16.2.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 56/10


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Umstellung auf eine grüne und digitale Wirtschaft in Europa: nötige rechtliche Vorgaben und die Rolle der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft“

(Sondierungsstellungnahme)

(2021/C 56/02)

Berichterstatterin:

Lucie STUDNIČNÁ

Befassung

Europäisches Parlament, 15.9.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Verabschiedung im Plenum

2.12.2020

Plenartagung Nr.

556

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

148/89/19

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Für einen industriellen Wandel hin zu einer grünen und digitalen europäischen Wirtschaft im Sinne einer nachhaltigen, fairen und sozialen Zukunft in Europa müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Die COVID-19-Pandemie hat die Notwendigkeit einer wesentlich breiteren und stärkeren Beteiligung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen der Politikgestaltung verdeutlicht. Gleichermaßen bedarf es eines starken Regelungsrahmens und Standards auf europäischer Ebene, insbesondere für die Sozialagenda. Der angekündigte Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte sollte dabei eine wichtige Rolle spielen.

1.2.

Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) muss die Komplementarität zwischen Klimawandel, politischen Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und sozialer Verantwortung von Unternehmen unbedingt anerkannt werden. Die kreislauforientierten Merkmale der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien sind herauszustellen.

1.3.

Für den industriellen Wandel sind Arbeitgeber, Unternehmer und das Engagement der Privatwirtschaft als dynamisches Element im Strukturwandel unverzichtbar. Innovationen gehen in Europa typischerweise von kleinen Unternehmen aus. Deshalb sollte schwerpunktmäßig ein KMU-freundliches Umfeld geschaffen und das Potenzial von KMU gefördert werden, die hochwertige wissensbasierte Dienstleistungen anbieten. Sie sind häufig Vorreiter bei der Marktpositionierung verwandter Branchen, und sie sind zuverlässige und krisenfeste Arbeitgeber. Auch die Erfahrungen sozialwirtschaftlicher Unternehmen und Organisationen sollten genutzt werden, denn sie arbeiten überwiegend in Bereichen, die vom digitalen und ökologischen Wandel betroffen sind. Deshalb müssen solche Unternehmen und soziale Innovationsprozesse gefördert werden.

1.4.

Es sollte ein Mechanismus eingerichtet werden, um Finanzmittel des Privatsektors in Investitionen zu lenken, die den ESG-Kriterien (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien) entsprechen. Die Strategien für die Bankenunion, die Kapitalmarktunion, das nachhaltige Finanzwesen, das digitale Finanzwesen und die KMU verstärken sich daher gegenseitig und garantieren, dass in einer Wirtschaft, deren Finanzierungsbedarf bis zu 80 % vom Bankensektor abhängt, die Mittel in produktivere Projekte fließen.

1.5.

Ein robustes, nachhaltiges, faires und wohlhabendes Europa braucht einen Regelungsrahmen, der einen gerechten Übergang unter Berücksichtigung der ethischen Folgen und des öffentlichen Interesses — Verbraucherschutz, Gesundheit, Sicherheit und Qualität — unterstützt. Der EWSA empfiehlt den europäischen und nationalen Institutionen neue Lenkungsstrukturen, die eine aktive Beteiligung der lokalen Wirtschaft, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft an der Gestaltung und Umsetzung von fairen Maßnahmen für einen sozial gerechten Wandel ermöglichen. Einer der wichtigsten Lenkungsmechanismen zur Umsetzung und Überwachung der Fortschritte eines sozial gerechten Wandels ist das Europäische Semester. Der EWSA empfiehlt, neue, verbesserte, quantitative Indikatoren in das Europäische Semester aufzunehmen, die ergänzend soziale, wirtschaftliche und ökologische Gegebenheiten abbilden, um alle Prinzipien der europäischen Säule sozialer Rechte zu erfassen und zu verfolgen.

1.6.

Die Rolle der Regionen sollte auf der europäischen politischen Tagesordnung des Übergangsprozesses mehr Gewicht bekommen. Zentrale Aspekte sind die langfristige Planung, eine starke Ortsbezogenheit, intelligente Spezialisierung, eine Agenda für Humanressourcen und die Vereinbarkeit langfristiger Ziele für den Übergang mit kurzfristigen Prioritäten.

1.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Finanzierungs- und Unterstützungsinstrumente für Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Übergang auf EU-Ebene durch nationale Mittel ergänzt werden müssen. Dabei ist eine Koordinierung zwischen den verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen unerlässlich. Um ausreichende Finanzmittel zu gewährleisten, spricht sich der EWSA außerdem für ein breiteres Spektrum an Eigenmitteln aus.

1.8.

Voraussetzung für einen erfolgreichen Übergang ist eine Agenda für Humanressourcen. Zahlreiche Akteure, darunter Bildungseinrichtungen, Arbeitgeber, Gewerkschaften, öffentliche Arbeitsverwaltungen, NRO und Berufsverbände müssen bei der Kompetenzentwicklung und der Vorwegnahme des vollständigen künftigen Bedarfs an neuen und an traditionellen Qualifikationen an einem Strang ziehen.

1.9.

Der EWSA begrüßt den angekündigten Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte. Der einschlägige EU-Besitzstand im Bereich des Arbeitsrechts sollte gestärkt werden, um den gerechten Übergang für die Arbeitnehmer besser zu unterstützen. Der Aktionsplan sollte ein Mindestmaß an Rechten auf EU-Ebene festlegen, u. a.: das Recht auf Gesundheit und Sicherheit für alle Arbeitnehmer, auch in den neuen Arbeitsformen; Unterrichtungs-, Anhörungs-, Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte, die nicht auf Übergangssituationen beschränkt sind; Mindeststandards für die Arbeitslosenversicherung; Mindestlohn und Tarifverhandlungen.

2.   Allgemeine Bemerkungen und zukunftsorientierter Ansatz

2.1.

Diese Sondierungsstellungnahme wird auf Ersuchen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments vorgelegt. Sie ist ein Beitrag zum angekündigten Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und zum nächsten EU-Sozialgipfel im Mai 2021 in Porto.

2.2.

Die europäischen Unternehmen und Arbeitnehmer leiden unter den massiven sozialen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Viele Unternehmen müssen aufgeben, Arbeitsplätze verschwinden und Haushalte verlieren ihre Lebensgrundlage. Trotz beispielloser wirtschaftlicher Rettungsmaßnahmen, die darauf abzielen, die Auswirkungen des Lockdowns auf Arbeitsplätze und Unternehmen abzufedern, zeichnen die Wirtschaftsprognosen ein sehr besorgniserregendes Bild. Die EU-Wirtschaft dürfte 2020 um 8,3 % schrumpfen und 2021 um 5,8 % wachsen. Auch das Wachstum im Jahr 2021 dürfte etwas weniger robust ausfallen als im Frühjahr prognostiziert (1). Der Schuldenstand der Mitgliedstaaten hat eine Rekordhöhe erreicht, und die EU hat zum ersten Mal gemeinsame Schulden aufgenommen. Auch die Folgen des Brexits sind noch nicht abzusehen.

2.3.

Schlüsselindustrien und -sektoren, von den Humanressourcen bis zur Forschung, müssen benannt und unterstützt werden. Davon ausgehend soll eine europäische Industriepolitik geführt werden, die diese strategischen Sektoren auf dem Markt schützt und die Sicherheit der Versorgung mit den wichtigsten Ressourcen gewährleistet. Die europäische Industriepolitik sollte auf kohärente und umfassende Weise die verschiedenen europäischen Politikbereiche übergreifend koordinieren, damit Synergien entstehen. Ein solcher Wandel setzt voraus, dass die Europäische Kommission die Richtung vorgibt und dafür sorgt, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf die der EU abgestimmt sind. Das ist nicht mit Mikromanagement gleichzusetzen, sondern es geht darum, die Politiken so abzustimmen, dass sie kohärent sind und den Wandel fördern. Dieser Prozess wird nur möglich sein, wenn die Zivilgesellschaft und die Sozialpartner aktiv daran teilnehmen. Ohne einen „Sozialen Deal“, der auf einer demokratischen und wirksamen Teilhabe der Unionsbürger beruht, wird es keinen für alle vorteilhaften Grünen Deal geben.

2.4.

Es sollte ein Mechanismus eingerichtet werden, um Finanzmittel des Privatsektors in Investitionen zu lenken, die den ESG-Kriterien (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien) entsprechen. Die Strategien für die Bankenunion, die Kapitalmarktunion, das nachhaltige Finanzwesen, das digitale Finanzwesen und die KMU verstärken sich daher gegenseitig und garantieren, dass in einer Wirtschaft, deren Finanzierungsbedarf bis zu 80 % vom Bankensektor abhängt, die Mittel in produktivere Projekte fließen.

2.5.

Im Zusammenhang mit dem ökologischen und technologischen Wandel ist viel von einem „gerechten Übergang“ die Rede. Der EWSA ist der Auffassung, dass der gerechte Übergang sowohl im Haushalt als auch im Aufbauplan eine zentrale Komponente sein und zu einer grüneren europäischen Wirtschaft führen muss. Deshalb ist (über den Kohleausstieg hinaus) ein breiteres Verständnis des Begriffs „gerechter Übergang“ erforderlich. Die europäische Säule sozialer Rechte (2) muss auf der Basis eines neuen Sozialvertrags vollständig umgesetzt werden. Gleichzeitig müssen die Umverteilungssysteme reformiert und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie die Geschlechtergleichstellung gefördert werden. Bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte sind folgende Aspekte besonders wichtig: gute Arbeitsplätze für alle, Zugang zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung, wozu auch das Recht auf lebenslanges Lernen gehört (gerade auch für die schutzbedürftigen Gruppen), Gesundheitsversorgung und soziale Dienstleistungen für alle, Sozialschutz und die Inklusion von schutzbedürftigen Gruppen (bspw. Langzeitarbeitslose, Frauen Jugendliche, Migranten oder Menschen mit Behinderungen). All diese wichtigen Ziele können erreicht werden, wenn es eine florierende Wirtschaft gibt, Arbeitgeber neue und hochwertige Arbeitsplätze schaffen und die notwendigen Investitionen in neue Technologien getätigt werden.

2.6.

Länder und Regionen, die sich im industriellen Wandel befinden, stehen in der Regel vor Herausforderungen bei der Modernisierung ihrer Industrie, der Verbesserung der Qualifikationen ihrer Arbeitnehmer, dem Ausgleich von Arbeitsplatzverlusten in Schlüsselbranchen und der Verbesserung einer niedrigen Produktivität, die dem Einkommenswachstum Grenzen setzt. Insgesamt würden sie von der Ökologisierung, dem technologischen Fortschritt und den damit verbundenen Entwicklungen profitieren. Allerdings besteht für einige Orte und bestimmte Bevölkerungsgruppen — darunter insbesondere schutzbedürftige Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Roma und Migranten — die Gefahr, abgehängt zu werden. Die Bewältigung der mit dem langfristigen Wandel verbundenen Herausforderungen erfordert ein frühzeitiges Sich-Einstellen auf den Wandel und ein aktives Übergangsmanagement seitens der politischen Entscheidungsträger, der Sozialpartner, der Organisationen der Zivilgesellschaft und der wichtigsten Interessenträger in den betroffenen Ländern und Regionen. Sozialer Dialog, Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungsorganisationen, auch in Entscheidungsgremien (Vorstände und Aufsichtsräte), spielen eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung und Gestaltung von Unternehmensentscheidungen, um Übergänge zukunftsorientiert zu bewältigen. Der EWSA fordert die Kommission auf, die soziale Dimension in der künftigen aktualisierten Industriestrategie auszubauen und weiterzuentwickeln.

2.7.

Die Bewältigung der Pandemie und die Ermöglichung eines erfolgreichen industriellen Wandels sind im Interesse aller. Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengungen und gemeinsamer Ziele (z. B. langfristige Unternehmensentwicklung) sowie eines wirksamen sozialen Dialogs in einem Klima des Vertrauens. Dafür ist auch eine positive Grundhaltung erforderlich. Der EWSA ist der Auffassung, dass eine gute — d. h. nachhaltige — Unternehmensführung mit einer gemeinsamen Antizipierung des Wandels auf den bewährten rechtlichen Mindeststandards des Binnenmarkts beruhen muss. Die Arbeitnehmer müssen sich über ihre Unterrichtungs-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte auf der Führungsebene der Unternehmen Gehör verschaffen können.

2.8.

Digitalisierung und Automatisierung sind für Wirtschaft und Gesellschaft ein zweischneidiges Schwert. Dieser Übergang erfordert eine Regulierung, die dem technischen Fortschritt folgen bzw. den Wandel antizipieren kann, indem bspw. die Sozialpartner einbezogen werden. Europäische Betriebsräte und die Betriebsräte Europäischer Aktiengesellschaften sind ein positives Beispiel für die verpflichtende grenzüberschreitende Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne des Interessenausgleichs und der Sondierung sozialpartnerschaftlicher Lösungen. Dazu gehört, die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer zu gewährleisten und Tarifverträge auszuhandeln, um die Selbstbestimmung bei der Arbeit und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu fördern. Mit der Digitalisierung und der Internetwirtschaft sind auch neue Formen der Arbeit aufgekommen, wie etwa die Plattformwirtschaft, bei denen die Arbeitnehmer weder soziale Absicherung noch Arbeitsplatzsicherheit genießen und häufig unter sehr prekären Bedingungen und mit unklarem Status für die Plattform arbeiten. Ihre Arbeitsbedingungen und ihr Status müssen EU-weit harmonisiert werden, um faire Mobilität und Integration in den Binnenmarkt zu fördern (3). Nach Auffassung des EWSA muss für diese Arbeitnehmer Rechtssicherheit im Wege eines rechtlichen Status für Arbeitnehmer in der digitalen Plattformwirtschaft geschaffen werden. Schlechter oder nicht vorhandener Sozialschutz belastet nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Kassen der Sozialversicherungssysteme.

2.9.

Der digitale Wandel birgt auch potenzielle Risiken in Bereichen wie Finanzstabilität, Finanzkriminalität und Verbraucherschutz. Diese Risiken könnten sich aufgrund der fragmentierten Regulierung in der EU und der uneinheitlichen globalen Entwicklung der Regulierung dieses Bereichs noch vergrößern. Nach Auffassung des EWSA muss die EU daher einen umfassenden und stabilen Rechtsrahmen in diesem Bereich schaffen. Ferner empfiehlt er der EU, ihre Initiative zur Besteuerung der großen Unternehmen in der Internetwirtschaft weiterzuverfolgen (4).

2.10.

Die Arbeitnehmer müssen in der Lage sein, sich auf den Arbeitsmarkt und die bereits im Gange befindlichen Veränderungen der Wirtschaft angemessen vorzubereiten. Dies ist für das industrielle Wachstum und den allgemeinen wirtschaftlichen Erfolg Europas grundlegend. Neue und höhere Qualifikationen, auch für Arbeiter, fordern unsere Betriebsbildungssysteme heraus. Höhere Qualifikationen erfordern mehr Berufsbildungsmaßnahmen in tertiären Bildungseinrichtungen. Im Vergleich zu den am besten konzipierten ursprünglichen Systemen der Lehrlingsausbildung sind fehlende nationale Rahmen und Qualitätskontrollen problematisch, ebenso wie der Übergang von der ursprünglichen Lehrlingsausbildung zur tertiären Bildung. Zusammenarbeit und Innovation wird in der Zukunft sowohl der Zivilgesellschaft als auch den Regierungen auf allen Ebenen abverlangt werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Diese werden von den im EWSA vertretenen Organisationen eingefordert (5).

2.11.

Der EWSA stellt fest, dass digitale Technologien und Anwendungen künstlicher Intelligenz dem Menschen dienen und unserer Gesellschaft insgesamt zugutekommen sollten. Er spricht sich für einen Regelungsrahmen für künstliche Intelligenz aus. Der ökologische und der digitale Wandel darf nicht gebremst werden, und die EU sollte die Entwicklung von KI-Systemen fördern, die auf spezifische Anwendungen ausgerichtet sind, um den ökologischen Wandel und die klimapolitische Wende zu beschleunigen (6).

3.   Innovationen

3.1.

Ein großer Innovationsbedarf zeichnet sich ab. Er betrifft die Schaffung und beschleunigte Einführung neuer emissionsarmer Entwicklungs- und Produktionsverfahren (die oft außer neuen Rohstoffen und/oder industriellen Kernprozessen völlig unterschiedliche Produktionsverfahren erfordern) und geht bis hin zu Innovationen, die nicht nur die verstärkt kreislauforientierten Wertschöpfungsketten der Grundstoffindustrie, sondern auch deren Energieversorgung betreffen. Außerdem müssen die aussichtsreichsten CO2-armen Technologien auch im industriellen Maßstab einsetzbar sein. Eine zügige politische Unterstützung ist gefordert, um neue kohlenstoffarme Produktionswege und eine entsprechende Materialwirtschaft einzuführen und sie bis spätestens 2030 großumfänglich zum Einsatz zu bringen.

3.2.

Die Veränderungen, die für einen gerechten Übergang in der gesamten EU erforderlich sind, bedürfen eines gemeinsamen Rahmens, um Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft für gezielte Problemlösungen zu mobilisieren. Soziale Innovation spielt dabei eine herausragende Rolle. Ein wichtiger diesbezüglicher Schritt könnte darin bestehen, eine sektorübergreifende EU-Strategie für soziale Innovation zu entwickeln. Die sozialwirtschaftlichen Akteure werden dabei stärker anerkannt und ihre Geschäftsmodelle geprüft und gegebenenfalls übernommen. So könnte ein Ökosystem für die auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene geförderte Erprobung entwickelt werden.

4.   Förderung der unternehmerischen Initiative und der Beteiligung des Privatsektors

4.1.

Der Unternehmergeist und das Engagement der Privatwirtschaft sind die treibenden Kräfte des Strukturwandels und somit der Schlüssel zum industriellen Wandel. Hartnäckige Hindernisse für innovatives Unternehmertum findet man häufig dort, wo es ein starkes industrielles Erbe, auffallend wenige Unternehmensneugründungen, schwache Unternehmensexpansion, eine unterentwickelte Unternehmerkultur, Innovationsschwäche und schwache Wissensnetze gibt.

4.2.

Da Innovationen in Europa typischerweise von kleinen Einheiten ausgehen, muss schwerpunktmäßig das Potenzial von KMU — auch finanziell — gefördert werden, die wie z. B. Freiberufler hochwertige wissensbasierte Dienstleistungen anbieten. Sie sind häufig Vorreiter bei der Marktpositionierung verwandter Branchen, und sie sind zuverlässige und krisenfeste Arbeitgeber.

4.3.

Sozialwirtschaftliche Unternehmen und Organisationen — Akteure in einem Sektor, der sich als überaus resilient erwiesen und zur Abmilderung der Auswirkungen der COVID-19-Krise beigetragen hat — sind vornehmlich in den vom digitalen und ökologischen Wandel erfassten Bereichen tätig. Demnach müssen ihre Aktivitäten und soziale Innovationsprozesse gefördert werden.

5.   Die Rolle der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft

5.1.

Der EWSA hat unterstrichen: „Die neuen Technologien, die künstliche Intelligenz und die Big Data bewirken Umwälzungen in den Produktionsverfahren und der Wirtschaft im Allgemeinen und werden auch den Arbeitsmarkt tiefgreifend verändern“, und weiter: „Diese Veränderungen müssen sich (…) im Rahmen eines fruchtbaren sozialen Dialogs und unter Wahrung der Rechte und der Lebensqualität der Arbeitnehmer vollziehen“ (7).

5.2.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen wichtigen lokalen und regionalen Akteuren ist unerlässlich, um besonders nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten zu finden und die sozioökonomische Entwicklung möglichst gut voranzubringen. Die bewährten Verfahren der Sozialpartner auf allen Ebenen auf der Grundlage von Tarifverträgen, die gleiche Wettbewerbsbedingungen für wirtschaftliche Wettbewerber in einer Branche oder einer Region schaffen, bilden den Maßstab, an dem eine Strategie für einen gerechten Übergang in Bezug auf die Dekarbonisierung und andere klimapolitische Ziele ausgerichtet werden könnte (8).

6.   Ein gerechter Übergang — politische Steuerung und Regulierungsanforderungen

6.1.

Der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft stellt die politischen Entscheidungsträger vor komplexe ordnungspolitische Aufgaben. Davon besteht eine darin, die langfristige strategische Dimension des Übergangs und drängende, kurzfristige Maßnahmen auf einen Nenner zu bringen. Der Übergang erfordert strategischen Weitblick und eine langfristige Politikgestaltung. Gleichzeitig muss den Wahlzyklen und den mit ihnen verbundenen Wünschen der Regierungen und anderer Interessenträger Rechnung getragen werden, die Ergebnisse bei den durchgeführten Projekten sehen wollen.

6.2.

Einer der wichtigsten Steuerungsmechanimen für die Umsetzung und Überwachung der Fortschritte eines sozial gerechten Übergangs ist das Europäische Semester. Es ist von größter Bedeutung, die europäische und nationale Politik in ihrer sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Dimension fortlaufend zu bewerten. Die soziale Komponente des europäischen Semesters wurde erst nach und nach entwickelt, die makroökonomische und fiskalische Ausrichtung ist immer noch dominierend. Der EWSA schlägt daher vor, neuartige, verbesserte, quantitative und komplementäre soziale, wirtschaftliche und ökologische Indikatoren in das Europäische Semester aufzunehmen. Mit ihrer Hilfe sollen sämtliche Aspekte der europäischen Säule sozialer Rechte und ihrer Grundsätze sowie die 17 Nachhaltigkeitsziele (9) erfasst und verfolgt werden. Dabei geht es auch um die Schaffung von Synergien mit dem sozialpolitischen Scoreboard, indem das Konzept einer nachhaltigen Ökonomie des Wohlergehens für alle (10) eingeführt sowie gezielte soziale und umweltbezogene länderspezifische Empfehlungen ausgesprochen werden (11). Das Semester wurde mittlerweile neu gestaltet, um mehr Maßnahmen zur Unterstützung der Erholung zu bieten. Der EWSA hofft, dass es zu einer Erneuerung des gesamten Steuerungsmechanismus der EU beitragen und eine treibende Kraft für den Fortbestand der Demokratie und die Aufwärtskonvergenz innerhalb der EU werden kann.

6.3.

Eine umfassende Analyse der Synergien und der Kompromisse zwischen den Zielen, Initiativen und Empfehlungen, die von der EU in den verschiedenen Politikbereichen des Semesters vorgeschlagen werden, würde ein hohes Maß an politischer Integration, Kohärenz und Koordinierung zwischen den verschiedenen institutionellen Akteuren, die für die Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik zuständig sind, sowie eine Verbesserung ihrer Analysekapazitäten erfordern.

6.4.

Um das institutionelle Ungleichgewicht in der wirtschafts- und sozialpolitischen Steuerung auszugleichen, empfiehlt der EWSA bei der Anwendung der Haushaltsvorschriften der EU eine „goldene Regel“ (12). Sie besagt, dass öffentliche Investitionen bei der Defizitberechnung ausgenommen und die Tragfähigkeit der aufgelaufenen Schuldenstände berücksichtigt werden sollen. Dahinter steht das Ziel, eine moderne Gesundheits-, Umwelt-, Bildungs- und Technologieinfrastruktur zu ermöglichen und eine beispiellose Rezession zu vermeiden (13).

6.5.

Weiterhin begrüßt der EWSA die Aussetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts durch die Europäische Kommission und fordert dessen Überarbeitung (14), um sowohl Stabilität als auch Wachstum zu gewährleisten. Es gilt, die Erholung der EU-Industrie und der Übergang zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft und digitalen Wirtschaft zu unterstützen.

7.   Regionale Voraussetzungen für den industriellen Wandel

7.1.

Der industrielle Wandel ist so vielschichtig, dass eine Einheitslösung für die Entwicklung neuer industrieller Pfade kaum zu finden ist. Während sich für einige Wirtschaftszweige ein Niedergang mit einem „unumkehrbaren“ Rückgang der Wirtschaftsproduktion und der Beschäftigung abzeichnet, werden andere Branchen drastische Umstrukturierungen durchlaufen müssen. Dies bedarf eines umfassenden politischen Ansatzes und massiver öffentlicher und privater Investitionen und muss mit reibungslos funktionierenden lokalen und regionalen Arbeitsmärkten einhergehen.

7.2.

Langfristige Ziele für den Übergang müssen mit kurzfristigen Prioritäten in Einklang gebracht werden, was durchaus mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Unter Umständen ist es nicht leicht, die Zustimmung der Öffentlichkeit für politische Maßnahmen zu finden, deren Wirkung nicht sofort erkennbar ist. Regionen im Strukturwandel befinden sich diesbezüglich in einer schwierigen Lage. Einerseits haben sie infolge des Niedergangs ihrer traditionellen Industrien einen unmittelbaren Handlungsbedarf. Sie müssen Probleme lösen wie höhere Arbeitslosigkeit, Einkommensverluste, schlechtere Lebensbedingungen für Teile der Bevölkerung, insbesondere benachteiligte und schutzbedürftige Gruppen, z. B. Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen. Andererseits dürfen sie aber auch nicht die Chancen ungenutzt lassen, die sich durch die Modernisierung der Industrie auftun, wie die Ansiedlung von Industrien, die einen höheren Mehrwert bieten, oder wenn neue Unternehmen bzw. Geschäftsmodelle gegründet und/oder angezogen werden, die Grundlagentechnologien besser nutzen. Ein diesbezügliches Scheitern hätte politische Folgen, auch hinsichtlich der Unterstützung des Klimaschutzes. Der Zulauf für Rechtspopulisten in Europa und anderswo ist zum Teil auch auf die Deindustrialisierung und das Zurückfallen ganzer Regionen zurückführen (15).

8.   Treffen mit Regionen im Strukturwandel: Hauptergebnisse

8.1.

Die Rolle der Regionen im Übergangsprozess sollte auf der europäischen politischen Tagesordnung mehr Augenmerk bekommen. Regionale Verwaltungen einzubeziehen, könnte zum Entstehen der für den erfolgreichen Wandel notwendigen Ökosysteme beitragen. Die Voraussetzungen dafür sind eine nachdrückliche Langzeitplanung, Ortsbezogenheit, intelligente Spezialisierung und ein Entwicklungsplan für Humanressourcen.

8.2.

Einige Regionen in Europa — insbesondere die Kohle- und Stahlregionen — haben bereits einen wirtschafts- oder klimapolitisch bedingten Wandel durchlaufen müssen. Die wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Übergang ist ein inklusiver, antizipierender Ansatz, damit den Bürgern gute Zukunftsperspektiven geboten werden können. Dazu gehören die Erstellung eines realistischen Plans, der Aufbau der erforderlichen Forschungsinfrastruktur und die Bereitstellung der technischen, innovativen, akademischen und pädagogischen Einrichtungen sowie die erforderlichen Finanzmittel. Europäische Instrumente zur Unterstützung dieser Regionen (z. B. Europäischer Fonds für einen gerechten Übergang) können dabei die nationalen Anstrengungen um eine angemessene Finanzierung nicht ersetzen.

9.   Finanzierung und Unterstützung von Maßnahmen und Projekten im Zusammenhang mit dem Übergang auf EU-Ebene

9.1.

Der industrielle Wandel bietet enorme Chancen, die allerdings nur genutzt werden können, wenn mit Nachdruck in moderne Herstellungsverfahren, zugängliche Infrastrukturen sowie Forschung und Entwicklung investiert wird. Dabei entstehen anfänglich Kosten, darunter Einkommensersatzleistungen und Ausgaben für die (Um-)Schulungs der Arbeitskräfte.

9.2.

Auf nationaler und europäischer Ebene gibt es mittlerweile zahlreiche Instrumente für übergangsbegleitende Maßnahmen und Projekte. Das Ziel eines gerechten Übergangs wurde auch im Aufbauplan der EU bekräftigt. Allzu oft wird die politische Unterstützung auf verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen ohne bzw. mit mangelhafter Koordinierung konzipiert und durchgeführt. Zudem bestehen Schwachstellen bei Monitoring und Evaluierung.

9.3.

Der EWSA fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, im MFR 2021-2027 zur Deckung des Investitionsbedarfs für einen echten und umfassenden ökologischen und digitalen Wandel den Mittelansatz zu erhöhen und ausreichend Mittel bereitzustellen. Damit ausreichende Finanzmittel bereitstehen, plädiert der EWSA außerdem für eine breitere Palette an Eigenmitteln. Diese könnten auch eine Digitalsteuer, eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage und eine Finanztransaktionssteuer umfassen (16).

9.4.

Im laufenden Programmplanungszeitraum gilt die Vorschrift, dass Großunternehmen, die Fördergelder aus den europäische Struktur- und Investitionsfonds erhalten haben, diese zurückzahlen müssen, wenn sie die Produktionstätigkeit innerhalb von zehn Jahren nach der Abschlusszahlung der Beihilfen aus der Union auslagern (Artikel 71 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (17)). Der EWSA ist der Auffassung, dass die Vorschriften im kommenden Programmplanungszeitraum verstärkt werden müssen, um die Rückverlagerung zu fördern, den Zusammenhalt zu gewährleisten, das Produktionsgefüge/die Produktionskapazität zu erhalten, die Beschäftigung anzukurbeln und eine nachhaltigere territoriale Entwicklung zu fördern.

9.5.

Der EWSA unterstützt ferner die Verbesserung der haushaltspolitischen Steuerung der EU, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken und die Überprüfung bewährter Verfahren der umweltgerechten Haushaltsplanung und Haushaltspläne. Darüber hinaus sind steuerliche Anreize nötig, damit Unternehmen und Einzelpersonen in grüne Initiativen mit sozialer Wirkung investieren (18).

9.6.

Die Herausforderungen für Europa beim Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft erfordern massive Investitionen, die von der öffentlichen Hand und über die herkömmliche Finanzierung durch Bankkredite allein nicht aufgebracht werden können. Der Privatsektor wird enorme Mittel für Investitionen einsetzen müssen. Es sollte ein Mechanismus eingerichtet werden, um Finanzmittel des Privatsektors in Investitionen zu lenken, die den ESG-Kriterien (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien) entsprechen. Die Strategien für die Bankenunion, die Kapitalmarktunion, das nachhaltige Finanzwesen, das digitale Finanzwesen und die KMU verstärken sich daher gegenseitig und garantieren, dass die Mittel in produktivere Projekte fließen. Der EWSA begrüßt die Einrichtung der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen und erwartet eine Beschleunigung der Entwicklung der Sozialtaxonomie.

10.   Beschäftigungspolitische Auswirkungen

10.1.

Der industrielle Wandel erfordert häufig eine Abkehr von alten, traditionellen Fertigungsindustrien zugunsten einer zukunftsorientierten Produktion (auch in Traditionsbranchen). Dabei kann es bei einer lokal konzentrierten Deindustrialisierung zu einer (zumindest vorübergehend) überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit und zu einem Qualifikationsüberhang in schrumpfenden Branchen kommen. Antizipation und Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter auf Branchen- und Betriebsebene vor einer Beschlussfassung sind von zentraler Bedeutung. Es ist entscheidend, den Strukturwandel durch politische Maßnahmen zu flankieren, um Arbeitnehmern und der Bevölkerung vor Ort — und insbesondere Arbeitnehmern mit Behinderungen sowie anderen schutzbedürftigen Gruppen — zu helfen, den Übergang möglichst unbeschadet zu überstehen und gleichzeitig den potenziellen Nutzen zu maximieren.

10.2.   Qualifikationen

10.2.1.

Ein erfolgreicher Übergang in die Zukunft der Arbeit erfordert eine für die lokalen Arbeitsmarktbedingungen maßgeschneiderte Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie. Gleichzeitig muss das Qualifikationsangebot auf den Bedarf abgestimmt werden. Eine bessere Antizipation des künftigen Qualifikationsbedarfs und ein angemessenes Angebot an Arbeitnehmern durch Umschulung und Weiterqualifizierung, einschließlich des Zugangs zu lebenslangem Lernen, müssen mit Maßnahmen kombiniert werden, die Investitionen in neue Quellen für Beschäftigung und Produktivitätswachstum anregen. Forschung und Entwicklung in der Industrie müssen speziell nach Möglichkeiten suchen, eine Technologieführerschaft aufzubauen, die wiederum Möglichkeiten für die Weiterqualifizierung schaffen würde. Technische Institute, Berufsverbände und NRO sowie öffentliche Arbeitsvermittlungen werden ebenfalls eine wichtige Unterstützung in Form von Umschulungsprogrammen liefern können.

10.2.2.

Der EWSA stellt fest, dass die Unterstützung von Menschen durch Schulungen im Rahmen eines gerechten digitalen und ökologischen Wandels mit der Validierung des nichtformalen und informellen Lernens (NFIL) sowie mit der Gewährleistung der Anerkennung und Zertifizierung von Ausbildungen beginnt, sodass diese Teil vollwertiger Qualifikationen werden können (19).

10.3.

In der Kompetenzagenda sollte der Entwicklung von Schlüsselkompetenzen in den Pflichtlehrplänen sowie dem Lernen junger Menschen und Erwachsener mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

10.4.

Die Kommission hat einen Aktionsplan für digitale Bildung (2021-2027) vorgelegt (20). Er sollte eine bereichsübergreifende Strategie enthalten, die auch die strategische Bedeutung der allgemeinen und beruflichen Bildung in den diversen Politikbereichen auf europäischer Ebene erhöhen könnte.

10.5.   Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte

Ein gerechter Übergang bedarf angemessener sozialpolitischer Maßnahmen. Diese sollen für gute Arbeitsbedingungen, reibungslos funktionierende Tarifverhandlungen und Arbeitsbeziehungen sowie einen angemessenen Sozialschutz zur Unterstützung von Arbeitnehmern im Übergang sorgen. Der EWSA möchte einige Vorschläge für den künftigen Aktionsplan der Kommission zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte vorlegen.

10.5.1.

Der EWSA schlägt der Kommission vor, den EU-Besitzstand im Bereich des Arbeitsrechts neu zu bewerten und zu stärken, um den gerechten Übergang für die Arbeitnehmer besser zu unterstützen.

10.5.2.

Das Recht auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist ein grundlegendes Recht aller Arbeitnehmer, unabhängig von ihrem Beschäftigungsverhältnis oder der Art des Geschäftsmodells, in dem sie arbeiten. Der EWSA ist darüber besorgt, dass einige neue Arbeitsformen infolge des Klimawandels und der Digitalisierung nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz fallen könnten. Darüber hinaus wurden bereits erhebliche Risiken im Zusammenhang mit digitalisierten Arbeitsplätzen festgestellt, wie z. B. Erhöhung des Arbeitsrhythmus, Stress und psychosoziale Gewalt (21). In Zukunft dürfte wohl auch mit Unfällen durch künstliche Intelligenz (22) zu rechnen sein, die es zu verhindern gilt. Der EWSA fordert daher, dass alle Arbeitnehmer in der EU durch Rechtsvorschriften zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz geschützt werden (23).

10.5.3.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Datenschutz-Grundverordnung und die damit zusammenhängenden Verordnungen regelmäßig im Lichte der technologischen Entwicklung zu überprüfen (24).

10.5.4.

Der soziale Dialog auf nationaler und europäischer Ebene ist ein Schlüsselfaktor für die Gestaltung der Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik. Der EWSA unterstützt die Entwicklung angemessener Ansätze für einen „gerechten Übergang“ im Rahmen eines sozialen Dialogs auf geeigneter nationaler, regionaler und europäischer Ebene und in Verbindung damit die Einführung von Maßnahmen zur Gestaltung, Änderung und Festlegung von Mindestschutzstandards bei Umstrukturierungen am Arbeitsplatz oder Massenentlassungen aufgrund des Wandels (Technologiewende, Demografiewende, Globalisierung, Klimawandel, Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft), einschließlich des Rechts auf Tarifverhandlungen zur vorausschauenden Gestaltung der Veränderungen und zur Gewährleistung einer Unterstützung für die betroffenen Arbeitnehmer (Aktualisierung der Richtlinie über Massenentlassungen) (25).

10.5.5.

Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter bei Änderungen, neuen Technologien und KI-Systemen, die zu Veränderungen in der Arbeitsorganisation, der Arbeitsaufsicht und -kontrolle sowie in den Systemen für die Bewertung und Einstellung von Arbeitnehmern führen können. Das Recht auf Unterrichtung und Anhörung sowie die ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie über Europäische Betriebsräte ist in allen Unternehmen zu gewährleisten, und es sollte ein harmonisierter Rahmen auf EU-Ebene für die Mitbestimmung in Leitungsorganen eingeführt werden. Der EWSA fordert daher einen starken und soliden europäischen Rahmen für Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung der Arbeitnehmer (26). Dies ist ein wesentlicher Aspekt der Entwicklung gerechter und fairer Wege des Wiederaufbaus und des ökologischen und digitalen Wandels. Die Kommission sollte den sozialen Dialog im Hinblick auf die Einbeziehung der Arbeitnehmer bei der Anpassung an den Klimawandel und den digitalen Wandel in allen Mitgliedstaaten fördern und dessen Ergebnisse im Rahmen des Europäischen Semesters überwachen.

10.5.6.

Es muss einen Rahmen für die sozialverträgliche Restrukturierung und die Antizipierung betrieblicher Änderungen geben, um bereits geltende Informations-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in Übereinstimmung mit den wichtigsten Elementen des europäischen Sozialmodells zu ergänzen (27). Der EWSA ist der Auffassung, dass die Europäische Kommission den EU-Qualitätsrahmen für die Antizipierung von Veränderungen und Umstrukturierungen überarbeiten und eine Rechtsgrundlage mit spezifischen Rahmenbedingungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer vorschlagen sollte, um sie stärker an der Bewältigung der Herausforderungen des Grünen Deals und des digitalen Wandels zu beteiligen (28).

10.5.7.

Der Aktionsplan sollte ein Mindestmaß an Rechten auf EU-Ebene festlegen. Der EWSA hat Maßnahmen zum Schutz des Mindesteinkommens gefordert (29), um Armut einzudämmen und einen integrativen Arbeitsmarkt zu fördern. Er begrüßt daher die Pläne der Kommission und des deutschen Ratsvorsitzes, einen europäischen Rahmen für Mindesteinkommen zu schaffen (30). Der EWSA hat die Prüfung der Möglichkeit empfohlenen, gemeinsame Mindestnormen für die Arbeitslosenversicherung in den EU-Mitgliedstaaten festzulegen (31). Der Ausschuss hat ferner eine europäische Initiative für Mindestlöhne und Tarifverhandlungen (32) gefordert, und begrüßt (33) daher die Kommissionsinitiative für angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (34).

10.6.   Ein neuer Sozialvertrag

Der EWSA plädiert für einen Wiederaufbau durch Investitionen in die Beschäftigung, den Schutz von Rechten, angemessene Löhne und starke Arbeitsmarktinstitutionen für die gesamte Arbeitnehmerschaft gemäß den eingegangenen Verpflichtungen sowie durch die Gewährleistung des Sozialschutzes. Deshalb fordert er, den gerechten Übergang zum Dreh- und Angelpunkt des Aufbaus zu machen: der soziale Dialog kann mit aktiver Beteiligung der Zivilgesellschaft zum sozialen, gerechten und inklusiven industriellen Wandel beitragen.

Brüssel, den 2. Dezember 2020.

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  Sommerprognose 2020 der Europäischen Kommission.

(2)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 1.

(3)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 173.

(4)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 6.

(5)  Studie des EWSA — Die Suche nach einem neuen Konsens über die Werte der europäischen Zivilgesellschaft und ihre Bewertung.

(6)  ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 64.

(7)  ABl. C 353 vom 18.10.2019, S. 6.

(8)  Rahmenabkommen über den gerechten Übergang von der Kohleförderung zur nachhaltigen Entwicklung der Bergbauorte für 2019-2027 (Spanien), Klimafreundliche Arbeitsplätze (Portugal), Abkommen der Sozialpartner über einen gerechten Übergang und den Klimawandel (Griechenland), Thyssenkrupp Steel Europe: Zukunftspakt Stahl 20-30 (Deutschland, März 2020).

(9)  ABl. C 120 vom 14.4.2020, S. 1.

(10)  Charveriat, C. and Bodin, E. (2020), Delivering the Green Deal: the role of a reformed European Semester within a new sustainable economy strategy.

(11)  ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 1.

(12)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 1.

(13)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 1.

(14)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 1.

(15)  Rodríguez-Pose, A. (2017), „The revenge of the places that don’t matter (and what to do about it)“, Cambridge Journal of Regions, Economy and Society, Vol. 11, No. 1, S. 189-209.

(16)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 106.

(17)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320.

(18)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 63.

(19)  ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 40.

(20)  https://ec.europa.eu/education/sites/default/files/document-library-docs/deap-factsheet-sept2020_en.pdf.

(21)  ILO (2019) The Threat of Physical and Psychosocial Violence and Harassment in Digitalised Work.

(22)  ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 64.

(23)  ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 52.

(24)  ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 64.

(25)  ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 1.

(26)  ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 14.

(27)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 35.

(28)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 1.

(29)  ABl. C 190 vom 5.6.2019, S. 1.

(30)  Schlussfolgerungen des Rates zur Stärkung der Mindestsicherung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus.

(31)  ABl. C 97 vom 24.3.2020, S. 32.

(32)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 159.

(33)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 1.

(34)  COM(2020) 682 final.


ANHANG

Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen (Art. 59 Abs. 3 der Geschäftsordnung):

a)    Ziffer 2.1 (Änderungsantrag 9)

Ändern:

2.1.

Diese Sondierungsstellungnahme wird auf Ersuchen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments vorgelegt. Sie ist ein Beitrag zum angekündigten Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte und zum nächsten EU-Sozialgipfel im Mai 2021 in Porto. Diese Sondierungsstellungnahme wurde auf Ersuchen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments erarbeitet. Laut dem Schreiben des Europäischen Parlaments sollte sich die Stellungnahme insbesondere auf folgende Themen erstrecken: gerechter Übergang, Grüner Deal, digitaler Wandel, industriepolitische Strategie, Beschäftigung und soziale Inklusion. Sie bilden den Kern einer Reihe laufender und künftiger legislativer und nichtlegislativer Dossiers im Zusammenhang mit der Umstellung auf eine grüne und digitale Wirtschaft.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

99

Nein-Stimmen:

129

Enthaltungen:

20

b)    Ziffer 2.2 (Änderungsantrag 10)

Ändern:

2.2.

Die europäischen Unternehmen und Arbeitnehmer leiden unter den massiven wirtschaftlichen und sozialen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Viele Unternehmen müssen aufgeben, Menschen werden arbeitslos Arbeitsplätze verschwinden und Haushalte verlieren ihre Lebensgrundlage. Trotz beispielloser wirtschaftlicher Rettungsmaßnahmen, die darauf abzielen, die Auswirkungen des Lockdowns auf Arbeitsplätze und Unternehmen abzufedern, zeichnen die Wirtschaftsprognosen ein sehr besorgniserregendes Bild. Die EU-Wirtschaft dürfte 2020 um 8,3 % schrumpfen und 2021 um 5,8 % wachsen. Auch das Wachstum im Jahr 2021 dürfte etwas weniger robust ausfallen als im Frühjahr prognostiziert (1) . Die COVID-19-Pandemie hat die europäische Wirtschaft hart getroffen: zahlreiche Unternehmen müssen aufgeben, Arbeitsplätze gehen verloren, Haushalte verlieren die Lebensgrundlage und das Gesundheitssystem verliert an Effizienz. Der Schuldenstand der Mitgliedstaaten hat eine Rekordhöhe erreicht, festgelegte Ausgabengrenzen werden überschritten und die EU hat zum ersten Mal gemeinsame Schulden aufgenommen. Auch die Folgen des Brexits sind noch nicht abzusehen und niemand kann sagen, wann die Pandemie enden wird .

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

95

Nein-Stimmen:

140

Enthaltungen:

22

c)    Ziffer 2.3 (Änderungsantrag 11)

Ändern:

2.3.

Schlüsselindustrien und -sektoren, von den Humanressourcen bis zur Forschung, müssen benannt und unterstützt werden. Davon ausgehend soll eine europäische Industriepolitik geführt werden, die diese strategischen Sektoren auf dem Markt schützt und die Sicherheit der Versorgung mit den wichtigsten Ressourcen gewährleistet. Die europäische Industriepolitik sollte auf kohärente und umfassende Weise die verschiedenen europäischen Politikbereiche übergreifend koordinieren, damit Synergien entstehen. Ein solcher Wandel setzt voraus, dass die Europäische Kommission die Richtung vorgibt und dafür sorgt, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf die der EU abgestimmt sind. Das ist nicht mit Mikromanagement gleichzusetzen, sondern es geht darum, die Politiken so abzustimmen, dass sie kohärent sind und den Wandel fördern. Dieser Prozess wird nur möglich sein, wenn die Zivilgesellschaft und die Sozialpartner aktiv daran teilnehmen. Ohne einen „Sozialen Deal“, der auf einer demokratischen und wirksamen Teilhabe der Unionsbürger beruht, wird es keinen für alle vorteilhaften Grünen Deal geben.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

91

Nein-Stimmen:

137

Enthaltungen:

18

d)    Neue Ziffer 2.5 (Änderungsantrag 13)

Neue Ziffer:

2.5.

Die beste politische Antwort besteht darin, die Erwartungen in NextGenerationEU, das eine einzigartige Chance für eine schnelle und den Wandel begünstigende Erholung darstellt, zu erfüllen. Der Einleitung dieses Prozesses und der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor sollte höchste Priorität eingeräumt werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

97

Nein-Stimmen:

136

Enthaltungen:

22

e)    Neue Ziffer 2.6 (Änderungsantrag 14)

Neue Ziffer:

2.6.

Die Herausforderungen infolge des Brexits sollten durch einen starken Impuls zur Stärkung des Binnenmarkts bewältigt werden, der ein stabileres und wettbewerbsfähigeres Umfeld für Unternehmen schafft.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

93

Nein-Stimmen:

141

Enthaltungen:

20

f)    Ziffer 2.4 (Änderungsantrag 15)

Ändern:

2.4.

Im Zusammenhang mit dem ökologischen und technologischen Wandel ist viel von einem „gerechten Übergang“ die Rede. Der EWSA ist der Auffassung, dass der gerechte Übergang sowohl im Haushalt als auch im Aufbauplan eine zentrale Komponente sein und zu einer grüneren europäischen Wirtschaft führen muss. Deshalb ist (über den Kohleausstieg hinaus) ein breiteres Verständnis des Begriffs „gerechter Übergang“ erforderlich, auf der Grundlage der . Die europäische Säule sozialer Rechte  (2) muss auf der Basis eines neuen Sozialvertrags vollständig umgesetzt werden. Gleichzeitig müssen die Umverteilungssysteme reformiert und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, sowie die Geschlechtergleichstellung gefördert werden. Bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte sind folgende Aspekte besonders wichtig: gute guter Arbeitsplätze für alle, des Zugangs Zugang zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung, wozu auch das Recht auf lebenslanges einschließlich des lebenslangen Lernens Lernen gehört (gerade auch für die schutzbedürftigen Gruppen), der Gesundheitsversorgung und sozialen soziale Dienstleistungen für alle, Sozialschutz und die der Inklusion von schutzbedürftigen Gruppen (bspw. Langzeitarbeitslose, Frauen Jugendliche, legale Migranten oder Menschen mit Behinderungen). All diese wichtigen Ziele können erreicht werden, wenn es eine florierende Wirtschaft gibt, Arbeitgeber neue und hochwertige Arbeitsplätze schaffen und die notwendigen Investitionen in neue Technologien getätigt werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

82

Nein-Stimmen:

152

Enthaltungen:

20

g)    Ziffer 2.5 (Änderungsantrag 16)

Ändern:

2.5.

Länder und Regionen, die sich im industriellen Wandel befinden, stehen in der Regel vor Herausforderungen bei der Modernisierung ihrer Industrie, der Verbesserung der Qualifikationen ihrer Arbeitnehmer, dem Ausgleich von Arbeitsplatzverlusten in Schlüsselbranchen und der Verbesserung einer niedrigen Produktivität, die dem Einkommenswachstum, der Aufwärtskonvergenz und dem Auffangen negativer demografischer Entwicklungen Grenzen setzt. Insgesamt würden sie von der Ökologisierung, dem technologischen Fortschritt und den damit verbundenen Entwicklungen profitieren. Allerdings besteht für einige Orte und bestimmte Bevölkerungsgruppen — darunter insbesondere schutzbedürftige Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Roma und legale Migranten — die Gefahr, abgehängt zu werden. Die Bewältigung der mit dem langfristigen Wandel verbundenen Herausforderungen erfordert ein frühzeitiges Sich-Einstellen auf den Wandel und ein aktives Übergangsmanagement seitens der politischen Entscheidungsträger, der Sozialpartner, der Organisationen der Zivilgesellschaft und der wichtigsten Interessenträger in den betroffenen Ländern und Regionen. Sozialer Dialog, Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungsorganisationen, auch in am Beschlussfassungsprozess Entscheidungsgremien (Vorstände und Aufsichtsräte), spielen eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung und Gestaltung von Unternehmensentscheidungen, um Übergänge zukunftsorientiert zu bewältigen. Der EWSA fordert die Kommission auf, die soziale Dimension in der künftigen aktualisierten Industriestrategie auszubauen und weiterzuentwickeln.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

92

Nein-Stimmen:

152

Enthaltungen:

17

h)    Ziffer 2.6 (Änderungsantrag 17)

Ändern:

2.6.

Die Bewältigung der Pandemie und die Ermöglichung eines erfolgreichen industriellen Wandels sind im Interesse aller. Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengungen und gemeinsamer Ziele (z. B. langfristige Unternehmensentwicklung) sowie eines wirksamen sozialen Dialogs in einem Klima des Vertrauens. Dafür ist auch eine positive Grundhaltung erforderlich. Der EWSA ist der Auffassung, dass eine gute — d. h. nachhaltige — Unternehmensführung mit einer gemeinsamen Antizipierung des Wandels der Schlüssel zum Erfolg ist auf den bewährten rechtlichen Mindeststandards des Binnenmarkts beruhen muss. Die Arbeitnehmer müssen sich über ihre Unterrichtungs-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte auf der Führungsebene der Unternehmen Gehör verschaffen können.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

90

Nein-Stimmen:

151

Enthaltungen:

18

i)    Ziffer 2.7 (Änderungsantrag 18)

Ändern:

2.7.

Digitalisierung und Automatisierung sind für Wirtschaft und Gesellschaft ein zweischneidiges Schwert. Dieser Übergang erfordert Ansätze eine Regulierung, die dem technischen Fortschritt folgen bzw. den Wandel antizipieren können kann, indem bspw. die Sozialpartner einbezogen werden. Europäische Betriebsräte und die Betriebsräte Europäischer Aktiengesellschaften sind ein positives Beispiel für die verpflichtende grenzüberschreitende Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne des Interessenausgleichs und der Sondierung sozialpartnerschaftlicher Lösungen. Dazu gehört, die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer zu gewährleisten und Tarifverträge bzw. andere Sozialvereinbarungen auszuhandeln, um die Selbstbestimmung bei der Arbeit und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu fördern. Mit der Digitalisierung und der Internetwirtschaft sind auch neue Formen der Arbeit aufgekommen, wie etwa die Plattformwirtschaft, bei denen die Arbeitnehmer weder soziale Absicherung noch Arbeitsplatzsicherheit genießen und häufig unter sehr prekären Bedingungen und mit unklarem Status für die Plattform arbeiten. Ihre Arbeitsbedingungen und ihr Status müssen EU-weit harmonisiert werden, um faire Mobilität und Integration in den Binnenmarkt zu fördern  (3) . Nach Auffassung des EWSA muss für diese Arbeitnehmer Rechtssicherheit im Wege eines rechtlichen Status für Arbeitnehmer in der digitalen Plattformwirtschaft geschaffen werden. Schlechter oder nicht vorhandener Sozialschutz belastet nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Kassen der Sozialversicherungssysteme.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

88

Nein-Stimmen:

149

Enthaltungen:

24

j)    Ziffer 2.8 (Änderungsantrag 19)

Ändern:

2.8.

Der digitale Wandel birgt auch potenzielle Risiken in Bereichen wie Finanzstabilität, Finanzkriminalität und Verbraucherschutz. Diese Risiken könnten sich aufgrund der fragmentierten Regulierung in der EU und der uneinheitlichen globalen Entwicklung der Regulierung dieses Bereichs noch vergrößern. Nach Auffassung des EWSA muss die EU daher einen umfassenden und stabilen Rechtsrahmen in diesem Bereich schaffen. Ferner spricht er sich dafür aus, dass 2021 auf OECD-Ebene eine globale Lösung im Steuerbereich gefunden wird empfiehlt er der EU, ihre Initiative zur Besteuerung der großen Unternehmen in der Internetwirtschaft weiterzuverfolgen  (4).

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

89

Nein-Stimmen:

149

Enthaltungen:

22

k)    Ziffer 5.2 (Änderungsantrag 21)

Ändern:

5.2.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen wichtigen lokalen und regionalen Akteuren ist unerlässlich, um besonders nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten zu finden und die sozioökonomische Entwicklung möglichst gut voranzubringen. Die bewährten Verfahren der Sozialpartner auf allen Ebenen auf der Grundlage von Tarifverträgen bzw. anderen Formen des sozialen Dialogs, die gleiche Wettbewerbsbedingungen für wirtschaftliche Wettbewerber in einer Branche oder einer Region schaffen, bilden den Maßstab, an dem eine Strategie für einen gerechten Übergang in Bezug auf die Dekarbonisierung und andere klimapolitische Ziele ausgerichtet werden könnte (5).

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

93

Nein-Stimmen:

146

Enthaltungen:

19

l)    Ziffer 6.2 (Änderungsantrag 22)

Ändern:

6.2.

Einer der wichtigsten Steuerungsmechanimen für die Umsetzung und Überwachung der Fortschritte eines sozial gerechten Übergangs ist das Europäische Semester. Es ist von größter Bedeutung, die europäische und nationale Politik in ihrer sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Dimension fortlaufend zyklisch zu bewerten. Die soziale Komponente des europäischen Semesters wurde erst nach und nach entwickelt, die makroökonomische und fiskalische Ausrichtung ist immer noch dominierend. Der EWSA schlägt daher vor, neuartige, verbesserte, quantitative und komplementäre soziale, wirtschaftliche und ökologische Indikatoren in das Europäische Semester aufzunehmen. Mit ihrer Hilfe sollen sämtliche Aspekte der europäischen Säule sozialer Rechte und ihrer Grundsätze sowie die 17 Nachhaltigkeitsziele  (6) erfasst und verfolgt werden. Dabei geht es auch um die Schaffung von Synergien mit dem sozialpolitischen Scoreboard, indem das Konzept einer nachhaltigen Ökonomie des Wohlergehens für alle  (7) eingeführt sowie gezielte soziale und umweltbezogene länderspezifische Empfehlungen ausgesprochen werden  (8) . Das Semester wurde mittlerweile neu gestaltet, um mehr Maßnahmen zur Unterstützung der Erholung zu bieten. Der EWSA hofft, dass es zu einer Erneuerung Stärkung des gesamten Steuerungsmechanismus der EU beitragen und eine treibende Kraft für den Fortbestand die Festigung der Demokratie und die Aufwärtskonvergenz innerhalb der EU werden kann.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

87

Nein-Stimmen:

148

Enthaltungen:

21

m)    Ziffer 6.4 (Änderungsantrag 23)

Ändern:

6.4.

Um das institutionelle Ungleichgewicht in der wirtschafts- und sozialpolitischen Steuerung auszugleichen, empfiehlt der EWSA bei der Anwendung der Haushaltsvorschriften der EU eine ausgewogene„goldene Regel“ (9) , die die mittelfristige Finanzstabilität nicht gefährdet. Sie besagt, dass gerechtfertigte öffentliche Investitionen bei der Defizitberechnung ausgenommen und die Tragfähigkeit der aufgelaufenen sowie künftiger Schuldenstände berücksichtigt werden sollen. Dahinter steht das Ziel, eine moderne Gesundheits-, Umwelt-, Bildungs- und Technologieinfrastruktur zu ermöglichen und eine beispiellose Rezession zu vermeiden (10).

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

87

Nein-Stimmen:

159

Enthaltungen:

16

n)    Ziffer 9.3 (Änderungsantrag 24)

Ändern:

9.3.

Der EWSA fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, das Geschäftsklima zu verbessern sowie im MFR 2021-2027 zur Deckung des Investitionsbedarfs für einen echten und umfassenden ökologischen und digitalen Wandel den Mittelansatz zu erhöhen und ausreichend Mittel bereitzustellen. Damit ausreichende Finanzmittel bereitstehen, plädiert der EWSA außerdem dafür, die Auswirkungen einer Verbreiterung der für eine breitere Palette an Eigenmitteln zu prüfen, wobei diese aus den Einnahmen des EU-Emissionshandelssystems, aus einem CO2-Grenzausgleichssystem sowie aus einer Digitalabgabe kommen könnten Diese könnten auch eine Digitalsteuer, eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage und eine Finanztransaktionssteuer umfassen  (11).

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

91

Nein-Stimmen:

157

Enthaltungen:

13

o)    Ziffer 9.4 (Änderungsantrag 25)

Ändern:

9.4.

Im laufenden Programmplanungszeitraum gilt die Vorschrift, dass Großunternehmen, die Fördergelder aus den europäische Struktur- und Investitionsfonds erhalten haben, diese zurückzahlen müssen, wenn sie die Produktionstätigkeit innerhalb von zehn Jahren nach der Abschlusszahlung der Beihilfen aus der Union auslagern (Artikel 71 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates). Der EWSA ist der Auffassung, dass die Vorschriften im kommenden Programmplanungszeitraum verstärkt werden müssen, um die Rückverlagerung zu fördern, den Zusammenhalt im Geiste der strategischen Autonomie zu gewährleisten, das Produktionsgefüge/die Produktionskapazität zu erhalten, die Beschäftigung anzukurbeln und eine nachhaltigere territoriale Entwicklung zu fördern.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

89

Nein-Stimmen:

149

Enthaltungen:

19

p)    Ziffer 9.5 (Änderungsantrag 26)

Ändern:

9.5.

Der EWSA unterstützt ferner die Verbesserung der haushaltspolitischen Steuerung der EU, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken und die Überprüfung bewährter Verfahren der umweltgerechten Haushaltsplanung und Haushaltspläne. Darüber hinaus könnten sind steuerliche Anreize nötig sein, damit Unternehmen und Einzelpersonen zu Investitionen in grüne Initiativen mit sozialer Wirkung motiviert werden investieren  (12). Solche Subventionen sollten mittels einer Kosten-Nutzen-Analyse sorgfältig bewertet werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

93

Nein-Stimmen:

154

Enthaltungen:

16

q)    Ziffer 9.6 (Änderungsantrag 27)

Ändern:

9.6.

Die Herausforderungen für Europa beim Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft erfordern massive Investitionen, die von der öffentlichen Hand und über die herkömmliche Finanzierung durch Bankkredite allein nicht aufgebracht werden können. Der Privatsektor wird enorme Mittel für Investitionen einsetzen müssen Alljährlich werden Unsummen privater Mittel der verschiedensten Art in schadbringende Wirtschaftstätigkeiten in allen Industriebranchen investiert, die als verlorene Vermögenswerte (sunken assets) enden könnten. Es sollte ein Mechanismus eingerichtet werden, um Finanzmittel des Privatsektors in Investitionen zu lenken, die den ESG-Kriterien (Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien) entsprechen. Die Strategien für die Bankenunion, die Kapitalmarktunion, das nachhaltige Finanzwesen, das digitale Finanzwesen und die KMU verstärken sich daher gegenseitig und garantieren, dass die Mittel in produktivere Projekte fließen. Der EWSA begrüßt die Einrichtung der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen und erwartet eine Beschleunigung der Entwicklung der Sozialtaxonomie.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

74

Nein-Stimmen:

154

Enthaltungen:

31

r)    Ziffer 10.1 (Änderungsantrag 28)

Ändern:

10.1.

Der industrielle Wandel erfordert häufig eine Abkehr von alten, traditionellen Fertigungsindustrien zugunsten einer zukunftsorientierten Produktion (auch in Traditionsbranchen). Dabei kann es bei einer lokal konzentrierten Deindustrialisierung zu einer (zumindest vorübergehend) überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit und zu einem Qualifikationsüberhang in schrumpfenden Branchen kommen. Antizipation und Einbeziehung der Arbeitnehmervertreter auf Branchen- und Betriebsebene vor einer Beschlussfassung sind von zentraler Bedeutung. Es ist entscheidend, den Strukturwandel durch politische Maßnahmen zu flankieren, um Arbeitnehmern und der Bevölkerung vor Ort — und insbesondere Arbeitnehmern mit Behinderungen sowie anderen schutzbedürftigen Gruppen — zu helfen, den Übergang möglichst unbeschadet zu überstehen und gleichzeitig den potenziellen Nutzen zu maximieren.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

88

Nein-Stimmen:

149

Enthaltungen:

17

s)    Ziffern 10.5, 10.5.1, 10.5.2, 10.5.3, 10.5.4, 10.5.5, 10.5.6, 10.5.7 (Änderungsantrag 30)

Streichen:

10.5.

Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte

Ein gerechter Übergang bedarf angemessener sozialpolitischer Maßnahmen. Diese sollen für gute Arbeitsbedingungen, reibungslos funktionierende Tarifverhandlungen und Arbeitsbeziehungen sowie einen angemessenen Sozialschutz zur Unterstützung von Arbeitnehmern im Übergang sorgen. Der EWSA möchte einige Vorschläge für den künftigen Aktionsplan der Kommission zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte vorlegen.

10.5.1.

Der EWSA schlägt der Kommission vor, den EU-Besitzstand im Bereich des Arbeitsrechts neu zu bewerten und zu stärken, um den gerechten Übergang für die Arbeitnehmer besser zu unterstützen.

10.5.2.

Das Recht auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist ein grundlegendes Recht aller Arbeitnehmer, unabhängig von ihrem Beschäftigungsverhältnis oder der Art des Geschäftsmodells, in dem sie arbeiten. Der EWSA ist darüber besorgt, dass einige neue Arbeitsformen infolge des Klimawandels und der Digitalisierung nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz fallen könnten. Darüber hinaus wurden bereits erhebliche Risiken im Zusammenhang mit digitalisierten Arbeitsplätzen festgestellt, wie z. B. Erhöhung des Arbeitsrhythmus, Stress und psychosoziale Gewalt  (13) . In Zukunft dürfte wohl auch mit Unfällen durch künstliche Intelligenz  (14) zu rechnen sein, die es zu verhindern gilt. Der EWSA fordert daher, dass alle Arbeitnehmer in der EU durch Rechtsvorschriften zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz geschützt werden  (15).

10.5.3.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Datenschutz-Grundverordnung und die damit zusammenhängenden Verordnungen regelmäßig im Lichte der technologischen Entwicklung zu überprüfen  (16).

10.5.4.

Der soziale Dialog auf nationaler und europäischer Ebene ist ein Schlüsselfaktor für die Gestaltung der Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik. Der EWSA unterstützt die Entwicklung angemessener Ansätze für einen „gerechten Übergang“ im Rahmen eines sozialen Dialogs auf geeigneter nationaler, regionaler und europäischer Ebene und in Verbindung damit die Einführung von Maßnahmen zur Gestaltung, Änderung und Festlegung von Mindestschutzstandards bei Umstrukturierungen am Arbeitsplatz oder Massenentlassungen aufgrund des Wandels (Technologiewende, Demografiewende, Globalisierung, Klimawandel, Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft), einschließlich des Rechts auf Tarifverhandlungen zur vorausschauenden Gestaltung der Veränderungen und zur Gewährleistung einer Unterstützung für die betroffenen Arbeitnehmer (Aktualisierung der Richtlinie über Massenentlassungen)  (17).

10.5.5.

Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter bei Änderungen, neuen Technologien und KI-Systemen, die zu Veränderungen in der Arbeitsorganisation, der Arbeitsaufsicht und -kontrolle sowie in den Systemen für die Bewertung und Einstellung von Arbeitnehmern führen können. Das Recht auf Unterrichtung und Anhörung sowie die ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie über Europäische Betriebsräte ist in allen Unternehmen zu gewährleisten, und es sollte ein harmonisierter Rahmen auf EU-Ebene für die Mitbestimmung in Leitungsorganen eingeführt werden. Der EWSA fordert daher einen starken und soliden europäischen Rahmen für Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung der Arbeitnehmer  (18) . Dies ist ein wesentlicher Aspekt der Entwicklung gerechter und fairer Wege des Wiederaufbaus und des ökologischen und digitalen Wandels. Die Kommission sollte den sozialen Dialog im Hinblick auf die Einbeziehung der Arbeitnehmer bei der Anpassung an den Klimawandel und den digitalen Wandel in allen Mitgliedstaaten fördern und dessen Ergebnisse im Rahmen des Europäischen Semesters überwachen.

10.5.6.

Es muss einen Rahmen für die sozialverträgliche Restrukturierung und die Antizipierung betrieblicher Änderungen geben, um bereits geltende Informations-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in Übereinstimmung mit den wichtigsten Elementen des europäischen Sozialmodells zu ergänzen  (19) . Der EWSA ist der Auffassung, dass die Europäische Kommission den EU-Qualitätsrahmen für die Antizipierung von Veränderungen und Umstrukturierungen überarbeiten und eine Rechtsgrundlage mit spezifischen Rahmenbedingungen für die Beteiligung der Arbeitnehmer vorschlagen sollte, um sie stärker an der Bewältigung der Herausforderungen des Grünen Deals und des digitalen Wandels zu beteiligen  (20).

10.5.7.

Der Aktionsplan sollte ein Mindestmaß an Rechten auf EU-Ebene festlegen. Der EWSA hat Maßnahmen zum Schutz des Mindesteinkommens gefordert  (21) , um Armut einzudämmen und einen integrativen Arbeitsmarkt zu fördern. Er begrüßt daher die Pläne der Kommission und des deutschen Ratsvorsitzes, einen europäischen Rahmen für Mindesteinkommen zu schaffen  (22) . Der EWSA hat die Prüfung der Möglichkeit empfohlenen, gemeinsame Mindestnormen für die Arbeitslosenversicherung in den EU-Mitgliedstaaten festzulegen  (23) . Der Ausschuss hat ferner eine europäische Initiative für Mindestlöhne und Tarifverhandlungen  (24) gefordert, und begrüßt  (25) daher die Kommissionsinitiative für angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union  (26).

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

93

Nein-Stimmen:

149

Enthaltungen:

17

t)    Ziffer 10.6 (Änderungsantrag 31)

Streichen:

10.6.

Ein neuer Sozialvertrag

Der EWSA plädiert für einen Wiederaufbau durch Investitionen in die Beschäftigung, den Schutz von Rechten, angemessene Löhne und starke Arbeitsmarktinstitutionen für die gesamte Arbeitnehmerschaft gemäß den eingegangenen Verpflichtungen sowie durch die Gewährleistung des Sozialschutzes. Deshalb fordert er, den gerechten Übergang zum Dreh- und Angelpunkt des Aufbaus zu machen: der soziale Dialog kann mit aktiver Beteiligung der Zivilgesellschaft zum sozialen, gerechten und inklusiven industriellen Wandel beitragen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

85

Nein-Stimmen:

146

Enthaltungen:

19

u)    Ziffer 1.1 (Änderungsantrag 1)

Ändern:

1.1.

Für einen industriellen Wandel hin zu einer grünen und digitalen europäischen Wirtschaft im Sinne einer nachhaltigen, fairen und sozialen Zukunft in Europa müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Allerdings muss eine neue Situation berücksichtigt werden. Die COVID-19-Pandemie hat die europäische Wirtschaft hart getroffen: zahlreiche Unternehmen müssen aufgeben, Arbeitsplätze gehen verloren, Haushalte verlieren die Lebensgrundlage und das Gesundheitssystem an Effizienz. Die Pandemie hat die Notwendigkeit einer wesentlich breiteren und stärkeren Beteiligung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen der Politikgestaltung verdeutlicht. Gleichermaßen bedarf es eines starken Regelungsrahmens realistischen Rahmens und Standards auf europäischer Ebene, insbesondere für die Sozialagenda, die den Besonderheiten der Mitgliedstaaten und der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den Mitgliedgliedstaaten sowie dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung trägt. Der angekündigte Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte sollte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

90

Nein-Stimmen:

146

Enthaltungen:

18

v)    Neue Ziffer 1.5 (Änderungsantrag 4)

Neue Ziffer:

1.5.

Die beste politische Antwort besteht darin, die Erwartungen in NextGenerationEU, das eine einzigartige Chance für eine schnelle und den Wandel begünstigende Erholung darstellt, zu erfüllen. Der Einleitung dieses Prozesses und der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor sollte höchste Priorität eingeräumt werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

97

Nein-Stimmen:

136

Enthaltungen:

22

w)    Neue Ziffer 1.6 (Änderungsantrag 5)

Neue Ziffer:

1.6.

Die Herausforderungen infolge des Brexits sollten durch einen starken Impuls zur Stärkung des Binnenmarkts bewältigt werden, der ein stabileres und wettbewerbsfähigeres Umfeld für Unternehmen schafft.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

93

Nein-Stimmen:

141

Enthaltungen:

20

x)    Ziffer 1.4 (Änderungsantrag 6)

Ändern:

1.4.

Ein robustes, nachhaltiges, faires und wohlhabendes Europa braucht einen Regelungsrahmen kohärenten Rahmen, der einen gerechten Übergang unter Berücksichtigung der ethischen Folgen und des öffentlichen Interesses — Verbraucherschutz, Gesundheit, Sicherheit und Qualität — unterstützt. Der EWSA empfiehlt den europäischen und nationalen Institutionen neue Lenkungsstrukturen, die eine aktive Beteiligung der lokalen Wirtschaft, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft an der Gestaltung und Umsetzung von fairen Maßnahmen für einen sozial gerechten Wandel ermöglichen. Einer der wichtigsten Lenkungsmechanismen zur Umsetzung und Überwachung der Fortschritte eines sozial gerechten Wandels ist das Europäische Semester. Der EWSA empfiehlt, neue, verbesserte, quantitative Indikatoren in das Europäische Semester aufzunehmen, die ergänzend soziale, wirtschaftliche und ökologische Gegebenheiten abbilden, um alle Prinzipien der europäischen Säule sozialer Rechte zu erfassen und zu verfolgen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

80

Nein-Stimmen:

145

Enthaltungen:

16

y)    Ziffer 1.8 (Änderungsantrag 8)

Ändern:

1.8.

Der EWSA begrüßt den angekündigten Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte. Der einschlägige EU-Besitzstand im Bereich des Arbeitsrechts sollte Die einschlägigen beschäftigungspolitischen Strategien der EU sollten gestärkt werden, um den gerechten Übergang für die Arbeitnehmer besser zu unterstützen.: Der Aktionsplan sollte ein Mindestmaß an Rechten auf EU-Ebene festlegen, u. a.: das Recht auf Gesundheit und Sicherheit für alle Arbeitnehmer, auch in den neuen Arbeitsformen; Unterrichtungs-, Anhörungs-, Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte, die nicht auf Unterrichtung, Anhörung, Mitbestimmung und Beteiligung in Übergangssituationen beschränkt sind; Mindeststandards für die Arbeitslosenversicherung; Mindestlohn und Tarifverhandlungen oder andere Formen von Vereinbarungen im Einklang mit den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

98

Nein-Stimmen:

148

Enthaltungen:

17


(1)  Sommerprognose 2020 der Europäischen Kommission: Eine noch tiefere und uneinheitlichere Rezession.

(2)  Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Arbeitsprogramm der Kommission für 2021.

(3)  Stellungnahme des EWSA (SOC/636) — Faire Beschäftigungsbedingungen in der Plattformökonomie.

(4)  Stellungnahmen des EWSA — Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuervermeidung und Geldwäsche.

(5)  Rahmenabkommen über den gerechten Übergang von der Kohleförderung zur nachhaltigen Entwicklung der Bergbauorte für 2019-2027 (Spanien), Klimafreundliche Arbeitsplätze (Portugal), Abkommen der Sozialpartner über einen gerechten Übergang und den Klimawandel (Griechenland), Thyssenkrupp Steel Europe: Zukunftspakt Stahl 20-30 (Deutschland, März 2020).

(6)  Stellungnahme des EWSA — Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum 2020, ABl. C 120 vom 14.4.2020, S. 1.

(7)  Charveriat, C., Bodin, E. (2020), Delivering the Green Deal: the role of a reformed European Semester within a new sustainable economy strategy.

(8)  Stellungnahme des EWSA — Die europäische Säule sozialer Rechte — Bewertung der ersten Umsetzungsschritte und Empfehlungen für die Zukunft, ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 1.

(9)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 1.

(10)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 1.

(11)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 106.

(12)  ABl. C 311 vom 18.9.2020, S. 63.

(13)  ILO (2019) The Threat of Physical and Psychosocial Violence and Harassment in Digitalized Work.

(14)   ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 64.

(15)   ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 52.

(16)   ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 64.

(17)   ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 1.

(18)  EWSA-Stellungnahme (SOC/644) — Sozialer Dialog für wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Resilienz (verabschiedet am 29.10.2020, noch nicht veröffentlicht).

(19)   ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 35.

(20)  Entschließung des EWSA „Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Arbeitsprogramm der Kommission für den Zeitraum ab 2021“.

(21)   ABl. C 190 vom 5.6.2019, S. 1.

(22)  Schlussfolgerungen des Rates zur Stärkung der Mindestsicherung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus.

(23)   ABl. C 97 vom 24.3.2020, S. 32.

(24)  Stellungnahme des EWSA — Angemessene Mindestlöhne in ganz Europa.

(25)  Entschließung des EWSA „Beitrag des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Arbeitsprogramm der Kommission für den Zeitraum ab 2021“.

(26)  COM(2020) 682 final.