10.10.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 367/61


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — FinTech-Aktionsplan: Für einen wettbewerbsfähigeren und innovativeren EU-Finanzsektor

(COM(2018) 109 final)

(2018/C 367/12)

Berichterstatter:

Petru Sorin DANDEA

Befassung

Europäische Kommission 10.4.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

27.6.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

12.7.2018

Plenartagung Nr.

536

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

126/1/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt den Plan der Kommission und ist der Auffassung, dass die FinTech-Entwicklung im Rahmen des europäischen Finanzsektors den europäischen Unternehmen und ihren Kunden zahlreiche Vorteile bringen kann.

1.2.

Der von der Kommission vorgelegte Plan könnte Anreize für die Entwicklung von Kapitalmärkten schaffen, wie auch für kleine und mittlere Unternehmen im Finanzsektor.

1.3.

Der Ausschuss vertritt die Meinung, dass die Maßnahmen des FinTech-Aktionsplans zur Erhöhung der Cybersicherheit und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors wichtig sind, aber durch Vorschriften ergänzt werden müssen, die für eine einheitliche FinTech-Entwicklung in der EU sorgen. Überdies müssen für die Akteure im FinTech-Bereich die gleichen Regeln gelten wie für den Finanzsektor, insbesondere was die Widerstandsfähigkeit, die Cybersicherheit und die Aufsicht betrifft.

1.4.

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass es von grundlegender Bedeutung ist, das Recht auf Übertragbarkeit von personenbezogenen Daten im Einklang mit der Richtlinie über Zahlungsdienste umzusetzen, wenn gleiche Ausgangsbedingungen für den Zugang zu den Kundendaten im Rahmen dieser Richtlinie und der Datenschutzverordnung gewährleistet werden sollen.

1.5.

In Anbetracht der Entwicklungen von Kryptowährungen und der hohen Preisschwankungen, denen sie unterworfen sind, empfiehlt der EWSA der Kommission, die Lage auf diesem Gebiet in Zusammenarbeit mit den europäischen Aufsichtsbehörden fortwährend genau zu überwachen. Falls erforderlich, müssen auf europäischer Ebene alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden, damit die Sicherheit und Stabilität des Finanz- und Wirtschaftssystems zu keinem Zeitpunkt und in keiner Weise gefährdet werden können.

1.6.

Laut neuesten Studien führt die Einführung von Technologien im Finanzbereich zu einem massiven Arbeitsplatzverlust in der Finanzwirtschaft. Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, aktive Maßnahmen für den Arbeitsmarkt zu planen und umzusetzen, damit Arbeitnehmer, die von der Einführung technischer Innovationen im Finanzdienstleistungsbereich betroffen sind, so schnell wie möglich eine neue Arbeit finden können.

1.7.

Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Verantwortung von Cloud-Diensteanbietern für die Gewährleistung der Sicherheit der gehosteten Daten durch mögliche Regelungen zu klären. Für diese Anbieter sollten dieselben Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten gelten wie für Unternehmen, die bestimmte Arten von Dienstleistungen auslagern.

2.   Vorschlag der Kommission

2.1.

Mit dem Ziel, einen wettbewerbsfähigeren und innovativeren europäischen Finanzsektor zu fördern, legte die Europäische Kommission am 8. März 2018 einen Aktionsplan für die Nutzung der Möglichkeiten vor, die sich durch technische Innovationen im Finanzdienstleistungsbereich bieten.

2.2.

Der Aktionsplan der Kommission soll es dem Finanzsektor ermöglichen, den raschen Fortschritt neuer Technologien wie Blockchain (1), künstlicher Intelligenz oder Cloud-Dienste zu berücksichtigen und zu nutzen. Nach der Ansicht der Kommission sollte Europa zu einem internationalen FinTech-Zentrum werden, mit Unternehmen und Investoren, die in diesem dynamischen Bereich von den Vorteilen des Binnenmarkts profitieren können.

2.3.

Ausgehend von den Ergebnissen der öffentlichen Konsultation von März bis Juni 2017 sieht die Kommission derzeit wenig Notwendigkeit einer Gesetzesänderung oder einer Regulierung auf EU-Ebene. Es bedarf jedoch einer Reihe spezifischer Initiativen, um die Digitalisierung im Finanzsektor auf EU-Ebene zu übernehmen.

2.4.

Der FinTech-Aktionsplan sieht Maßnahmen vor, die notwendig sind, um den innovativen Geschäftsmodellen eine europäische Dimension zu verleihen, die Einführung der innovativen Technologien im Finanzsektor zu fördern und die Sicherheit und Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors zu verbessern.

2.5.

Zusammen mit dieser Mitteilung bzw. dem Aktionsplan legt die Kommission einen Vorschlag für eine EU-Verordnung für Crowdfunding-Dienstleister für Unternehmen (ECSP) vor, die sowohl investitionsbasiertes als auch kreditbasiertes Crowdfunding abdeckt.

2.6.

Im Hinblick auf die Zulassung als FinTech-Unternehmen hat die Kommission die europäischen Aufsichtsbehörden aufgefordert, die aktuellen Zulassungsanforderungen zu prüfen und der Kommission gegebenenfalls die Anpassung der EU-Rechtsvorschriften im Finanzdienstleistungsbereich zu empfehlen. Im Verlauf des Jahres 2018 wird die Kommission die Entwicklung bei den Kryptowährungen zusammen mit den europäischen Aufsichtsbehörden, der Europäischen Zentralbank und dem Rat für Finanzstabilität weiter beobachten. Ausgehend von der Bewertung der Risiken wird die Kommission prüfen, ob Regulierungsmaßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind.

2.7.

Was gemeinsame Normen und interoperable Lösungen betrifft, wird die Kommission mit dem Europäischen Komitee für Normung und der Internationalen Organisation für Normung zusammenarbeiten, insbesondere im Bereich der Blockchain. Für die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle auf EU-Ebene wird die Kommission die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten dazu aufrufen, Initiativen auf den Weg zu bringen, um Innovation zu fördern. Die Kommission wird zudem die europäischen Aufsichtsbehörden auffordern, die Zusammenarbeit, insbesondere auch die Koordinierung und Verbreitung von Informationen über innovative Technologien, die Einrichtung von Innovationspolen und regulatorischen „Sandkästen“ zu erleichtern.

2.8.

Zur Förderung technologischer Innovationen wird die Kommission eine Expertengruppe einsetzen, die prüfen soll, ob regulatorische Hemmnisse die Finanzinnovationen erschweren. Die Kommission ersucht die Europäischen Aufsichtsbehörden zu prüfen, ob Leitlinien für die Auslagerung an Cloud-Diensteanbieter erforderlich sind. In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Entwicklung von Standardvertragsklauseln für die Inanspruchnahme von Cloud-Diensten durch Finanzinstitute erleichtern und fördern.

2.9.

Die Kommission vertritt die Ansicht, dass der Regulierungs- und Aufsichtsrahmen der EU den im EU-Binnenmarkt tätigen Unternehmen die Möglichkeit geben sollte, Finanzinnovationen zu nutzen und ihren Kunden erstklassige Produkte anzubieten.

2.10.

Die Kommission wird eine öffentliche Konsultation zur weiteren Digitalisierung von aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Informationen über die auf geregelten Märkten in der EU notierten Unternehmen durchführen, einschließlich zur möglichen Einführung eines Europäischen Finanztransparenzportals auf der Grundlage der Distributed-Ledger-Technologie — RegTech.

2.11.

Was die Blockchain betrifft, hat die Kommission im Februar 2018 das „EU Blockchain Observatory and Forum“ aus der Taufe gehoben und eine Durchführbarkeitsstudie zu der Frage auf den Weg gebracht, inwieweit eine öffentliche EU-Blockchain-Infrastruktur die Entwicklung grenzüberschreitender Dienstleistungen fördern könnte. Die Kommission möchte bewerten, ob die Blockchain im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ als Infrastruktur für digitale Dienste eingeführt werden kann. Die Kommission wird ein EU-FinTech-Labor einrichten.

2.12.

Zur Verbesserung der Sicherheit und Widerstandsfähigkeit im Finanzsektor wird die Kommission einen öffentlich-privaten Workshop veranstalten, um in Erfahrung zu bringen und zu bewerten, welche Hindernisse den Informationsaustausch über Cyberbedrohungen zwischen den Finanzmarktteilnehmern einschränken, und um mögliche Lösungen zu finden. Die Kommission fordert die europäischen Aufsichtsbehörden auf, eine Kosten-/Nutzenanalyse zur Entwicklung eines kohärenten Testrahmens für die Cyber-Resilienz bedeutender Marktteilnehmer und Infrastrukturen im gesamten EU-Finanzsektor durchzuführen.

3.   Allgemeine und besondere Bemerkungen

3.1.

Der Ausschuss unterstützt den Plan der Kommission und ist der Auffassung, dass die FinTech-Entwicklung im europäischen Finanzsektor den europäischen Unternehmen und den Verbrauchern zahlreiche Vorteile bietet.

3.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass der FinTech-Aktionsplan für die Vertiefung und Erweiterung von Kapitalmärkten durch die Integration der Digitalisierung äußerst wichtig ist, und damit auch für die Kapitalmarktunion, die weit oben auf der Tagesordnung der EU steht. Des Weiteren kann dieser Aktionsplan den KMU und damit 99 % der Unternehmen auf EU-Ebene erheblichen Anreiz verschaffen, indem ihre Finanzierungsmöglichkeiten vergrößert werden und es ihnen ermöglicht wird, einfachere und zugänglichere Lösungen einzuführen.

3.3.

Der Ausschuss vertritt die Meinung, dass die Maßnahmen des FinTech-Aktionsplans zur Erhöhung der Cybersicherheit und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors wichtig sind, dass sie aber durch Vorschriften ergänzt werden müssen, die für eine einheitliche FinTech-Entwicklung in der EU sorgen.

3.4.

Der EWSA teilt die Ansicht der Kommission, dass der Regulierungs- und Aufsichtsrahmen der EU den im EU-Binnenmarkt tätigen Unternehmen die Möglichkeit geben sollte, Finanzinnovationen zu nutzen und ihren Kunden erstklassige Produkte anzubieten. Allerdings darf das seiner Ansicht nach nicht auf Kosten der Sicherheit gehen. Es bedarf gleicher Ausgangsbedingungen für alle Teilnehmer, unabhängig von der Art und Weise ihrer Teilnahme (2).

3.5.

Die Vorschriften für Finanzinstitute wurden nach der letzten Finanzkrise auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene verschärft. Sie betreffen auch die Cybersicherheit und legen verbindliche Sicherheitsregeln und -normen für Finanzinstitute fest. Der EWSA ist der Auffassung, dass Normen zur Cybersicherheit auch für FinTech-Dienstleister auf EU-Ebene eingeführt werden sollten. Um die einheitliche Anwendung sicherzustellen, sollten diese Normen auf europäischer Ebene festgelegt und sogar global ausgeweitet werden.

3.6.

Der EWSA erinnert daran, dass Cyberangriffe in der Regel über die Grenzen hinweg erfolgen. Derzeit ist der Informationsaustausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten zu den Bedrohungen durch Cyberkriminalität und Cyberangriffe aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften recht begrenzt. Ein höheres Maß an Koordinierung, Regulierung und Beaufsichtigung auf EU-Ebene ist unerlässlich.

3.7.

In Bezug auf Kryptowährungen und insbesondere Kryptobargeld hat man in jüngster Zeit in Europa sehen können, welchen Aufschwung sie nehmen und welchen Preisschwankungen sie ausgesetzt sind. In Anbetracht dieser Entwicklungen, der fehlenden Transparenz und der hohen Risiken, die sie mit sich bringen, empfiehlt der EWSA der Kommission, die Lage auf diesem Gebiet in Zusammenarbeit mit den europäischen Aufsichtsbehörden fortwährend genau zu überwachen. Wenn die Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems zu irgendeinem Zeitpunkt oder auf irgendeine Art und Weise beeinträchtigt werden könnten, müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Diese Maßnahmen müssen in erster Linie für die gesamte EU gelten und daher auf europäischer Ebene getroffen werden.

3.8.

Bei Kryptowährungen zeigt sich, dass technologische Innovationen die Vorschriften sogar in einem stark geregelten Markt umgehen können. In Anbetracht der starken Wertschwankungen, der mangelnden Markttransparenz von Kryptowährungen und der großen Risiken, die für die Investoren damit verbunden sind, empfiehlt der EWSA der Kommission und den Mitgliedstaaten, Methoden zu prüfen, die für die Überwachung von Transaktionen mit Kryptowährungen eingeführt werden sollten.

3.9.

Die Kommission hat die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für die Blockchain-Technologie vorgeschlagen. Der EWSA ist der Auffassung, dass angesichts der hohen Dynamik bei der Entwicklung von Anwendungen im Bereich der Finanztechnologie das Mandat der Beobachtungsstelle auf den ganzen FinTech-Bereich erweitert werden sollte. Blockchain-Anwendungen werfen ebenfalls Fragen der Zuständigkeit und Verantwortung im Hinblick auf die anzuwendenden Rechtsvorschriften auf. Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Kommission für die Lancierung einer Blockchain-Initiative auf Unionsebene, um das Anwendungsmodell zu erklären und die derzeitige Uneinheitlichkeit zu bekämpfen.

3.10.

Es wurde festgestellt, dass die FinTech-Einführung zu massivem Arbeitsplatzverlust im Finanzsektor führt. Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, aktive Maßnahmen für den Arbeitsmarkt zu planen und umzusetzen, damit Arbeitnehmer, die von der Einführung technischer Innovationen im Finanzdienstleistungsbereich betroffen sind, so schnell wie möglich eine neue Arbeit finden können.

3.11.

Die Kommission ist besorgt, dass durch die Auslagerung von Finanzdienstleistungen an Cloud-Dienstleister ein stark konzentrierter Daten- und Informationstransfer entsteht, in dem einige wenige Marktteilnehmer, meistens nicht-europäische Unternehmen, dominieren. Der EWSA empfiehlt der Kommission, im Hinblick auf die Verantwortung von Cloud-Diensteanbietern für die Gewährleistung der Sicherheit der gehosteten Daten mögliche Regelungen in Betracht zu ziehen.

Brüssel, den 12. Juli 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Eine Blockchain ist eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen, sogenannter „Blöcke“, die mittels kryptografischer Verfahren miteinander verbunden und gesichert werden. Eine Blockchain ist so angelegt, dass ihre Daten nicht geändert werden können. Es handelt sich hierbei um eine offene, dezentrale Buchführung, mit der Transaktionen zwischen zwei Parteien wirksam, überprüfbar und kontinuierlich aufgezeichnet werden können. Wenn die Daten einmal aufgezeichnet sind, können sie nicht rückwirkend verändert werden, ohne dass alle nachfolgenden Blöcke geändert werden, da dies nur durch einen Konsens der Mehrheit des Netzes geschehen könnte. (Quelle: Wikipedia, Übersetzung).

(2)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 63.