23.5.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 176/8


Entschließung des Europäischen Ausschusses der Regionen zu dem Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen

(2018/C 176/03)

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (AdR),

unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an den Rat vom 20. Dezember 2017, einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union zu erlassen;

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. März 2017 zur Rechtsstaatlichkeit in der EU aus lokaler und regionaler Perspektive;

unter Hinweis auf seine Stellungnahme vom 12. Februar 2015 zum Thema „Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der Schutz der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte auf mehreren Ebenen in der EU“;

unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. November 2017 zur Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Polen;

unter Hinweis auf die Stellungnahme, die die Venedig-Kommission auf ihrer 113. Plenartagung am 8./9. Dezember 2017 zu den vom polnischen Präsidenten vorgelegten Gesetzesentwürfen zur Änderung der Gesetze über den Landesrat für Gerichtswesen und über das Oberste Gericht sowie zu dem Gesetz über die ordentlichen Gerichte verabschiedet hat,

1.

bekräftigt sein Bekenntnis zu den gemeinsamen Grundwerten, auf denen die Europäische Union fußt und zu denen auch die Achtung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit gehört, wie sie in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankert sind;

2.

betont, dass diese Werte die Grundlage für das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander, zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen und Einrichtungen der EU und zwischen allen verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen bilden;

3.

unterstreicht, dass die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit — Rechtmäßigkeit, Achtung der Grundrechte, Gleichheit vor dem Gesetz, Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, Transparenz, Rechenschaftspflicht, Gewaltenteilung, ein demokratisches und pluralistisches Verfahren der Rechtsetzung, Rechtssicherheit, Verbot von Willkürakten der exekutiven Organe, unabhängige und unparteiische Gerichte und wirksame gerichtliche Kontrolle — in ihrer Mehrheit von direkter und unmittelbarer Bedeutung für das Funktionieren der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und eine Grundvoraussetzung für ihre aktive Beteiligung an der europäischen Integration sind;

4.

unterstützt daher den Vorschlag der Kommission an den Rat vom 20. Dezember 2017, auf der Grundlage der Einschätzung, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch Polen besteht, einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union zu erlassen;

5.

erwartet, dass die polnische Regierung und die Kommission einen konstruktiven Dialog darüber aufnehmen, wie das Problem vor dem 20. März 2018 gelöst werden kann, um insbesondere negative Auswirkungen auf die EU-Beschlussfassung — u. a. über die geplanten Vorschläge der Kommission für den Programmplanungszeitraum nach 2020 — zu vermeiden;

6.

lehnt jedwede politische Ex-Post-Konditionalität ab, d. h., dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften für eine von nationalen Regierungen verfolgte Politik herhalten sollen, was zu einer Aussetzung der EU-Finanzierung für Städte und Regionen führen könnte. Die Kohäsionspolitik darf nicht durch Auflagen auf europäischer Ebene belastet werden, auf deren Erfüllung die lokale und regionale Ebene sowie die übrigen Begünstigten keinerlei Einfluss haben. Indes verweist der AdR auf geltende Bestimmungen in den Partnerschaftsvereinbarungen, wonach im Fall einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch lokale oder regionale Gebietskörperschaften die Finanzierung ausgesetzt werden kann. Er bringt zudem seine Besorgnis über die Vereinbarkeit möglicher politischer Auflagen für den Zugang zu EU-Mitteln für Städte und Regionen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck;

7.

betont zudem, dass bei einem Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat vor dem Europäischen Gerichtshof der Gerichtshof entscheiden kann, dass die Geldstrafen von der Zentralregierung zu bezahlen sind;

8.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem bulgarischen Ratsvorsitz und dem Präsidenten des Europäischen Rates zu übermitteln.

Brüssel, den 1. Februar 2018

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ