16.7.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 240/37


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine nachhaltige Bioökonomie für Europa — Stärkung der Verbindungen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt“

(COM(2018) 673 final)

(2019/C 240/09)

Berichterstatter: Mindaugas MACIULEVIČIUS

Mitberichterstatter: Udo HEMMERLING

Befassung

Europäische Kommission, 14.12.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Beschluss des Präsidiums

16.10.2018

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

25.4.2019

Verabschiedung auf der Plenartagung

15.5.2019

Plenartagung Nr.

543

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

203/1/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die Welt hat keine Zeit zu verschenken: Globale Herausforderungen wie Klimawandel und weltweites Bevölkerungswachstum machen es dringend erforderlich, Ersatz für fossile Brennstoffe zu finden und Bioressourcen effizienter zu nutzen. Der landwirtschaftliche und der forst-basierte Sektor erzeugen in großem Umfang Nicht-Nahrungsmittel- und Nicht-Futtermittel-Biomasse und leisten dadurch einen wichtigen Beitrag zur Bioökonomie. Durch neue Wertschöpfungsketten erschließen sich zusätzliche Möglichkeiten, Tätigkeiten in der ländlichen Wirtschaft von einer fossilbasierten auf eine biobasierte Grundlage umzustellen.

1.2.

Vor diesem Hintergrund und im Einklang mit den Klimazielen des Übereinkommens von Paris muss einem bewussteren Verbrauch von Bioressourcen Vorrang eingeräumt werden. Die Verbraucher müssen durch regelmäßige Beratung und Information in die Tätigkeiten im Bereich der Bioökonomie eingebunden werden, um nicht nur ihr Verständnis zu fördern, sondern auch die notwendigen Veränderungen zu erleichtern sowie den Weg für Maßnahmen zur Erschließung neuer Märkte zu ebnen und so die Akzeptanz der in der EU hergestellten biobasierten Produkte bei den Verbrauchern und den öffentlichen Auftraggebern zu festigen.

1.3.

Es entstehen Chancen in den Bereichen biologische Vielfalt, Industrie, wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung. Der EWSA begrüßt die Aktualisierung der Bioökonomie-Strategie aus dem Jahr 2012 als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Es herrscht eine globale Nachfrage nach nachhaltigen, ressourceneffizienten, biobasierten Erzeugnissen. Trotz der mit der überarbeiteten Strategie erzielten Fortschritte müssen einige Maßnahmen erst noch in die Praxis übersetzt werden:

1.3.1.

Neben der Sicherstellung des Zugangs zu Finanzinstrumenten ist es auch wichtig, individuelle, flexible Beratungsdienste vorzusehen, um KMU im Agrar- und Lebensmittelsektor bei der Einleitung langfristiger innovativer Vorhaben zu unterstützen. Häufig fehlt es ihnen aus verschiedenen Gründen am erforderlichen Fach- oder Sachwissen sowie an personellen, finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen.

1.3.2.

Bei der öffentlich-privaten Zusammenarbeit sollten die Primärerzeuger gebührend berücksichtigt werden. Dabei könnten eine Reihe von Maßnahmen und Instrumenten der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) unterstützend eingesetzt werden.

1.3.3.

Die Verknüpfung von Tätigkeiten in den Bereichen Forschung, Innovation und Bioökonomie im Rahmen einer langfristigen Strategie erleichtert die Förderung von Entwicklung und Replikation.

1.3.4.

Die Fortbildung und Schulung von Arbeitnehmern und Primärerzeugern ist entscheidend. Es ist wichtig, den Austausch von Wissen zu fördern, transnationale Netze zu unterstützen und mit dem gesellschaftlichen und technologischen Wandel Schritt zu halten. Bildungs-, Partizipations- und Kommunikationskonzepte müssen die ländlichen Interessenträger der Bioökonomie miteinbeziehen.

1.3.5.

Die Kreislaufwirtschaft und branchen- und regionenübergreifende Verflechtungen sollten in der EU und darüber hinaus gefördert werden, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) sowie der Ziele des Klimaübereinkommens von Paris.

1.3.6.

Alle Mitgliedstaaten sollten eine umfassende Bioökonomie-Strategie in ihre Maßnahmen und Programme integrieren und die zuständigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und einschlägigen Interessenträger (Primärerzeuger, Wissenschaftler, Bildungsträger, Industrie, Zivilgesellschaft, Sozialpartner usw.) miteinbeziehen.

1.3.7.

Die EU sollte sich für ein globales Preissystem für CO2-Emissionen einsetzen, um so auf neutrale und wirksame Weise die Bioökonomie zu fördern und alle Marktakteure mit ins Boot zu holen, um den Klimawandel einzudämmen.

1.4.

In einer „neuen“Bioökonomie ist es wichtig, dass die Grundsätze der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Die natürlichen Ressourcen müssen geschont werden, um die Ressourcenproduktivität zu erhöhen. Die Bioökonomie muss deshalb an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden. Zur Vermeidung von Verzerrungen zu Lasten der Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft sind auf heimische und importierte Biomasse die gleichen Bestimmungen anzuwenden.

2.   Allgemeine Bemerkungen

Die Bioökonomie umfasst die Produktion erneuerbarer biologischer Ressourcen und deren Umwandlung in Lebensmittel, Futtermittel, biobasierte Produkte und Bioenergie. Beteiligt sind daran die Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Nahrungsmittelerzeugung, Zellstoff- und Papierherstellung sowie Teile der Chemie-, Biotechnologie- und Energieindustrie.

2.1.

Die Bioökonomie-Strategie der EU von 2012 sollte „den Weg bereiten für eine innovativere, ressourceneffizientere und wettbewerbsfähigere Gesellschaft, die in der Lage ist, Ernährungssicherheit und nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen für industrielle Zwecke miteinander zu vereinbaren und gleichzeitig dem Umweltschutz Genüge zu tun“. Im Jahr 2017 überprüfte die Kommission die Bioökonomie-Strategie der EU von 2012 und gelangte zu dem Schluss, dass die Strategie die Relevanz ihrer Ziele untermauert hat und die Bedeutung der durch die Bioökonomie eröffneten Möglichkeiten innerhalb und außerhalb Europas zunehmend anerkannt wird. Im Oktober 2018 legte die Kommission einen Aktionsplan zur Schaffung einer nachhaltigen und kreislauforientierten Bioökonomie vor, um die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen zur Bewältigung der globalen und lokalen Herausforderungen wie Klimawandel und nachhaltige Entwicklung zu verbessern und auszuweiten (1).

2.2.

Die Weltbevölkerung wird bis 2050 voraussichtlich auf 10 Mrd. Menschen anwachsen (2), und die biologischen Ressourcen müssen dringend effizienter genutzt werden, damit es für mehr Menschen sichere, nahrhafte, hochwertige und bezahlbare Nahrungsmittel mit besserer Umwelt- und Klimaleistung gibt und genügend erneuerbares biologisches Material zur Verfügung steht, um einen erheblichen Teil der bisherigen, rohölbasierten Produktion unter Nutzung von Wind- und Solarenergie sowie anderen erneuerbaren Energieträgern umzustellen. Daher sind eine Neuausrichtung der Maßnahmen sowie eine Überarbeitung der Bioökonomie-Strategie unter Berücksichtigung der jüngsten politischen Entwicklungen, u. a. der UN-Nachhaltigkeitsziele (3) und der UN-Klimarahmenkonvention (COP 21-Verpflichtungen), notwendig.

2.3.

Die Kommission kündigt an, dass sie im Rahmen der Überarbeitung der Bioökonomie-Strategie (4) 201914 Maßnahmen ergreifen wird, darunter:

die Einrichtung einer mit 100 Mio. EUR ausgestatteten thematischen Investitionsplattform für die kreislauforientierte Bioökonomie, um die Marktfähigkeit biotechnologischer Innovationen zu verbessern und das Risiko privater Investitionen in nachhaltige Lösungen zu verringern; die Förderung des Aufbaus neuer nachhaltiger Bioraffinerien in ganz Europa;

die Erarbeitung einer Agenda für die strategische Einführung von Ernährungs- und Bewirtschaftungssystemen, einer Forstwirtschaft sowie einer biobasierten Produktion, die den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen;

die Schaffung einer EU-Fazilität zur Unterstützung der Bioökonomie für die Mitgliedstaaten, damit diese im Rahmen von Horizont 2020 nationale und regionale Bioökonomie-Aktionspläne entwickeln können;

die Umsetzung von Pilotprojekten zur Unterstützung der Entwicklung der Bioökonomie in ländlichen, städtischen und Küstengebieten, etwa in den Bereichen Abfallbewirtschaftung und Kohlenstoff-Landwirtschaft;

die Einführung eines unionsweiten Monitoringsystems, mit dem die Fortschritte auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen kreislauforientierten Bioökonomie verfolgt werden können;

die Erweiterung der Wissensbasis und die Erforschung einzelner Bereiche der Bioökonomie durch die Erhebung von Daten und die Sicherstellung eines besseren Zugangs zu diesen Daten über das Wissenszentrum für Bioökonomie;

die Bereitstellung von Orientierungshilfen und die Förderung bewährter Vorgehensweisen für den Einsatz der Bioökonomie innerhalb sicherer ökologischer Grenzen.

2.4.

Die Bioökonomie kann Möglichkeiten eröffnen, die CO2-Emissionen und die Abhängigkeit von importierten fossilen Ressourcen zu verringern. Die Wälder in der EU beispielsweise binden Kohlenstoff im Umfang von 10 % der jährlichen Emissionen in der EU und liefern gleichzeitig einen nachhaltigen und konstanten Biomassevorrat für erneuerbare Energie. Des Weiteren können Schätzungen zufolge theoretisch 100 000 derzeit produzierte Chemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Das bedeutet nicht, dass alle auf diese Weise erzeugt werden sollten. Doch theoretisch ist das möglich. Dadurch können nicht nur unsere alltäglichen Haushaltsbedarfsartikel lokal und nachhaltig hergestellt, sondern auch Beschäftigung (insbesondere in Küstengebieten und ländlichen Regionen) und Wachstum in Europa, das noch immer einen großen technologischen Vorsprung hat, gefördert werden. Schätzungen der Industrie zufolge könnten in den biobasierten Industriezweigen bis 2030 eine Million neue Arbeitsplätze entstehen.

2.5.

Allerdings gibt es noch immer große Hemmnisse auf dem Weg zu mehr Innovation in der EU-Bioökonomie. Ein wesentliches Hemmnis ist die Kostenwettbewerbsfähigkeit von Produkten im Vergleich zu fossilen Alternativen und vergleichbaren Produkten aus anderen Teilen der Welt. Die Kostenwettbewerbsfähigkeit hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der TRL-Einstufung (auf der Skala der technologischen Reife), den Arbeitskosten, den Subventionen für fossile Brennstoffe und deren Amortisierung sowie von der geringen Marktstützung für biobasierte Produkte. Das Problem der Wettbewerbsfähigkeit wird verschärft durch den schwierigen Zugang zu Finanzmitteln für innovative Projekte und Produktionsstätten sowie häufig durch den anhaltend geringen Sensibilisierungsgrad der Endnutzer für biobasierte Produkte, durch Kompetenzmangel und durch fehlende Geschäftsbeziehungen, mit denen der Sektor vorangebracht werden könnte. Darüber hinaus werden die Zulassungsverfahren für neue biobasierte Projekte immer langwieriger und beschwerlicher, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für die Wirtschaftsakteure führt und entsprechende finanzielle Risiken mit sich bringt.

3.   Besondere Bemerkungen

Der EWSA begrüßt die Mitteilung zur Überarbeitung der Bioökonomie-Strategie aus dem Jahr 2012. Wir brauchen eine langfristige, kohärente und effiziente Förderpolitik für die Bioökonomie. Eine Verzahnung zwischen dieser übergreifenden Bioökonomie-Strategie und anderen politischen Instrumenten wird dennoch nicht ohne weiteres Zutun erfolgen. Voraussetzung einer wirksamen Politikgestaltung im Bereich der Bioökonomie ist deshalb nach wie vor, dass Synergien zwischen den Politikbereichen ermittelt werden, die den Zielen einer tragfähigen Lebensmittelproduktion, einer nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, einer ausgewogenen territorialen Entwicklung im ländlichen Raum und der Sicherung angemessener Existenzgrundlagen gerecht werden.

3.1.

Mit dem Ziel, EU-Investitionen zu mobilisieren, wird durch die Überarbeitung besonderer Nachdruck auf die Stärkung und den Ausbau der biobasierten Sektoren durch Investitionsförderung und die Markterschließung gelegt; indes mangelt es den Bioökonomie-Unternehmen nach der FuE-Phase an Wachstumsförderung bzw. Unterstützung hinsichtlich Mittelbeschaffung, Markteinführungsstrategien, Organisationsentwicklung und Produktreifung. Investoren auf nationaler und regionaler Ebene, die das Wachstum in der Anlaufphase fördern, sowie individuelle Beratungsdienste sind für Kleinst- und Kleinunternehmen und Start-ups ebenso notwendig wie die Mobilisierung von EU-Investitionen für Großprojekte. Für die Vermarktung neuer Produkte wird ein umfassendes Finanzierungskonzept benötigt.

3.2.

Der aktualisierten Strategie zufolge können ferner die verschiedenen Investitionsquellen am besten durch Synergien zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor erschlossen werden. Diesbezüglich fördert das Gemeinsame Unternehmen für biobasierte Industriezweige maßgeblich den Aufbau der Infrastruktur für eine europäische biobasierte Industrie und die Entwicklung der Wertschöpfungsketten zur Nutzung erneuerbarer Ressourcen einschl. Abfälle.

3.3.

Dem Privatsektor wird jedoch zu wenig Aufmerksamkeit eingeräumt, insbesondere den Primärerzeugern, d. h. Landwirten, Waldbesitzern und den einschlägigen Genossenschaften, denen bei der Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie eine wichtige Rolle zukommt; auch die zahlreichen KMU in der Lebensmittelkette müssen gebührend berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang könnte die GAP als Instrument von Interesse sein, um Landwirte, Waldbesitzer und die einschlägigen Genossenschaften dazu zu bewegen, verstärkt in eine nachhaltige Produktion zu investieren.

3.4.

Vor diesem Hintergrund kommt der Schaffung günstiger Marktbedingungen ebenso viel Bedeutung zu wie dem Vertrauen der Verbraucher in die bereitgestellten Produktinformationen. Informationsstandards wären sinnvoll, und als wichtiger erster Schritt sind klare EU-weite Standards für biobasierte Produkte festgelegt worden, um die Glaubwürdigkeit von der Industrie vereinbarter Standards zu untermauern, eine Verwirrung der Verbraucher zu vermeiden und Industriekunden und öffentlichen Auftraggebern Sicherheit zu geben. Es bleibt noch viel zu tun, bis die Verbraucher dank intelligenter Kommunikationsstrategien sachkundige Entscheidungen treffen können.

3.5.

In der aktualisierten Strategie ist Skalierung ein wichtiges Anliegen, Replikation hingegen wird vernachlässigt. Die vorhandene Forschung muss mit langfristigen Innovations- und Bioökonomie-Strategien verzahnt werden. Grundlagenforschung und angewandte Forschung sollten aufeinander abgestimmt werden und zu gemeinsamen strategischen Zielen beitragen. Die Aufmerksamkeit sollte auch auf die Entwicklung, Zugänglichkeit und Instandhaltung hochwertiger Forschungs- und Innovations-Infrastrukturen sowie -Cluster gerichtet werden. Beispielsweise könnte die Errichtung von Weltklasse-Zentren für angewandte Forschung in der Bioprozessindustrie im Hinblick auf die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Lösungen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein umfangreiches Wissensspektrum zur Verfügung stellen. Der Wissenstransfer würde durch Demonstrationen und Beispiele unterstützt. Die Demonstrationen würden den KMU ein umfassendes Bild der in diesem speziellen Teilbereich der Bioökonomie verfügbaren Technologien vermitteln.

3.6.

Die ländlichen Gebiete in der EU stecken in einem tiefgreifenden wirtschaftlichen, demographischen und institutionellen Wandel. Deshalb muss auch der Verbesserung von Infrastruktur und Logistik zur Förderung bestehender und neuer Biomasse-Lieferketten wie auch der Optimierung einer nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und der Schaffung von Beschäftigung und Mehrwert in ländlichen Gebieten gebührende Aufmerksamkeit zukommen.

3.7.

Es kann nie genug betont werden, dass die Einführung modernster Anlagentechnik in der Bioökonomie fortgeschrittene Bedienungs- und Instandhaltungskompetenzen erfordert, wozu auch eine Weiterbildung im Bereich Informations- und Computertechnologie, neue Schulungsprogramme im Bereich Gesundheit und Sicherheit sowie die Berücksichtigung von Umweltschutzanliegen gehören. Deshalb kommen der lebenslangen Weiterentwicklung und Anpassung von Kompetenzen sowie der Beseitigung der Qualifikationsdefizite im aufstrebenden Bioökonomie-Sektor entscheidende Bedeutung zu. Peer-to-Peer-Austausch, gemeinsame Tätigkeiten von Forschern, Dienstleistungen zur Unterstützung von Innovation, Landwirte, Forstwirte, ihre Genossenschaften und andere private Akteure — all diese Aspekte kommen in der aktualisierten Strategie nicht zur Sprache, obwohl sie für die Förderung des Wissensaustauschs maßgeblich wären.

3.8.

Die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele und die Eindämmung des Klimawandels (5) sind nur möglich, wenn Reststoffe, Nebenströme und Abfallstoffe aufgewertet und die Kreislaufwirtschaft gefördert werden. Dabei ist eine branchenübergreifende (Nahrungsmittel- und Nichtnahrungsmittelsysteme und ländliche Gebiete) und interkontinentale Zusammenarbeit unerlässlich. Ferner muss das Augenmerk auf regionenübergreifende und lokale Verflechtungen (Stadt-Land, Land-Land, Land-See) und ihren Beitrag zu nachhaltigen Bioökonomie-Wertschöpfungsketten und -Clustern in ländlichen Gebieten gerichtet werden. In Mittel- und Osteuropa würde der Ausbau dieser Verflechtungen die betreffenden Länder dabei unterstützen, ihre strategischen Entwicklungsziele auf eine bessere Biomassebewirtschaftung auszurichten. Mittel- und Osteuropa verfügt aufgrund der umfangreichen Tätigkeiten in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei über ein großes Biomassepotenzial, das indes nicht oder nur teilweise für Nahrungsmittel, Futtermittel, industrielle Rohstoffe, Biokraftstoffe und Energieerzeugung verwertet wird. In der aktualisierten Strategie wird zudem vernachlässigt, dass für eine möglichst wirksame Bündelung von Know-how und Kapazitäten und die Stärkung von Synergien zwischen Forschungsprogrammen der Mitgliedstaaten und von Drittstaaten internationale Zusammenarbeit erforderlich ist. Internationale Partnerschaften sind für die Erprobung und Replikation von Lösungen besonders wichtig.

3.9.

Bei der Umsetzung der im Übereinkommen von Paris festgelegten Ziele sollten schließlich so weit wie möglich Marktmechanismen genutzt werden. Durch ein globales Preissystem für CO2-Emissionen könnten auf neutrale und wirksame Weise alle Marktteilnehmer ins Boot geholt werden. Der EWSA ermutigt die Kommission, aktiv verschiedene Entwicklungspfade und Maßnahmen zu prüfen und gemeinsam mit anderen Ländern ein globales Kohlenstoffpreissystem zu entwickeln. Ein effizientes und gerechtes globales Kohlenstoffpreissystem würde die Ausgangsbedingungen für Exportunternehmen auf dem Weltmarkt angleichen und somit das Investitionsrisiko senken und der Abwanderung von Arbeitsplätzen entgegenwirken. Außerdem hätten importierte Erzeugnisse, die aufgrund niedrigerer Klimaauflagen billiger sind, keinen Wettbewerbsvorteil mehr.

Brüssel, den 15. Mai 2019

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  https://ec.europa.eu/research/bioeconomy/pdf/ec_bioeconomy_strategy_2018.pdf

(2)  https://www.un.org/development/desa/en/news/population/world-population-prospects-2017.html

(3)  https://sustainabledevelopment.un.org/?menu=1300

(4)  https://ec.europa.eu/research/bioeconomy/index.cfm?pg=policy&lib=strategy

(5)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 45.