EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 19.12.2017
COM(2017) 783 final
2017/0349(CNS)
Vorschlag für eine
RICHTLINIE DES RATES
zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Verpflichtung, einen Mindestnormalsatz einzuhalten
BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES VORSCHLAGS
•Gründe und Ziele des Vorschlags
Die Mehrwertsteuer (MwSt) ist die älteste Verbrauchsteuer Europas. 1967 verpflichteten sich die Mitgliedstaaten, ein endgültiges Mehrwertsteuersystem einzurichten, das innerhalb der Europäischen Gemeinschaft genauso funktioniert, als wäre diese ein einziges Land, ohne dass spezifische Regeln für Mehrwertsteuersätze vereinbart wurden, abgesehen von der Anwendung eines Mehrwertsteuer-Normalsatzes; es wurden jedoch keine Mindest- oder Höchstsätze vorgeschrieben.
Die Abschaffung der Steuergrenzen zwischen den Mitgliedstaaten bis Ende 1992 machte eine Überprüfung der Besteuerung des Warenhandels innerhalb der Gemeinschaft notwendig. Das Ziel bestand darin, Waren im Herkunftsland zu besteuern, was der Vorstellung von einem echten Binnenmarkt perfekt entsprechen würde. Da weder die politischen noch die technischen Bedingungen für ein derartiges System gegeben waren, wurde eine Mehrwertsteuerübergangsregelung verabschiedet.
Das Übergangssystem erforderte Regeln für Mehrwertsteuersätze, um nach der Beseitigung der Steuergrenzen Verzerrungen im grenzüberschreitenden Einkauf und Handel zu vermeiden. Im Oktober 1992 einigte sich der Rat auf Regeln, die den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Festsetzung von Mehrwertsteuersätzen einschränkten. Die Mitgliedstaaten mussten bis zum 31. Dezember 1996 einen Mehrwertsteuer-Normalsatz von mindestens 15 % anwenden.
Seither wurde der Mindestsatz von 15 % für den Mehrwertsteuer-Normalsatz sechs Mal verlängert. Gegenwärtig gilt laut Artikel 97 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden die „Mehrwertsteuerrichtlinie“), dass vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2017 der Mehrwertsteuer-Normalsatz mindestens 15 % betragen muss.
Der im Jahr 2016 vorgelegte Mehrwertsteueraktionsplan der Kommission enthält den Vorschlag, die geltende Übergangsregelung zur Besteuerung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten durch endgültige Regelungen zu ersetzen, die auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat der Waren beruht, um einen robusten, einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum zu schaffen. Seit 2010 hat sich auch der Ort der Besteuerung von Dienstleistungen zunehmend in Richtung Bestimmungsland verschoben. Der Beschluss wurde 2008 gefasst, als der Rat einen Vorschlag verabschiedete, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen zu verhindern.
Am 4. Oktober 2017 verabschiedete die Kommission den ersten Vorschlag zur Einführung des endgültigen Systems der Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und legte in ihrem Follow-up zum Mehrwertsteueraktionsplan sukzessive Schritte und Teilschritte zur Einführung dieses Systems dar. Sie kündigte auch an, eine Reform der Mehrwertsteuersätze vorschlagen zu wollen, die im Einklang mit der endgültigen Regelung auf der Grundlage des Bestimmungslandprinzips stehen werde, das die derzeit geltende Übergangsregelung nach und nach ersetzen solle.
Obwohl den Mitgliedstaaten bei einem endgültigen Mehrwertsteuersystem auf der Grundlage des Prinzips der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat mehr Flexibilität bei der Festlegung von Mehrwertsteuersätzen eingeräumt werden könnte, sollte in einem solchen endgültigen Mehrwertsteuersystem ein Mehrwertsteuer-Mindestnormalsatz beibehalten und somit dauerhaft eingeführt werden.
Da derzeit alle Mitgliedstaaten einen Normalsatz von mindestens 17 % anwenden, ist die gegenwärtige Regelung in Bezug auf einen Mindestnormalsatz von 15 % nach wie vor angemessen. Damit wird ein vereinbarter Grenzwert dauerhaft implementiert, der einen gut funktionierenden Binnenmarkt gewährleistet und gleichzeitig den Mitgliedstaaten Spielraum bei der Festsetzung des Mehrwertsteuer-Normalsatzes lässt.
•Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich
Der Vorschlag zielt darauf ab, die bestehende, zeitlich befristete Bestimmung (Artikel 97 der Mehrwertsteuerrichtlinie) dauerhaft zu machen, und steht daher im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften.
•Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Entfällt
2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT
•Rechtsgrundlage
Mit dieser Richtlinie wird die Mehrwertsteuerrichtlinie geändert. Rechtsgrundlage ist Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Laut diesem Artikel erlässt der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der indirekten Steuern.
•Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)
Das Subsidiaritätsprinzip findet insofern Anwendung, als der Vorschlag nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union fällt. Die Ziele des Vorschlags können von den Mitgliedstaaten aus folgenden Gründen nicht ausreichend verwirklicht werden:
Die Europäische Union hat in der Mehrwertsteuerrichtlinie bereits harmonisierte Bestimmungen zur Anwendung der Mehrwertsteuersätze festgelegt. Diese Bestimmungen können nur durch einen Rechtsakt der Union geändert oder verlängert werden, und die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten dürfen nicht von den harmonisierten Bestimmungen abweichen.
Daher kann nur mit einer Maßnahme der Union die Zielsetzung des Vorschlags erreicht und die Gleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger innerhalb der Europäischen Union gewährleistet werden. Der Vorschlag steht daher mit dem Subsidiaritätsprinzip in Einklang.
•Verhältnismäßigkeit
Der Vorschlag entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die derzeitige Situation, in der die Mitgliedstaaten einen Mehrwertsteuer-Normalsatz von mindestens 15 % anwenden, unverändert bleibt.
•Wahl des Instruments
Zur Änderung der derzeitigen Mehrwertsteuerrichtlinie ist eine Richtlinie erforderlich.
3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG
•Ex-post-Bewertungen/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften
Entfällt
•Konsultation der Interessenträger
Vom 21. Dezember 2016 bis zum 21. März 2017 fand eine zwölfwöchige öffentliche Konsultation zu Mehrwertsteuersätzen statt, die 327 Beiträge ergab. Über die Hälfte der Befragten (52 %) sprach sich dafür aus, den derzeitigen Mindestsatz von 15 % beizubehalten; 16 % waren dagegen; 32 % äußerten keine Meinung.
•Folgenabschätzung
Der Vorschlag hat keine wirtschaftlichen, sozialen, regionalen oder ökologischen Auswirkungen, weil alle Mitgliedstaaten die Mindestvorgaben erfüllen und keine Änderungen im nationalen Recht erforderlich sind.
•Effizienz der Rechtsetzung und Vereinfachung
Der Vorschlag steht nicht im Zusammenhang mit REFIT und ist mit keinem Verwaltungsaufwand verbunden.
•Grundrechte
Entfällt
4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT
Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt der Europäischen Union.
5.WEITERE ANGABEN
•Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten
Die Kommission wird weiterhin genau darauf achten, dass die Mitgliedstaaten den Mindestsatz von 15 % für den Mehrwertsteuer-Normalsatz einhalten.
•Erläuternde Dokumente (bei Richtlinien)
Derzeit halten alle Mitgliedstaaten bei der Mehrwertsteuer den Mindestsatz von 15 % ein. Erläuternde Dokumente zur Umsetzung werden nicht benötigt.
•Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags
Mit Artikel 97 wird verhindert, dass der Mindestsatz von 15 % für den Mehrwertsteuer-Normalsatz am 1. Januar 2018 ausläuft, und sichergestellt, dass alle Mitgliedstaaten dauerhaft einen Standardsatz von mindestens 15 % anwenden.
2017/0349 (CNS)
Vorschlag für eine
RICHTLINIE DES RATES
zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Verpflichtung, einen Mindestnormalsatz einzuhalten
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 113,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,
gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Artikel 97 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates sieht vor, dass vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2017 der Normalsatz der Mehrwertsteuer mindestens 15 % betragen muss.
(2)Die Anwendung eines Mehrwertsteuer-Normalsatzes gewährleistet das reibungslose Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und sollte daher beibehalten werden.
(3)Es ist angebracht, den derzeitigen Mindeststandardsatz von 15 % auch in einem endgültigen Mehrwertsteuersystem, das auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat beruht, beizubehalten und ihn dauerhaft zu machen.
(4)Die Richtlinie 2006/112/EG sollte daher entsprechend geändert werden —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Artikel 1
Artikel 97 der Richtlinie 2006/112/EG erhält folgende Fassung:
„Artikel 97
Der Normalsatz muss mindestens 15 % betragen.“
Artikel 2
(1)Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Januar 2018 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.
Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten Bezug auf die vorliegende Richtlinie, entweder in den Vorschriften selbst oder in Form eines Hinweises bei deren amtlicher Veröffentlichung. Die Einzelheiten dieser Bezugnahme regeln die Mitgliedstaaten selbst.
2.Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.
Artikel 3
Diese Richtlinie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Artikel 4
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am […]
Im Namen des Rates
Der Präsident