28.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 364/94


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa“

(COM(2020) 98 final)

(2020/C 364/13)

Berichterstatter:

Antonello PEZZINI

Mitberichterstatter:

Cillian LOHAN

Befassung

Kommission, 22.4.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

25.6.2020

Verabschiedung auf der Plenartagung

16.7.2020

Plenartagung Nr.

553

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

215/2/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist davon überzeugt, dass die Nachhaltigkeit mittels eines kompetenten, partizipativen und durch eine Kultur der Kreislaufwirtschaft gestützten Wandels einer der Grundpfeiler der Entwicklung der Zukunft Europas ist.

1.2.

Beim Übergang zu einer europäischen Kreislaufwirtschaft muss auch der unabdingbare sozioökonomische Kontext der derzeitigen Entwicklung berücksichtigt werden. Die Herausforderungen der weltweiten Gesundheitskrise müssen zur Chance für eine Neubelebung auf neuen Grundlagen werden, mit den erforderlichen Voraussetzungen für eine schnellere Etablierung der Kreislauforientierung.

1.3.

Die neue Kultur, die der Kreislaufwirtschaft zugrunde liegt, sollte als Chance genutzt werden, um mit neuen Kriterien das Konzept des Reichtums der Gebietskörperschaften jenseits des BIP (1) zu beschleunigen.

1.4.

Die Verbreitung einer „Kreislaufkultur“ muss durch Bildung, Kapazitätenaufbau und eine verstärkte Teilhabe unbedingt stärker in den Vordergrund gerückt werden, um die Menschen zu ermutigen, ihre täglichen Gewohnheiten und Verhaltensweisen anzupassen und zu ändern.

1.5.

Die Europäische Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft (ECESP) muss gestärkt werden. Sie könnte verschiedene politische Initiativen unterstützen, die den Übergang zur Kreislaufwirtschaft erleichtern würden.

1.6.

Der Ausschuss begrüßt die Vorschläge im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (im Folgenden „Aktionsplan“). Er ist der Auffassung, dass die Maßnahmen für den Wandel bei der Erarbeitung der Pläne für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau nach der durch Covid-19 entstanden verheerenden Situation gebührend berücksichtigt werden müssen.

1.7.

Die Komplementarität zwischen Klimawandel, politischen Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und sozialer Verantwortung von Unternehmen muss unbedingt anerkannt werden. Die kreislauforientierten Merkmale der Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen sind herauszustellen. Besonders relevant ist dies für den Bau- und Verkehrssektor, jedoch auch für die Unterstützung der landwirtschaftlichen Prozesse und des Lebensmittelsystems, um die Verschwendung senken zu können.

1.8.

Nach Auffassung des EWSA bietet die im Europäischen Sozialfonds Plus vorgeschlagene Koalition für Kompetenzen und Arbeitsplätze eine hervorragende Gelegenheit zur Umsetzung der vorgesehenen Programme.

1.9.

Die umweltgerechte Produktgestaltung (Ökodesign) muss sich weiter etablieren, um die Lebensdauer der Produkte zu verlängern und die geplante Verwertung der Bestandteile als Triebkraft für einen dynamischen Markt für Sekundärrohstoffe zu fördern, gestützt durch rechtsverbindliche Maßnahmen mit dem Gebot zur Verwendung von Recyclinganteilen und digitaler Verfolgbarkeit.

1.10.

Wie bereits bei den energiebetriebenen Produkten sollte die Kommission in Abstimmung mit den betroffenen Sektoren delegierte Rechtsakte erlassen, in denen die Merkmale neuer Produkte festgelegt werden, die Bestandteil anderer Produkte werden können.

1.11.

Dem Prozess der technischen Normung nachhaltiger Produkte muss im Rahmen des Systems „Qualität und Konformität“, insbesondere in den ressourcenintensiven Sektoren, besondere Bedeutung eingeräumt werden. Dies sollte auch die Bewertung der Konformität und die Ausweitung der umweltgerechten Beschaffung und Zertifizierung von Sekundärrohstoffen umfassen.

1.11.1

Die nationalen Normungsgremien sollten in Zusammenarbeit mit den europäischen Stellen (2) möglichst bald beispielhafte Verfahrensweisen (3) und harmonisierte Normen erarbeiten, um den Übergang zur neuen Functional Economy zu erleichtern.

1.12.

Die praktische Umsetzung der Kreislaufwirtschaft erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Interessenträgern. Der EWSA spricht sich für klare politische Maßnahmen und finanzielle Unterstützung aus. Insbesondere im Bereich der Werbung muss darauf hingewirkt werden, dass sie — unter Einhaltung der Regeln des freien Marktes — ihren starken konsumorientierten Charakter verliert und Aspekte der Langlebigkeit von Produkten und die Möglichkeit einer Wiederverwendung stärker in den Vordergrund stellt.

1.13.

Nach Auffassung des EWSA ist es von wesentlicher Bedeutung, bessere Verbraucherinformationen und Daten über Produktmanagement, Rückverfolgbarkeit und Transparenz zu gewährleisten, auch unter Rückgriff auf Produktspezifikationen und digitale Technologien, um den Informationsfluss über Zusammensetzung und Reparaturmöglichkeiten zu ermöglichen.

1.14.

Der EWSA hält es für zweckmäßig, im Rahmen von europäischen Programmen eine konkrete Erprobung der Kreislaufwirtschaftsprozesse in unterschiedlichen Sektoren in zahlreichen europäischen Städten, Zentren der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft und ländlichen Gebieten zu fördern. Es gilt, wichtige Erfahrungen in Produktions- und Verbrauchsketten zu sammeln und als bewährte Verfahren zu nutzen.

1.15.

Nach Auffassung des EWSA müssen die öffentlichen und privaten Akteure auf bürgernaher territorialer Ebene eine wichtige Bedeutung bekommen. Sie können eine entscheidende Rolle dabei spielen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, weil sie öffentlich-private Partnerschaften schaffen und Beispiele für „gebietsbezogene soziale Verantwortung“ (4) und für soziale Verantwortung von Unternehmen generieren können, die auf die Grundsätze der kollaborativen Kreislauforientierung abstellen.

1.16.

Der EWSA spricht sich schließlich dafür aus, alle vorgeschlagenen Maßnahmen einer angemessenen Folgenabschätzung zu unterziehen, bei der die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden.

2.   Sozioökonomischer Kontext auf dem Weg zu einer europäischen Kreislaufwirtschaft

2.1.

Unternehmen und Verbraucher erkennen immer mehr, dass die bislang angewandten linearen Wirtschaftsmodelle, die durch einen hohen Material- und Ressourcenverbrauch, den Einsatz von Methoden der geplanten Obsoleszenz und die Förderung der Erwerbs immer neuer Produkte gekennzeichnet sind, der nachhaltigen Entwicklung schaden.

2.2.

2019 wurden mehr als 92 Mrd. Tonnen Material abgebaut und verarbeitet, was etwa zur Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen beigetragen (5) und erhebliche Umwelt- und Gesundheitsprobleme verursacht hat.

2.2.1

Der Verlust der biologischen Vielfalt ist zu mehr als 90 % auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen (6).

2.2.2

Rund 20 % der Treibhausgasemissionen werden durch die Gewinnung und Verarbeitung von Metallen und nichtmetallischen Mineralien verursacht (7).

2.2.3

Darüber hinaus ist die EU gezwungen, zu beträchtlichen Kosten den Großteil ihres Rohstoffbedarfs zu importieren.

2.3.

Eine Kreislaufwirtschaft, die

die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen,

neue, lokale und hochwertige Arbeitsplätze,

Abfallentsorgung,

die kontinuierliche und sichere Nutzung der natürlichen Ressourcen,

ein kreislauforientiertes Planung-Herstellung-Verteilung-Verbrauch-System und

die Aufarbeitung und Wiederverwendung von Rückständen am Ende ihres Lebenszyklus fördert,

kann zur Entwicklung einer funktionalen Wirtschaft führen, die der Gesellschaft erhebliche Vorteile bringen kann.

2.4.

Derzeit sind lediglich 8,6 % der weltweiten Wirtschaftstätigkeiten kreislauforientiert. Um diesen Wandel meistern zu können, ist allerdings eine enge Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor erforderlich.

2.5.

Beim Übergang zu einer europäischen Kreislaufwirtschaft muss auch der für ihrer derzeitige Entwicklung unabdingbare berücksichtigt werden: In einer Zeit, in der die Coronavirus-Pandemie die schlimmste wirtschaftliche Rezession seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 ausgelöst hat.

2.5.1

Aufgrund von Covid-19 haben Unternehmen Einnahmeausfälle und unterbrechen die Lieferketten, während sich überall Fabrikschließungen und Arbeitslosigkeit mehren.

2.6.

Die derzeitigen dreifachen Risiken — unkontrollierte Pandemien, unzureichende wirtschaftspolitische Projekte und ein geopolitischer „schwarzer Schwan“ (ein absolut unvorhersehbares Ereignis) — könnten zu einer anhaltenden Weltwirtschaftskrise führen. Gleichzeitig werden sich alle Teile der europäischen Gesellschaft bewusst, dass für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Modalitäten nötig sind, die sowohl den technologischen Aspekten als auch der Produktivitätssteigerung und einer effizienteren Ressourcennutzung gerecht werden.

2.7.

Andererseits können die Herausforderungen, vor denen unser Planet zur Zeit steht, als eine riesige Chance genutzt werden, um der nachhaltigen Entwicklung neue Impulse zu verleihen, und zwar auf neuen Grundlagen, bei denen die Voraussetzungen für eine beschleunigte Umsetzung der neuen kreislauforientierten Konzepte geschaffen werden können.

2.8.

Der EWSA hat sich bereits mehrfach zur Notwendigkeit eines nachhaltigen und integrativen Wachstums geäußert. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission hat er die Europäische Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft (ECESP) (8) ins Leben gerufen und unterstrichen, dass es „ungeachtet der bislang verbuchten Erfolge […] bei der Verwirklichung einer Kreislaufwirtschaft offensichtliche Schwierigkeiten [gibt]“.

2.9.

Wie die ECESP-Koordinierungsgruppe bekräftigt hat, muss der Übergang zu einer inklusiven, klimaneutralen und kreislauforientierten Wirtschaft jetzt beginnen (9).

2.10.

In seiner Erklärung vom 6. April 2020 betont der EWSA: „dass es […] in diesen Zeiten großer Unsicherheit nur mit einem umfassenden europäischen Konjunkturprogramm gelingen kann, die Folgen der Covid-19-Pandemie […] zu bewältigen und den Wiederaufbau einer nachhaltigeren […] europäischen Wirtschaft zu gewährleisten“.

3.   Der Vorschlag der Europäischen Kommission

3.1.

Der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (im Folgenden: Aktionsplan) enthält eine Reihe neuer Initiativen für den gesamten Gestaltungs- und Lebenszyklus von Produkten, damit die Bürger und Unternehmen in vollem Umfang an der Kreislaufwirtschaft teilnehmen können.

3.2.

Im Rahmen der EU-Industriestrategie werden Maßnahmen vorgeschlagen, um:

zu gewährleisten, dass nachhaltige Produkte in der EU zur Norm werden: Legislativvorschlag für eine Initiative für eine nachhaltige Produktpolitik, um sicherzustellen, dass die Konzipierung der Produkte, die auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht werden, eine längere Lebensdauer gewährleistet;

die Position der Verbraucher zu stärken: Zugang zu verlässlichen Informationen mit einem echten „Recht auf Reparatur“;

den Schwerpunkt auf Sektoren zu legen, die mehr Ressourcen einsetzen und die ein hohes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft aufweisen, so u. a.:

Elektronik und IKT: „Initiative für auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Elektronik“;

Batterien und Fahrzeuge: neuer Rechtsrahmen für Batterien;

Verpackungen: neue verbindliche Bestimmungen, in denen festgelegt ist, was auf dem EU-Markt zulässig ist;

Kunststoffe: neue verbindliche Anforderungen an den Rezyklatanteil;

Textilien: neue EU-Strategie zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in der Textilbranche;

Bauwirtschaft und Gebäude: allgemeine Strategie für eine nachhaltige bauliche Umwelt;

Lebensmittel: neue Legislativinitiative zur Ersetzung von Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck durch wiederverwendbare Produkte;

den Abfall zu reduzieren: Abfallvermeidung und -verarbeitung zu hochwertigen Sekundärrohstoffen;

das Kreislaufprinzip für Menschen, Regionen und Städte tauglich zu machen;

die Rolle der Normung zu stärken;

bereichsübergreifende Maßnahmen zu ergreifen: Kreislauforientierung als Voraussetzung für Klimaneutralität;

Maßnahmen auf globaler Ebene auf den Weg zu bringen;

die Fortschritte zu überwachen.

Es handelt sich um rund 35 Maßnahmen im Dreijahreszeitraum von Mitte 2020 bis Mitte 2023. Sie umfassen Initiativen in den Bereichen Elektronik, Abfallbewirtschaftung und personen- und umweltbezogene Dienstleistungen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Der EWSA ist davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit einer der Grundpfeiler der künftigen Entwicklung Europas ist. Durch einen kompetenten und partizipativen Übergang zur Kreislaufwirtschaft können die Bürger, Verbraucher, Unternehmen und Arbeitnehmer die Herausforderungen mit hohen Investitionen meistern. Dadurch können sie nicht nur zum Umweltschutz, sondern auch zur Entwicklung eines Konzepts der offenen und inklusiven Gesellschaft beitragen und die Ressourcen für die künftigen Generationen wahren.

4.1.1

Von der Kreislaufwirtschaft können insbesondere landwirtschaftliche Prozesse und das Lebensmittelsystem profitieren. So wird Verschwendung reduziert und das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger verbessert.

4.1.2

Für die Entwicklung grüner Technologien, der neuen biologischen Düngemittel und des Biomethan sind umfangreiche Investitionen erforderlich.

4.2.

Der Ausschuss begrüßt die im Aktionsplan vorgeschlagenen legislativen und politischen Maßnahmen und ist der Auffassung, dass die Maßnahmen für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft gebührend berücksichtigt werden müssen, insbesondere nach der durch Covid-19 entstandenen verheerenden Situation.

5.   Kohärenz auf europäischer Ebene

5.1.

Nach Auffassung des EWSA ist es von wesentlicher Bedeutung, die Komplementarität zwischen Klimawandel und Kreislaufwirtschaftspolitik anzuerkennen. Energie muss ebenfalls aus erneuerbaren Energiequellen stammen und darf nicht wie bei fossilen Brennstoffen linear sein.

5.1.1

Die Kreislauforientierung beim Energieeinsatz schlägt sich auch in Form von Energieeinsparungen und Energieeffizienz nieder, was im Verkehrssektor noch dringlicher wird.

5.2.

Der Aufbau von Kapazitäten, die zur Förderung der Kreislaufwirtschaft erforderlich sind, sollte auf allen Ebenen gefördert werden. Der im Europäischen Sozialfonds Plus vorgeschlagene Kompetenz- und Beschäftigungspakt ist eine hervorragende Gelegenheit zur Umsetzung der vorgesehenen Programme.

5.3.

Die Rolle der öffentlichen Auftragsvergabe darf bei der Verwirklichung dieses Wandels nicht unterschätzt werden. Die ökologischen Mindestkriterien, die bereits Gegenstand der Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge (10) sind, sollten verbindlich werden und mit angemessenen technischen Spezifikationen einhergehen (11). Für die Auftragnehmer sollten spezielle Schulungen vorgesehen werden, um zu gewährleisten, dass alle kreislauforientierten Optionen angeboten werden, und um zu vermeiden, dass eventuelle Hindernisse kreislauforientierte Auftragsvergaben verhindern.

5.4.

Nach Auffassung des Ausschusses muss unbedingt in den zahlreichen Initiativen, die in den nächsten Monaten auf den Weg gebracht werden, ausdrücklich darauf eingegangen werden, wie die Kreislauforientierung und Nachhaltigkeit der Investitionen verbessert werden kann — insbesondere in struktur- und finanzschwächeren Ländern.

5.4.1

Diese Initiativen sollten in Zusammenarbeit mit den lokalen Gebietskörperschaften und den Sozialpartnern gefördert werden, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die Schaffung neuer und besserer Arbeitsplätze zu legen ist.

5.5.

Der EWSA begrüßt, dass rechtliche Anforderungen in Erwägung gezogen werden, um den Markt für Sekundärrohstoffe — insbesondere für Verpackungen, Fahrzeuge, Baustoffe und Batterien — zu fördern.

5.6.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung kreislauforientierter Prozesse ist die umweltgerechte Gestaltung von Produkten. Die umweltgerechte Produktgestaltung muss sich weiter etablieren, damit sie zu einem integralen Bestandteil aller Produktionsphasen wird. Dies würde die Verwertung der Bestandteile als Triebkraft für einen dynamischen Markt für Sekundärrohstoffe fördern.

5.6.1

Vor diesem Hintergrund sollte die Kommission wie bereits bei den energiebetriebenen Produkten (12) delegierte Rechtsakte erlassen, in denen die Merkmale verschiedener Produkte des täglichen Gebrauchs festgelegt werden, die nach ihrer Abnutzung Bestandteil anderer Produkte werden können.

5.7.

Der technischen Normung kommt im Bereich der Kreislaufwirtschaft eine besondere Bedeutung zu. Angesichts des starken übergreifenden Charakters und der Komplexität des Themas ist es unerlässlich, für eine enge Koordinierung zwischen den verschiedenen Interessenträgern, den Normungsorganisationen und den Maßnahmen des Gesetzgebers zu sorgen.

5.8.

Der Prozess der technischen Normung nachhaltiger Produkte, insbesondere in ressourceneffizienten Sektoren, ist vor allem bei der Vergabe grüner Aufträge und bei der Klassifizierung von Rohstoffen und Sekundärmaterialien besonders wichtig.

5.9.

Der EWSA spricht sich dafür aus, alle vorgeschlagenen Maßnahmen einer angemessenen Folgenabschätzung zu unterziehen, bei der die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden.

5.10.

Die derzeitige Debatte über den Wert und die Notwendigkeit der Anwendung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft könnte die Gelegenheit bieten, die bereits mehrfach diskutierte Frage entschlossen anzugehen, ob nicht über das herkömmliche BIP hinausgegangen werden sollte und ob die derzeitigen in den drei Systemen zur BIP-Berechnung (13) enthaltenen Elemente der Wirtschaftsleistung nicht um neue Elemente ergänzt werden sollten: Dazu gehören z. B die Schaffung solidarischer Systeme für eine integrative Gesellschaft, ein Leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten und die gerechte Verteilung der Güter.

6.   Bildung und Kultur

6.1.

Nach Auffassung des EWSA muss die Verbreitung einer „Kreislaufkultur“ durch Bildung, Kapazitätenaufbau und einer verstärkten Teilhabe unbedingt in den Vordergrund gerückt werden. Zudem muss der Dialog mit der Zivilgesellschaft ausgebaut werden, um die Menschen zu ermutigen, ihre täglichen Gewohnheiten und Verhaltensweisen anzupassen und zu ändern. Eine enge sektorübergreifende Zusammenarbeit ist ebenso von wesentlicher Bedeutung.

6.1.1

Die soziale Verantwortung der Unternehmen passt als konkretes Element für eine funktionale Wirtschaft hervorragend zur Kultur der Kreislaufwirtschaft, da sie außerordentliche Synergieeffekte zwischen den Interessen der Unternehmer und denen der Arbeitnehmer ermöglicht, die sich gemeinsam für eine nachhaltige Entwicklung mit besonderer Beachtung der Reduzierung von Verschwendung und Überfluss stark machen.

6.2.

Es wäre zweckmäßig, Vorschläge für die Aufnahme der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft in die schulischen Lehrpläne und Hochschulprogramme sowie für die Finanzierung hochleistungsfähiger technischer Bildung und die Förderung kreativer Fähigkeiten zu unterbreiten.

6.3.

Das Programm Erasmus Plus wäre sehr geeignet gewesen, um den Austausch von Wissen über die Kreislaufwirtschaft zwischen den verschiedenen europäischen Ländern zu fördern.

6.4.

Die vom EWSA in Auftrag gegebene Studie (14) und seine Stellungnahme NAT/764 zur Erschließung von Synergien zwischen verschiedenen Fahrplänen für eine Kreislaufwirtschaft sowie das aktive Netz der europäischen Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft bilden eine solide Grundlage für den Austausch von Informationen und die Generierung von Wissen zwischen den betroffenen Akteuren.

6.5.

Die Wirtschaftsakteure und die Zivilgesellschaft könnten, auch durch den Einsatz geeigneter Mittel wie des „Missions-Fonds“ im Rahmen des Programms Horizont Europa, in zahlreichen europäischen Kommunen die Prozesse der Kreislaufwirtschaft konkret erproben.

6.6.

Die wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung kreislauforientierter Prozesse ist jedoch die umweltgerechte Gestaltung von Produkten.

7.   Die Verbraucher als Hauptakteure bei der Umsetzung

7.1.

Die praktische Umsetzung der Kreislaufwirtschaft erfordert ein starkes Netz von informierten, beteiligten und vernetzten Interessenträgern. Die wichtigsten politischen und strukturellen Maßnahmen zur Unterstützung der verschiedenen Interessengruppen sollten ermittelt, regelmäßig überprüft und wirksam kommuniziert werden.

7.2.

In Bezug auf die Rolle von Werbung muss darauf hingewirkt werden, dass sie — unter Einhaltung der Regeln des freien Marktes — ihren starken konsumfördernden Charakter verliert, Aspekte der Langlebigkeit von Produkten und die Möglichkeit einer neuen Verwendung stärker in den Vordergrund stellt, ohne trügerisch und irreführend zu sein.

7.2.1

Es ist wichtig, dass bei Werbung die Grundsätze der lebensechten Umstände, der Trends und der besonderen Merkmale stärker im Vordergrund stehen, und dass konkrete Beispiele wie das Streben nach nachhaltiger Entwicklung oder die positiven Aspekte der Haltbarkeit von Produkten als für den Verbraucher und die Gesellschaft besonders wertvoll erscheinen.

7.3.

Das Recht auf Reparatur von Produkten zu fairen und verhältnismäßigen Preisen muss anerkannt und in die Produktgarantien aufgenommen werden, auch mithilfe von steuerlichen Bestimmungen sowie Netzen, die Reparaturdienstleistungen vor Ort und mit erleichtertem Zugang anbieten (15). In diesem Zusammenhang muss die Bekämpfung der geplanten Obsoleszenz zu einem festen Bestandteil der neuen technischen und rechtlichen Merkmale umweltverträglicher Produkte werden, die sich leicht reparieren und wiederverwerten lassen.

7.4.

Der EWSA anerkennt den Erfolg seiner Partnerschaft mit der Europäischen Kommission im Bereich der Entwicklung einer interinstitutionellen innovativen Plattform (ECESP) und spricht sich für eine künftige Ausweitung ihres Mandats aus.

7.4.1

Nach Auffassung des EWSA wäre es zweckmäßig, eine Änderung der Steueraufteilung in Erwägung zu ziehen und die Besteuerung des Faktors Arbeit zu senken. Die Besteuerung der Rohstoffe und insbesondere der weniger nachhaltigen Produkte sowie jener mit einer offensichtlichen Obsoleszenz sollte hingegen erhöht werden.

7.4.2

Der Grundsatz einer strengeren Besteuerung sollte bei Produkten angewandt werden, die in die EU eingeführt werden und den Kriterien der Kreislaufwirtschaft weniger zu entsprechen scheinen.

7.5.

Die Rolle der sozialen Unternehmen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft sollte ausdrücklich anerkannt und unterstützt werden, um Wirtschaftstätigkeiten mit Erfahrung bei der Wiederverwertung, Reparatur und Regenerierung einen größeren sozialen Wert einräumen zu können. Denn sie engagieren sich für die Entwicklung der Kompetenzen der schutzberdürftigeren Personen in der Gesellschaft.

7.6.

Der EWSA betont, dass die europäischen Verbraucher besser über das Produktmanagement informiert werden müssen, einschl. über die Vorteile kreislauforientierter Gestaltung und Herstellung, sowie über die Rückverfolgbarkeit und Transparenz. Dafür sollte auch auf Produktpässe und digitale Technologien wie Blockchain zurückgegriffen werden, um den Informationsfluss über die Zusammensetzung, die Reparaturmöglichkeiten und das Ende der Lebensdauer zu ermöglichen.

7.7.

Verlässliche, vergleichbare und überprüfbare Informationen sind wichtig, um Verbraucher in die Lage zu versetzen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, und verringern das Risiko der „Grünfärberei“ („Greenwashing“).

7.8.

Die lokalen Gebietskörperschaften sind bei der Bewirtschaftung von Wasser, Abfällen und sekundären Hubs für Rohstoffe von ausschlaggebender Bedeutung. Sie können im Rahmen von Partnerschaften Versuche durchführen, die für die Entwicklung der kreislauforientierten Innovation wichtig sind.

7.9.

Der EWSA unterstützt die in früheren Stellungnahmen bereits betonten Entwicklung der Grundsätze der „territorialen sozialen Verantwortung“, die die öffentliche und private Verantwortung für die kreislauforientierte Nachhaltigkeit vor Ort gewährleisten.

Brüssel, den 16. Juli 2020

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  ABl. C 100 vom 30.4.2009, S. 53.

(2)  CEN, CENELEC und ETSI.

(3)  Siehe UNI Italia und Verfahren der Vornormierung (Verordnung Nr. 1025/2012).

(4)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 63.

(5)  Siehe Circular Economy and Material Value Chains — Weltwirtschaftsforum 2020.

(6)  Siehe Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), Internationaler Ausschuss für Ressourcenbewirtschaftung, Global Resources Outlook 2019: Natural Resources for the Future We Want, 2019.

(7)  Siehe Energy Transitions Commission, Mission Possible: Reaching Net-Zero Carbon Emissions by Mid-Century, 2018.

(8)  EESC-2017-02666-05-00-DECBUR — Mandat der Koordinierungsgruppe.

(9)  Gemeinsame Erklärung der Mitglieder der Koordinierungsgruppe der Europäischen Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft zum neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (CEAP) — März 2020 [EN].

(10)  Richtlinien 2014/23/EU (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1), 2014/24/EU (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), 2014/25/EU (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243).

(11)  Siehe UNI/beispielshafte Verfahrensweisen: Leitlinien für die Verfahren zur Überprüfung des Anteils von Recyklaten und/oder zurückgewonnenem Material und/oder Nebenprodukten in Produkten, die ökologischen Mindestkriterien unterliegen.

(12)  Siehe Richtlinie 2005/32/EG (ABl. L 191 vom 22.7.2005, S. 29),, geändert durch die Richtlinie 2009/125/EG (ABl. L 285 vom 31.10.2009, S. 10).

(13)  Siehe SEC 2010 EU.

(14)  https://www.eesc.europa.eu/de/our-work/publications-other-work/publications/circular-economy-strategies-and-roadmaps-europe-executive-summary.

(15)  Vgl. Richtlinie 1999/85/EG des Rates vom 22. Oktober 1999 hinsichtlich der Möglichkeit, auf arbeitsintensive Dienstleistungen versuchsweise einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden (ABl. L 277 vom 28.10.1999, S. 34): kleine Reparaturarbeiten betreffend Fahrräder, Schuhe und Lederwaren, Kleidung und Haushaltswäsche, Renovierung und Reparatur von Privatwohnungen und häusliche Pflegedienste.