Brüssel, den 19.7.2018

COM(2018) 547 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Schutz EU-interner Investitionen



I.Einleitung

Förderung und Schutz von Investitionen in der EU

Der Binnenmarkt der Europäischen Union ist ein einzigartiger Raum voller Investitionsmöglichkeiten. Ein zentrales Ziel der Investitionsoffensive für Europa 1 besteht darin, ein berechenbareres, stabileres und besser durchschaubares Regelungsumfeld zu schaffen und dadurch Investitionen zu fördern. Im Rahmen dieses Arbeitsschwerpunkts wurde im Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion 2 und in der entsprechenden Halbzeitbilanz 3 betont‚ dass ein stabiles Unternehmensumfeld maßgeblich dazu beiträgt, mehr Investitionen innerhalb der Europäischen Union zu fördern. Die Kommission ist entschlossen, sowohl ein berechenbares, stabiles und klares Regelungsumfeld zu erhalten und zu verbessern als auch die Anlegerrechte wirksam durchzusetzen. Ziel dieser Mitteilung ist es, bestehende Rechtsvorschriften der EU für den Umgang mit grenzüberschreitenden Investitionen in der EU zu erläutern.

Auch wenn das EU-Recht, das im Laufe der Jahrzehnte nach und nach aufgebaut wurde, nicht alle Probleme zu lösen vermag, vor denen Investoren bei ihren Tätigkeiten stehen mögen, so bietet es Anlegern doch ein hohes Maß an Schutz. Das EU-Recht schuf die Grundlage für die Entstehung des Binnenmarkts, in dem Anleger die Freiheit haben, ein Unternehmen zu gründen, in Unternehmen zu investieren, Waren einzuführen und auszuführen, grenzüberschreitend Dienstleistungen zu erbringen und über die Grenzen hinweg eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Behandlung zu erfahren. Jeder Investition liegt der freie Kapitalverkehr zugrunde, und so sind nach dem Vertrag Maßnahmen verboten, die den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr und grenzüberschreitende Zahlungen in ungerechtfertigter Weise verhindern oder erschweren.

Zur Verfolgung berechtigter öffentlicher Interessen wie öffentliche Sicherheit, öffentliche Gesundheit, soziale Rechte, Verbraucherschutz oder Umweltschutz erlaubt es das EU-Recht gleichzeitig, die Märkte zu regulieren, was auch Auswirkungen auf die Investitionen haben kann. Die Behörden der EU und der Mitgliedstaaten haben die Aufgabe und sind dafür verantwortlich, sowohl die Investitionen zu schützen als auch die Märkte zu regulieren. Daher sind die EU und die Mitgliedstaaten berechtigt, Maßnahmen zum Schutz dieser Interessen zu ergreifen, mit gegebenenfalls negativen Auswirkungen auf Investitionen. Sie können dies jedoch nur unter bestimmten Umständen zu bestimmten Bedingungen sowie im Einklang mit dem EU-Recht tun.

Grenzübergreifend tätige Anleger in der EU können unmittelbar anwendbare EU-Rechte geltend machen, die Vorrang vor innerstaatlichem Recht haben. Eine besondere Rolle und eine besondere Verantwortung beim Investitionsschutz kommen den Richtern der Mitgliedstaaten zu. Gemeinsam mit dem Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“ oder „Gerichtshof“) – im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens 4 – müssen die Richter der Mitgliedstaaten die vollständige Anwendung des EU-Rechts sowie den Rechtsschutz der dem Einzelnen erwachsenden Rechte in völliger Unabhängigkeit in allen Mitgliedstaaten gewährleisten. Darüber hinaus sind die Rechte von grenzübergreifend tätigen Anlegern in der EU auch durch eine Reihe öffentlicher Mechanismen geschützt, die darauf abzielen, Verstöße zu verhindern und etwaige Streitigkeiten von Anlegern mit nationalen Behörden zu schlichten.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Regierungen durch den Abschluss bilateraler Investitionsabkommen grenzüberschreitende Investitionen gefördert. Diese Abkommen beinhalten in der Regel das Recht auf Inländerbehandlung und Meistbegünstigung, auf eine gerechte und gleichberechtigte Behandlung, auf Schutz vor Enteignung und auf freien Kapitalverkehr. Verstöße gegen diese Bestimmungen können Anleger vor Investor-Staat-Schiedsgerichten geltend machen. Ähnliche Bestimmungen finden sich im Vertrag über die Energiecharta, einem auf Initiative der EU zur Förderung von Investitionen im Energiesektor geschlossenen plurilateralen Investitionsvertrag. 5 Die EU hat im Rahmen ihrer Außenpolitik eine grundlegende Reform dieser Verträge eingeleitet.

Einige Länder, mit denen EU-Mitgliedstaaten zuvor bilaterale Investitionsabkommen abgeschlossen hatten, sind mittlerweile der EU beigetreten. Durch den Beitritt haben sich die materiellrechtlichen Vorschriften der bilateralen Investitionsschutzabkommen, die zwischen den Mitgliedstaaten Anwendung finden, zu einem parallelen, sich mit den Binnenmarktvorschriften überschneidenden Vertragssystem entwickelt, wodurch die vollständige Anwendung des EU-Rechts verhindert wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen so ausgelegt werden, dass sie als Grundlage für die Gewährung rechtswidriger staatlicher Beihilfen dienen und damit gegen gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt verstoßen.

Bilaterale Investitionsschutzabkommen räumen lediglich den Anlegern aus einem der beiden beteiligten Mitgliedstaaten Rechte ein, was nach EU-Recht im Widerspruch zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung von EU-Investoren im Binnenmarkt steht. Indem sie ein alternatives System zur Beilegung von Streitigkeiten einrichten, beeinträchtigen EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen zudem die nationale gerichtliche Streitbeilegung, die nationale Maßnahmen unter Einbeziehung des EU-Rechts zum Gegenstand hat. Im Rahmen dieser Abkommen werden private Schiedsrichter mit diesen Rechtsstreitigkeiten betraut, die ohne den unerlässlichen gerichtlichen Dialog mit dem Gerichtshof das EU-Recht nicht ordnungsgemäß anwenden können.

Aus diesen Gründen hat die Europäische Kommission wiederholt die Auffassung vertreten, dass EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen mit dem Unionsrecht unvereinbar sind. In ihren mit Gründen versehenen Stellungnahmen vom 23. September 2016 forderte die Kommission Österreich, die Niederlande, Rumänien, die Slowakei und Schweden förmlich auf, ihre EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen zu beenden.

In der kürzlich ergangenen Vorabentscheidung zu der Rechtssache Achmea 6 bestätigte der Gerichtshof, dass Schiedsklauseln zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in EU-internen Investitionsschutzabkommen rechtswidrig sind.

Infolge des Achmea-Urteils hat die Kommission ihren Dialog mit allen Mitgliedstaaten intensiviert und diese aufgefordert, angesichts der unbestreitbaren Unvereinbarkeit der EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen mit dem EU-Recht Maßnahmen zur Beendigung dieser Abkommen zu ergreifen. Die Kommission wird die diesbezüglichen Entwicklungen beobachten und im Bedarfsfall beschließen, die Vertragsverletzungsverfahren fortzuführen.

Nach dem Achmea-Urteil kann aufgrund der Rechtswidrigkeit eines EU-internen Investor-Staat-Schiedsverfahrens der Eindruck entstehen, dass das EU-Recht keine ausreichenden materiell- und verfahrensrechtlichen Garantien für EU-interne Investoren vorsieht. Das EU-Rechtssystem schützt jedoch sehr wohl grenzübergreifend tätige Investoren im Binnenmarkt und stellt gleichzeitig sicher, dass andere berechtigte Interessen gebührend berücksichtigt werden. Wenn Anleger eine der Grundfreiheiten ausüben, sind sie geschützt durch: i) die Vertragsvorschriften, in denen diese Freiheiten festgelegt sind, ii) die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Grundrechtecharta“), iii) die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und iv) umfassende sektorspezifische Rechtsvorschriften für Bereiche wie Finanzdienstleistungen, Verkehr, Energie, Telekommunikation, öffentliche Auftragsvergabe, berufliche Qualifikationen, geistiges Eigentum oder auch Gesellschaftsrecht. 7  

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt diese Mitteilung einen Überblick über die wichtigsten materiell- und verfahrensrechtlichen Standards im EU-Recht für den Umgang mit grenzüberschreitenden Investitionen in der EU. Sie zeigt auf, dass das EU-Recht sämtliche Formen grenzüberschreitender Investitionen in der EU während ihres gesamten Lebenszyklus schützt. Ferner wird darin an die Pflicht der Mitgliedstaaten erinnert, dafür Sorge zu tragen, dass nationale Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zum Schutz berechtigter öffentlicher Interessen ergreifen, Investitionen nicht auf unangemessene Weise beschränken. Und schließlich werden Anleger auf die EU-Rechte hingewiesen, die sie vor Verwaltungsbehörden und Gerichten geltend machen können.

Das Achmea-Urteil und seine Folgen

Im Achmea-Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass Investor-Staat-Schiedsklauseln in EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen das in den EU-Verträgen vorgesehene Rechtsbehelfssystem untergraben und somit Autonomie, Wirksamkeit, Vorrang und unmittelbare Wirkung des Unionsrechts sowie den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten infrage stellen. Der Rückgriff auf solche Klauseln untergräbt das Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 267 AEUV und steht nicht im Einklang mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Dies impliziert, dass sämtliche Investor-Staat-Schiedsklauseln in EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen nicht anwendbar sind und jedes auf der Grundlage dieser Klauseln eingerichtete Schiedsgericht aufgrund des Fehlens einer gültigen Schiedsvereinbarung unzuständig ist. Das hat zur Folge, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten jeglichen Schiedsspruch, der auf dieser Grundlage ergangen ist, für nichtig erklären und seine Vollstreckung ablehnen müssen. Auch Mitgliedstaaten, die in welcher Eigenschaft auch immer Parteien in anhängigen Verfahren sind, müssen alle erforderlichen Konsequenzen aus dem Achmea-Urteil ziehen. Darüber hinaus sind sie nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit verpflichtet, ihre EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen förmlich zu beenden.

Das Achmea-Urteil ist auch für das in Artikel 26 des Vertrags über die Energiecharta festgelegte Investor-Staat-Schiedsverfahren in Bezug auf Beziehungen innerhalb der EU relevant. Bei richtiger Auslegung sieht diese Bestimmung keine Investor-Staat-Schiedsklausel vor, die zwischen Anlegern aus einem EU-Mitgliedstaat und anderen EU-Mitgliedstaaten anwendbar ist. In Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts ist diese Bestimmung, wenn sie so ausgelegt wird, dass sie für EU-interne Zwecke gilt, mit dem EU-Primärrecht unvereinbar und somit nicht anwendbar. Die Argumentation des Gerichtshofs in der Rechtssache Achmea gilt genauso für die EU-interne Anwendung einer Klausel, die – ebenso wie die Klauseln der EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen – die Möglichkeit eröffnet, diese Streitigkeiten einer Einrichtung zuzuweisen, die nicht Teil des Gerichtssystems der EU ist. Die Tatsache, dass auch die EU Partei des Vertrags über die Energiecharta ist, ändert nichts an dieser Feststellung: Die Beteiligung der EU an diesem Vertrag hat nur Rechte und Pflichten zwischen der EU und Drittstaaten geschaffen und betrifft nicht die Beziehungen zwischen EU-Mitgliedstaaten.

Geltungsbereich der Mitteilung

Der Schwerpunkt dieser Mitteilung liegt auf EU-internen Investitionen. Sie bezieht sich somit weder auf Investitionen von EU-Anlegern in Drittländern noch auf Investitionen von Anlegern aus Drittländern in der EU. 8 Die Vertragsvorschriften zum freien Verkehr gelten für Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug oder wenn der grenzüberschreitende Verkehr zumindest möglich ist. 9 Einige EU-Richtlinien und -Verordnungen, in denen die Grundfreiheiten festgelegt und näher ausgearbeitet werden, können jedoch auch auf rein interne Sachverhalte angewandt werden, was allen Anlegern, auch den nationalen, zugutekommt. Der Schwerpunkt dieser Mitteilung liegt auf dem Schutz der Investoren gegen nationale Maßnahmen und nicht gegen Maßnahmen der Organe und Einrichtungen der EU.

Aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden „EWR-Abkommen“), das Teil des EU-Rechts ist, gelten die Grundfreiheiten und der Großteil des damit zusammenhängenden EU-Sekundärrechts im Wesentlichen auch für Island, Liechtenstein und Norwegen. 10  Dies hat zur Folge, dass sich der Binnenmarkt im Großen und Ganzen auch auf diese drei Länder erstreckt. 11

II.Das EU-Recht schützt alle grenzüberschreitenden EU-Investitionen über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg

Investitionen im Binnenmarkt können angesichts der facettenreichen wirtschaftlichen Realität viele Formen annehmen. Das EU-Recht regelt und schützt alle Arten von Investitionen. Denn jede Wirtschaftstätigkeit fällt unter mindestens eine der Grundfreiheiten 12 , welche auch gelten, wenn mit den Tätigkeiten kein Erwerbszweck verfolgt wird. 13

Im Gegensatz zum internationalen Investitionsrecht verzichtet das EU-Recht im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt zumeist auf die Verwendung der Begriffe „Investition“ und „Investor“, und die Wirtschaftsakteure werden in der Regel als „Angehörige“ (natürliche Personen oder Unternehmen) 14 oder „Gebietsansässige“ oder „Gebietsfremde“ bezeichnet.

Das EU-Recht regelt und schützt vor allem Investitionen, die den Kapitalverkehr und die Niederlassung betreffen. Diese Begriffe beziehen sich auf:

·Investitionen in sowie die Übernahme und die Gründung von Unternehmen,

·das Recht, unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen,

·den Rückkauf von Aktien und Anleihen, die an einer Börse gehandelt werden und notieren,

·den Erhalt von Dividenden und Zinsen,

·die kommerzielle Gewährung von Krediten (einschließlich Verbraucherkrediten),

·den Erwerb von Anteilen eines Investmentfonds, Hypotheken, Vermächtnisse und Darlehen usw. 15 und

·den Erwerb von Patenten, Marken und anderen Rechten des geistigen Eigentums. 16

Das EU-Recht schützt den Zugang zum Markt, die Geschäfte am Markt und den Austritt aus dem Markt.

i) Zugang zum Markt

Die Aufnahme einer neuen wirtschaftlichen Tätigkeit ist vor allem durch die Freiheiten des EU-Marktes geschützt. Dazu gehören: das Recht der Anleger, Kapital in andere Mitgliedstaaten zu übertragen (Artikel 63 AEUV), und zwar sowohl Finanz- als auch Sachkapital (z. B. Maschinen, Fabriken oder andere Produktionsfaktoren), und das Recht, sich in anderen Mitgliedstaaten niederzulassen und Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften zu gründen (Artikel 49 AEUV). 17 Das Sekundärrecht legt Beschränkungen für Genehmigungsregelungen fest, die von den Mitgliedstaaten auferlegt werden können 18 , und verbietet bestimmte Arten von Anforderungen. 19

„Niederlassung“ bedeutet insbesondere die Aufnahme und Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit dem Ziel, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen des Herkunftsstaats teilzunehmen. 20  

Für Investoren, die grenzübergreifend in die EU investieren wollen, ist der Zugang zu öffentlichen Aufträgen ein wichtiger Bestandteil des europäischen Investitionssystems, in dem die Chancengleichheit beim Marktzugang gewährleistet ist. Bestimmte Arten von Angeboten unterliegen den harmonisierten Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge. 21 Darüber hinaus sieht das EU-Recht vor, dass öffentliche Konzessionen und öffentliche Ausschreibungen mit grenzübergreifendem Interesse im Wege eines offenen und diskriminierungsfreien Verfahrens vergeben werden müssen, das auf objektiven, nichtdiskriminierenden und angemessenen Kriterien beruht. 22

Beispiel 1 – Mittel für die Ausübung wirksamen Wettbewerbs durch neue Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten

Rechtssache C-442/02 – Caixa Bank

Frankreich untersagte Banken die Verzinsung von Kontokorrentkonten. Der Gerichtshof stellte fest, dass ein solches Verbot für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten als Frankreich ein ernsthaftes Hindernis darstellt und ihren Zugang zum französischen Markt beeinträchtigt. Das Verbot erschwerte es Kreditinstituten, die Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen sind, Kapital beim Publikum zu sammeln, da es ihnen verwehrt war, mit den traditionell im Niederlassungsmitgliedstaat ansässigen Kreditinstituten wirksamer in Wettbewerb zu treten.

Zwar wird mit dem Verbot, Kontokorrentkonten zu verzinsen, ein legitimes öffentliches Interesse verfolgt und z. B. ein Anreiz für mittel- und langfristiges Sparen geschaffen, doch ging die Maßnahme über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich war. Der Gerichtshof vertrat daher die Auffassung, dass ein solches Verbot gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt.

ii) Geschäfte am Markt

Sobald EU-Investoren ihre Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufnehmen oder eine andere Art von Investition tätigen, findet das EU-Recht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union weiter Anwendung. Es schützt sie im Allgemeinen gegen öffentliche Maßnahmen, welche den Anlegern die Nutzung ihres Eigentums vorenthalten oder die Geschäftstätigkeit, an der sie sich beteiligt haben, beschränken würde, selbst wenn diese Maßnahmen gleichermaßen für nationale Betreiber gelten. 23

Den Anlegern steht es frei, in einem Mitgliedstaat ihrer Wahl eine Gesellschaft zu gründen und eine Zweitniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat zu errichten, unabhängig davon, wo die Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich ausgeübt werden soll. 24 Die Mitgliedstaaten müssen Unternehmen anerkennen, die rechtswirksam nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet wurden, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit des Unternehmens in einem Rechtsstreit. 25  

Wenn eine europäische Gesellschaft sich in eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaft verlegen und in diese Gesellschaft umwandeln möchte, profitiert sie von der Niederlassungsfreiheit. In diesem Zusammenhang darf der Herkunftsmitgliedstaat bei der Verlegung und Umwandlung keine Beschränkungen vorsehen, es sei denn, es liegen zwingende Gründe des Allgemeininteresses vor; in dem Fall darf er in verhältnismäßiger Weise eingreifen. 26 Beispielsweise ist die verpflichtende Auflösung der Gesellschaft im Herkunftsstaat als Voraussetzung für die Verlegung in einen anderen Mitgliedstaat unverhältnismäßig und verstößt damit gegen das EU-Recht. 27 Die Mitgliedstaaten können im Einklang mit dem EU-Recht Betrügereien verhindern oder verfolgen. Wenn eine Gesellschaft ihren satzungsmäßigen oder tatsächlichen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, um in den Genuss günstigerer Rechtsvorschriften zu kommen, stellt dies für sich allein keinen Missbrauch dar. 28  

Die Kommission hat jüngst einen Rahmen vorgeschlagen, der es Unternehmen ermöglicht, sich einfach und leicht im Binnenmarkt zu bewegen, auch um sich den wandelnden Marktbedingungen anzupassen und sich zu vergrößern oder über Grenzen hinweg neu aufzustellen. 29 Danach sollen für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen einheitliche EU-Verfahren eingeführt und die bereits bestehenden Vorschriften für grenzüberschreitende Verschmelzungen aktualisiert werden. Sie führt strenge Schutzvorkehrungen ein, um im Einklang mit der Rechtsprechung die berechtigten Rechte und Interessen der Arbeitnehmer, Gesellschafter und Gläubiger zu schützen und zu verhindern, dass diese Verfahren für künstliche Gestaltungen genutzt werden, um ungerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen.

Ein EU-Unternehmen, das vorübergehend Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbieten möchte, anstatt sich dort niederzulassen, ist berechtigt, sich mit der notwendigen Infrastruktur im Aufnahmemitgliedstaat auszustatten. 30 Die Mitgliedstaaten dürfen die Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet nicht von der Einhaltung aller Voraussetzungen abhängig machen, die für eine Niederlassung gelten, und damit der Dienstleistungsfreiheit jede praktische Wirksamkeit nehmen. 31 Dies gilt für Berufsqualifikationen 32 , Sozialleistungen für Arbeitnehmer 33 , Betriebsgenehmigungen 34 , umfassende Meldepflichten für Dienstleistungserbringer 35 und umfassende Pflichten zur Übersetzung der Begleitunterlagen 36 .

Darüber hinaus sind die in der Produktion tätigen Investoren auch geschützt, da Waren, die sich rechtmäßig auf dem Markt eines Mitgliedstaats befinden, dank des freien Warenverkehrs grundsätzlich frei im Binnenmarkt gehandelt werden können. 37 Durch eine Reihe von EU-Vorschriften wurden betroffene Bereiche harmonisiert und Mechanismen festgelegt, damit der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zwischen Mitgliedstaaten zugunsten des freien Warenverkehrs in der Praxis umsetzbar ist. 38  

Wenn Anleger grenzübergreifend investieren, können sie auch Arbeitskräfte im Aufnahmestaat beschäftigen. 39 Arbeitnehmer in der EU haben ebenfalls das Recht, sich frei zu bewegen (Artikel 45 AEUV). Bei Dienstleistern, die ihre Dienstleistungen vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat anbieten, darf der Aufnahmemitgliedstaat die Einreise von Mitarbeitern, einschließlich Arbeitnehmern aus Drittländern, nicht an ungerechtfertigte oder unverhältnismäßige Beschränkungen, wie etwa die Verpflichtung zur Einholung einer Arbeitserlaubnis, knüpfen. 40 Um den freien Verkehr im Binnenmarkt und den Schutz der Arbeitnehmer in Einklang zu bringen, gilt das Arbeitsrecht des Aufnahmelandes für entsandte Arbeitnehmer in Bezug auf die in der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern aufgeführten Aspekte. 41

Das EU-Recht im Binnenmarkt betrifft auch die Steuervorschriften, welche für Anleger von entscheidender Bedeutung sind. So sind beispielsweise die Mehrwertsteuer, die Verbrauchsteuern und die Energiebesteuerung durch EU-Richtlinien geregelt. Auch wenn die direkten Steuern nach dem derzeitigen Stand des EU-Rechts in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen, müssen diese ihre Befugnisse dennoch im Einklang mit dem EU-Recht, einschließlich der Grundfreiheiten, ausüben. 42 Darüber hinaus legt das EU-Sekundärrecht auch bestimmte Grenzen für diese nationale Zuständigkeit fest. Um die steuerliche Neutralität zu gewährleisten, sind etwa Gewinne, die eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausschüttet, nach der Mutter-Tochter-Richtlinie 43 von der Quellensteuer befreit. Daher können die Mitgliedstaaten nicht einseitig restriktive Maßnahmen einführen und den in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehenen Anspruch auf Quellensteuerbefreiung von diversen Bedingungen abhängig machen. 44

Beispiel 2 – In anderen Mitgliedstaaten ansässige Pensionsfonds haben Anspruch auf dieselbe steuerliche Behandlung wie inländische Pensionsfonds

Rechtssache C-493/09 – Kommission/Portugal

Nach portugiesischem Recht waren von portugiesischen Pensionsfonds bezogene Dividenden von der Steuer befreit, sofern die Anteile mindestens ein Jahr lang gehalten wurden. Auf Dividenden, die an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Pensionsfonds für die im portugiesischen Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte gezahlt wurden, wurde hingegen eine Quellensteuer (grundsätzlich in Höhe von 20 %) erhoben. Der Gerichtshof bestätigte, dass die portugiesischen Rechtsvorschriften dem im Vertrag verankerten freien Kapitalverkehr zuwiderlaufen. Er stellte fest, dass Portugal es versäumt hatte, die diskriminierende Behandlung von Dividendenzahlungen an Pensionsfonds, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, zu rechtfertigen. Darüber hinaus sei der Umstand, dass es gebietsfremden Pensionsfonds völlig unmöglich ist, in den Genuss der für in Portugal ansässige Pensionsfonds gewährten Befreiung zu kommen, im Hinblick auf die von Portugal geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Sammlung von Informationen und der Eintreibung von Steuerschulden nicht verhältnismäßig.

iii) Austritt aus dem Markt

Nach dem EU-Recht umfassen die Rechte der Anleger die Freiheit, Art und Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu bestimmen. Daher hat der Gerichtshof auch das Recht der Wirtschaftsteilnehmer anerkannt‚ über den Umfang ihrer Investitionen zu entscheiden und ihre Tätigkeit anschließend zu verringern oder sogar aufzugeben. 45 Dieses Recht kann nur in hinreichend begründeten Fällen und in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden.

III.Das EU-Recht schützt Anleger vor ungerechtfertigten Beschränkungen

Investitionsbeschränkungen können viele Formen annehmen, z. B.:

·Verbot, sich am Kapital einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu beteiligen 46 ,

·Verbot, Anteile am Strom- und Gasverteilungsnetz an private Investoren zu veräußern (d. h. Privatisierungsverbot),

·Verbot für Pensionsfonds‚ mehr als 5 % ihres Vermögens im Ausland anzulegen 47 ,

·Vorschriften, die festlegen, dass im Ausland emittierte oder zahlbare Wertpapiere zwingend bei einer zugelassenen Bank oder einer von einer zugelassenen Bank ausgewählten ausländischen Bank zur Verwahrung hinterlegt werden müssen 48 , 

·Sonderrechte, die die Mitgliedstaaten bei bestimmten Unternehmen nach deren Privatisierung behalten („goldene Aktien“) 49 und

·Systeme der vorherigen Genehmigung für Investitionen in Flächen (z. B. in Agrarland) 50 .

Bei der Beschränkung der Rechte von EU-Investoren müssen die Behörden jedoch die im EU-Recht festgelegten Beschränkungen einhalten.

1.Diskriminierung und nationale Beschränkungen von Anlegerrechten sind grundsätzlich verboten

Nach dem Vertrag sind eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit sowie andere Formen der Diskriminierung grundsätzlich verboten und nur in Ausnahmefällen rechtmäßig. Dieses Verbot gilt auch für die mittelbare Diskriminierung und damit für Maßnahmen‚ die zwar dem Anschein nach neutral sind, in der Praxis aber zu einem mit einer Diskriminierung gleichzusetzenden Ergebnis führen. 51

Der EU-Gesetzgeber hat in bestimmten Bereichen, die vollumfänglich oder teilweise harmonisiert sind, jegliche Form der direkten oder indirekten Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten, etwa in der Dienstleistungsrichtlinie oder in den Telekommunikationsrichtlinien. 52

Neben der Diskriminierung sieht der Vertrag auch vor, dass jedwede unterschiedslos anwendbare Maßnahme 53 , die geeignet ist, die Ausübung einer der Grundfreiheiten – auch wenn nur indirekt oder potenziell – zu verbieten, zu verhindern oder weniger attraktiv zu machen, eine Beschränkung darstellt.

Eine solche Beschränkung ist, auch wenn sie von begrenzter Tragweite oder geringfügiger Bedeutung ist 54 oder vom Herkunftsmitgliedstaat des Anlegers ergriffen wird 55 , untersagt, es sei denn, sie ist hinreichend begründet und steht im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts und den Grundrechten 56 . Diese Untersagung betrifft insbesondere nationale Gesetze, andere allgemein anwendbare Maßnahmen sowie individuelle Verwaltungsentscheidungen.

Beispiel 3 – Auch eine Meldepflicht für Anleger kann eine unzulässige Beschränkung darstellen

Rechtssache C-577/10 – Kommission/Belgien („Limosa“)

Nach belgischem Recht müssen Dienstleister aus dem Ausland den zuständigen nationalen Behörden eine vorhergehende Meldung über ihre Tätigkeit in Belgien übermitteln. Die Kommission hat diese Rechtsvorschriften in Bezug auf ihre Anwendung auf selbstständige Dienstleistungserbringer angefochten.

Der Gerichtshof stellte fest, dass die Klage begründet war. Er befand zunächst, dass die fragliche Maßnahme eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt. Der Gerichtshof erkannte zwar an, dass der von Belgien geltend gemachte Schutz der Arbeitnehmer ein legitimes öffentliches Interesse sei. Er entschied jedoch, dass Belgien nicht hinreichend überzeugend gerechtfertigt hat, inwiefern die Übermittlung dieser sehr detaillierten Informationen erforderlich ist, um die von ihm geltend gemachten Ziele von allgemeinem Interesse zu erreichen, und die Pflicht zur vorherigen Mitteilung derartiger Informationen nicht die Grenzen dessen überschreitet, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, obgleich ihm dies oblag. Der Gerichtshof erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass ein genereller Verdacht des Missbrauchs durch ausländische Wirtschaftsteilnehmer mit dem Vertrag unvereinbar ist. 

2.Nationale Beschränkungen müssen gerechtfertigt sein

Die Marktfreiheiten und die Grundrechte sind keine absoluten Rechte: Die Behörden müssen sie mit anderen politischen Zielen in Einklang bringen.

   a) Bestimmte Beschränkungen sind nie gerechtfertigt

Bestimmte Arten von Beschränkungen sind per se nicht mit dem Vertrag vereinbar, z. B. Bedingungen der Gegenseitigkeit gegenüber anderen Mitgliedstaaten 57 oder der generelle Betrugsverdacht gegenüber Ausländern 58 . 

Darüber hinaus hat der EU-Gesetzgeber einige schwerwiegende Arten von Beschränkungen vollständig untersagt (so ist beispielsweise nach der in Artikel 14 der Dienstleistungsrichtlinie festgelegten „schwarzen Liste“ die Pflicht, eine Hauptniederlassung haben zu müssen, untersagt). 59  

Bei nicht vollständig harmonisierten Sachverhalten verringern die EU-Vorschriften darüber hinaus den Ermessensspielraum der EU oder der nationalen Behörden, indem beispielsweise Kriterien für die aufsichtliche Beurteilung qualifizierter Beteiligungen an Finanzinstituten festgelegt werden. 60  

   b)    Bestimmte Beschränkungen lassen sich durch berechtigte öffentliche Ziele rechtfertigen

Das EU-Recht erlaubt Beschränkungen der Grundfreiheiten, sofern sie durch ausdrücklich im Vertrag aufgeführte Ziele gerechtfertigt sind. So sind nach Artikel 52 des Vertrags Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gestattet.

Beschränkungen, die keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellen‚ können auch durch vom Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Rechtsprechung anerkannte zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dazu gehören:

·Umweltschutz 61 ,

·Kohärenz des Steuersystems 62 ,

·Bekämpfung von Steuerhinterziehung 63 ,

·Erhaltung der Bevölkerung in ländlichen Gebieten und Bekämpfung übermäßiger Landspekulation 64 ,

·Flächennutzungsplanung (z. B. Beschränkungen bei Zweitwohnungen) 65

·Verbraucherschutz 66 ,

·Schutz der Arbeitnehmer 67 und

·Schutz von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern 68 .

Die Liste der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses hat sich mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die die sich wandelnden Interessen unserer Gesellschaften anerkennt, im Laufe der Zeit verändert. Das EU-Recht erlaubt jedoch keine nationalen Maßnahmen, die die Grundfreiheiten aus administrativen oder rein wirtschaftlichen Gründen beschränken. 69 Darüber hinaus sind die im Vertrag und in der Rechtsprechung zugelassenen berechtigten öffentlichen Interessen eng auszulegen. 70

3.Alle Beschränkungen müssen mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts (Verhältnismäßigkeit, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz) vereinbar sein

Jede von einem Mitgliedstaat im Anwendungsbereich des Unionsrechts getroffene nationale Maßnahme, die Rechte von EU-Investoren beeinträchtigt, muss mit den einschlägigen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar sein, die mitunter in EU-Rechtsakten näher konkretisiert sind. 71

Erstens müssen nationale Beschränkungen verhältnismäßig sein; dies ist der Fall, wenn die beschränkenden Bestimmungen zur Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sind und unter anderem kohärent und systematisch dem berechtigten öffentlichen Interesse dienen. 72 Sie dürfen auch nicht über das hinausgehen, was zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels erforderlich ist. 73 Eine beschränkende Maßnahme ist nicht verhältnismäßig, wenn das betreffende öffentliche Interesse auch mit einer anderen, den freien Verkehr weniger beschränkenden Maßnahme verfolgt werden könnte. 74

In der Praxis spielt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine zentrale Rolle. Nationale Maßnahmen, die Grundfreiheiten beschränken, werden vom Gerichtshof eingehend auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft. Dabei sind alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen. Es ist an den nationalen Behörden nachzuweisen, dass ihre Rechtsvorschriften mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. In diesem Zusammenhang müssen die Gründe, die ein Mitgliedstaat zur Rechtfertigung der beschränkenden Maßnahme geltend macht, mit geeigneten Nachweisen oder einer Analyse ihrer Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit belegt werden. 75

Beispiel 4 – Indirekte Enteignung als unverhältnismäßige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

Verbundene Rechtssachen C‑52/16 und C-113/16 – SEGRO und Horváth

Ein ungarisches Unternehmen (dessen Eigentümer in Deutschland wohnende natürliche Personen sind) und ein österreichischer Staatsbürger erwarben vor dem 30. April 2014 Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen in Ungarn, die in das Grundbuch eingetragen wurden. Aufgrund von Änderungen an dem einschlägigen ungarischen Gesetz im Jahr 2013 erloschen alle Nießbrauchsrechte an Ackerland, sofern nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie zwischen Mitgliedern derselben Familie bestellt worden waren. Die Rechte der betroffenen EU-Ausländer wurden daraufhin im Grundbuch gelöscht.

Der Gerichtshof entschied, dass die oben genannten Gesetzesänderungen von 2013 den freien Kapitalverkehr beschränkten, da sie den Klägern die Nutzung der Güter, in die sie Kapital investiert hatten, vorenthielten und diskriminierend waren, da sie sich de facto gegen Ausländer richteten. Die Maßnahmen waren nicht geeignet, legitime Gemeinwohlziele zu erreichen (z. B. die Erhaltung lebensfähiger landwirtschaftlicher Gemeinschaften), gingen über das erforderliche Maß hinaus und hätten durch mildere Mittel ersetzt werden können.

Zweitens ist die Rechtssicherheit ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der auch für Anleger von Belang ist. Der Grundsatz gebietet, dass Vorschriften des Unions- oder des nationalen Rechts vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Privatpersonen und Unternehmen haben können, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen. 76 Dieses Gebot gilt in besonderem Maße, wenn die Regelung negative Folgen für Privatpersonen und Unternehmen haben kann 77 oder wenn sie sich finanziell belastend auf die betroffenen Personen auswirken kann 78 . Wenn Behörden im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden, müssen sie ihr Ermessen auf der Grundlage objektiver, diskriminierungsfreier, hinreichend genauer und klarer Kriterien ausüben, die im Voraus bekannt sind 79 .

Darüber hinaus umfasst die Rechtssicherheit auch den Vertrauensschutz. 80 Allerdings können EU-Investoren die Änderung bestehender oder den Erlass neuer Rechtsvorschriften, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, nur unter bestimmten Umständen auf der Grundlage des Vertrauensschutzes anfechten.

Um sich auf den Vertrauensschutz berufen zu können, muss der Wirtschaftsbeteiligte gutgläubig 81 , umsichtig und besonnen handeln 82 . Dies bedeutet, dass sich ein Investor nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann, wenn er wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass der Ursprung seines Anspruchs, die seinem Anspruch zugrunde gelegte Regelung, das Verhalten der diese Regelung anwendenden Behörde oder das von dieser Behörde angewendete Verfahren gegen das Unionsrecht verstieß. 83

Wirtschaftsbeteiligte können nicht erwarten, dass eine bestehende rechtliche Regelung immer beibehalten wird. 84 Andererseits müssen die EU oder ein Mitgliedstaat, wenn sie eine neue Maßnahme treffen und damit Anlegerinteressen beeinträchtigen, die neuen Rechtsvorschriften gegebenenfalls anpassen, um die besondere Situation der betroffenen Anleger zu berücksichtigen‚ es sei denn, sie sind durch ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer solchen Anpassung gehindert. 85

Beispiel 5 – Vertrauensschutz

Rechtssache C-201/08 – Plantanol GmbH & Co

Im deutschen Steuerrecht war für bestimmte Biokraftstoffgemische bis Ende 2009 eine Steuerbefreiung vorgesehen. Diese Steuerbefreiung wurde am 18. Dezember 2006 mit Wirkung zum 1. Januar 2007, d. h. zwei volle Jahre vor dem ursprünglich vorgesehenen Enddatum, abgeschafft.

Der Gerichtshof erinnerte an den Inhalt der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Er hob jedoch auch hervor, dass ein umsichtiger und besonnener Anleger, der in der Lage ist, den Erlass einer Maßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, sich im Falle ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen kann. Abschließend stellte der Gerichtshof fest, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, im Rahmen der Würdigung des Sachverhalts zu klären, ob dies der Fall ist, bestätigte aber, dass die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht verwehren, eine Steuerbefreiungsregelung vor dem ursprünglich vorgesehenen Enddatum aufzuheben.

Grundsätzlich dürfte es für EU-Investoren nur gelegentlich notwendig sein, sich auf den Vertrauensschutz zu berufen, da sie sich in der Regel auf die Anwendung der im Vertrag verankerten Grundfreiheiten (einschließlich Verhältnismäßigkeit und Diskriminierungsverbot) und des Sekundärrechts der Union verlassen können. Denn EU-Vorschriften entfalten ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens rechtliche Wirkungen. 86 Sie sind auch sofort anwendbar und für einen neuen Mitgliedstaat vom Zeitpunkt seines Beitritts an verbindlich, sodass sie für zukünftige Auswirkungen vor dem Beitritt dieses neuen Mitgliedstaats zur EU entstandener Sachverhalte gelten. 87

4.Alle nationalen Beschränkungen müssen mit den Grundrechten vereinbar sein

Grenzüberschreitend tätige Anleger können sich im Anwendungsbereich des Unionsrechts auch auf die Grundrechte berufen, etwa die unternehmerische Freiheit, das Eigentumsrecht und das Recht auf wirksamen Rechtsschutz, wenn sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden. 88 Wenn ein Mitgliedstaat (einschließlich des nationalen Gesetzgebers) eine Maßnahme als Ausnahme von einer der unionsrechtlich garantierten Grundfreiheiten erlässt, fällt diese Maßnahme in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Der durch das Unionsrecht gewährte Schutz, einschließlich der in der Charta verankerten Grundrechte, gilt daher ohne Einschränkung. 89

Die unternehmerische Freiheit kann wirksam gegen eine erhebliche Beschränkung der Vertragsfreiheit des Anlegers geltend gemacht werden. 90 Das Eigentumsrecht (d. h. das Recht, rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen und darüber zu verfügen) ist für jede Investitionsschutzregelung von wesentlicher Bedeutung. Das Grundrecht auf Eigentum erstreckt sich nach europäischem Recht auf „Eigentum“ im weitesten Sinne 91 und schließt auch die Achtung dieses Rechts ein. Daraus ergibt sich unmittelbar ein Anspruch auf Entschädigung für die Entziehung von Eigentum im öffentlichen Interesse. 92 Besonders wichtig ist der auf dieser Grundlage gewährte Schutz im Falle von Enteignung oder Maßnahmen gleicher Wirkung.

Diese Rechte können jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen; ihre Ausübung kann Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese durch unionsrechtlich anerkannte, dem Gemeinwohl dienende Ziele gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Die Bedeutung der mit den beschränkenden Maßnahmen verfolgten Ziele kann selbst erhebliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsbeteiligte rechtfertigen. Die Beschränkungen dürfen jedoch nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet. 93

5.Investoren können sich gegenüber nationalen Maßnahmen auf die EU-Wettbewerbsvorschriften berufen

Im EU-Binnenmarkt müssen ein unverfälschter Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen gewährleistet sein. Daher darf ein Mitgliedstaat nur dann staatliche Beihilfen gewähren, wenn diese mit dem Binnenmarkt vereinbar sind. 94 Zudem darf ein Mitgliedstaat nicht gegen Artikel 101 oder 102 AEUV verstoßende Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vorschreiben oder erleichtern oder deren Auswirkungen verstärken oder seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nehmen, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsbeteiligten überträgt. 95 Es verstößt ebenfalls gegen Artikel 102 und Artikel 106 Absatz 1 AEUV, wenn durch eine einem Mitgliedstaat zurechenbare Maßnahme und insbesondere durch diejenige, mit der er besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne des Artikels 106 Absatz 1 AEUV gewährt, die Gefahr des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung geschaffen wird. 96

IV.Durchsetzung von Anlegerrechten nach Unionsrecht

Während im internationalen Investitionsrecht (z. B. in bilateralen Investitionsschutzabkommen) die Entschädigung der Anleger nach einer Rechtsverletzung im Mittelpunkt steht, ermöglicht das Unionsrecht den Schutz grenzüberschreitend tätiger Anleger in der EU auf vielfältige Weise und auf verschiedenen Ebenen. Grenzüberschreitend tätige Anleger sind in der EU durch eine Reihe von Mechanismen geschützt, die dazu dienen, Verletzungen ihrer Rechte durch den Gesetzgeber, die Verwaltung oder die Justiz zu verhindern oder zu beseitigen. Eine von mehreren Möglichkeiten ist die gerichtliche Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte. Wenn die gerichtliche Vollstreckung als der am besten geeignete Weg erscheint oder alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann ein vollwertiges und vollständiges System gerichtlichen Rechtsschutzes nach Unionsrecht in Anspruch genommen werden.

1.Mechanismen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen und außergerichtliche Lösungen

Vorherige Prüfung nationaler Maßnahmen, die Rechte Einzelner nach Unionsrecht beeinträchtigen könnten

Für Anleger, für die es besonders wichtig ist, ihre wirtschaftlichen Entscheidungen in einem berechenbaren und stabilen rechtlichen Rahmen planen und ausführen zu können, hat die Verhinderung der Verletzung von Rechten Einzelner nach Unionsrecht einen besonders hohen Stellenwert.

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen im Binnenmarkt zu gewährleisten, ist in Artikel 108 AEUV ein System der vorherigen Anmeldung festgelegt, das es der Europäischen Kommission ermöglichen soll, die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen (einschließlich nationaler Rechtsvorschriften) mit dem Binnenmarkt sicherzustellen, bevor sie in Kraft treten.

Mit Blick auf die EU-Vorschriften über den freien Verkehr hat der Gesetzgeber die Mitgliedstaaten verpflichtet, bestimmte Gesetzgebungs- oder Verwaltungsmaßnahmen vor ihrem Erlass zu notifizieren und der Europäischen Kommission und unter bestimmten Voraussetzungen auch den anderen Mitgliedstaaten zur Prüfung vorzulegen. Während die Kommission in einigen Fällen lediglich befugt ist, eine Empfehlung an den betreffenden Mitgliedstaat zu richten 97 , ist sie in anderen Fällen vom Gesetzgeber ermächtigt worden, Beschlüsse nach Artikel 288 AEUV zu erlassen, die für den betreffenden Mitgliedstaat verbindlich sind 98 . Diese Beschlussfassungsbefugnis der Kommission unterscheidet sich von der Befugnis des Gerichtshofs zur Entscheidung über Vertragsverletzungen der Mitgliedstaaten und besteht unabhängig von ihr. 99 So verleiht die Dienstleistungsrichtlinie 100 der Kommission die Befugnis, über Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit bestimmter neuer nationaler Hindernisse zu entscheiden, die der Unionsgesetzgeber als besonders schädlich für die Verwirklichung des Binnenmarkts für bestimmte Dienstleistungen ansieht. Um das Notifizierungsverfahren in der Praxis wirksam zu machen, hat die Kommission unlängst eine „Notifizierungsrichtlinie“ vorgeschlagen. 101

Beispiel 6 – Maßnahme zur Verlagerung bestimmter Flüge vom Flughafen Linate zum Flughafen Malpensa

Rechtssache C-361/98 – Italien/Kommission („Malpensa“)

Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 sollte der Dienstleistungsfreiheit im Luftverkehr zur Geltung verholfen werden. Italien erließ im Juli 1996 bzw. im Oktober 1997 zwei Dekrete, nach denen der gesamte Luftverkehr vom nahe des Mailänder Stadtzentrums gelegenen Flughafen Linate zu anderen, weiter entfernten Flughäfen zu verlagern war; eine Ausnahme betraf in der Praxis nur die Strecke Mailand-Rom.

Nach Beschwerden internationaler Luftfahrtunternehmen entschied die Kommission am 16. September 1998, die in Rede stehende italienische Maßnahme zu untersagen. Diese Entscheidung wurde nach Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 erlassen, nach dem die Kommission ermächtigt war, Entscheidungen über nationale Maßnahmen zur Regelung der Aufteilung des Verkehrs zum Nachteil der Anbieter von Luftverkehrsdiensten zu treffen. Die Kommission vertrat in ihrer Entscheidung die Auffassung, dass die in Rede stehende italienische Maßnahme indirekt diskriminierend und unverhältnismäßig war. Italien focht diese Entscheidung vor dem Gerichtshof an und machte eine Reihe von Klagegründen geltend, die sowohl die Befugnis der Kommission als auch die vorgenommene Würdigung betrafen.

Der Gerichtshof wies die Klage Italiens ab. Wie er in seinem Urteil feststellte, hatte die Kommission zu Recht geprüft, ob die streitigen Dekrete allgemein geltende Beschränkungen auferlegten und ob diese geeignet waren, das von ihnen verfolgte Ziel zu verwirklichen, ohne über das für seine Erreichung Erforderliche hinauszugehen. Er prüfte die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommene Würdigung der Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit und kam zu dem Ergebnis, dass keiner der von Italien geltend gemachten Klagegründe begründet war.

Anwendung der Vorschriften durch die Verwaltung im Einklang mit dem Unionsrecht

Die nationalen Verwaltungen sind in der Regel der erste und wichtigste Ansprechpartner für Anleger, wenn diese in einem Mitgliedstaat eine Investition vornehmen wollen oder dort ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Die nationalen Verwaltungsbehörden müssen das Unionsrecht wirksam anwenden, das nationale Recht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen, gegen das Unionsrecht verstoßende nationale Vorschriften unberücksichtigt lassen und die Folgen von Verstößen gegen das Unionsrecht beseitigen (z. B. zu Unrecht erhobene Abgaben erstatten). Diese Grundsätze, die sich aus der Pflicht der Mitgliedstaaten zur loyalen Zusammenarbeit nach Artikel 4 Absatz 3 EUV und dem Vorrang des Unionsrechts 102 ergeben, ermöglichen die ordnungsgemäße und wirksame Ausübung der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte, ohne dass der Rechtsweg beschritten werden muss. Sie müssen auch dann beachtet werden, wenn die nationalen Verfahrensvorschriften dies nicht ausdrücklich vorsehen. 103

Beispiel 7 – Nichtanwendung nationaler Vorschriften durch Verwaltungsstellen

Rechtssache C-476/10 – Pepic

Zwei Staatsangehörigen Liechtensteins wurde eine nach österreichischem Recht vorgeschriebene Genehmigung für den Erwerb eines Zweitwohnsitzes durch Ausländer versagt.

Der Gerichtshof hatte in dieser Rechtssache die Bestimmungen des Artikels 40 des EWR-Abkommens zum freien Kapitalverkehr auszulegen, die nach seiner Auffassung dieselbe rechtliche Tragweite wie die Bestimmungen des Artikels 63 AEUV haben. Der Gerichtshof befand zunächst, dass die Genehmigungspflicht eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellte. Anschließend legte der Gerichtshof dar, dass alle nationalen Träger der Verwaltung den Vorrang des Unionsrechts beachten müssen und eine solche diskriminierende nationale Regelung daher unbeachtet zu lassen haben.

Jeder hat das Recht, gehört zu werden, wenn die Behörden der Mitgliedstaaten eine ihn möglicherweise beschwerende Einzelmaßnahme treffen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. 104 Die Verwaltung muss die Vorschriften unter Berücksichtigung aller relevanten Informationen und ohne Diskriminierung unparteiisch anwenden 105 und ihre Entscheidungen ordnungsgemäß begründen 106 . Wenn ein Mitgliedstaat Abgaben unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts erhoben hat, ist er grundsätzlich verpflichtet, die betreffenden Beträge zuzüglich Zinsen zu erstatten 107 .

Die Kommission und die Mitgliedstaaten haben die Notwendigkeit erkannt, grenzüberschreitende Probleme mit der Anwendung des Unionsrechts schnell außergerichtlich zu lösen, und im Jahr 2002 SOLVIT eingerichtet. SOLVIT soll Bürgern und Unternehmen in der EU und im gesamten EWR pragmatische Lösungen bieten, wenn sie Schwierigkeiten haben, ihre EU-Rechte Behörden gegenüber geltend zu machen. In ihrer Mitteilung Aktionsplan zur Stärkung von SOLVIT: Die Vorteile des Binnenmarkts für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen erschließen 108 hat die Kommission zugesagt, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten weitere Schritte zur Stärkung der strategischen Rolle von SOLVIT zu unternehmen, damit die praktische Funktionsweise des Binnenmarkts im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen verbessert wird.

2.Wirksamer gerichtlicher Schutz für Anlegerrechte nach Unionsrecht

Ein vollständiges System gerichtlichen Rechtsschutzes auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten

Nach Artikel 19 Absatz 1 EUV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen 109 gewährleistet ist. Nach dem unmittelbar anwendbaren 110 Artikel 47 der Charta hat jede Person das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht. Für die nationalen Justizsysteme in der Union gelten Unabhängigkeits-, Qualitäts- und Effizienznormen, die in der umfassenden Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) erläutert werden. 111

Vielfältige Rechtsschutzmöglichkeiten bei den nationalen Gerichten

Bei den nationalen Gerichten bestehen zahlreiche Rechtsschutzmöglichkeiten, insbesondere:

ovorläufige Maßnahmen (einstweilige Anordnung) 112

oVerpflichtung zur Auslegung des nationalen Rechts in einer mit dem Unionsrecht vereinbaren Weise 113

oVerpflichtung des Richters, Vorschriften (auch des Verfassungsrechts), die im Widerspruch zum Unionsrecht stehen, von Amts wegen unberücksichtigt zu lassen 114

oBeseitigung der Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht 115

oZuerkennung von Schadensersatz für Verstöße gegen das Unionsrecht (auch für Fehler der Gerichte) 116

Diese Rechtsschutzmöglichkeiten haben eine unmittelbare Rechtsgrundlage im Unionsrecht. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, müssen die nationalen Gerichte den Rechtsschutz daher unabhängig davon gewähren, ob er im nationalen Recht vorgesehen ist oder nicht. Gleichzeitig können nationale Urteile mit allen Mitteln des nationalen Rechts vollstreckt werden.

Beispiel 8 – Gerichtlicher Rechtsschutz auf unionsrechtlicher Grundlage trotz nationalen Verfassungsrechts

Rechtssache C-213/89 – Factortame und verbundene Rechtssachen C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame

Nachdem die britischen Behörden neue, diskriminierende Vorschriften erlassen hatten, wurden mehreren Unternehmen, die Eigner oder Betreiber von Fischereifahrzeugen waren, die Fangrechte entzogen. Die Unternehmen beantragten eine gerichtliche Überprüfung und den Erlass einstweiliger Anordnungen. Das House of Lords erkannte an, dass den Rechtsmittelführern ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde, wenn die beantragten einstweiligen Anordnungen nicht ergingen, ihren Klagen in der Hauptsache aber stattgegeben würde. Die englischen Gerichte seien jedoch nach nationalem Recht nicht befugt, in einem solchen Fall einstweilige Anordnungen zu erlassen. Dem stehe insbesondere der alte Grundsatz des Common Law, wonach gegen die Krone, d. h. gegen die Regierung, keine einstweilige Anordnung ergehen könne, zusammen mit der Vermutung entgegen, dass nationale Gesetze mit dem Unionsrecht im Einklang stünden, solange nicht über ihre Vereinbarkeit mit diesem Recht entschieden sei. Das House of Lords legte die Frage dem Gerichtshof vor. Dieser antwortete, dass ein nationales Gericht, das in einem bei ihm anhängigen, das Unionsrecht betreffenden Rechtsstreit zu der Auffassung gelangt, dem Erlass einstweiliger Anordnungen stehe nur eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegen, diese Vorschrift nicht anwenden darf.

Auf die Frage eines anderen britischen Gerichts, die dieselben Anleger betraf, stellte der Gerichtshof fest, dass der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem Einzelnen durch diesen Staaten zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, auch dann anwendbar ist, wenn der zur Last gelegte Verstoß dem nationalen Gesetzgeber zuzuschreiben ist. Zudem darf die Wiedergutmachung eines Verlustes oder einer Beschädigung nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Organ des Staates, der für den Verstoß verantwortlich ist, vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, was über die Verletzung eines hinreichend schwerwiegenden Verstoßes gegen das Unionsrecht hinausgeht.

Die Mitgliedstaaten sind unionsrechtlich verpflichtet, wirksame Verfahren einzuführen, nach denen Bürger und Unternehmen, auch Anleger, Schadensersatz für die Verletzung der ihnen aus Unionsrecht erwachsenden Rechte durch die Mitgliedstaaten fordern können. Die Kommission räumt ein, dass es für grenzüberschreitend tätige Anleger wegen der Vielfalt der nationalen Verfahrensvorschriften schwierig sein könnte, die Haftung des Staates geltend zu machen. Jedoch hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung nicht nur den Grundsatz der Staatshaftung festgelegt, sondern auch eine Reihe von Mindestanforderungen an die außervertragliche Haftung des Staates für Verstöße gegen das Unionsrecht. 117

Anforderungen und Unterstützung der EU in Bezug auf Unabhängigkeit, Qualität und Effizienz der nationalen Gerichte

Die Unabhängigkeit der nationalen Gerichte ist ein gemeinsamer Grundsatz der Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und des Unionsrechts 118 und wird als für einen wirksamen Rechtsschutz unerlässlich anerkannt 119 . Die Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit setzen voraus, dass es Regeln für die Zusammensetzung des Gerichts sowie für die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung seiner Mitglieder gibt. Damit soll bei den Rechtsunterworfenen jeder berechtigte Zweifel an der Unempfänglichkeit des Gerichts für Einflussnahmen von außen und an seiner Neutralität in Bezug auf die einander gegenüberstehenden Interessen ausgeräumt werden. 120

Wie die Kommission in ihrer Mitteilung EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung 121 angekündigt hat, unterstützt sie die Mitgliedstaaten und hilft ihnen dabei, ihre Kapazitäten zur Durchsetzung des EU-Rechts und zur Bereitstellung von Rechtsbehelfsverfahren auszubauen, damit Bürger und Unternehmen, denen das EU-Recht letztendlich nutzen soll, ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können.

Die Kommission unterstützt die Modernisierung der Durchsetzungsbehörden im Rahmen des Europäischen Semesters sowie erforderlichenfalls durch spezifische Rechtsvorschriften. Die Kommission hat mit den Mitgliedstaaten zusammengearbeitet, um die Leistungsfähigkeit der Justizsysteme, einschließlich ihrer Unabhängigkeit, Qualität und Effizienz, weiter zu verbessern. Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Justizsysteme stellt eine Priorität des Europäischen Semesters dar, und der Rat verabschiedet regelmäßig auf Vorschlägen der Kommission basierende länderspezifische Empfehlungen zur Verbesserung der nationalen Justizsysteme.

Bestimmte Justizreformen unterstützt die EU auch finanziell über die europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Zwischen 2007 und 2023 werden 16 Mitgliedstaaten insgesamt mehr als 900 Mio. EUR für die Erhöhung der Qualität und Effizienz ihrer Justizsysteme aufgewendet haben. 122 Die EU-Fonds haben beispielsweise die Einführung neuer Fallbearbeitungssysteme und benutzerfreundlicher elektronischer Gerichtsdienste gefördert.

Die nationalen Verfahren müssen eine wirksame Durchsetzung der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten

Abgesehen von der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 123 , die den Zugang zur Justiz erleichtern soll, insbesondere durch Festlegung von Vorschriften über die Zuständigkeit der Unionsgerichte in grenzüberschreitenden Fällen sowie über eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 124 , überlässt das Unionrecht den Erlass von Verfahrensvorschriften in der Regel dem nationalen Recht 125 . Es gibt jedoch Ausnahmen, beispielsweise die Rechtsmittelrichtlinien, mit denen die Verfahrensaspekte der Durchsetzung und der Nachprüfung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens harmonisiert werden 126 .

Auch soweit das Unionsrecht die Verfahren nicht harmonisiert, enthält es in jedem Fall diesbezügliche Mindestanforderungen. So dürfen Verfahren für die Durchsetzung von EU-Rechten nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip). 127 Die Verfahren dürfen nicht übermäßig teuer sein. Zudem muss Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, Prozesskostenhilfe bewilligt werden, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten; dies gilt auch für juristische Personen, wenn dies gerechtfertigt ist 128 . Darüber hinaus hat der Einzelne Anspruch darauf, dass innerhalb einer angemessenen Frist über seine Sache entschieden und die Entscheidung vollstreckt wird. 129

Beispiel 9 – Nichtanwendung nationaler Verjährungsvorschriften bei irreführendem Verhalten nationaler Behörden

Rechtssache C-327/00 – Santex

Ein italienisches Unternehmen konnte nicht an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen, weil es die in einer Klausel der Auftragsbekanntmachung genannte Voraussetzung nicht erfüllte. Nach Veröffentlichung der Bekanntmachung hatte der öffentliche Auftraggeber den Kläger darauf hingewiesen, dass er die Klausel wegen Bedenken gegen deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht so auslegen werde, dass das Unternehmen teilnehmen könne. Später nahm er jedoch den entgegengesetzten Standpunkt ein und beschloss, es vom Ausschreibungsverfahren auszuschließen. Als das Unternehmen Klage erhob, war die nationale Frist für die Anfechtung der Auftragsbekanntmachung bereits abgelaufen.

Der Gerichtshof stellte fest, dass die in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegte Frist insgesamt angemessen war und den Ausschreibungsteilnehmern somit grundsätzlich Rechtssicherheit bot. Nach Auffassung des Gerichtshofs müssen jedoch bei der Feststellung, ob die Wirksamkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen gefährdet ist, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. In diesem Fall stellte der Gerichtshof fest, dass der öffentliche Auftraggeber durch sein Verhalten eine Ungewissheit geschaffen hatte, die erst zum Zeitpunkt der Ausschlussentscheidung beseitigt wurde. Die Behörde hat somit dem geschädigten Bieter die Ausübung der ihm durch das Unionsrecht verliehenen Rechte übermäßig erschwert. Der Gerichtshof gelangte daher zu dem Ergebnis, dass das nationale Gericht unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles verpflichtet war, die nationalen Verjährungsvorschriften im Einklang mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip auszulegen, um es dem Kläger zu ermöglichen, die Unvereinbarkeit der Ausschreibungsklausel mit dem anwendbaren Unionsrecht geltend zu machen, oder, falls eine solche Auslegung nicht möglich sein sollte, die nationalen Verjährungsvorschriften unangewendet zu lassen.

Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union

Die nationalen Gerichte handeln auch als „Unionsgerichte“ und sind verpflichtet, nationale Bestimmungen, die gegen unmittelbar wirksame Bestimmungen des Unionsrechts verstoßen, von Amts wegen unangewendet zu lassen. Wenn die Durchsetzung von EU-Rechten von der Klärung einer Frage der Auslegung des Unionsrechts bei einem nationalen Gericht abhängt, kann dieses Gericht den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersuchen. Stellt sich eine derartige Frage bei einem Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des nationalen Rechts angefochten werden können, so muss dieses Gericht den Gerichtshof anrufen. 130 Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen können auch die Gültigkeit von EU-Vorschriften betreffen. Wenn solche Fragen entscheidungsrelevant sind, muss das nationale Gericht sie dem Gerichtshof vorlegen, der die ausschließliche Zuständigkeit für die Prüfung der Gültigkeit von EU-Rechtsakten besitzt 131 . Um als „Gericht eines Mitgliedstaats“ im Sinne des Artikels 267 AEUV zu gelten und somit den Gerichtshof anrufen zu können, muss ein Organ eine Reihe von Kriterien erfüllen. 132 Private Schiedsrichter und die mit EU-internen Investitionsschutzabkommen eingesetzten Schiedsgerichte erfüllen diese Kriterien nicht und können daher nicht als „Gerichte“ im Sinne des Artikels 267 AEUV angesehen werden 133

Die Auslegung, die der Gerichtshof in einer Vorabentscheidung trifft, bindet das nationale Gericht bei seiner Entscheidung im Ausgangsverfahren. 134 Alle nationalen Behörden sind verpflichtet, Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, um der Vorabentscheidung so schnell wie möglich nachzukommen. 135 Der nationale Richter muss nicht die vorherige Beseitigung von gegen das Unionsrecht verstoßenden Vorschriften auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten. 136

Nach Artikel 19 EUV ist der Gerichtshof befugt, die Wahrung des Unionsrechts zu sichern, und spielt damit eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung der Wirksamkeit und Einheitlichkeit der EU-Vorschriften, die grenzüberschreitend tätigen Anlegern Rechte verleihen.

3.Die Kommission als Hüterin der Verträge

Nach Artikel 17 Absatz 1 EUV ist die Kommission für die wirksame Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung des Unionsrechts verantwortlich. In dieser Rolle kann die Kommission nationale Maßnahmen überprüfen und gegebenenfalls handeln, um die Einhaltung der EU-Garantien zum Schutz der Anleger sicherzustellen. Der Hauptzweck des Vertragsverletzungsverfahrens besteht darin, im allgemeinen Interesse dafür zu sorgen, dass Handlungen oder Unterlassungen der Mitgliedstaaten mit dem Unionsrecht in Einklang gebracht werden (z. B. durch Änderung des nationalen Rechts). Klagen einzelner Anleger, die die Nichtigerklärung nationaler Maßnahmen erwirken oder einen finanziellen Ausgleich für den durch diese Maßnahmen verursachten Schaden geltend machen wollen, fallen in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte.

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um einem Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird, nachzukommen. Andernfalls ist die Kommission befugt, beim Gerichtshof die Verhängung finanzieller Sanktionen gegen den betreffenden Mitgliedstaat zu beantragen. 137

Die Kommission ist entschlossen, gegen Verstöße vorzugehen, die der Verwirklichung wichtiger politischer Ziele der EU entgegenstehen oder die vier Grundfreiheiten zu beeinträchtigen drohen 138 , die für Anleger unerlässlich sind. Die Kommission räumt denjenigen Verstößen oberste Priorität ein, durch die systemische Schwächen zutage treten, insbesondere Verstößen, die Auswirkungen auf die Fähigkeit der nationalen Justizsysteme haben, zur wirksamen Durchsetzung des Unionsrechts beizutragen. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren vor Anrufung des Gerichtshofs beendet wird, weil der Mitgliedstaat die betreffenden Rechtsvorschriften ändert oder aufhebt oder positive Maßnahmen trifft, um den Verstoß abzustellen.

V.Fazit

Die Ermöglichung, die Förderung und der Schutz von Investitionen gehören zu den wichtigsten Prioritäten der EU im Binnenmarkt. Das Unionsrecht in der Auslegung des Gerichtshofs sorgt für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Investitionsschutz und anderen im berechtigten öffentlichen Interesse liegenden Zielen, die dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger dienen. Dieser Ausgleich zwischen verschiedenen öffentlichen Interessen hat auch zu erfolgen, wenn die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene im Anwendungsbereich des Unionsrechts handeln.

Das Unionsrecht löst zwar nicht alle Probleme, mit denen Anleger bei ihrer Tätigkeit konfrontiert sein können. Im Binnenmarkt sind EU-Investoren aber durch das Unionsrecht geschützt, das die Ausübung und den Ausbau wirtschaftlicher Tätigkeiten in allen Mitgliedstaaten ermöglicht. Anleger können ihre Rechte mithilfe der nationalen Verwaltungen und Gerichte nach den nationalen Verfahrensvorschriften durchsetzen, die den wirksamen Schutz dieser Rechte gewährleisten müssen.

EU-Investoren können sich dabei nicht auf EU-interne Investitionsschutzabkommen berufen, die mit dem Unionsrecht unvereinbar und im Binnenmarkt nicht länger notwendig sind. Sie dürfen weder die in EU-internen Investitionsschutzabkommen vorgesehenen Schiedsgerichte in Anspruch nehmen noch bei Streitigkeiten innerhalb der EU die nach dem Vertrag über die Energiecharta eingesetzten Schiedsgerichte anrufen. Das Rechtssystem der EU bietet grenzübergreifend tätigen Anlegern im Binnenmarkt jedoch einen angemessenen wirksamen Schutz und stellt gleichzeitig sicher, dass andere berechtigte Interessen in gebührender und rechtmäßiger Weise berücksichtigt werden. Wenn Anleger eine der Grundfreiheiten wie die Niederlassungsfreiheit oder den freien Kapitalverkehr ausüben, handeln sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts und genießen daher dessen Schutz.

Die Mitgliedstaaten haben die Aufgabe und die Befugnis, das Unionsrecht im Allgemeinen und die Rechte der EU-Investoren im Besonderen durchzusetzen. Die Kommission ist bestrebt, unter anderem durch Maßnahmen zur Unterstützung des Aufbaus von Verwaltungskapazitäten oder zur Stärkung der Justiz die Wirksamkeit des Durchsetzungssystems in der EU zu verbessern und gegen Verletzungen des Unionsrechts durch nationale Behörden vorzugehen.

(1)

https://ec.europa.eu/commission/priorities/jobs-growth-and-investment/investment-plan-europe-juncker-plan_de

(2)

COM(2015) 468 final.

(3)

COM(2017) 292 final.

(4)

Siehe Artikel 267 AEUV.

(5)

Unterzeichnet wurde der Vertrag über die Energiecharta von der EU, ihren Mitgliedstaaten und einer Reihe von Drittländern.

(6)

Achmea, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 56 und 58.

(7)

In dieser Mitteilung werden einige Beispiele aus sektorspezifischen Rechtsvorschriften genannt. Eine detaillierte Analyse dieser Rechtsvorschriften würde jedoch weit über den Zweck der Mitteilung hinausgehen.

(8)

Der Vertrag schützt auch den Kapitalverkehr mit Drittländern. Nach Artikel 64 Absatz 3 AEUV kann der Rat jedoch einstimmig Maßnahmen beschließen, die für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit Drittländern einen Rückschritt darstellen. Am 14. September 2017 schlug die Kommission im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik zudem einen europäischen Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aus Drittländern durch die Mitgliedstaaten aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung vor: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union (COM(2017) 487 final): https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=COM:2017:487:FIN.

(9)

Block, C-67/08, ECLI:EU:C:2009:92, Rn. 21; Berlington Hungary, C-98/15, ECLI:EU:C:2015:386, Rn. 28; Libert, C-197/11 und C-203/11, ECLI:EU:C:2013:288, Rn. 34; Blanco Pérez und Chao Gómez, C-570/07 und C-571/07, ECLI:EU:C:2010:300, Rn. 40; Deliège, C-51/96 und C-191/97, ECLI:EU:C:2000:199, Rn. 58.

(10)

Der EuGH stellte klar, dass angesichts des Ziels des EWR-Abkommens, die darin enthaltenen Bestimmungen, die im Wesentlichen mit denen des EU-Rechts identisch sind, einheitlich auszulegen und anzuwenden, die Grundfreiheiten für den Investitionsschutz auch entsprechend für Investitionen zwischen der EU und den genannten EFTA-Staaten gelten. Siehe Pepic, C-476/10, ECLI:EU:C:2011:422, Rn. 33-35, Établissements Rimbaud, C 72/09, ECLI:EU:C:2010:645‚ Rn. 20-22.

(11)

Ospelt, C-452/01, ECLI:EU:C:2003:493, Rn. 29.

(12)

Fidium-Finanz, C-452/04, ECLI:EU:C:2006:631, Rn. 32.

(13)

Jundt, C-281/06, ECLI:EU:C:2007:816, Rn. 33.

(14)

Jede juristische Person, die nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaats gegründet wurde, ist eine juristische Person im Sinne des Artikels 54 AEUV und genießt somit die im Vertrag verankerten Grundfreiheiten (siehe z. B. Eqiom, C-6/16, ECLI:EU:C:2017:641‚ Rn. 48-49).

(15)

Nach ständiger Rechtsprechung kann die Richtlinie 88/361/EWG in Verbindung mit der ihr beigefügten Nomenklatur herangezogen werden, um Kapitalverkehr zu definieren (siehe Kommission/Frankreich, C-483/99, EU:C:2002:327‚ Rn. 36; van Putten, C-578/10 bis C-580/10, ECLI:EU:C:2012:246, Rn. 28-36).

(16)

Pfeiffer, C-255/97, ECLI:EU:C:1999:240.

(17)

Investitionen in ein Unternehmen können zur Ausübung von Kontrolle (Direktinvestitionen) oder zu reinen Gewinnzwecken ohne jegliche Absicht, Entscheidungen zu kontrollieren oder zu beeinflussen (Portfolioinvestitionen), erfolgen.

(18)

Siehe z. B. die Artikel 5-13 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt („Dienstleistungsrichtlinie“) (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36).

(19)

So sind beispielsweise nach Artikel 14 der Dienstleistungsrichtlinie wirtschaftliche Überprüfungen verboten.

(20)

 Factortame, C-221/89, ECLI:EU:C:1991:320, Rn. 20.

(21)

Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65); Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243); Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1); Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 33) in der geänderten Fassung.

(22)

Parking Brixen, C-458/03, ECLI:EU:C:2005:605, Rn. 72; Centro Europa 7, C-380/05, ECLI:EU:C:2008:59, Rn. 120; Promoimpresa, C-458/14 und C-67/15 , ECLI:EU:C:2016:558, Rn. 64-65.

(23)

SEGRO, C-52/16 und C-113/16, ECLI:EU:C:2018:157, Rn. 65; Kommission/Ungarn, C-179/14, ECLI:EU:C:2016:108.

(24)

Centros, C-212/97, ECLI:EU:C:1999:126; Inspire Art, C-167/01, ECLI:EU:C:2003:512, Rn. 105.

(25)

Überseering, C-208/00, ECLI:EU:C:2002:632, Rn. 9.

(26)

Cartesio, C-210/06, ECLI:EU:C:2008:723, Rn. 113.

(27)

Polbud, C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804, Rn. 65.

(28)

Polbud, C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804, Rn. 62.

(29)

 Siehe den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2018%3A241%3AFIN.

(30)

Gebhard, C-55/94, ECLI:EU:C:1995:411, Rn. 27.

(31)

Säger, C-76/90, ECLI:EU:C:1991:331, Rn. 13.

(32)

X-Steuerberatungsgesellschaft, C-342/14, ECLI:EU:C:2015:827; Säger, C-76/90, ECLI:EU:C:1991:331, Rn. 21.

(33)

Guiot, C-272/94, ECLI:EU:C:1996:147, Rn. 14 und 15.

(34)

Kommission/Frankreich, C-496/01, ECLI:EU:C:2004:137, Rn. 65.

(35)

Kommission/Belgien („Limosa“), C-577/10, ECLI:EU:C:2012:814, Rn. 47; Kommission/Deutschland, C-490/04, ECLI:EU:C:2007:430, Rn. 89.

(36)

Kommission/Deutschland, C-490/04, ECLI:EU:C:2007:430, Rn. 68 und 69.

(37)

Artikel 28 und 29 AEUV.

(38)

Siehe insbesondere die Mitteilung der Kommission „Das Waren-Paket: das Vertrauen in den Binnenmarkt stärken“ vom 19. Dezember 2017 (COM(2017) 787 final).

(39)

AGET Iraklis, C-201/15, ECLI:EU:C:2016:972, Rn. 52.

(40)

Rush Portuguesa, C-113/89, ECLI:EU:C:1990:142, Rn. 12.

(41)

Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1). Siehe auch die Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) ( ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).

(42)

Manninen, C-319/02, ECLI:EU:C:2004:484, Rn. 19.

(43)

Siehe Artikel 5 der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 345 vom 29.12.2011, S. 8) in der geänderten Fassung.

(44)

Deister Holding, C-504/16 und 613/16, ECLI:EU:C:2017:1009, Rn. 51-52.

(45)

 AGET Iraklis, C-201/15, ECLI:EU:C:2016:972, Rn. 53.

(46)

Veronica, C-148/91, ECLI:EU:C:1993:45, Rn. 8 ff.

(47)

 Kommission/Polen, C-271/09, ECLI: EU:C:2011:855, Rn. 51 (Beschränkungen für Pensionsfonds).

(48)

Brugnoni, C-157/85, ECLI:EU:C:1986:258, Rn. 21.

(49)

Diese Maßnahmen wurden nach der „Mitteilung der Kommission über bestimmte rechtliche Aspekte von Investitionen innerhalb der EU“ vom 19. Juli 1997 eingeleitet: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A31997Y0719%2803%29 .

(50)

Siehe die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen über den Erwerb von Agrarland und das Unionsrecht:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2017.350.01.0005.01.DEU&toc=OJ:C:2017:350:TOC.

(51)

CHEZ Bulgaria, C-83/14, ECLI:EU:C:2015:480, Rn. 94. Diskriminierung setzt nicht voraus, dass nur Staatsangehörige begünstigt oder nur Ausländer benachteiligt werden (Kommission/Italien, C-388/01, ECLI:EU:C:2003:30‚ Rn. 14).

(52)

Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 21) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 37) geänderten Fassung; Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG geänderten Fassung; Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (ABl. L 249 vom 17.9.2002, S. 21).

(53)

 D. h. jede Maßnahme, die gleichermaßen für Staatsangehörige und Ausländer gilt.

(54)

De Clercq, C-315/13, ECLI:EU:C:2014:2408, Rn. 61.

(55)

Alpine Investments, C-384/93, ECLI:EU:C:1995:126, Rn. 29-31.

(56)

Essent Belgium, C-492/14, ECLI:EU:C:2016:732, Rn. 96-97.

(57)

Hedley Lomas, C-5/94, ECLI:EU:C:1996:205, Rn. 19-20; Kommission/Luxemburg, C-266/03, ECLI:EU:C:2005:341, Rn. 35.

(58)

Kommission/Belgien („Limosa“), C-577/10, ECLI:EU:C:2012:814, Rn. 53; Polbud, C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804, Rn. 63.

(59)

 Rina Services, C-593/13, ECLI:EU:C:2015:399; Kommission/Ungarn, C-179/14, ECLI:EU:C:2016:108, Rn. 47.

(60)

Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (CRD IV) (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338); Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (MiFID II) (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349); Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1).

(61)

Kommission/Spanien („Einzelhandelsgeschäfte in Katalonien“), C-400/08, ECLI:EU:C:2011:172, Rn. 74. Siehe auch Artikel 3 Absatz 3 EUV sowie die Artikel 11 und 191 AEUV.

(62)

Bachmann, C-204/90, ECLI:EU:C:1992:35, Rn. 28.

(63)

Etablissements Rimbaud, C-72/09, ECLI:EU:C:2010:645, Rn. 33 ff.

(64)

Festersen, C-370/05, ECLI:EU:C:2007:59, Rn. 27.

(65)

Ewald Burtscher/Josef Stauderer, C-213/04, ECLI:EU:C:2005:731, Rn. 46.

(66)

X-Steuerberatungsgesellschaft, C-342/14, ECLI:EU:C:2015:827, Rn. 53.

(67)

Laval, C-341/05, ECLI:EU:C:2007:809, Rn. 103.

(68)

Polbud, C-106/16, ECLI:EU:C:2017:804, Rn. 53.

(69)

Kommission/Portugal, C-367/98, ECLI:EU:C:2002:326, Rn. 52; Kommission/Italien, C-174/04, ECLI:EU:C:2005:350, Rn. 37.

(70)

Siehe u. a. SEGRO und Horváth, C-52/16 und C-113/16, ECLI:EU:C:2018:157, Rn. 96.

(71)

In diesem Sinne VEMW, C-17/03, ECLI:EU:C:2005:362, Rn. 57 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Industrie du bois, C-195/12, ECLI:EU:C:2013:598.

(72)

Gambelli, C-243/01, ECLI:EU:C:2003:597, Rn. 67; Hartlauer, C-169/07, ECLI:EU:C:2009:141, Rn. 55, und die dort angeführte Rechtsprechung.

(73)

SEGRO und Horváth, C-52/16 und C-113/16, ECLI:EU:C:2018:157, Rn. 76.

(74)

Ospelt, C-452/01, ECLI:EU:C:2003:493, Rn. 41.

(75)

Scotch Whisky, C-333/14, ECLI:EU:C:2015:845, Rn. 53; SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C-113/16, ECLI:EU:C:2018:157, Rn. 85.

(76)

SIAT, C-318/10, ECLI:EU:C:2012:415, Rn. 58.

(77)

VEMW, C-17/03, ECLI:EU:C:2005:362, Rn. 80; ASM Brescia, C-347/06, ECLI:EU:C:2008:416, Rn. 69; Test Claimants in the Franked Investment Income Group Litigation, C-362/12, ECLI:EU:C:2013:834, Rn. 44.

(78)

Sudholz, C-17/01, ECLI:EU:C:2004:242, Rn. 34.

(79)

Hartlauer, C-169/07, ECLI:EU:C:2009:141, Rn. 64; Association Église de Scientologie de Paris, C-54/99, ECLI:EU:C:2000:124, Rn. 22; Kommission/Frankreich („Elf Aquitaine“), C-483/99, ECLI:EU:C:2002:327, Rn. 50.

(80)

VEMW, C-17/03, ECLI:EU:C:2005:362, Rn. 73-74.

(81)

Krücken, C-316/88, ECLI:EU:C:1988:201, Rn. 23-24; Kommission/Deutschland, C-5/89, ECLI:EU:C:1990:320, Rn. 14.

(82)

Spanien/Rat, C-310/04, ECLI:EU:C:2006:521, Rn. 81.

(83)

Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland, C-24/95, ECLI:EU: 1997:163, Rn. 25 und 49; Spanien/Kommission, C-169/95, ECLI:EU:C:1997:10, Rn. 51.

(84)

VEMW, C-17/03, ECLI:EU:C:2005:362, Rn. 81; Plantanol, C-201/08, ECLI:EU:C:2009:539, Rn. 53.

(85)

VEMW, C-17/03, ECLI:EU:C:2005:362, Rn. 81; Plantanol, C-201/08, ECLI:EU:C:2009:539, Rn. 49.

(86)

IN.CO.GE.'90, C-10/97 bis C-22/97, ECLI:EU:C:1998:498, Rn. 23.

(87)

Saldanha, C-122/96, ECLI:EU:C:1997:458, Rn. 14.

(88)

Artikel 16, 17 und 47 der Charta. Nach Artikel 52 Absatz 3 der Charta haben in der Charta enthaltene Rechte, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird; diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.

(89)

Online Games Handels GmbH, C-685/15, ECLI:EU:C:2017:452, Rn. 56.

(90)

Alemo-Herron u. a., C-426/11, ECLI:EU:C:2013:521, Rn. 35.

(91)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrmals entschieden, dass auch eigentumsähnliche Rechte unter Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 zur Europäischen Menschenrechtskonvention fallen, da der Begriff „Eigentum“ dort eine eigenständige Bedeutung hat, die nicht auf das Eigentum an körperlichen Gegenständen beschränkt ist; bestimmte andere Rechte und Interessen, die Vermögenswerte darstellen, können daher ebenfalls als „Eigentumsrechte“ und damit als „Eigentum“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden (vgl. beispielsweise Handyside gegen Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember 1976; James gegen Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986: langfristiger Mietvertrag (leasehold); Wittek gegen Deutschland, Urteil vom 12. Dezember 2002: übertragbarer Nießbrauch an einem Grundstück; Bruncrona gegen Finnland, Urteil vom 16. Februar 2005: Mietverhältnis).

(92)

 Pesce u. a., C-78/16 und C-79/16, ECLI:EU:C:2016:428, Rn. 86

(93)

Hauer, C-44/79, ECLI:EU:C:1979:290, Rn. 15 ff.; Wachauf, C-5/88, ECLI:EU:C:1989:321, Rn. 18.

(94)

Siehe insbesondere die Artikel 107 bis 109 AEUV.

(95)

CIF, C-198/01, ECLI:EU:C:2003:430, Rn. 46.

(96)

MOTOE, C-49/07, ECLI:EU:C:2008:376, Rn. 50; Kommission/Griechenland („DEI“), C-553/12 P, Rn. 41-43.

(97)

Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1). Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission bestimmte technische Vorschriften vor ihrem Erlass mitteilen, um durch eine vorbeugende Kontrolle den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zu schützen, der zu den Grundlagen der Union gehört; diese Kontrolle ist insofern wirksam, als alle Entwürfe technischer Vorschriften, die unter die Richtlinie fallen, mitgeteilt werden müssen und als der Erlass und das Inkraftsetzen dieser Vorschriften – außer bei Maßnahmen, deren Dringlichkeit eine Ausnahme rechtfertigt – während der in der Richtlinie festgelegten Zeiträume ausgesetzt werden müssen (zum freien Warenverkehr vgl. Unilever, C-443/98, ECLI:EU:C:2000:496, Rn. 40 ff.). Vgl. beispielsweise auch die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/67/EG.

(98)

Siehe zum Beispiel Artikel 9 der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 272 vom 25.10.1996, S. 36). Auf der Grundlage dieser Richtlinie hat die Kommission in mindestens 10 konkreten Fällen einen Beschluss gefasst und gelegentlich auch negativ über die geplante beschränkende Maßnahme entschieden. Siehe auch Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1).

(99)

Frankreich/Kommission, C-15/76 und C-16/76, ECLI:EU:C:1979:29, Rn. 26-28; An Taisce, C-325/94 P, ECLI:EU:C:1996:293, Rn. 25.

(100)

Siehe Artikel 15 Absatz 7 der Dienstleistungsrichtlinie.

(101)

Vorschlag für eine Richtlinie über die Durchsetzung der Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt sowie zur Festlegung eines Notifizierungsverfahrens für dienstleistungsbezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen (COM(2016) 821 final).

(102)

Vgl. unter anderem Costanzo, C-103/88, ECLI:EU:C:1989:256, Rn. 32; Ciola, C-224/97, ECLI:EU:C:1999:212, Rn. 30; Petersen, C-341/08, ECLI:EU:C:2010:4, Rn. 80.

(103)

In diesem Sinne Sopropé, C-349/07, ECLI EU:C:2008:746, Rn. 38.

(104)

Sopropé, C-349/07, ECLI EU:C:2008:746, Rn. 36.

(105)

Gebhard, C-55/94, ECLI:EU:C:1995:411, Rn. 37; Technische Universität München, C-269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14.

(106)

Dieter Kraus, C-19/92, ECLI:EU:C:1993:125, Rn. 40; Donnellan, C-34/17, ECLI:EU:C:2018:282, Rn. 55.

(107)

IN.CO.GE.'90, C-10/97 bis C-22/97, ECLI:EU:C:1998:498, Rn. 24; Littlewoods Retail u. a., C-591/10, ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 25-26; Dragoş, C-69/14, ECLI:EU:C:2015:662, Rn. 24, und die dort angeführte Rechtsprechung.

(108)

  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1532525080909&uri=CELEX:52017DC0255

(109)

Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C-64/16, ECLI:EU:C:2018:117, Rn. 29.

(110)

Vera Egenberger, C-414/16, ECLI:EU:C:2018:257, Rn. 78.

(111)

Siehe die Artikel 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist für die Auslegung der Grundrechte von Belang, da nach Artikel 52 Absatz 3 der Charta in der Charta enthaltene Rechte, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, es sei denn, das Recht der Union gewährt einen weiter gehenden Schutz.

(112)

Factortame, C-213/89 ECLI:EU:C:1990:257; Zuckerfabrik Süderdithmarschen, C-143/88 und C-92/89, ECLI:EU:C:1991:65.

(113)

Marleasing, C-106/89, ECLI:EU:C:1990:395; Faccini Dori, C-91/92, ECLI:EU:C:1994:292.

(114)

Melki und Abdeli, C-188/10 und 189/10, ECLI:EU:C:2010:363, Rn. 43-44. Diese Verpflichtung gilt auch für eine abweichende Rechtsprechung: vgl. Puligienica, C-689/13, ECLI:EU:C:2016:199, Rn. 38.

(115)

Kommission/Deutschland, C-503/04, ECLI:EU:C:2007/432, Rn. 33 ff.; Delay, C-276/07, ECLI:EU:C:2008:282, Rn. 23. Zur Erstattung rechtswidrig erhobener Abgaben siehe unten.

(116)

Vgl. statt vieler Francovich, C-6/90 und C-9/90, ECLI:EU:C:1991:428; Köbler, C-224/01, ECLI:EU:C:2003:513.

(117)

Grundsätzlich unterscheiden sich die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedstaaten für den Schaden haften, der dem Einzelnen durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht entsteht, nicht von den Voraussetzungen, die nach Artikel 340 Absatz 2 AEUV für die Haftung der EU und ihrer Organe für einen solchen Schaden gelten; Brasserie du Pêcheur und Factortame, C-46/93 und C-48/93, ECLI:EU:C:1996:79, Rn. 40-42.

(118)

Artikel 47 Absatz 2 der Charta und Artikel 19 des Vertrags über die Europäische Union.

(119)

Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C-64/16, ECLI:EU:C:2018:117, Rn. 41.

(120)

Wilson, C-506/04, ECLI:EU:C:2006:587, Rn. 50-53.

(121)

Mitteilung – EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung (2017/C 18/02), abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52017XC0119(01) .

(122)

EU-Justizbarometer 2018, abrufbar unter:    
https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/justice_scoreboard_2018_de.pdf , Schaubilder 2 und 3.

(123)

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1).

(124)

Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 gilt nur für „Zivil- und Handelssachen“. Sie gilt daher nicht für Streitigkeiten, an denen eine Partei (z. B. eine staatliche Behörde) beteiligt ist, die hoheitliche Befugnisse ausübt. Im Bereich der Zivil- und Handelssachen gibt es zudem mehrere Verordnungen zur Einführung besonderer europäischer Verfahren, die auch von Anlegern genutzt werden könnten, etwa die Verordnung über den Europäischen Zahlungsbefehl ((EG) Nr. 1896/2006) oder die Verordnung über den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung ((EU) Nr. 655/2014).

(125)

Test Claimants in the Franked Investment Income Group Litigation, C-362/12, ECLI:EU:C:2013:834, Rn. 31.

(126)

Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge (ABl. L 335 vom 20.12.2007, S. 31).

(127)

Sánchez Morcillo, C‑169/14, ECLI:EU:C:2014:2099, Rn. 31.

(128)

DEB, C-279/09, ECLI:EU:C:2010:811, Rn. 59.

(129)

Kolev, C-612/15, ECLI:EU:C:2018:392, Rn. 70-72.

(130)

Artikel 267 AEUV.

(131)

Foto-Frost, C-314/85, ECLI:EU:C:1987:452.

(132)

In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof auf eine Reihe von Gesichtspunkten ab, wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit (Dorsch Consult, C-54/96, ECLI:EU:C:1997:413, Rn. 23).

(133)

Vgl. Nordsee, C-102/81, ECLI:EU:C:1982:107, Rn. 10-13, bzw. Achmea, C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 43 ff.

(134)

Puligienica, C-689/13, ECLI:EU:C:2016:199, Rn. 38.

(135)

Jonkman, C-231/06 bis C-233/06, ECLI:EU:C:2007:373, Rn. 38.

(136)

Puligienica, C-689/13, ECLI:EU:C:2016:199, Rn. 40.

(137)

Artikel 260 Absatz 2 AEUV.

(138)

Mitteilung – EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung (2017/C 18/02), abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52017XC0119(01) .