2020 sollten neue bzw. strengere Maßnahmen erörtert werden, darunter etwa auch Öko-Regelungen;

24.

begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, weitere Maßnahmen zur Förderung emissionsfreier Mobilität zu ergreifen. Eine EU-weite Harmonisierung von Umweltzonen und sogar mehr emissionsfreien Zonen sollte in Erwägung gezogen werden. In dem Bewusstsein, dass der Rückgang der Umweltverschmutzung in vom Lockdown betroffenen Gebieten in der COVID-19-Zeit vorübergehender Natur ist, haben Städte bereits Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen des Verkehrs zu verringern: Sie haben die Bürgersteige ausgeweitet, Mikromobilitätsspuren ausgewiesen, niedrigere Geschwindigkeitsbegrenzungen festgelegt usw. Es wurde auch deutlich, dass die öffentlichen Verkehrsunternehmen dringend mit (EU-)Mitteln ausgestattet werden sollten, um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, ihren Fuhrpark durch Fahrzeuge zu erneuern, die weniger Verschmutzung verursachen, und eine Verlagerung auf den privaten motorisierten Verkehr zu verhindern; betont, dass bei der Erwägung und dem Vorschlag strengerer Emissionsnormen für Benzin- und Dieselfahrzeuge die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller zu berücksichtigen ist; plädiert zugleich für einen Fahrplan für den Ausstieg aus Verbrennungsmotoren im Straßenverkehr und begrüßt die von verschiedenen Mitgliedstaaten, Regionen und Städten geplanten Zulassungsverbote für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren; spricht sich gegen Prämien für den Kauf von Fahrzeugen mit diesen Motoren aus; schlägt unter anderem vor, emissionsfreie Fahrzeugtechnologien weiter zu fördern und die Investitionen in das europäische Schienennetz zu beschleunigen, auch als eine der möglichen praktikablen Alternativen für Pendler;

25.

verweist auf die Problematik von Heizungsanlagen für feste Brennstoffe in Wohngebäuden. Die geltenden Ökodesign-Vorschriften scheinen keinen angemessenen Lösungsansatz zu bieten; spricht sich deshalb dafür aus, dass die Europäische Kommission dieses Thema im Kontext der Initiativen für nachhaltige Produkte im Rahmen der Strategie für die Kreislaufwirtschaft angeht. Darüber hinaus sind einkommensschwache (von Energiearmut betroffene) Bevölkerungsgruppen auf umfangreiche Unterstützung angewiesen, um alte Geräte zu ersetzen und darüber hinaus eine wirtschaftliche Bedienung und Wartung energiesparenderer Geräte sicherzustellen. Dabei sind auch Ad-hoc-Anreize für die energetische Sanierung von Gebäuden ins Auge zu fassen. Die Europäische Kommission sollte auch in Erwägung ziehen, Vorschriften über die Qualität von Brennstoffen für die Beheizung von Wohngebäuden einzuführen, und zu diesem Zweck geeignete Anreize, auch finanzieller Art, schaffen;

26.

hält die Mitgliedstaaten an, ihre nationalen Luftreinhalteprogramme schnellstmöglich fertigzustellen und zu aktualisieren und bei der Aufstellung und Überarbeitung der Programme die Beiträge der LRG zu berücksichtigen;

Beteiligung der Öffentlichkeit

27.

unterstreicht, dass verstärkt IT-Lösungen, Mobiltelefonanwendungen und andere einschlägige Tools genutzt werden sollten, um die Öffentlichkeit zu informieren und für den „unsichtbaren Killer“ zu sensibilisieren. Die Informationen sollten leicht verständlich und zugänglich sein und auch gesundheitliche Aspekte umfassen. Die Website des europäischen Luftqualitätsindexes (European Air Quality Index) (7), auf der umfassende aktuelle Informationen über die Luftqualität in Europa bereitgestellt werden, ist kaum bekannt und muss besser kommuniziert werden. Zudem sollte die Website durch eine bessere Modellierung ermöglichen, Luftqualitätsinformationen für Regionen, kleinere Ansiedlungen und ländliche Gebiete abzurufen, in denen es keine Luftqualitätsmessstationen gibt;

28.

empfiehlt einen Ausbau der Bürgerwissenschaft (Citizen Science). Bürgerwissenschaftsanwendungen können aufgrund der deutlich schlechteren Qualität der von ihnen bereitgestellten Daten, die in der Öffentlichkeit klar vermittelt werden muss, Überwachungsdaten nicht ersetzen, aber durch Daten mit höherer Auflösung die Informationen über die Luftverschmutzungstrends ergänzen und so eine aktive Mitwirkung sowie die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger fördern. Forschungsmaßnahmen zur Verbesserung der Zuverlässigkeit (preisgünstiger) Sensoren sollten unterstützt und beschleunigt werden, und auch die laufenden Arbeiten des Europäischen Komitees für Normung (CEN) zu Normen für kompakte Luftqualitätsüberwachung sowie die Erstellung von Luftqualitätsmodellen sind wichtig und sehr zu begrüßen;

29.

empfiehlt, die breite Öffentlichkeit sowohl über Probleme als auch über Verbesserungen, die die potenziellen positiven Ergebnisse der Maßnahmen ersichtlich machen, sowie über das Potenzial emissionsfreier Energieformen wie der erneuerbaren Energien oder der Kernenergie zu informieren. So können die Mitgliedstaaten und die LRG Unterstützung für ihre Maßnahmen mobilisieren;

30.

weist darauf hin, dass die Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Rolle bei der Verringerung der Luftverschmutzung übernehmen müssen, insbesondere durch die Änderung ihres Verhaltens in vielen verschiedenen Lebensbereichen einschließlich Mobilität, Heizung, Lebensmittel, aber auch des allgemeinen Konsums. Viele von ihnen sind sich dessen aber nach wie vor kaum bewusst (allerdings ist das öffentliche Bewusstsein innerhalb der EU sehr unterschiedlich). Dieser Beitrag ist entscheidend für die Senkung der Emissionen, weshalb die Bürgerinnen und Bürger bei der Aufstellung der Luftqualitätspläne und -maßnahmen von Anfang an und enger in die Entscheidungsfindung eingebunden werden sollten. Darüber hinaus sollten die Luftqualitätspläne neben regulatorischen Maßnahmen auch solche beinhalten, die das Bewusstsein und Verhaltensänderungen der Bürgerinnen und Bürger in ihrer Mobilität, z. B. weniger Auto zu fahren, fördern und unterstützen. Die LRG können diese Arbeiten durch Projekte wie ClairCity unterstützen. Der AdR fordert jedoch auch die Anerkennung und weite Verbreitung lokaler Initiativen, an denen die Bevölkerung unmittelbar beteiligt ist. Ein Beispiel dafür ist das Pflanzen von Bäumen und die Errichtung grüner Mauern in Städten mit dem Ziel, die Luft zu reinigen und zu kühlen;

Harmonisierung, Leitlinien und Durchführungsrechtsakte

31.

plädiert für weitere Leitlinien für die Berichterstattung über die Luftqualität und für die Modellierung der Luftqualität, die auf den Bedarf der LRG zugeschnitten sind und ihrer wichtigen Rolle auf diesem Gebiet gerecht werden. Mechanismen für die Berichterstattung (einschl. elektronischer Berichterstattung) sollten den Bedürfnissen der lokalen Behörden Rechnung tragen, denen es womöglich an Mitarbeitern mit den erforderlichen technischen Kompetenzen oder Englischkenntnissen mangelt. Die elektronische Berichterstattung sollte dahin gehend verbessert werden, dass die Besonderheiten der lokalen und regionalen Nutzer berücksichtigt und die den LRG übertragenen Berichterstattungsaufgaben auf ihre Zuständigkeiten und Ressourcen in diesem Bereich abgestimmt werden;

Teilnahme an Netzen und Initiativen

32.

ist sich im Klaren darüber, dass es bereits viele Initiativen und Netze gibt, die sich mit der Luftverschmutzungsproblematik befassen (die Partnerschaft für Luftqualität im Rahmen der EU-Städteagenda, der Sachverständigenausschuss für saubere Luft in den Städten im Rahmen der Genfer Luftreinhaltekonvention (8), das Europäische Forum für saubere Luft, der Bürgermeisterkonvent usw.). Viele davon bewirken einen zusätzlichen Nutzen für die Luftqualitätspolitik, und der AdR legt den LRG nahe, sich mehr in diese Aktivitäten auf EU-Ebene einzubringen;

33.

begrüßt die neue Initiative „Vereinbarung für Grüne Städte“ (Green City Accord, GCA) der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Umsetzung des EU-Umweltrechts. Die GCA oder die vom AdR und der Europäischen Kommission errichtete Technische Plattform für die Zusammenarbeit im Umweltbereich könnten nützliche Instrumente sein, um die LRG über die ihrem Bedarf am besten entsprechenden Initiativen zu beraten. Diese Plattformen sollten auch dazu beitragen, die verfügbaren Mechanismen, Anleitungen und sonstigen relevanten Unterstützungsmöglichkeiten zusammenzutragen und zu kategorisieren, die die Genfer Luftreinhaltekonvention, die Europäische Kommission und ihre Gemeinsame Forschungsstelle, die Europäische Umweltagentur oder andere Netze oder Organisationen bereitstellen und die die LRG in ihren Bemühungen zur Verbesserung der Luftqualität unterstützen könnten. Ferner sollten in Anbetracht des entsprechenden Schulungsbedarfs der LRG Fachwissen und technische Unterstützung verfügbar gemacht werden (bspw. zur Erstellung lokaler Emissionsinventare, Ausweisung von Umweltzonen, Nutzung des Modellierungs-Tools SHERPA);

Die nächsten schritte

34.

appelliert dringend an die Europäische Kommission, bestimmte Aspekte der Emissionsvorschriften auf EU-Ebene besser durchzusetzen und weitere Maßnahmen zu ergreifen, um eine wirksamere und stärkere horizontale und vertikale Zusammenarbeit sicherzustellen, und gleichzeitig die Mitgliedstaaten und die LRG zu einer besseren Zusammenarbeit und Kommunikation anzuhalten;

35.

empfiehlt, für die lokalen Behörden und die akkreditierten Verbände für Luftqualität, die für die Aufstellung der Luftqualitätspläne in ausgewiesenen Luftqualitätsgebieten zuständig sind, leicht zugängliche Mittel für Luftqualitätsmaßnahmen bereitzustellen, wobei Gebiete mit höherer Luftverschmutzung Vorrang haben sollten;

36.

hebt die Notwendigkeit hervor, die einschlägigen Netze, Initiativen, Tools und Leitlinien zu koordinieren und zu verwalten, die bereits umfassende Kenntnisse und Erfahrungen bieten und es den LRG ermöglichen würden, auf zusätzliche technische Kompetenzen und Anleitungen zuzugreifen und ihre Maßnahmen für sauberere Luft zu verbessern.

Brüssel, den 2. Juli 2020

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(1)  https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de

(2)  Laut der kürzlich veröffentlichten Studie zur Bewertung des Stickstoffdioxidgehalts (NO2) als Mitfaktor für Todesfälle aufgrund des Coronavirus (COVID-19) („Assessing nitrogen dioxide (NO2) levels as a contributing factor to coronavirus (COVID-19) fatality“) entfielen 78 % der 4 443 Todesfälle auf vier Regionen in Norditalien und eine Region rund um Madrid in Spanien. Diese fünf Regionen wiesen die schlechteste Kombination aus NO2-Werten und Luftströmungsbedingungen auf, die eine Ausbreitung der Luftverschmutzung verhinderten.

(3)  Die Europäische Kommission hat den Rahmen für die EU-Luftqualitätspolitik weiterentwickelt und umgesetzt: In der Richtlinie über nationale Reduktionsverpflichtungen, welche die Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie) ersetzte, wurden Emissionssenkungsanforderungen für 2020-2030 und ab 2030 aufgenommen; das Europäische Forum für saubere Luft hat sich als Diskussionsforum zur Luftqualität bewährt, und die Schlussfolgerungen der Eignungsprüfung der Luftqualitätsrichtlinien wurden veröffentlicht. Der Rat der EU hat kürzlich Schlussfolgerungen zur Verbesserung der Luftqualität angenommen. Der Europäische Rechnungshof hat seinen Sonderbericht Nr. 23/2018 — „Luftverschmutzung: Unsere Gesundheit ist nach wie vor nicht hinreichend geschützt“ (ABl. C 324 vom 13.9.2018, S. 12) vorgelegt, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überprüft derzeit ihre Luftgüteleitlinien, um eventuell 2021 neue Leitlinien zu veröffentlichen.

(4)  Maßnahmenpaket Saubere Luft für Europa https://cor.europa.eu/en/our-work/Pages/OpinionTimeline.aspx?opIdMR-1217-2014

(5)  https://cor.europa.eu/de/news/Pages/consultation-air-quality.aspx

(6)  ABl. C 168 vom 16.5.2019, S. 27.

(7)  http://airindex.eea.europa.eu

(8)  Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung.