22.3.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 110/72


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 im Hinblick auf ein Überprüfungsverfahren für im Zusammenhang mit Wahlen zum Europäischen Parlament begangene Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten“

(COM(2018) 636 final — 2018/0328 (COD))

(2019/C 110/14)

Hauptberichterstatterin:

Marina YANNAKOUDAKIS

Befassung

Europäisches Parlament, 1/10/2018

Rat, 24.10.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Beschluss des Präsidiums

16.10.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

12.12.2018

Plenartagung Nr.

539

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

109/2/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt den Standpunkt der Europäischen Kommission in Bezug auf die Notwendigkeit dieser Verordnung angesichts der jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit dem Fall „Facebook-Cambridge Analytica“, bei dem es um die mutmaßlich unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten geht.

1.2.

Der EWSA ist sich bewusst, dass in der heutigen Welt technologische Entwicklungen, die sozialen Medien und die Speicherung personenbezogener Daten durch Unternehmen in der gesamten EU unausweichlich sind. Die Notwendigkeit dieser Instrumente wird nicht in Frage gestellt, da wir uns in einer globalen Hightech-Welt bewegen. Die Herausforderung besteht darin, in diesem Bereich auf eine Weise tätig zu werden, die den Schutz der EU-Bürger, Transparenz und Freiheit ihrer grundlegenden Menschenrechte ermöglicht.

1.3.

Die Nutzung von Daten und die sozialen Medien haben den Wahlkampf der politischen Parteien grundlegend verändert, da potenzielle Wähler mit ihrer Hilfe gezielt angesprochen werden können. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass die sozialen Medien zunehmend genutzt werden, um das Abstimmungsverhalten der Bürger zu beeinflussen. Der EWSA erwartet von der Behörde für europäische politische Parteien und europäische politische Stiftungen (1) (die „Behörde“), dass sie Bereiche untersucht, in denen Verstöße stattfinden könnten, und Möglichkeiten vorschlägt, um dies zu verhindern. Zudem sollte sie ein System von Kontrolle und Gegenkontrolle vorsehen, mit dem sichergestellt wird, dass der Datenschutz und die Nutzung von Daten im Rahmen klar definierter Parameter erfolgen.

1.4.

Der EWSA unterstützt die Ziele des Vorschlags der Kommission und teilt die Auffassung, dass Demokratie einer der Grundwerte ist, die das Fundament der Europäischen Union bilden; um eine funktionierende repräsentative Demokratie auf europäischer Ebene zu gewährleisten, sehen die Verträge vor, dass die EU-Bürger im Europäischen Parlament direkt vertreten werden.

1.5.

Diese Vertretung erfolgt in Form gewählter Mitglieder entweder von politischen Parteien oder von Einzelpersonen, die sich in den Mitgliedstaaten zur Wahl stellen. Die Wahlplattform hat sich in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt, wobei die sozialen Medien an Bedeutung gewonnen haben. Die Europäische Kommission muss sich nun mit dieser Entwicklung beschäftigen. Die personell aufgestockte Behörde ist eine Möglichkeit, um den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass diese Daten nicht dazu missbraucht werden, um daraus einen politischen Nutzen zu ziehen. Diesbezüglich muss vorrangig dafür gesorgt werden, dass bei den Wahlen gleiche Voraussetzungen für alle herrschen und dass keine Gruppe einen Vorteil aus der Nutzung von Daten ziehen kann.

1.6.

Um jedoch zu gewährleisten, dass die Behörde ordnungsgemäß funktioniert, bedarf es verlässlicher Parameter in Bezug auf ihre Befugnisse und Zuständigkeiten. Derzeit sorgen die Datenschutzbehörden der Mitgliedstaaten dafür, dass es nicht zu einem Missbrauch von Daten durch die politischen Parteien kommt. Die Bedingungen der Zusammenarbeit zwischen der Behörde und den nationalen Datenschutzbehörden müssen ordnungsgemäß festgelegt werden. In vielen Mitgliedstaaten leiden die Datenschutzbehörden unter einer begrenzten Mittel- und Personalausstattung. Die Kommission sollte daher in Erwägung ziehen, sie finanziell zu unterstützen, um eine Zusammenarbeit mit der Behörde zu ermöglichen.

1.7.

Der EWSA hat in seiner Stellungnahme zum Schutz personenbezogener Daten (2) auf mögliche Probleme hingewiesen, die durch den Missbrauch von Daten entstehen können, und sich mit den problematischen Bereichen befasst.

1.8.

Der EWSA befürwortet die personelle Aufstockung der Behörde, da er der Ansicht ist, dass die Behörde mit dieser Mitarbeiterzahl besser gerüstet ist für eine Zusammenarbeit mit den nationalen Datenschutzbehörden, um so zu gewährleisten, dass Datenschutzverletzungen ordnungsgemäß untersucht und entsprechende Sanktionen verhängt werden.

1.9.

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass sich das Verfahren für die Wahl zum Europäischen Parlament in jedem Mitgliedstaat nach seinen einzelstaatlichen Bestimmungen richtet. Der EWSA erwartet ferner, dass Verstöße gegen Datenschutzvorschriften der Behörde entweder von den Datenschutzbehörden oder von einzelnen Parteien gemeldet werden.

2.   Hintergrund der Stellungnahme

2.1.

Jüngste Fälle haben gezeigt, dass Bürger das Ziel von Massendesinformationskampagnen im Internet werden können, die darauf abzielen, Wahlen die Glaubwürdigkeit und Legimitation zu nehmen. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass personenbezogene Daten von Bürgern in rechtswidriger Weise benutzt worden sind, um die demokratische Debatte und freie Wahlen zu beeinflussen.

2.2.

Im Mai 2018 trat die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in Kraft, die strenge Vorschriften für die Verarbeitung und den Schutz personenbezogener Daten enthält. Sie gilt für alle europäischen und nationalen politischen Parteien und sonstigen Akteure im Zusammenhang mit Wahlen, einschließlich Datenvermittlern und Plattformen der sozialen Medien.

2.3.

Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 hat die Europäische Kommission eine Reihe gezielter Änderungen an der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1141/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen (3) vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass die Wahlen nach strikten demokratischen Regeln und unter uneingeschränkter Wahrung der europäischen Werte, insbesondere Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Grundrechte, verlaufen.

2.4.

Diese Änderungen sollen es insbesondere ermöglichen, Sanktionen gegen europäische politische Parteien oder Stiftungen zu verhängen, die durch Verstöße gegen Datenschutzvorschriften Einfluss auf die Wahl zum Europäischen Parlament nehmen bzw. zu nehmen versuchen. Die Sanktionen belaufen sich auf 5 % des Jahresbudgets der betreffenden europäischen politischen Partei oder Stiftung. Die Sanktion wird von der Behörde verhängt. Zusätzlich dürfen die Parteien oder Stiftungen, denen ein Verstoß nachgewiesen wurde, in dem Jahr, in dem die Sanktion verhängt wurde, keine Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union beantragen.

2.5.

Ferner enthält der Vorschlag ein Verfahren, mit dem überprüft werden kann, ob ein von einer nationalen Datenschutzbehörde aufgedeckter Verstoß gegen Datenschutzvorschriften genutzt wurde, um das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament zu beeinflussen. An diesem Verfahren wirkt ein „Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten“ mit, der auf Ersuchen der Behörde tätig wird. Artikel 11 der Verordnung ist diesem Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten gewidmet. Er besteht aus sechs Experten, die von der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat benannt werden, aber nicht bei diesen Organen beschäftigt sind.

2.6.

Um sicherzustellen, dass die Behörde über genügend Personal verfügt, um ihre Aufgaben unabhängig und wirksam wahrzunehmen, wird außerdem vorgeschlagen, ihr Personal um sieben Bedienstete aufzustocken (zusätzlich zu den derzeit drei Bediensteten, zu denen auch ihr Direktor zählt).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA unterstützt die Ziele des Vorschlags und teilt die Auffassung, dass Demokratie einer der Grundwerte ist, die das Fundament der Europäischen Union bilden. Um eine funktionierende repräsentative Demokratie auf europäischer Ebene zu gewährleisten, sehen die Verträge vor, dass die EU-Bürger im Europäischen Parlament direkt vertreten werden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Bürger ihr demokratisches Recht ohne Einschränkungen und unbehindert ausüben können. Eingriffe in die freie Entscheidung während der Wahlen sind undemokratisch und nicht hinnehmbar.

3.2.

Der EWSA stellt fest, dass personenbezogene Daten im Wahlkampf verstärkt genutzt werden. Bei den Wahlen im Vereinigten Königreich 2017 flossen mehr als 40 % der Ausgaben für Wahlwerbung in digitale Kampagnen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass personenbezogene Daten attraktiv sind, um bestimmte Gruppen gezielt anzusprechen. Es ist jedoch nicht hinnehmbar, dass personenbezogene Daten ohne das Wissen der betroffenen Personen weitergegeben werden. Dies stellt eine grundlegende Verletzung der Menschenrechte dar.

3.3.

Die Entwicklung des Internets, die Geschwindigkeit der Informationsübertragung und die globalen Auswirkungen erfordern einen konsequenten Schutz der gespeicherten Daten. Die Datenschutz-Grundverordnung enthält hierzu strenge Vorschriften. Insbesondere müssen personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise und nach Treu und Glauben verarbeitet werden. Politische Parteien dürfen Daten nach der Datenschutz-Grundverordnung derzeit rechtmäßig im Rahmen bestimmter Parameter nutzen. Das „Canvassing“, die Stimmenwerbung im Wahlkampf verläuft zunehmend über die sozialen Medien. Der Versuch, das Canvassing gänzlich zu unterbinden, käme dem demokratischen Prozess nicht unbedingt zugute, da dies die Möglichkeiten der politischen Parteien einschränken würde, ihre potenziellen Wähler über ihr Wahlprogramm zu informieren.

3.4.

Der EWSA unterstreicht die Souveränität der Mitgliedstaaten in Bezug auf Wahlen. Die Kommission muss bei ihrer Arbeit diese Souveränität der Mitgliedstaaten achten. Die EU kann die Sanktionierung nationaler politischer Parteien nicht gesetzlich vorschreiben, da hierfür die Mitgliedstaaten zuständig sind. Daher kann die EU nur Maßnahmen für die Verhängung von Sanktionen gegen politische Parteien auf europäischer Ebene vorschlagen. Zu diesem Zweck schlägt die Kommission eine Änderung der Verordnung vor, die ihr Statut und ihre Finanzierung regelt. Dies wird der Behörde echte Handlungsmöglichkeiten geben, wenn Missbrauch nachgewiesen wurde.

4.   Besondere Bemerkungen und Empfehlungen

4.1.

Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass die Behörde derzeit personell unterbesetzt ist. Die Arbeitsbelastung des Direktors und der beiden Mitarbeiter ist bereits sehr hoch, und die anstehende Wahl zum Europäischen Parlament wird die Belastung nur noch weiter erhöhen. Der EWSA unterstützt daher den Vorschlag, der Behörde ständiges Personal zur Verfügung zu stellen und ihrem Direktor die Befugnisse einer Anstellungsbehörde zu übertragen, da es entscheidend darauf ankommt, dass die Behörde über genügend Personal verfügt, um die Wahlen ordnungsgemäß zu beobachten.

4.2.

Die Nutzung von Daten und die sozialen Medien haben den Wahlkampf der politischen Parteien grundlegend verändert, da potenzielle Wähler mit ihrer Hilfe gezielt angesprochen werden können. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass die sozialen Medien zunehmend genutzt werden, um das Abstimmungsverhalten der Bürger zu beeinflussen. Der EWSA erwartet von der Behörde, dass sie Bereiche untersucht, in denen Verstöße stattfinden könnten, und Möglichkeiten vorschlägt, um dies zu verhindern. Zudem sollte sie ein System von Kontrolle und Gegenkontrolle vorsehen, mit dem sichergestellt wird, dass der Datenschutz und die Nutzung von Daten im Rahmen klar definierter Parameter erfolgen.

4.3.

Der EWSA hält es für erforderlich, zu klären, was eine versuchte Einflussnahme auf die Wahlen durch einen Verstoß gegen die Datenschutzvorschriften genau beinhaltet. Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe sollte erwogen werden, in der die Datenschutzbehörden der Mitgliedstaaten und die Behörde vertreten sind, um bewährte Arbeitsmethoden der Behörde und der Datenschutzbehörden zu ermitteln, da der Datenschutz in der EU keine Grenzen kennt.

4.4.

Der Direktor der Behörde wird nach dem in Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung festgelegten Verfahren ernannt. Er/Sie ist unabhängig und gegenüber den Organen der EU nicht rechenschaftspflichtig. Er/Sie muss jedoch der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament einen Jahresbericht vorlegen, weswegen es möglicherweise ratsam ist, dem EP die Befugnis zu erteilen, Fragen zu diesem Bericht zu stellen und darüber abzustimmen. Dies würde eine gewisse Rechenschaftspflicht der Behörde gewährleisten und die Transparenz dieses Prozesses erhöhen.

Brüssel, den 12. Dezember 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  www.appf.europa.eu.

(2)  ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 123.

(3)  ABl. L 317 vom 4.11.2014, S. 1.