22.3.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 110/112


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ein Europa, das schützt: Saubere Luft für alle“

(COM(2018) 330 final)

(2019/C 110/21)

Berichterstatter:

Octavian Cătălin ALBU

Befassung

Europäische Kommission, 18.6.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Plenums

19.6.2018

 

 

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

27.11.2018

Verabschiedung im Plenum

12.12.2018

Plenartagung Nr.

539

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

129/0/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

In den letzten 30 Jahren hat sich die Luftqualität in der Union dank der Maßnahmen verbessert, die in diesem Zusammenhang auf Unionsebene durchgeführt wurden. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, da bei den wichtigsten Luftschadstoffen zahlreiche Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte zu verzeichnen sind. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, eng zusammenzuarbeiten, da die Luftqualität von entscheidender Bedeutung für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger der EU ist. Der EWSA hält es für wichtig, hinsichtlich der Luftqualität und der Umweltbedingungen Alarm zu schlagen.

1.2.

Nach Auffassung des EWSA muss unbedingt eine Verringerung der durch Gewerbe, öffentliche Einrichtungen, Haushalte und Verkehr verursachten Luftverschmutzung erzielt werden. Die Organe der Union und die Mitgliedstaaten müssen dabei mit positivem Beispiel vorangehen, und es müssen mehr Programme zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger beim Umstieg auf saubere, moderne und energieeffizientere Heizmethoden aufgelegt werden.

1.3.

Da der Verkehr zu den Hauptverursachern der Luftverschmutzung gehört, begrüßt der EWSA das Paket für saubere Mobilität, das mehrere Initiativen umfasst, die zur Senkung der CO2-Emissionen sowie zur Verringerung der Umweltverschmutzung auf lokaler und regionaler Ebene beitragen.

1.4.

Die von der Kommission zur Abhilfe gegen bestimmte Probleme — Stichwort Abgasskandal — vorgeschlagenen zusätzlichen legislativen Maßnahmen oder die Maßnahmen gegen Mitgliedstaaten, die die bestehenden Normen zur Luftreinhaltung nicht eingehalten haben, sind ein Schritt in die richtige Richtung, und der EWSA unterstützt diesen Ansatz.

1.5.

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass die neuen Umweltvorschriften — etwa im Verkehrsbereich — mit Maßnahmen zur wirtschaftlichen Unterstützung einhergehen müssen, um die Innovation und die Entwicklung neuer sauberer Technologien zu fördern, wie beispielsweise Batterien, Elektroautos und alternative Heizungs- und Belüftungsanlagen.

1.6.

Der EWSA ist besorgt, da im landwirtschaftlichen Bereich zwar Fortschritte bei der Verringerung der Luftverschmutzung erzielt wurden, diese aber nicht ausreichen. Der EWSA empfiehlt für die Zukunft, die Gemeinsame Agrarpolitik, neben anderen Finanz- und Investitionsinstrumenten, stärker auf Initiativen zur Verringerung der Umweltauswirkungen auszurichten und im Hinblick auf Beihilfen, die Landwirten für die Durchführung von Programmen zur Erreichung dieser Ziele gewährt werden, konsistenter und kohärenter zu gestalten. Eine gute Idee in diesem Zusammenhang sind Genossenschaften, in denen die Landwirte aus landwirtschaftlichen Abfällen Biogas und daraus elektrische Energie erzeugen.

1.7.

Die internationale Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung für die Bekämpfung der Umweltverschmutzung und des Klimawandels und der EWSA begrüßt den breiten Konsens zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens von Paris. Eine ganz besondere Rolle kommt in diesem Zusammenhang dem Austausch bewährter Verfahren sowie dem Netz der Umweltdiplomatie zu. Darüber hinaus sind konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen in den Mitgliedstaaten erforderlich, um die Ziele des Übereinkommens zu erreichen.

1.8.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, eng zusammenzuarbeiten, da die Luftqualität von entscheidender Bedeutung für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger der EU ist. Zudem empfiehlt der EWSA eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission einerseits und der Zivilgesellschaft und den Vertretern der lokalen und regionalen zivilgesellschaftlichen Organisationen andererseits, um Umweltschutzprogramme sowie Kampagnen zur Aufklärung, Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit in Bezug auf die Luftqualität zu konzipieren und durchzuführen.

2.   Einleitung

2.1.

In den letzten 20 bis 30 Jahren hat sich die Luftqualität in der Union deutlich verbessert, was einschlägigen spezifischen Strategien der Union und der Mitgliedstaaten zu verdanken ist, die auf ein Luftqualitätsniveau abzielen, das nicht mit negativen Auswirkungen und signifikanten Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt einhergeht. So ist — trotz eines Anstiegs des BIP der Union — der Luftschadstoffausstoß gesunken, bei Ammoniak um 8 % und bei Schwefeloxiden um 72 % (1).

2.2.

Die Luftqualität ist von maßgeblicher Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung. Die wichtigsten Quellen der Luftverschmutzung sind Feinstaub (PM — particulate matter) (PM10 und PM2,5) sowie bodennahes Ozon, das direkt von den Stickoxiden (NOx) beeinflusst wird, die in die Luft abgegeben werden. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind 8 % der Todesfälle durch Lungenkrebs und 3 % der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf Feinstaub in der Atemluft zurückzuführen (2). Aus denselben Gründen sind unionsweit mehr als 400 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr zu verzeichnen (3).

2.3.

Angesichts dieser Faktoren ist bei den Bürgerinnen und Bürgern eine zunehmende Besorgnis hinsichtlich des Ausmaßes der Luftverschmutzung festzustellen (4). Deshalb ist durch legislative Maßnahmen auf Unionsebene und auf der Ebene der Mitgliedstaaten das Ziel festgelegt worden, zu einer Luftqualität zu gelangen, die keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung und auf die Umwelt hat; durch eine umfassende Einhaltung der bestehenden Rechtsvorschriften der Union in Sachen Luftqualität soll eine schrittweise Verringerung der Schadstoffemissionen erreicht werden.

2.4.

Die diesbezüglichen Strategien und Maßnahmen der Union beruhen auf drei Säulen:

Säule 1 umfasst die Luftqualitätsnormen, die je nach Schadstoff von allen Mitgliedstaaten seit 2005 bzw. seit 2010 eingehalten werden müssen.

Bei Säule 2 handelt es sich um die unlängst überarbeiteten nationalen Emissionsreduktionsziele, die bis 2020 bzw. 2030 erreicht werden müssen und die einen weiteren Schadstoff umfassen, nämlich Feinstaub (PM2,5).

Die Säule 3 betrifft Emissionsnormen für die wichtigsten Verschmutzungsquellen, d. h. für Fahrzeuge und Schiffe, Industrieanlagen und Energieerzeugungsanlagen. Im Nachgang zum Abgasskandal wurde im Jahr 2015 das Legislativpaket zu den Emissionen von Fahrzeugen im praktischen Fahrbetrieb angenommen und die Kommission hat neue Normen für niedrigere CO2-Emissionen von neuen PKW, Kleintransportern und schweren Nutzfahrzeugen vorgeschlagen.

2.5.

Laut dem Bericht der Europäischen Umweltagentur zur Luftqualität in Europa für das Jahr 2017 sind die wichtigsten Quellen der Luftverschmutzung in Europa: Verkehr (Straßenverkehr und sonstiger Verkehr), Verfeuerung von Brennstoffen zu gewerblichen Zwecken sowie in öffentlichen Einrichtungen und in Haushalten, Energieerzeugung, industrielle Prozesse, Landwirtschaft und Abfälle (5).

2.5.1.

Der Anteil des Straßenverkehrs an der Gesamtluftverschmutzung beträgt 39 % bei Stickoxiden (NOx), 29 % bei Ruß, 20 % bei Kohlenmonoxid (CO) und 11 % bei Feinstaub (PM10 und PM2,5). Mit dem Paket für saubere Mobilität zielt die Kommission darauf ab, neue CO2-Emissionsnormen für 2025 bzw. 2030 festzulegen. Neue Technologien, etwa im Bereich der Batterien, der alternativen Kraftstoffe und der zugehörigen Infrastruktur, werden durch eine Überarbeitung der einschlägigen Vorschriften (6) und durch Aktionspläne (7) gefördert. Ferner wird durch den neuen Rechtsrahmen des Pakets für saubere Mobilität zur Steigerung der Effizienz — auch der Energieeffizienz — die integrierte Nutzung von Zügen und Lastkraftwagen (8) und zur Verringerung von Staus und Emissionen die Entwicklung von Fernbuslinien (9) gefördert.

2.5.2.

Die Verfeuerung von Brennstoffen zu gewerblichen Zwecken sowie in öffentlichen Einrichtungen und in Haushalten hat den größten Anteil (42 % und 57 %) an der Luftverschmutzung durch Feinstaub (PM2,5 und PM10) und Kohlenmonoxid (CO), aber auch durch Ruß (BC — Black Carbon, ein wichtiger Luftschadstoff, der durch die unvollständige Verbrennung von fossilen Brennstoffen und Biomasse entsteht). Die Werte für die durch diesen Bereich verursachte Luftverschmutzung sind im Zeitraum 2000-2015 praktisch konstant geblieben.

2.5.3.

Die Verringerung der Schadstoffemissionen (um 59 % bei SO2 und um 19 % bei NOx, jeweils bezogen auf den Gesamtwert) aus der Strom- und Wärmeerzeugung konnte dank der Entwicklung und der verstärkten Nutzung von alternativen Energiequellen, durch die Kraft-Wärme-Kopplung, die Modernisierung der Energieerzeugungsanlagen und die Steigerung ihres Wirkungsgrads, die energetische Optimierung von Produktionsprozessen, die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden sowie durch das schrittweise Verbot der Verfeuerung von fossilen Brennstoffen und ihren Ersatz durch Methangas erzielt werden.

2.5.4.

Im Hinblick auf die Verringerung der Emissionen von Industrieanlagen (um 50 % bei flüchtigen organischen Verbindungen außer Methan (NMVOC) und um 17 % bei Feinstaub (PM10) wurden Maßnahmen im Sinne und unter Einhaltung der auf EU-Ebene geltenden Rechtsvorschriften ergriffen. Zur Vermeidung und Überwachung von Verschmutzung muss jede Industrieanlage über eine Betriebsgenehmigung und eine Registrierung verfügen, in denen Grenzwerte für Schadstoffemissionen sowie die erforderlichen Umweltschutzmaßnahmen niedergelegt sind.

2.5.5.

Angesichts der Tatsache, dass die Landwirtschaft 95 % der Ammoniakemissionen (NH3) und 52 % der Methanemissionen (CH4) erzeugt, ist deren Verringerung maßgebend. Einschlägige Ansätze umfassen agronomische Maßnahmen (ausgewogener Einsatz von Stickstoff in den landwirtschaftlichen Betrieben, Nutzung von bodenbedeckenden Kulturen und Leguminosen auf Ackerflächen zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit), Maßnahmen im Bereich der Viehhaltung (Lagerung von Mist und Gülle in geschlossenen Behältern sowie Nutzung in Biogasanlagen), Maßnahmen energetischer Art (Nutzung von Biomasse zum Heizen, Installation von Photovoltaikanlagen, Verringerung des Verbrauchs von herkömmlichen Brennstoffen und Strom) sowie Agrarumweltmaßnahmen (Verbesserung der beruflichen Qualifikation von Landwirten sowie Förderung emissionsarmer landwirtschaftlicher Verfahren).

2.6.

Der EWSA äußert seine Besorgnis hinsichtlich des Zustands der Umwelt. In der Vergangenheit hat er diesbezüglich bereits die Alarmglocke geläutet (10) und betont, „dass mehr Anstrengungen notwendig sind, um Umweltprobleme von vornherein zu verhindern, und dass stets Vorbeugungsmaßnahmen der Vorzug vor Abhilfemaßnahmen gegeben werden sollte“ (11).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA begrüßt die Maßnahmen, die die Union ergriffen hat, um eine Luftqualität zu erreichen, die sich weder auf die Gesundheit der Menschen noch auf die Umwelt negativ auswirkt, vertritt jedoch die Auffassung, dass die Anstrengungen sowohl auf Unionsebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten erheblich verstärkt werden müssen, da die bisher erzielten Ergebnisse nicht umfassend zufriedenstellend sind. Obgleich Fortschritte bei der Verringerung der Schadstoffemissionen erzielt worden sind, wirkt sich die Luftqualität nach wie vor nachteilig auf die Gesundheit der Bevölkerung aus (12).

3.2.

Der EWSA bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die Feinstaubkonzentration in der Luft derzeit in weiten Gebieten der Union die zulässigen Grenzwerte überschreitet. Bei PM10 sind von 19 % der Überwachungsstationen Überschreitungen des zulässigen täglichen Grenzwerts gemeldet worden und bei PM2,5 von 6 % der Überwachungsstationen. Bedauerlicherweise waren 19 % der städtischen Bevölkerung der Union im Jahr 2015 einer unzulässig hohen PM10-Belastung ausgesetzt (Anstieg gegenüber dem Vorjahr); bei PM2,5 waren es 7 % (Rückgang gegenüber dem Vorjahr).

3.3.

Der EWSA weist darauf hin, dass in Mittel- und Osteuropa in Millionen von Haushalten mit Holz und Kohle geheizt wird. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation trägt diese Praxis in Mittel- und Osteuropa zur derzeitigen und zukünftigen Belastung der Luft durch PM2,5 bei, die auf dem Stand des Zeitraums 2010-2015 stagniert (13). Es sind verstärkte Maßnahmen erforderlich, um die Bevölkerung beim Umstieg auf sauberere Wärmequellen zu unterstützen und sie einzubinden.

3.4.

Ferner bringt der EWSA seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die jährlichen Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) in 22 Mitgliedstaaten — bei 10 % der Überwachungsstationen — erheblich überschritten werden, wobei in einigen Großstädten Werte verzeichnet werden, die mehr als das Doppelte der zulässigen Normen betragen.

3.5.

Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass sowohl für die Bevölkerung als auch für die Wirtschaft die Luftqualität von entscheidender Bedeutung ist (14). Daher müssen die europäischen und nationalen Entscheidungsträger konkrete Schritte unternehmen, um in diesem Bereich einen Rechtsrahmen zu schaffen und durchzusetzen.

3.6.

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass es im Hinblick auf die Verringerung der Schadstoffemissionen durch Gewerbe, öffentliche Einrichtungen und Haushalte unbedingt erforderlich ist, dass die Mitgliedstaaten mit Unterstützung der Kommission die Energieeffizienz der Gebäude entschlossen voranbringen und durch Modernisierungsmaßnahmen steigern, den Wirkungsgrad der Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen verbessern, die städtischen Fernwärmenetze ausbauen und modernisieren und alternative Klimaanlagen fördern. Ein Beispiel hierfür ist der Sitz der Europäischen Zentralbank, an dem eine innovative und ökologische Heizungs- und Belüftungsanlage verwendet wird.

3.7.

Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass die Luftverschmutzung in Innenräumen keineswegs vernachlässigt werden darf. Die Qualität der Luft, die wir in Innenräumen einatmen, ist von wesentlicher Bedeutung für unsere Gesundheit, insbesondere bei schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen. Rauchen, Kochen, Feuchtigkeit, Belüftungsanlagen, brennende Kerzen, Reinigungsmittel, Wachs oder Lack, bestimmte Baustoffe — all das kann in erheblichem Maße zu einer Verschmutzung der Luft in Innenräumen führen. Deshalb ist unbedingt eine kohärente Strategie erforderlich, um gesunde Gebäude sicherzustellen.

3.8.

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam mit der Kommission ein neues Stadtentwicklungskonzept ausarbeiten und umsetzen sollten, das u. a. auf die Einführung eines umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrs abzielt, verschiedene Anreize für die Elektro- und Hybridmobilität bietet, IT-Anwendungen zur Warnung der Bürger im Falle einer Überschreitung der zulässigen Höchstwerte für Luftschadstoffe nutzt und mit dem Ziel einer deutlich besseren Luftqualität die Ausweitung der Grünflächen in den Städten fördert.

3.9.

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen und Daten zur Luftqualität von erheblicher Bedeutung für die Bekämpfung der Luftverschmutzung ist (15). Informations- und Aufklärungskampagnen können die Öffentlichkeit für die Gefahren der Luftverschmutzung und die Auswirkungen des Handelns jedes Einzelnen sensibilisieren. Das Engagement von Müttern, die sich wegen der Schadstoffbelastung Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder machen, für die Luftreinhaltung muss zur Kenntnis genommen und gewürdigt werden. Diese Frauen betrachten Einschränkungen bei der Umweltnutzung als Beschneidung ihrer Bürgerrechte.

3.10.

Der EWSA begrüßt die Initiative von Nichtregierungsorganisationen und Bürgerinnen und Bürgern, die sich an die zuständigen Gerichte gewandt haben, um die Behörden ihres Mitgliedstaats zur Einführung zusätzlicher Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung zu zwingen. In der Tschechischen Republik, in Deutschland, in Italien und im Vereinigten Königreich haben die Gerichte zugunsten der Kläger entschieden (16).

3.11.

Nach Auffassung des EWSA müssen — neben den Zielen für die Erzeugung erneuerbarer Energie — Strategien zur Reduzierung der CO2-Emissionen ausgearbeitet und so gestaltet werden, dass sie sich tatsächlich auf die Umwelt auswirken, ohne die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten zu ersticken.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Die Kommission legt besonderen Wert auf die Einhaltung der Fahrzeugabgasnormen, insbesondere nach dem Abgasskandal, und führt Maßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung der durch die einschlägigen Rechtsvorschriften der Union vorgeschriebenen Pflichten durch.

4.2.

In dieser Hinsicht unterstützt der EWSA die Position der Kommission, die die Mitgliedstaaten aufgefordert hat, alle denkbaren Änderungen und Verbesserungen zu prüfen, sodass die von diesen Fahrzeugen erzeugten Abgase innerhalb der geltenden Grenzwerte verbleiben, und bei Nichterfüllung dieser Bedingungen Vorschläge zum verpflichtenden und/oder freiwilligen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge vorzulegen.

4.3.

Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission, Vertragsverletzungsverfahren gegen 16 Mitgliedstaaten wegen der Luftverschmutzung durch Feinstaub PM10 sowie gegen 13 Mitgliedstaaten wegen der Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid (NO2) einzuleiten, und empfiehlt den betreffenden Mitgliedstaaten, so bald wie möglich Maßnahmen zu ergreifen, durch die die Zeiträume, in denen die Grenzwerte überschritten werden, verkürzt oder ausgeschaltet werden können.

4.4.

Ferner begrüßt der EWSA den Beschluss der Kommission, gegen drei Mitgliedstaaten (Ungarn, Italien und Rumänien) wegen Nichteinhaltung der Grenzwerte für die Luftverschmutzung durch Feinstaub PM10 und gegen drei weitere Mitgliedstaaten (Frankreich, Deutschland und Vereinigtes Königreich) wegen Nichteinhaltung der Grenzwerte für die Luftverschmutzung durch NO2 beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben. Die sechs genannten Mitgliedstaaten sind der Aufforderung, konkrete und wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung auf die zulässigen Grenzwerte vorzuschlagen, nicht rechtzeitig nachgekommen.

4.5.

Angesichts der hohen, durch Kraftfahrzeuge verursachten Luftverschmutzung begrüßt der EWSA die von der Kommission im Rahmen der Pakete zur Mobilität vorgeschlagenen Emissionssenkungsmaßnahmen, u. a. die Richtlinie über saubere Fahrzeuge, neue CO2-Emissionsnormen für Pkw und schwere Nutzfahrzeuge, einen Aktionsplan zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und eine Batterieinitiative. Diese Maßnahmen werden auch dazu beitragen, die Emissionen, um die es in dieser Stellungnahme geht, zu senken.

4.6.

Der EWSA begrüßt die von der Kommission vorgeschlagenen neuen Normen, mit denen auf eine erhebliche Verbesserung der Qualität und der Unabhängigkeit der vor dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen durchzuführenden Typgenehmigungs- und Prüfungsverfahren sowie auf eine wirksamere Kontrolle der bereits auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge abgezielt wird. In der Verordnung zur Einführung dieser Normen, die im September 2020 in Kraft treten soll, wird am Verbot von Abschalteinrichtungen festgehalten, eine Senkung der Grenzwerte für die Schadstoffemissionen von Fahrzeugen angestrebt und der erforderliche Rechtsrahmen für eine Umstellung auf emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge geschaffen.

4.7.

Angesichts der hohen Schadstoffemissionen an Ammoniak (NH3) und Methan (CH4) aus der Landwirtschaft (17) sind unbedingt aktive Maßnahmen zur Verringerung dieser Emissionen erforderlich. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Gemeinsame Agrarpolitik in den nächsten Jahren verstärkt darauf ausgerichtet werden muss, einzelne Landwirte und landwirtschaftliche Genossenschaften bei ihren Anstrengungen zur Verringerung der Schadstoffemissionen zu unterstützen und ihren Zugang zu Finanzierungen der europäischen Kreditinstitute zu erleichtern, sodass die Programme zur Verringerung der Schadstoffemissionen durchgeführt werden können. Ferner sollten im Rahmen künftiger GAP-Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums Agrarumweltmaßnahmen zur Senkung dieser Emissionen vorgesehen werden.

4.8.

Der EWSA bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass trotz der im Agrarsektor durchgeführten Maßnahmen im Zeitraum 2000 bis 2015 und der Bemühungen der Landwirte die NH3- und CH4-Emissionen jeweils nur um 7 % zurückgegangen sind. Infolge der zunehmenden Tierhaltung stiegen die NMVOC-Emissionen (flüchtige organische Verbindungen außer Methan), die insbesondere auf Viehdung zurückzuführen sind, EU-weit um 6 % an; die Emissionen pro Kilogramm Fleisch gingen hingegen zurück.

4.9.

Angesichts der Tatsache, dass die Luftverschmutzung ein grenzüberschreitendes Phänomen darstellt, ist es nach Auffassung des EWSA unbedingt erforderlich, dass die Mitgliedstaaten — gemäß den auf Unionsebene vereinbarten Zielen und Grundsätzen — koordiniert vorgehen und zugleich den Grundsatz der Subsidiarität wahren. Es gibt diesbezügliche Erfolgsbeispiele, und wir müssen möglichst viele derartige Initiativen unterstützen.

4.10.

Der Ausschuss ist überzeugt, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten im Sinne einer besseren Harmonisierung der europäischen und nationalen Strategien eng mit der Zivilgesellschaft, die die Bevölkerung sensibilisiert sowie Programme auf lokaler und regionaler Ebene ausarbeitet, zusammenarbeiten müssen.

4.11.

Der EWSA begrüßt den in der Europäischen Union bestehenden breiten Konsens bezüglich des Klimaschutzübereinkommens von Paris und vertritt die Auffassung, dass die EU ihre Anstrengungen im Geiste dieses Konsenses verfolgen und auf die Verwirklichung der gesteckten Ziele hinarbeiten muss, was auch zu einer besseren Luftqualität führen wird.

4.12.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten, die das noch nicht getan haben, auf, Strategien zur Abschaffung der Kohle als Energiequelle auszuarbeiten. Sieben Mitgliedstaaten haben die Kohle bereits aus dem Energiemix ausgeschlossen und neun weitere planen einen derartigen Schritt (18).

4.13.

Nach Auffassung des EWSA sollte die Union bewährte Verfahren auch mit internationalen Partnern austauschen. Wir können die Auswirkungen der Luftverschmutzung in anderen Teilen der Welt nicht ignorieren, da sie sich sowohl direkt als auch indirekt auf uns auswirken können. Das Netz der Umweltdiplomatie und eine kohärente Entwicklungspolitik sind wichtiger denn je.

Brüssel, den 12. Dezember 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Air quality in Europe — 2017 report (Luftqualität in Europa — Bericht für 2017).

(2)  Weltweit atmen neun von zehn Menschen verschmutzte Luft, aber es gibt inzwischen immer mehr Länder, die Gegenmaßnahmen ergreifen.

(3)  Air quality in Europe — 2017 report (Luftqualität in Europa — Bericht für 2017).

(4)  Spezial-Eurobarometer 468 „Einstellung der europäischen Bürger gegenüber der Umwelt“.

(5)  Air quality in Europe — 2017 report (Luftqualität in Europa — Bericht für 2017).

(6)  COM/2017/0653 final — 2017/0291 (COD)

(7)  COM/2017/0652 final

(8)  COM/2017/0648 final — 2017/0290 (COD)

(9)  COM/2017/0647 final — 2017/0288 (COD)

(10)  ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 134.

(11)  ABl. C 283 vom 10.8.2018, S. 83.

(12)  Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 23/2018.

(13)  Weltgesundheitsorganisation: Residential heating with wood and coal: health impacts and policy options in Europe and North America (Wohnraumbeheizung mit Holz und Kohle: gesundheitliche Auswirkungen und strategische Optionen in Europa und Nordamerika).

(14)  Spezial-Eurobarometer 468 „Einstellung der europäischen Bürger gegenüber der Umwelt“.

(15)  Air quality in Europe — 2017 report (Luftqualität in Europa — Bericht für 2017).

(16)  Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 23/2018.

(17)  Markus Amann, Measures to address air pollution from agricultural sources (Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung aus landwirtschaftlichen Quellen).

(18)  Overview: National coal phase-out announcements in Europe (Überblick: Ankündigungen der europäischen Staaten zum Kohleausstieg).Europe Beyond Coal (Europa nach der Kohle).