16.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 345/101


P8_TA(2018)0386

Antrag auf Aufhebung der Immunität von Manolis Kefalogiannis

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 23. Oktober 2018 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Manolis Kefalogiannis (2017/2133(IMM))

(2020/C 345/18)

Das Europäische Parlament,

befasst mit einem am 31. Mai 2017 vom Generalstaatsanwalt des Obersten Gerichts der Hellenischen Republik übermittelten und am 3. Juli 2017 im Plenum bekannt gegebenen Antrag auf Aufhebung der Immunität von Manolis Kefalogiannis im Zusammenhang mit dem Verfahren mit dem Aktenzeichen ABM EOE 20/2017,

nach Anhörung von Manolis Kefalogiannis gemäß Artikel 9 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

ferner nach Anhörung von Kristian Knudsen, amtierender Generaldirektor der Generaldirektion Personal des Europäischen Parlaments,

nach einer Aussprache mit dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt für Wirtschaftskriminalität der Hellenischen Republik;

gestützt auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Mai 1964, 10. Juli 1986, 15. und 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011 und 17. Januar 2013 (1),

unter Hinweis auf Artikel 62 der Verfassung der Hellenischen Republik,

gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A8-0333/2018),

A.

in der Erwägung, dass der stellvertretende Generalstaatsanwalt des Obersten Gerichtshofs der Hellenischen Republik die Aufhebung der parlamentarischen Immunität eines Mitglieds des Europäischen Parlaments, Manolis Kefalogiannis, beantragt hat, um gegen ihn ein Strafverfahren wegen zweier mutmaßlicher Straftaten einzuleiten;

B.

in der Erwägung, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union nicht wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung in ein Ermittlungsverfahren verwickelt, festgenommen oder verfolgt werden dürfen;

C.

in der Erwägung, dass gemäß Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

D.

in der Erwägung, dass ein Abgeordneter laut Artikel 62 der Verfassung der Hellenischen Republik während der Dauer seines Mandats ohne Erlaubnis des Parlaments nicht verfolgt, festgenommen oder inhaftiert oder in sonstiger Weise in seiner Freiheit beschränkt werden darf;

E.

in der Erwägung, dass der Antrag des stellvertretenden Generalstaatsanwalts des Obersten Gerichtshofs der Hellenischen Republik die Verfahren in Bezug auf mutmaßliche Straftaten gemäß Artikel 385 Absatz 1 Buchstabe b des griechischen Strafgesetzbuchs und Artikel 4 des Gesetzes Nr. 2803/2000 betrifft, in denen es um Erpressung bzw. Betrug geht;

F.

in der Erwägung, dass Manolis Kefalogiannis vorgeworfen wird, er habe versucht, einen Betrug zulasten der finanziellen Interessen der Europäischen Union zu begehen, der einen Schaden von über 73 000 EUR nach sich gezogen habe, weil er versucht habe, zwischen Juli 2014 und dem Jahresende 2016 einen Teil des Arbeitsentgelts seiner Assistentin in Höhe von 4 240 EUR monatlich zu unterschlagen;

G.

in der Erwägung, dass sich der Rechtsausschuss gemäß Artikel 9 Absatz 8 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten äußert, selbst wenn er durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt;

H.

ferner in der Erwägung, dass es weder Aufgabe des Europäischen Parlaments ist, sich zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds oder zu der Frage zu äußern, ob die ihm zur Last gelegten Straftaten die Einleitung eines Strafverfahrens rechtfertigen, noch die jeweiligen Vorteile einzelstaatlicher Rechts- und Gerichtssysteme zu kommentieren;

I.

in der Erwägung, dass die parlamentarische Immunität gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments kein persönliches Vorrecht eines Mitglieds, sondern eine Garantie der Unabhängigkeit des Parlaments als Ganzes und seiner Mitglieder ist;

J.

in der Erwägung, dass die parlamentarische Immunität dem Schutz des Parlaments und seiner Mitglieder vor Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit bei der Ausübung des parlamentarischen Amtes durchgeführten Tätigkeiten, die nicht von diesem Amt getrennt werden können, dient;

K.

in der Erwägung, dass dann, wenn sich das fragliche Verfahren nicht auf Äußerungen oder Abstimmungen des Mitglieds im Sinne von Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union bezieht, die parlamentarische Immunität aufgehoben werden sollte, es sei denn, es hat den Anschein, dass dem Gerichtsverfahren die Absicht zugrunde liegen kann, der politischen Tätigkeit des Mitglieds oder seinem Ruf und somit der Unabhängigkeit des Parlaments zu schaden (fumus persecutionis);

L.

jedoch in der Erwägung, dass eventuelle Schlussfolgerungen auf Grundlage der in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Informationen und Erläuterungen gezogen werden müssen, einschließlich der Antworten des stellvertretenden Generalstaatsanwalts für Wirtschaftskriminalität der Hellenischen Republik während der mit ihm abgehaltenen Aussprache, sowie in Anbetracht der Umstände, unter denen das gegen Manolis Kefalogiannis angestrengte Verfahren von den beteiligten Stellen behandelt wurde, der Ungewissheiten hinsichtlich der Tatsachen, auf die sich der Antrag auf Aufhebung der Immunität stützt und ernsthafter Zweifel an dem Verfahren, einschließlich der Gründe für den Antrag auf Aufhebung der Immunität, bestehen;

M.

in der Erwägung, dass es sich offenbar um eine Angelegenheit handelt, bei der man davon ausgehen kann, dass ein Fall von fumus persecutionis vorliegt;

N.

in der Erwägung, dass daher die Immunität von Manolis Kefalogiannis nicht aufgehoben werden sollte;

1.

beschließt, die Immunität von Manolis Kefalogiannis nicht aufzuheben;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich dem Generalstaatsanwalt des Obersten Gerichtshofs der Hellenischen Republik und Manolis Kefalogiannis zu übermitteln.

(1)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Mai 1964, Wagner/Fohrmann und Krier, 101/63, ECLI:EU:C:1964:28; Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Wybot/Faure und andere, 149/85, ECLI:EU:C:1986:310; Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T-345/05, ECLI:EU:T:2008:440; Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra/De Gregorio und Clemente, C-200/07 und C-201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T-42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C-163/10, ECLI: EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T-346/11 und T-347/11, ECLI:EU:T:2013:23.