EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 22.3.2017
COM(2017) 142 final
2017/0063(COD)
Vorschlag für eine
RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts
(Text von Bedeutung für den EWR)
{SWD(2017) 114 final}
{SWD(2017) 115 final}
{SWD(2017) 116 final}
BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES VORSCHLAGS
Allgemeiner Kontext
Die EU-Mitgliedstaaten sind wichtige Partner der Europäischen Kommission bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union. Seit 2004 sind die nationalen Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten (NWB) auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates befugt, gemeinsam mit der Kommission die Wettbewerbsvorschriften der EU anzuwenden. So sind die NWB verpflichtet, die EU-Wettbewerbsvorschriften auf Vereinbarungen und Verhaltensweisen anzuwenden, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnten. Seit mehr als einem Jahrzehnt setzen die Kommission und die NWB das Wettbewerbsrecht der Union in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Wettbewerbsnetz (ECN) durch. Das Europäische Wettbewerbsnetz wurde im Jahr 2004 zu eben diesem Zweck eingerichtet.
Die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union durch die Kommission und die NWB ist eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung eines offenen, wettbewerbsbasierten und innovativen Binnenmarkts, und sie ist von großer Bedeutung für die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wachstum in wichtigen Wirtschaftszweigen, insbesondere im Energiesektor, in der Telekommunikations- und der Digitalbranche sowie im Verkehrssektor.
Das Wettbewerbsrecht der Union bildet eine der wesentlichen Säulen des Binnenmarkts, denn wenn der Wettbewerb verfälscht wird, kann der Binnenmarkt weder sein Potenzial voll entfalten noch die notwendigen Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen. Wenn eine Vertiefung und fairere Gestaltung des Binnenmarkts erreicht werden soll, muss gewährleistet werden, dass die Binnenmarktvorschriften zum Wohle der Verbraucher wirksam durchgesetzt werden. Auf sich allein gestellt hätte die Kommission eine so umfassende Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union nie erreichen können. Die Kommission und die NWB haben seit 2004 mehr als 1000 Durchsetzungsbeschlüsse bzw. entscheidungen erlassen, von denen 85 % auf die NWB entfielen. Ein gemeinsames Vorgehen mehrerer Durchsetzungsbehörden schreckt Unternehmen, die einen Verstoß gegen Wettbewerbsvorschriften der Union in Betracht ziehen, viel stärker und wirksamer ab. Während die Kommission vor allem wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen oder Vereinbarungen nachgeht, die Auswirkungen auf den Wettbewerb in drei oder mehr Mitgliedstaaten haben, oder aber eingreift, wenn die Schaffung eines europaweit geltenden Präzedenzfalls zweckmäßig ist, werden die NWB insbesondere dann tätig, wenn der Wettbewerb in ihrem eigenen Hoheitsgebiet spürbar beeinträchtigt wird. Die NWB verfügen über umfangreiche Kenntnisse über die Funktionsweise der Märkte in ihrem eigenen Mitgliedstaat. Diese Kenntnisse sind für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts von großem Wert. Maßnahmen auf nationaler Ebene fördern eine allgemeine gesellschaftliche Unterstützung für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts.
Gründe und Ziele des Vorschlags
Die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts durch die NWB kann weiter verbessert werden. In der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wird nicht auf die Mittel und Instrumente eingegangen, mit deren Hilfe die NWB das EU-Wettbewerbsrecht in den Mitgliedstaaten anwenden, und viele NWB haben nicht alle Mittel und Instrumente zur Verfügung, die für eine wirksame Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV erforderlich sind:
1. Einige NWB verfügen über keine durchsetzbaren Garantien, dass sie das Wettbewerbsrecht der Union unabhängig und ohne Anweisungen von öffentlichen oder privaten Einrichtungen anwenden können. Bestimmte Behörden haben wegen mangelnder personeller und finanzieller Ressourcen möglicherweise Schwierigkeiten, das Wettbewerbsrecht wirksam durchzusetzen. So sind einige NWB beispielsweise nicht in der Lage, gleichzeitig Nachprüfungen bei allen Mitgliedern eines mutmaßlichen Kartells durchzuführen, sodass die anderen Kartellmitglieder wertvolle Zeit gewinnen, um Beweismittel zu vernichten und sich so der Verfolgung zu entziehen. Anderen NWB mangelt es an den geeigneten forensischen IT-Instrumenten, um Zuwiderhandlungen aufzudecken und die entsprechenden Beweismittel zu erheben.
2. Viele NWB verfügen nicht über alle Mittel, die sie zur wirksamen Aufdeckung und Bekämpfung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht benötigen. Einigen NWB fehlt es an wesentlichen Untersuchungsbefugnissen, etwa zur Erhebung von Beweismitteln auf Mobiltelefonen, Laptops, Tablets usw., was im digitalen Zeitalter einen gravierenden Nachteil darstellt. Ihren Untersuchungsbefugnissen fehlt es häufig an „Biss“, weil die Unternehmen nicht mit wirksamen Sanktionen rechnen müssen, wenn sie sich den Befugnissen nicht beugen.
3. Nicht alle NWB können wirksame Geldbußen verhängen: In einigen Mitgliedstaaten verhindern nationale Gesetze, dass die NWB wirksame Geldbußen für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union verhängen können, weil sich die Unternehmen beispielsweise durch eine Umstrukturierung der Zahlung der Geldbuße entziehen können. Es gibt Mitgliedstaaten, in denen keine bzw. kaum Geldbußen für Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV verhängt werden. Außerdem fallen die Geldbußen sehr unterschiedlich aus: Für ein und dieselbe Zuwiderhandlung drohen einem Unternehmen in bestimmten Mitgliedstaaten möglicherweise sehr viel höhere Geldbußen als in anderen, ohne dass dies durch objektive Umstände gerechtfertigt wäre.
4. Kronzeugenprogramme sind ein wesentliches Instrument zur Aufdeckung von Kartellen. Durch sie werden Unternehmen dazu bewegt, wertvolle Informationen über Kartelle, an denen sie beteiligt sind bzw. waren, preiszugeben, weil sie dadurch einen vollständigen oder teilweisen Geldbußenerlass erlangen können. Unternehmen, die erwägen, einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung zu stellen, muss jedoch ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit geboten werden, damit sie tatsächlich einen Anreiz haben, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Unternehmen in mehreren Mitgliedstaaten einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung stellen, weil das Kartell mehrere Staaten betrifft. Gegenwärtig werden Unternehmen jedoch durch Unterschiede zwischen den Kronzeugenprogrammen in Europa davon abgehalten, wettbewerbswidrige Verhaltensweisen aufzudecken und Beweismittel offenzulegen.
5. Lücken und Beschränkungen bei den Instrumenten und Garantien, mit denen die NWB ausgestattet sind, führen dazu, dass das System der parallelen Zuständigkeiten für die auf Basis einer engen Zusammenarbeit innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes erfolgende Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV untergraben wird. Dieses System beruht darauf, dass die Behörden einander mit der Durchführung von Untersuchungsmaßnahmen beauftragen können. Solange einige NWB jedoch noch nicht über angemessene Untersuchungsinstrumente verfügen, kann das System nicht ordnungsgemäß funktionieren. Außerdem untergräbt die mangelnde Fähigkeit der NWB zur Amtshilfe das europäische System zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, das als kohärentes Gesamtregelwerk konzipiert ist. So können für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörden beispielsweise nicht beantragen, dass von ihnen verhängte Geldbußen grenzübergreifend vollstreckt werden, wenn der Rechtsverletzer in ihrem Hoheitsgebiet über keine rechtliche Präsenz verfügt. Im digitalen Zeitalter vertreiben viele Unternehmen ihre Produkte bzw. Dienstleistungen über das Internet in zahlreiche Länder, verfügen aber möglicherweise nur in einem Mitgliedstaat über eine rechtliche Präsenz. Solche Unternehmen können gegenwärtig davon ausgehen, keine Geldbuße zahlen zu müssen.
Diese Lücken und Beschränkungen bei den Instrumenten und Garantien, mit denen die NWB ausgestattet sind, führen dazu, dass wettbewerbswidrig handelnde Unternehmen abhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie tätig sind, unter Umständen ganz unterschiedlich behandelt werden: In einigen Mitgliedstaaten müssen sie möglicherweise keinerlei Durchsetzungsmaßnahmen auf der Grundlage der Artikel 101 oder 102 AEUV befürchten und in anderen können sie von einer nur begrenzt wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts profitieren, weil es dort beispielsweise nicht möglich ist, entsprechende Beweismittel zu erheben, oder weil Unternehmen sich der Verpflichtung zur Zahlung der Geldbußen entziehen können. Eine unterschiedlich strenge Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union führt zu einer Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt und untergräbt das System der dezentralen Durchsetzung, das durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingeführt wurde.
Deshalb bedarf es eines Gesetzgebungsvorschlags, durch den die NWB in die Lage versetzt werden, das EU-Wettbewerbsrecht wirksamer durchzusetzen, indem er dafür sorgt, dass die NWB über die Unabhängigkeit, die Ressourcen und die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und der Verhängung von Geldbußen verfügen, die sie benötigen. Wenn nationale Hindernisse, die einer wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die NWB entgegenstehen, ausgeräumt werden, trägt dies zur Beseitigung von Verfälschungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt bei, durch die Verbraucher und Unternehmen, einschließlich KMU, benachteiligt und belastet werden. Und wenn die NWB in die Lage versetzt werden, einander wirksam Amtshilfe zu leisten, sorgt dies für einheitlichere Wettbewerbsbedingungen und wahrt die enge Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes.
Der Vorschlag ist Teil des Arbeitsprogramms der Kommission für 2017 und beruht auf den seit 2004 im Europäischen Wettbewerbsnetz gesammelten Erfahrungen im Bereich der Durchsetzung.
Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich
Der Vorschlag ergänzt die Verordnung (EG) Nr. 1/2003, denn die Stärkung der NWB im Hinblick auf die wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts soll dafür sorgen, dass das gesamte Potenzial des durch die Verordnung eingeführten Systems der dezentralen Durchsetzung ausgeschöpft wird. Er sorgt insbesondere für die Konkretisierung der Anforderung des Artikels 35 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, der zufolge die Mitgliedstaaten die NWB so gestalten müssen, dass die Bestimmungen der Verordnung wirksam angewandt werden. Der Vorschlag gewährleistet, dass die NWB mit wirksamen Befugnissen zum Erlass von Entscheidungen und zur Verhängung von Geldbußen ausgestattet werden, und sorgt so dafür, dass die Anforderungen des Artikels 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (durch den die NWB befugt werden, zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV Entscheidungen zu erlassen und Geldbußen zu verhängen) vollständig erfüllt und weiter ausgeführt werden. Da die NWB mit wirksamen Untersuchungsbefugnissen ausgestattet werden, kann die Anforderung des Artikels 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, wonach die NWB in der Lage sein müssen, derartige Maßnahmen im Namen der anderen Mitglieder des Europäischen Wettbewerbsnetzes durchzuführen, volle Wirksamkeit entfalten. In ihrer Mitteilung von 2016 mit dem Titel „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung unterstreicht die Kommission, wie wichtig ein konsequentes, effizientes und wirksames Durchsetzungssystem ist, das gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten das EU-Recht in vollem Umfang anwenden, umsetzen und durchsetzen. Der Mitteilung zufolge stellt die Anwendung und Durchsetzung des EU-Rechts nach wie vor eine Herausforderung dar, sodass im allgemeinen Interesse stärkeres Augenmerk auf die Durchsetzung gerichtet werden sollte.
Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Der Vorschlag steht mit den bestehenden Rechtsvorschriften der Union in anderen Bereichen vollständig im Einklang, insbesondere mit solchen, die den NWB bzw. dem Europäischen Wettbewerbsnetz eine besondere Rolle hinsichtlich Beratung, Zusammenarbeit, Überwachung, Berichterstattung oder Beschlussfassung einräumen.
2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT
Rechtsgrundlage
Der vorliegende Vorschlag stützt sich auf die Artikel 103 und 114 AEUV, da mit ihm mehrere untrennbar miteinander verbundene Ziele verfolgt werden. Konkret soll der Vorschlag 1) durch Stärkung der Durchsetzungsbefugnisse der NWB die Verwirklichung der in den Artikeln 101 und 102 AEUV niedergelegten Grundsätze herbeiführen; 2) dafür sorgen, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verfälscht wird und die Verbraucher und Unternehmen nicht durch nationale Gesetze und Maßnahmen benachteiligt werden, die die NWB an der wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts hindern; 3) aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Gewährleistung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen sicherstellen, dass die gleichen Garantien gelten und die gleichen Instrumente zur Verfügung stehen, wenn das nationale Wettbewerbsrecht parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV angewandt wird und 4) wirksame Vorschriften zur Amtshilfe schaffen, die darauf abzielen, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und des Systems der engen Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu gewährleisten.
Maßnahmen, die bewirken, dass die NWB über die Mittel und Instrumente verfügen, die sie für eine wirksamere Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV benötigen, fallen unter Artikel 103 Absatz 1 AEUV, da sie dazu beitragen, die vollständige Wirksamkeit der Wettbewerbsvorschriften zu gewährleisten. Nach Artikel 103 Absatz 1 ist der Rat befugt, Verordnungen oder Richtlinien „zur Verwirklichung der in den Artikeln 101 und 102 niedergelegten Grundsätze“ zu erlassen. Solche Rechtsvorschriften können nach Artikel 103 Absatz 2 Buchstabe e AEUV erlassen werden, um „das Verhältnis zwischen den nationalen Rechtsvorschriften einerseits und den in diesem Abschnitt enthaltenen oder aufgrund dieses Artikels getroffenen Bestimmungen andererseits festzulegen“, sowie nach Artikel 103 Absatz 2 Buchstabe a AEUV, um „die Beachtung der in Artikel 101 Absatz 1 und Artikel 102 genannten Verbote durch die Einführung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu gewährleisten“.
Allerdings reicht diese Rechtsgrundlage allein nicht aus, da sowohl das Ziel als auch der Inhalt der vorgeschlagenen Richtlinie darüber hinausgehen. Die vorgeschlagene Richtlinie verfolgt das eigenständige Ziel, das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern. Dies soll erreicht werden, indem 1) die nationalen Vorschriften angepasst werden, die die NWB an der wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts hindern, wodurch die Unternehmen und die Verbraucher in Europa einen einheitlicheren Schutz erhalten, 2) zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und einheitlichen Wettbewerbsbedingungen sichergestellt wird, dass die gleichen Garantien gelten und die gleichen Instrumente zur Verfügung stehen, wenn das nationale Wettbewerbsrecht parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV angewandt wird, und 3) wirksame Vorschriften zur Amtshilfe eingeführt werden, die darauf abzielen, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und des Systems der engen Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu gewährleisten.
In einigen Mitgliedstaaten hindert das nationale Recht die NWB daran, bei Zuwiderhandlungen gegen das EU-Wettbewerbsrecht wirksame Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen. Somit sind Unternehmen, die eine solche Zuwiderhandlung in einem Mitgliedstaat begehen, in dem die NWB über keine wirksamen Befugnisse zur Verhängung von Geldbußen verfügen, vor Sanktionen geschützt und haben daher wenig Anreiz, die Wettbewerbsvorschriften der Union einzuhalten. Dies führt zu wachsenden Marktverzerrungen in Europa und untergräbt den Binnenmarkt. Darüber hinaus führen Unterschiede bei den Kernaspekten der Kronzeugenprogramme der verschiedenen Mitgliedstaaten dazu, dass Unternehmen abhängig von der jeweils zuständigen Behörde unterschiedlich behandelt werden. Nur durch ein Vorgehen auf EU-Ebene kann sichergestellt werden, dass in Bezug auf die Gewährung der Kronzeugenbehandlung gemeinsame Grundsätze gelten, sodass einheitlichere Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen entstehen.
Analog dazu können Beschränkungen oder Lücken in der nationalen Gesetzgebung die NWB an der wirksamen Beweiserhebung hindern. Maßnahmen, durch die die Unabhängigkeit der NWB untergraben oder ihre Ressourcen beschränkt werden, stammen zwangsläufig von den Mitgliedstaaten selbst. Beschränkungen der Unabhängigkeit können beispielsweise auf das Bestreben zurückzuführen sein, mehr Einfluss auf die Entscheidungen der Behörde nehmen zu können. Wenn eine Regierung auf eine NWB Einfluss nehmen oder Druck ausüben kann, so kann dies dazu führen, dass sich anstelle einer ordnungsgemäßen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auf der Grundlage der rechtlichen und wirtschaftlichen Argumente politische Erwägungen durchsetzen, was zulasten der im Binnenmarkt tätigen Unternehmen geht.
Derartige Lücken und Beschränkungen bei den Instrumenten und Garantien, mit denen die NWB ausgestattet sind, führen dazu, dass wettbewerbswidrig handelnde Unternehmen möglicherweise keinerlei Durchsetzungsmaßnahmen auf Grundlage der Artikel 101 oder 102 AEUV befürchten müssen oder aber von einer nur begrenzt wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts profitieren, weil es beispielsweise nicht möglich ist, entsprechende Beweismittel zu erheben, oder weil Unternehmen sich der Verpflichtung zur Zahlung der Geldbußen entziehen können. Wenn es Schutzzonen für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen gibt, wird leistungsorientierter Wettbewerb verhindert. Solche Umstände hindern Unternehmen daran, in einen derartigen Markt einzutreten bzw. ihr Niederlassungsrecht auszuüben und auf dem Markt Waren und Dienstleistungen anzubieten. Verbraucher in Mitgliedstaaten, in denen das Wettbewerbsrecht weniger strikt durchgesetzt wird, kommen in geringerem Maße in den Genuss der Vorteile eines wirksamen Vorgehens gegen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, da die Preise für Waren und Dienstleistungen auf einem künstlich hohen Niveau verharren. Somit wird durch die uneinheitliche Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV in Europa der Wettbewerb im Binnenmarkt verfälscht und sein ordnungsgemäßes Funktionieren beeinträchtigt.
Die vorgeschlagene Richtlinie bewirkt zudem insofern eine Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften, als sie sich auch auf die Anwendung der nationalen Wettbewerbsvorschriften bezieht. In der Praxis wenden die meisten NWB in einem konkreten Fall die Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV an. Die vorgeschlagene Richtlinie wird unweigerlich Auswirkungen auf die Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts haben, die parallel von den NWB angewendet werden. Wenn eine NWB in der Frühphase eines Verfahrens Untersuchungsmaßnahmen durchführt, ist oftmals noch nicht absehbar, ob eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels vorliegt, die die Anwendbarkeit des EU-Wettbewerbsrechts zur Folge hat. Daher muss sie davon ausgehen, dass beides der Fall sein kann. Wenn eine NWB also auf die im Vorschlag vorgesehenen Befugnisse zurückgreift, um elektronische Beweismittel zu erheben, so kann dies sowohl für die Anwendung des Unionsrechts als auch für die Anwendung des nationalen Rechts erfolgen. Somit ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine solche parallele Anwendung des nationalen Rechts und der Artikel 101 und 102 AEUV voneinander zu trennen. Wenn bei der parallelen Anwendung des nationalen Rechts und der Artikel 101 und 102 AEUV nicht dieselben Garantien gelten würden und dieselben Instrumente zur Verfügung stünden, so würde dies zu Rechtsunsicherheit führen und wäre kaum mit einheitlichen Wettbewerbsbedingungen vereinbar. Um außerdem einen hinreichenden Schutz des Materials im Zusammenhang mit Kronzeugenbehandlung und Vergleichsverfahren zu gewährleisten, muss dieser nicht nur während des jeweiligen Verfahrens der NWB zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV, sondern auch für die alleinige Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des nationalen Rechts gelten.
Außerdem untergraben Lücken und Beschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit der NWB zur Amtshilfe das europäische System zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, das als kohärentes Gesamtregelwerk konzipiert ist. Dadurch kann eine Mehrheit der NWB beispielsweise weder wesentliche Vollstreckungsmaßnahmen zustellen noch beantragen, dass von ihnen verhängte Geldbußen grenzübergreifend vollstreckt werden, wenn der Rechtsverletzer in ihrem Hoheitsgebiet über keine rechtliche Präsenz verfügt. Solche Unternehmen können gegenwärtig davon ausgehen, keine Geldbuße zahlen zu müssen. Durch das daraus resultierende Unterbleiben einer wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts wird der Wettbewerb zulasten derjenigen Unternehmen verfälscht, die die Vorschriften einhalten, und das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt, insbesondere im digitalen Bereich, untergraben. Der Abbau dieser Unterschiede durch ein System, das die grenzüberschreitende Zustellung von vorläufigen Beschwerdepunkten in Bezug auf mutmaßliche Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV und von Entscheidungen zur Anwendung dieser Artikel sowie die grenzüberschreitende Vollstreckung von durch für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörden verhängten Geldbußen vorsieht, ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, einheitliche Wettbewerbsbedingungen in Europa zu gewährleisten und Verfälschungen des Wettbewerbs zu vermeiden. Außerdem sollten die nationalen Vorschriften hinsichtlich Verjährungsfristen für die Dauer eines etwaigen Verfahrens der NWB eines anderen Mitgliedstaats bzw. der Kommission ausgesetzt werden, um ein reibungsloses Funktionieren des Systems paralleler Zuständigkeiten im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu gewährleisten.
Die Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften mit Blick auf diese spezifischen Ziele, die in der vorgeschlagenen Richtlinie im Einzelnen genannt sind, geht über die reine Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV hinaus und dient vielmehr dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts insgesamt.
Die vorgeschlagene Richtlinie soll somit in Anbetracht ihrer Zielsetzung und ihres Inhalt zu zwei übergeordneten Zielen beitragen: zur wirksamen Anwendung der EU-Wettbewerbspolitik und zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts. Diese beiden Komponenten sind untrennbar miteinander verbunden, denn um zu gewährleisten, dass die NWB befugt sind, das Wettbewerbsrecht wirksam durchzusetzen, müssen Hindernisse in nationalen Rechtsvorschriften beseitigt werden, die zu einer uneinheitlichen Durchsetzung und damit zu Verfälschungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt führen. Verbraucher und Unternehmen dürfen nicht durch nationale Rechtsvorschriften und Maßnahmen benachteiligt werden, die die NWB an der wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts hindern. Aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Gewährleistung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen muss sichergestellt werden, dass im Falle der parallelen Anwendung von Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts und der Artikel 101 und 102 AEUV durch die NWB dieselben Garantien gelten und dieselben Instrumente zur Verfügung stehen. Und schließlich müssen wirksame grenzübergreifende Mechanismen zur Amtshilfe geschaffen werden, um für einheitlichere Wettbewerbsbedingungen zu sorgen und das Funktionieren des Systems paralleler Zuständigkeiten innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu gewährleisten. Diese unterschiedlichen, aber miteinander verknüpften Ziele können nicht durch die Annahme zweier verschiedener Instrumente getrennt voneinander verfolgt werden. So ist es nicht möglich, die vorgeschlagene Richtlinie aufzuteilen in ein erstes Instrument, das sich auf Artikel 103 AEUV stützt und durch das die NWB die Mittel und Instrumente erhalten, die sie für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV benötigen, und ein zweites Instrument, das sich auf Artikel 114 AEUV stützt und durch das die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass bei der parallelen Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts und des Wettbewerbsrechts der Union die gleichen Vorschriften gelten. Deshalb stützt sich dieser Vorschlag auch auf Artikel 114 AEUV.
Subsidiarität
Mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wurde ein System der dezentralen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts eingeführt, dessen Potenzial jedoch noch nicht vollständig ausgeschöpft wird. Die vorgeschlagene Richtlinie soll gewährleisten, dass die NWB das Wettbewerbsrecht auf nationaler Ebene wirksam durchsetzen können, weil sie mit den dafür notwendigen Garantien und Instrumenten ausgestattet werden.
Anwendung von Vorschriften mit grenzübergreifender Dimension durch die NWB
Da die NWB EU-Vorschriften mit grenzübergreifender Dimension anwenden, sollte die EU Maßnahmen ergreifen, um die festgestellten Probleme zu beheben. Durchsetzungsmaßnahmen der NWB eines Mitgliedstaats können Auswirkungen auf den Wettbewerb, die Unternehmen und die Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten haben, da beispielsweise nationale Kartelle in der Regel Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten ausschließen. Wenn die NWB nicht über die für die Durchsetzung notwendigen Mittel und Instrumente verfügen (z. B. wegen mangelnder Ressourcen), kann dies unmittelbare negative Folgen für Verbraucher und Unternehmen nicht nur im Mitgliedstaat der betreffenden NWB selbst, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten haben und zudem die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den NWB in ganz Europa beeinträchtigen. Da Mitgliedstaat X keine Möglichkeit hat, den Mangel an Mitteln und Instrumenten einer NWB in Mitgliedstaat Y zu beheben, kann das Problem nur durch Maßnahmen auf EU-Ebene bewältigt werden.
Gewährleistung einer wirksamen grenzübergreifenden Zusammenarbeit
Nur durch ein Vorgehen auf EU-Ebene kann gewährleistet werden, dass das mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingeführte System der Zusammenarbeit hinreichend funktioniert. Zu den wichtigsten Elementen der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zählen die mit ihr eingeführten Mechanismen zur Zusammenarbeit, die es den NWB ermöglichen, mutmaßlichen Zuwiderhandlungen auch außerhalb der Grenzen ihres Mitgliedstaats nachzugehen. Eine NWB kann eine andere NWB ersuchen, Untersuchungsmaßnahmen in ihrem Namen durchzuführen, um Beweismittel in dem betreffenden Hoheitsgebiet zu erheben. Wie bereits erwähnt, funktioniert dieser Mechanismus jedoch nur begrenzt, solange nicht alle NWB über wirksame Befugnisse zur Durchführung von Nachprüfungen und zur Verlangung von Auskünften verfügen. Dieses Problem kann auf nationaler Ebene kaum angegangen werden. Wenn beispielsweise die NWB in Mitgliedstaat A darauf angewiesen ist, dass die NWB in Mitgliedstaat B Beweismittel bei Unternehmen in dessen Hoheitsgebiet erhebt, aber die NWB in Mitgliedstaat B keine wirksamen Befugnisse dafür hat, dann kann Mitgliedstaat A praktisch nichts ausrichten.
Verknüpfung der Kronzeugenprogramme verschiedener Wettbewerbsbehörden in Europa
Die Kronzeugenprogramme sind miteinander verknüpft, weil Unternehmen oftmals in mehreren EU-Mitgliedstaaten einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung stellen und grenzübergreifende Rechtssicherheit benötigen. Die Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre haben gezeigt, dass eine solche grenzübergreifende Rechtssicherheit von einzeln handelnden Mitgliedstaaten nicht in hinreichendem Maße gewährleistet werden kann. Aufgrund von Unterschieden zwischen den Kronzeugenprogrammen kann ein Antrag auf Kronzeugenbehandlung zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen führen: Vom Geldbußenerlass über eine Geldbußenermäßigung bis hin zu deren Verweigerung ist alles möglich. Für Unternehmen, die erwägen, ein mehrere Mitgliedstaaten umfassendes Kartell offenzulegen, um in den Genuss einer Kronzeugenbehandlung zu kommen, gibt es keine hinreichende Gewissheit, ob und inwieweit sie davon profitieren werden. Vor diesem Hintergrund muss durch eine Initiative auf EU-Ebene sichergestellt werden, dass es eine Kronzeugenregelung gibt, die in vergleichbarer Weise in allen Mitgliedstaaten angewendet wird.
Nationale Rechtsvorschriften können NWB an der wirksamen Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts hindern
Wie im Abschnitt über die Rechtsgrundlage ausgeführt, bewirkt das nationale Recht in manchen Fällen, dass die NWB nicht unabhängig genug sind und über keine wirksamen Instrumente verfügen, um Zuwiderhandlungen gegen das EU-Wettbewerbsrecht aufzudecken und wirksame Geldbußen gegen die betreffenden Unternehmen zu verhängen. Um diesem Problem zu begegnen, sind Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich.
NWB erhalten ohne entsprechende EU-Vorschriften zumeist nicht alle erforderlichen Instrumente
Es wurden umfassende Versuche unternommen, die Mitgliedstaaten durch nichtlegislative Maßnahmen zu freiwilligem Handeln zu bewegen. Die Erfahrung hat jedoch zeigt, dass einige NWB noch immer nicht über die Garantien und Instrumente verfügen, die sie für eine wirksame Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts benötigen. Nach mehr als zehn Jahren ist kaum noch damit zu rechnen, dass die Änderungen, die für ein besseres Funktionieren des mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingeführten Systems der dezentralen Durchsetzung und für die Ausstattung der NWB mit den für eine wirksame Durchsetzung erforderlichen Befugnissen notwendig sind, noch vorgenommen werden. Somit wird das ordnungsgemäße Funktionieren des mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingeführten dezentralen Systems dadurch beeinträchtigt, dass vielen NWB wesentliche Instrumente für die Aufdeckung und Sanktionierung von Zuwiderhandlungen oder aber benötigte Ressourcen fehlen.
Somit ist ersichtlich, dass die bestehenden nationalen Rechtsrahmen im Wettbewerbsbereich allein nicht ausreichen, um die NWB in die Lage zu versetzen, das EU-Wettbewerbsrecht in der gesamten Union wirksamer durchzusetzen. Darüber hinaus hat die Kommission keine Handhabe, um EU-weit geltende Anforderungen in Bezug auf Instrumente für die Untersuchung und Sanktionierung von Zuwiderhandlungen sowie hinsichtlich der Ressourcen und der institutionellen Struktur der NWB für die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts durchzusetzen, solange es solche Anforderungen nicht gibt. Folglich kann ausschließlich eine Initiative auf EU-Ebene dafür sorgen, dass die NWB mit den Befugnissen sowie geeigneten Mitteln und Instrumenten ausgestattet werden, die sie für eine wirksamere Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union benötigen.
Verhältnismäßigkeit
Allgemein sieht der Vorschlag größtenteils Mindeststandards für die Befugnisse der NWB im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts vor. Dadurch ist ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Erreichung der übergeordneten Ziele und der Einzelziele auf der einen Seite und der Vermeidung einer übermäßigen Beeinträchtigung nationaler Traditionen auf der anderen Seite gewährleistet. Die Mitgliedstaaten werden weiterhin die Möglichkeit haben, höhere Standards zu setzen und ihre Vorschriften an die nationalen Besonderheiten anzupassen. So steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, nach eigenem Gutdünken über den strukturellen und organisatorischen Aufbau sowie über die Finanzierung ihrer NWB zu entscheiden, sofern gewährleistet ist, dass diese ihre Aufgaben wirksam erfüllen können. Darüber hinaus sieht die vorgeschlagene Richtlinie auch vor, dass die Mitgliedstaaten, die sich für ein Modell der justiziellen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts entschieden haben, uneingeschränkt daran festhalten können.
Lediglich in Bezug auf die Voraussetzungen für die Gewährung der Kronzeugenbehandlung bei geheimen Kartellen bedarf es präziserer Vorschriften, um die Erzielung eines Mehrwerts mit Blick auf die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zu gewährleisten. Unternehmen werden nur dann Informationen über geheime Kartelle offenlegen, an denen sie beteiligt sind oder waren, wenn sie mit hinreichender Rechtssicherheit davon ausgehen können, dass ihnen die Geldbuße erlassen wird. Die großen Unterschiede zwischen den Kronzeugenprogrammen der einzelnen Mitgliedstaaten führen für Unternehmen, die erwägen, einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung zu stellen, zu einer Rechtsunsicherheit, die sie von der Antragstellung abhalten könnte. Wenn die Mitgliedstaaten im Geltungsbereich dieser Richtlinie strengere oder weniger strenge Vorschriften für die Kronzeugenbehandlung anwenden dürften, dann liefe das nicht nur dem Ziel zuwider, Anreize für potenzielle Antragsteller zu schaffen, um für eine möglichst wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in der Union zu sorgen, sondern wäre darüber hinaus auch kaum mit einheitlichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt zu vereinbaren.
Durch die im Vorschlag vorgesehene Vorgehensweise wird gewährleistet, dass die NWB das Wettbewerbsrecht wirksamer durchsetzen können und gleichzeitig die Eingriffe in die nationalen Besonderheiten auf ein Minimum beschränkt bleiben, da detaillierte Vorschriften nur in den Bereichen vorgesehen sind, in denen dies für eine Stärkung der wirksamen Durchsetzung tatsächlich erforderlich ist.
Eine solche zielgerichtete Vorgehensweise ist keine radikale Abkehr, sondern eine logische Weiterentwicklung der allgemeinen unionsrechtlichen Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten für wirksame Verfahren und Sanktionen zur Durchsetzung des EU-Rechts sorgen müssen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen nationale Vorschriften die volle Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union sicherstellen. Außerdem hat der Gerichtshof erklärt, dass detaillierte nationale Verfahrensvorschriften betreffend die Funktionsweise der NWB die Erreichung des mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 verfolgten Ziels, die wirksame Anwendung der Artikel 101 AEUV und 102 AEUV durch die NWB sicherzustellen, nicht beeinträchtigen dürfen.
Wahl des Instruments
Das Ziel des Vorschlags für eine Richtlinie besteht darin, die Wirksamkeit der NWB zu steigern, ohne ihnen eine Universallösung vorzuschreiben, bei der die Rechtstraditionen und die institutionellen Besonderheiten der Mitgliedstaaten möglicherweise nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten. Daher ist eine Richtlinie das beste Instrument, um zu gewährleisten, dass die NWB über die benötigten Garantien für eine wirksamere Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union verfügen, ohne dass übermäßig in die nationalen Besonderheiten und Traditionen eingegriffen wird. Anders als bei einer Verordnung können die Mitgliedstaaten so die am besten geeigneten Mittel zur Umsetzung der in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen selbst wählen. Außerdem kann durch das flexible Instrument einer Richtlinie sichergestellt werden, dass die NWB über die Unabhängigkeit, die Ressourcen und die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und der Verhängung von Geldbußen verfügen, und gleichzeitig den Mitgliedstaaten Spielraum geboten wird, darüber hinauszugehen, wenn sie dies wünschen.
3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG
Ex-post-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften
Im Zeitraum 2013/2014 hat die Kommission das Funktionieren der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates einer Überprüfung unterzogen. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Analyse wird in der Mitteilung der Kommission von 2014 über zehn Jahre Kartellrechtsdurchsetzung auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates der Schluss gezogen, dass es Spielraum für eine wirksamere Durchsetzung durch die NWB gibt, und es werden eine Reihe von Bereichen genannt, in denen Maßnahmen zur Verbesserung der wirksamen Durchsetzung durch die NWB getroffen werden sollten, um insbesondere dafür zu sorgen, dass diese 1) angemessen ausgestattet und unabhängig sind, 2) ein wirksames Instrumentarium zur Verfügung haben, 3) wirksame Geldbußen verhängen können und 4) über wirksame Kronzeugenprogramme verfügen.
Die Mitteilung aus dem Jahr 2014 stützte sich auf den fünf Jahre nach Erlass der Verordnung 1/2003 vorgelegten Bericht, in dem festgestellt worden war, dass sich die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts durch die Einbindung der NWB verbessert hatte. In der Mitteilung wurde jedoch festgestellt, dass es noch Verbesserungsspielraum gibt, insbesondere wenn es darum geht zu gewährleisten, dass die NWB über wirksame Durchsetzungsbefugnisse und Instrumente zur Verhängung von Geldbußen verfügen.
Konsultation der Interessenträger
Vom 4. November 2015 bis zum 12. Februar 2016 führte die Kommission eine öffentliche Konsultation in Form einer zweigeteilten EU-Erhebung durch: Der erste Teil, der sich an Interessenträger ohne besondere Fachkenntnisse im Wettbewerbsbereich richtete, enthielt allgemein gehaltene Fragen, während im zweiten Teil Interessenträger, die über gewisse Fachkenntnisse/Erfahrung verfügten, zu wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten befragt wurden.
Die Konsultation stützte sich auf die Mitteilung der Kommission über zehn Jahre Kartellrechtsdurchsetzung auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, in der eine Reihe von Bereichen genannt worden waren, in denen die Befugnisse der NWB zur Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts gestärkt werden sollten. Vor diesem Hintergrund bezieht sich der zweite Teil der Konsultation auf folgende vier Themen: i) Ressourcen und Unabhängigkeit der NWB, ii) Durchsetzungsinstrumente der NWB, iii) Befugnisse der NWB zur Verhängung von Geldbußen gegen Unternehmen und iv) Kronzeugenprogramme.
Es gingen 181 Antworten von den verschiedensten Interessenträgern ein: Privatpersonen, Anwaltskanzleien und Beratungsfirmen, Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, Verbraucherorganisationen, Hochschuleinrichtungen, Nichtregierungsorganisationen, Think Tanks, Gewerkschaften und Behörden sowie Ministerien und NWB aus der EU sowie aus Drittstaaten.
76 % der Befragten waren der Meinung, dass die NWB mehr für die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts tun könnten. Darüber hinaus befürworteten 80 % der Befragten, dass Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die NWB voranzubringen. Aufgeschlüsselt nach den einzelnen Teilnehmerkategorien befürworteten dies 100 % der Hochschuleinrichtungen, Verbraucherorganisationen, Gewerkschaften und NWB, 86 % der NRO, 84 % der Beratungsfirmen/Anwaltskanzleien, 77 % der Unternehmen/KMU/Kleinstunternehmen/Einzelunternehmer, 67 % der Think Tanks und 61 % der Wirtschaftsverbände. 64 % der Teilnehmer der öffentlichen Konsultation sprachen sich dafür aus, dass dies möglichst durch eine Kombination aus Maßnahmen auf EU-Ebene und auf Ebene der Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollte, während 19 % der Befragten nur EU-Maßnahmen und 8 % nur Maßnahmen der Mitgliedstaaten wünschten.
Zusätzlich zu der öffentlichen Konsultation führten der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments und die Kommission gemeinsam am 19. April 2016 eine öffentliche Anhörung durch, in deren Rahmen Fachleute und Interessenträger eine zusätzliche Gelegenheit erhielten, ihre Standpunkte zu der öffentlichen Konsultation mitzuteilen. Im Anschluss an die Anhörung selbst fanden zwei Podiumsdiskussionen zu den vier Themen der öffentlichen Konsultation statt. Die Diskussionsteilnehmer, darunter etwa 150 Interessenträger aus Wissenschaft, (großen und kleinen) Unternehmen, Beratungsfirmen, Wirtschaftsverbänden, Anwaltskanzleien, Presse und Behörden sowie Privatpersonen, äußerten breite Zustimmung für die Ziele der Initiative.
Außerdem fanden zwei Sitzungen mit den zuständigen Ministerien statt, bei denen diese vorläufiges Feedback geben konnten. Am 12. Juni 2015 wurden die Ministerien von der Kommission über die wichtigsten von der Kommission festgehaltenen Punkte informiert. Am 14. April 2016 wurden den Vertretern der Ministerien und der NWB im Rahmen eines zweiten Treffens die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation mitgeteilt.
Die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation, der öffentlichen Anhörung und der beiden Sitzungen mit den Ministerien wurden in dem Vorschlag berücksichtigt.
Einholung und Nutzung von Expertenwissen
Die Kommission hat in Zusammenarbeit mit den NWB umfangreiche Daten erhoben, um sich ein genaues Bild der Lage zu verschaffen.
Folgenabschätzung
Der von der Kommission erstellte Folgenabschätzungsbericht deckt alle wichtigen Aspekte im Zusammenhang mit diesem Vorschlag ab. Es wurden vier politische Optionen untersucht. Die bevorzugte Option, die mit dem vorliegenden Vorschlag umgesetzt wird, sieht eine Rechtsetzungsmaßnahme der EU vor, die gewährleistet, dass die NWB mit den Mitteln und Instrumenten ausgestattet werden, die sie für die wirksame Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts unbedingt benötigen, ergänzt durch nichtlegislative Maßnahmen und detaillierte Vorschriften, soweit dies erforderlich ist.
Die anderen drei im Rahmen der Folgenabschätzung untersuchten Optionen wurden aus folgenden Gründen verworfen: i) Das Basisszenario (keine EU-Maßnahmen) hätte aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zur Erreichung der angestrebten Ziele geführt und die Erwartungen der Interessenträger enttäuscht. ii) Die Option, ausschließlich nichtlegislative Maßnahmen zu ergreifen, würde keine solide Rechtsgrundlage bieten, um zu gewährleisten, dass alle NWB über die Mittel und Instrumente verfügen, die sie für die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts benötigen. Zudem haben die nichtlegislativen Maßnahmen, die bereits vor einigen Jahren eingeführt wurden, nicht bewirkt, dass das Ziel, das Potenzial des mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 geschaffenen dezentralen Systems voll auszuschöpfen, erreicht worden wäre. iii) Die Option, die NWB im Wege von Rechtsetzungsmaßnahmen der EU mit umfassend festgelegten, einheitlichen Mitteln und Instrumenten auszustatten, brächte kaum mehr Vorteile als die bevorzugte Option, wäre aber gleichzeitig mit stärkeren Eingriffen in die nationalen Rechtsordnungen und -traditionen verbunden.
Aus der Beurteilung des Nutzens der bevorzugten Option – sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht (z. B. die positiven Auswirkungen auf den Anstieg der totalen Faktorproduktivität, eines wichtigen Bestandteils des BIP) – geht hervor, dass der Nutzen die Kosten der Umsetzung bei Weitem übersteigen wird.
Der Ausschuss für Regulierungskontrolle der Kommission hat im September 2016 eine Stellungnahme zum Entwurf der Folgenabschätzung und im Dezember 2016 eine befürwortende Stellungnahme abgegeben. Die darin enthaltenen Anmerkungen wurden jeweils ordnungsgemäß berücksichtigt. In Anbetracht dieser Anmerkungen enthält der endgültige Folgenabschätzungsbericht alle verfügbaren Anhaltspunkte zum Nachweis der Problemursachen, nähere Detailangaben zu den in Betracht gezogenen politischen Optionen sowie eine detaillierte Analyse von Kosten und Nutzen der bevorzugten Option, aus der hervorgeht, weshalb der Nutzen des Vorschlags die damit verbundenen Kosten bei Weitem übersteigt. Außerdem wird in der endgültigen Folgenabschätzung näher auf Einschränkungen und Unsicherheiten der quantitativen Schätzungen eingegangen, die von den Interessenträgern im Rahmen der öffentlichen Konsultation vertretenen Standpunkte werden ausführlicher dargelegt, und es wird detaillierter ausgeführt, inwiefern die geprüften Optionen mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.
Wer ist auf welche Weise betroffen?
Die Stärkung der NWB kommt allen Verbrauchern und Unternehmen jeder Größe einschließlich KMU zugute, weil dadurch das Wettbewerbsrecht wirksamer durchgesetzt wird und einheitlichere Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Somit besteht keine Notwendigkeit, den Geltungsbereich beispielsweise dahin gehend anzupassen, dass weniger strikte Vorschriften oder Ausnahmeregelungen für KMU vorgesehen werden.
Nationale Wettbewerbsbehörden
Die NWB werden am stärksten von der Initiative profitieren. Zusammen mit den Unternehmen sind sie auch am unmittelbarsten von ihr betroffen. Sobald der Vorschlag umgesetzt ist, werden alle NWB über wirksame Mittel und Instrumente verfügen, um Beweismittel für Zuwiderhandlungen zu erheben und Geldbußen gegen rechtswidrig handelnde Unternehmen zu verhängen. Diese Mittel und Instrumente werden zudem gewährleisten, dass sie bei der Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts unabhängig agieren können, über die Ressourcen verfügen, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, und sich auf wirksamere Kronzeugenprogramme stützen können. Dies wird es den NWB ermöglichen, wirksame Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen und besser mit anderen Wettbewerbsbehörden in der EU zusammenzuarbeiten, sodass der Wettbewerb auf den Märkten zunehmen wird. Konkret wird der Vorschlag gewährleisten, dass das mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingeführte System der grenzübergreifenden Erhebung und des grenzübergreifenden Austauschs von Informationen effektiv funktioniert. Dies könnte für einige Behörden mit gewissen Zusatzkosten verbunden sein, beispielsweise wenn neue IT-Instrumente bereitgestellt werden müssen, aber diese Kosten dürften sehr gering ausfallen. Da das Ausmaß der erforderlichen Änderungen von der jeweiligen Ausgangslage der einzelnen nationalen Rechtsrahmen abhängt, werden nicht alle NWB gleichermaßen betroffen sein.
Unternehmen
Für die Unternehmen wird die Initiative ebenfalls erhebliche Auswirkungen haben. Erstens, weil die Unternehmen, ebenso wie die Verbraucher, durch die Auswirkungen einer suboptimalen Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften belastet werden, da sie durch höhere Preise ihrer Lieferanten sowie weniger Innovationen und Auswahlmöglichkeiten beeinträchtigt werden und zudem dadurch benachteiligt werden können, dass Konkurrenzunternehmen mit wettbewerbswidrigen Methoden versuchen, sie vom Markt zu verdrängen. Der Vorschlag wird die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die NWB in Europa verbessern und für einheitlichere Wettbewerbsbedingungen sorgen, sodass zum Wohle großer wie kleiner Unternehmen eine Wettbewerbskultur geschaffen wird, die es ihnen ermöglicht, sich in einem fairen Leistungswettbewerb miteinander zu messen und im gesamten Binnenmarkt zu wachsen. Dadurch entstehen auch Anreize für die Unternehmen, ihre Innovationstätigkeit zu erhöhen und eine Palette qualitativ höherwertiger Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die besser auf die Erwartungen der Verbraucher zugeschnitten sind.
Zweitens werden auch Unternehmen, die Gegenstand von Untersuchungen wegen mutmaßlicher Zuwiderhandlungen gegen das EU-Wettbewerbsrecht sind, in gewissem Maße von dem Vorschlag profitieren. Durch die Einführung wirksamer grundlegender Mittel und Instrumente für die NWB werden sich auch die Ergebnisse für die Unternehmen angleichen, sodass die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union berechenbarer wird und die Rechtssicherheit in der EU steigt. Außerdem können die Unternehmen insbesondere in jenen Ländern, in denen es Verbesserungsspielraum gibt, von verbesserten Verfahrensrechten sowie von mehr Rechtssicherheit im Falle eines Antrags auf Kronzeugenbehandlung profitieren. Zunächst könnten zwar gewisse Kosten im Zusammenhang mit der Anpassung an die neuen Verfahrensvorschriften auf die Unternehmen zukommen, insgesamt jedoch dürften für im Binnenmarkt grenzübergreifend tätige Unternehmen die Kosten der Anpassung an die unterschiedlichen Rechtsrahmen sinken.
Gleichzeitig wird es Unternehmen, die in bestimmten Ländern gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, erschwert, den Zugriff der Untersuchungsbehörden auf Beweismittel zu verhindern, einer Geldbuße zu entgehen oder mit einer geringen Geldbuße davonzukommen.
Verbraucher
Die Verbraucher werden beispielsweise in Form höherwertiger Produkte und einer größeren Auswahl von den Vorteilen eines intensiveren Wettbewerbs profitieren. Für die Verbraucher führen die mangelnden Mittel, Instrumente und Kapazitäten der NWB dazu, dass diese die Wettbewerbsvorschriften der Union weniger wirksam durchsetzen können, sodass die Vorteile einer effektiven Durchsetzung nicht voll ausgeschöpft werden. Der Vorschlag wird dafür sorgen, dass die Verbraucher in ganz Europa in gleichem Maße vor Geschäftspraktiken geschützt werden, aufgrund deren die Preise von Waren und Dienstleistungen auf einem künstlich hohen Niveau verharren. In der Folge wird sich die Auswahl an zu erschwinglichen Preisen angebotenen innovativen Waren und Dienstleistungen vergrößern.
Grundrechte
Durch den Vorschlag wird der Schutz der Grundrechte von Unternehmen sichergestellt, die Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Verfahren sind, insbesondere (aber nicht nur) die unternehmerische Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf eine gute Verwaltung und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht (Artikel 16, 17, 41 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union). Die den NWB erteilten wirksamen Befugnisse zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union gehen nicht über das erforderliche und angemessene Maß hinaus. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, geeignete Vorkehrungen im Zusammenhang mit der Ausübung dieser Befugnisse zu schaffen, die mindestens die Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erfüllen und mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts einschließlich des Schutzes der Daten natürlicher Personen im Einklang stehen. Durch diese Vorkehrungen sollte insbesondere die Wahrung der Verteidigungsrechte von Unternehmen sichergestellt werden, die Gegenstand eines Verfahrens zur Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV sind, wozu als wesentlicher Bestandteil das Recht auf Anhörung zählt. Dies schließt unter anderem das Recht auf eine förmliche Mitteilung der Beschwerdepunkte der NWB nach dem EU-Wettbewerbsrecht und ein wirksames Recht auf Akteneinsicht ein, sodass die Unternehmen ihre Verteidigung vorbereiten können. Außerdem sollten Unternehmen, an die endgültige Entscheidungen von NWB zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV gerichtet sind, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zur Anfechtung dieser Entscheidung haben.
Ferner sieht der Vorschlag spezifische Vorkehrungen zur Wahrung der Grundrechte vor. So sollten Nachprüfungen in nichtbetrieblichen Räumlichkeiten nur mit einer entsprechenden Genehmigung der zuständigen Justizbehörde zulässig sein. Der Wahrung der Grundrechte wird zudem in mehreren Bestimmungen Rechnung getragen. So ist vorgesehen, dass NWB Geldbußen sowie verhaltensorientierte oder strukturelle Abhilfemaßnahmen nur verhängen dürfen, soweit diese „angemessen“ sind. Außerdem dürfen NWB Nachprüfungen oder Auskunftsverlangen nur dann durchführen, wenn deren Notwendigkeit durch eine entsprechende Prüfung nachgewiesen wurde.
4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT
Für eine wirksame und effiziente Zusammenarbeit und einen ebensolchen Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten bedarf es einer sicheren Infrastruktur. Das Funktionieren des Europäischen Wettbewerbsnetzes beruht auf Interoperabilität. Im aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) werden diese Maßnahmen hauptsächlich im Rahmen des Programms ISA2 finanziert, sofern Mittel verfügbar sind und die Kriterien und Prioritäten erfüllt werden. Die genauen Auswirkungen des Vorschlags auf den Haushalt in der Zeit nach 2020 werden von den Vorschlägen der Kommission zum nächsten MFR und vom Endergebnis der Verhandlungen zum MFR nach 2020 abhängen. Für Pflege, Weiterentwicklung, Hosting, Betrieb und Unterstützung des zentralen Informationssystems (das vom Europäischen Wettbewerbsnetz betrieben wird) im Einklang mit den einschlägigen Vertraulichkeits- und Datensicherheitsstandards ist ein Richtbetrag von 1 Mio. EUR pro Jahr vorgesehen. Die sonstigen Verwaltungskosten im Zusammenhang mit dem Betrieb des Europäischen Wettbewerbsnetzes, beispielsweise für die Ausrichtung von Sitzungen, die Entwicklung und Bereitstellung von Schulungsprogrammen sowie die Erstellung und Verbreitung von Leitlinien und gemeinsamen Grundsätzen, werden mit 500 000 EUR pro Jahr veranschlagt.
Hinsichtlich Personal ist der Legislativvorschlag haushaltsneutral; er erfordert also keine zusätzlichen Personalressourcen. Einzelheiten dazu sind dem Finanzbogen im Anhang dieses Vorschlags zu entnehmen.
5.WEITERE ANGABEN
Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten
Die Kommission hat einen Durchführungsplan erarbeitet, in dem die wichtigsten Herausforderungen aufgeführt sind, denen die Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Annahme und Umsetzung der Richtlinie begegnen dürften, sowie eine Reihe von Maßnahmen zur Bewältigung dieser Herausforderungen.
Der Durchführungsplan sieht eine einzige Kontaktstelle bei der Kommission in Form eines Funktionspostfachs (funktionelle Mailbox) vor, an das die Mitgliedstaaten alle Fragen im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Richtlinie richten können, und enthält eine Reihe von Maßnahmen, die die Kommission und die Mitgliedstaaten durchführen sollten, um die drei größten umsetzungsbezogenen Herausforderungen bewältigen zu können: a) die zeitplangemäße Umsetzung, b) die Bereitstellung von Schulungen und Unterstützung für die NWB und c) die Gewährleistung der Bereitstellung angemessener Informationen für die Unternehmen.
Die Kommission wird die Umsetzung und Anwendung der Richtlinie sowohl während des Zeitraums bis zum Umsetzungstermin als auch nach der Umsetzung in nationales Recht überwachen.
Fünf Jahre nach dem Termin der Umsetzung wird die Richtlinie einer Ex-post-Evaluierung unterzogen.
Erläuternde Dokumente
Die vorgeschlagene Richtlinie sieht spezifische Maßnahmen vor, durch die gewährleistet werden soll, dass: 1) die NWB tatsächlich über die Unabhängigkeit, die Ressourcen und die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und der Verhängung von Geldbußen verfügen, die sie benötigen, 2) im Falle der parallelen Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts und der Artikel 101 und 102 AEUV durch die NWB dieselben Garantien gelten und dieselben Instrumente zur Verfügung stehen und 3) die NWB einander wirksame Amtshilfe leisten können, um das Funktionieren des Systems der engen Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu gewährleisten. Aus der vorgeschlagenen Richtlinie lassen sich mehrere Rechtspflichten ableiten. Für die wirksame Umsetzung der Richtlinie sind daher spezifische und gezielte Änderungen der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften erforderlich. Damit die Kommission die korrekte Umsetzung überwachen kann, reicht es daher nicht aus, dass die Mitgliedstaaten ihr den Wortlaut der Umsetzungsbestimmungen übermitteln. Vielmehr dürfte eine Gesamtbewertung des neuen nationalen Regelwerks erforderlich sein. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten der Kommission auch erläuternde Dokumente übermitteln, in denen dargelegt wird, mit welchen bestehenden oder neuen Bestimmungen des nationalen Rechts die einzelnen in der vorgeschlagenen Richtlinie festgelegten Maßnahmen umgesetzt werden sollen.
Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags
Der Vorschlag besteht aus den nachstehend erläuterten 10 Kapiteln mit insgesamt 34 Artikeln.
Kapitel I – Gegenstand, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen
In diesem Kapitel werden der Geltungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie und die wichtigsten darin verwendeten Begriffe definiert. Die Begriffsbestimmungen beruhen weitgehend auf der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und der Richtlinie 2014/104/EU über Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen.
Kapitel II – Grundrechte
Durch den Vorschlag wird gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten geeignete Vorkehrungen im Zusammenhang mit der Ausübung der in dem Vorschlag vorgesehenen Befugnisse schaffen. Diese Vorkehrungen müssen zumindest die Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erfüllen und mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts im Einklang stehen. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation äußerten Anwaltskanzleien, Unternehmen und Wirtschaftsverbände einhellig den Wunsch, dass im Zuge der Ausweitung der Befugnisse der NWB zur wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auch die Verfahrensvorkehrungen ausgebaut werden.
Kapitel III – Unabhängigkeit und Ressourcen
Mit diesem Kapitel wird sichergestellt, dass die NWB über die notwendige Unabhängigkeit verfügen. Insbesondere werden Vorkehrungen getroffen, um die Mitarbeiter und das Management von NWB vor äußeren Einflüssen bei der Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften zu schützen, indem i) gewährleistet wird, dass sie ihre Aufgaben und Befugnisse unabhängig von politischer und anderer externer Einflussnahme erfüllen bzw. ausüben können; ii) Weisungen von Regierungen oder anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen ausdrücklich ausgeschlossen werden; iii) sichergestellt wird, dass sie jede Handlung unterlassen, die mit der Erfüllung ihrer Aufgaben und der Ausübung ihrer Befugnisse unvereinbar ist; iv) die Entlassung von Mitgliedern der Entscheidungsgremien der NWB wegen fallspezifischer Entscheidungen verboten wird und v) gewährleistet wird, dass die NWB befugt sind, bei der Bearbeitung der Fälle eigene Prioritäten zu setzen und etwaige Beschwerden mit der Begründung abzuweisen, dass sie diese nicht als prioritär einstufen. Was diesen letzten Punkt betrifft, so greift der Vorschlag nicht in die Vorrechte der Mitgliedstaaten ein, die allgemeinen politischen Ziele festzulegen. Die meisten Teilnehmer der öffentlichen Konsultation sprachen sich für Maßnahmen in Bezug auf all diese Aspekte aus. Unternehmen vertraten insbesondere die Auffassung, dass die NWB ihre Prioritäten nicht in vollem Umfang selbst festlegen und daher nicht in erster Linie gegen die Zuwiderhandlungen vorgehen könnten, die den Wettbewerb am stärksten beeinträchtigen.
Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten in diesem Kapitel ausdrücklich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die NWB über die personellen, finanziellen und technischen Ressourcen verfügen, die sie für die wirksame Erfüllung ihrer Aufgaben nach den Artikeln 101 und 102 AEUV benötigen. Die einschlägige Bestimmung bietet den Mitgliedstaaten eine gewisse Flexibilität für den Fall wirtschaftlicher Schwankungen, ohne jedoch die Wirksamkeit der NWB in Frage zu stellen.
Kapitel IV – Befugnisse
Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnisse und -verfahren sind die wichtigsten Arbeitsinstrumente von Wettbewerbsbehörden. Gegenwärtig gestalten sich die Befugnisse der NWB in Europa jedoch völlig unterschiedlich, und viele NWB sind nicht mit allen erforderlichen Befugnissen ausgestattet. Außerdem haben die Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnisse der NWB einen unterschiedlichen Geltungsbereich, was erhebliche Auswirkungen auf ihre Wirksamkeit haben kann.
Um diesem Problem zu begegnen, sind in dem Vorschlag die grundlegenden wirksamen Untersuchungsbefugnisse (Befugnis zur Durchführung von Nachprüfungen in betrieblichen und anderen Räumlichkeiten sowie von Auskunftsverlangen) und Entscheidungsbefugnisse (Befugnis zum Erlass von Verbotsentscheidungen, zur Verhängung von verhaltensorientierten oder strukturellen Abhilfemaßnahmen oder einstweiligen Maßnahmen sowie von Entscheidungen, mit denen Verpflichtungszusagen für bindend erklärt werden) aufgeführt, mit denen die NWB mindestens ausgestattet sein müssen. Maßnahmen, mit denen gewährleistet werden soll, dass den NWB derartige wirksame Instrumente bereitgestellt werden, fanden in der öffentlichen Konsultation eine breite Unterstützung. So beklagten bestimmte Interessenträger, vor allem Unternehmen, dass durch die fehlende Befugnis der NWB zur Verhängung struktureller Abhilfemaßnahmen in erster Linie Unternehmen beeinträchtigt würden, die durch das wettbewerbswidrige Verhalten eines Rechtsverletzers geschädigt werden.
Ferner sieht der Vorschlag für den Fall, dass Unternehmen sich den Befugnissen nicht beugen, wirksame Sanktionen vor, sodass gewährleistet ist, dass diese Instrumente kein „zahnloser Tiger“ sind. Um eine angemessene Höhe der Sanktionen zu gewährleisten, werden diese als Prozentsatz des Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens festgesetzt, wobei den Mitgliedstaaten für die Umsetzung dieser Bestimmung ein gewisser Spielraum eingeräumt wird (so wird kein bestimmter Prozentsatz für die Höhe der Geldbuße festgesetzt).
Kapitel V – Geldbußen und Zwangsgelder
Die Möglichkeit der Wettbewerbsbehörden zur Verhängung von Geldbußen gegen Unternehmen, die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, ist ein wesentliches Instrument zur Rechtsdurchsetzung. Zweck der Geldbußen ist es, Unternehmen zu sanktionieren, die gegen Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben, und diese und andere Unternehmen davon abzuschrecken, rechtswidrige Verhaltensweisen aufzunehmen oder fortzusetzen. Im Jahr 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union Folgendes entschieden: „Die Wirksamkeit der Sanktionen, die von den [NWB und der Kommission] … verhängt werden, ist … eine Voraussetzung für die kohärente Anwendung [des Wettbewerbsrechts der Union].“ Verschiedene Faktoren, die Auswirkungen auf den Grad der Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV haben, führen jedoch dazu, dass Unternehmen abhängig von der jeweils zuständigen Behörde teilweise mit nur sehr geringen oder überhaupt keinen Geldbußen rechnen müssen, was der Abschreckungsintention und der Einheitlichkeit der Wettbewerbsbedingungen zuwiderläuft.
Erstens verhängen die NWB bei Zuwiderhandlungen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Arten von Geldbußen. Die Geldbußen werden entweder in einem Verwaltungsverfahren (von der NWB) oder in einem nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahren (von einem Gericht) oder in einem strafrechtlichen bzw. strafrechtsähnlichen Verfahren (zumeist von einem Gericht und in einigen Fällen von der NWB, jedoch im Rahmen eines strafrechtsähnlichen Verfahrens) verhängt. Die meisten Mitgliedstaaten setzen auf verwaltungsrechtliche Geldbußen. In drei Mitgliedstaaten sind die Geldbußen zivilrechtlicher Natur. Und in fünf Mitgliedstaaten werden die Geldbußen im Rahmen strafrechtlicher bzw. strafrechtsähnlicher Verfahren verhängt. In den meisten Mitgliedstaaten, in denen die Geldbußen in erster Linie im Rahmen strafrechtlicher bzw. strafrechtsähnlicher Verfahren verhängt werden, fällt die Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts unzureichend aus, und beispielsweise im Zeitraum 2004-2013 wurden dort kaum Sanktionen verhängt. Die meisten Interessenträger vertraten in der öffentlichen Konsultation die Ansicht, dass strafrechtliche Systeme für eine wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union weniger gut geeignet seien. Um diesen Problemen hinsichtlich einer unzureichenden Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zu begegnen, wird der Vorschlag sicherstellen, dass Mitgliedstaaten, in denen die für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörde gegenwärtig keine Entscheidungen zur Verhängung von Geldbußen erlassen kann, entweder ihrer NWB die Befugnis erteilen müssen, solche Entscheidungen zu erlassen, oder aber dafür sorgen müssen, dass ein Gericht derartige Entscheidungen in einem nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahren erlassen kann. Dadurch bleibt der Änderungsbedarf auf das notwendige Minimum beschränkt.
Zweitens gibt es Unterschiede zwischen den von den NWB verwendeten Methoden für die Berechnung der Geldbußen, die erheblichen Einfluss auf die Höhe der verhängten Geldbußen haben können. Die Unterschiede betreffen vor allem 1) den (gesetzlich festgelegten) Geldbußenhöchstbetrag und 2) die Parameter für die Berechnung der Geldbuße. Durch diese Unterschiede lässt sich zum Teil erklären, weshalb die Geldbußen von NWB zu NWB um bis zu 25-mal höher oder niedriger ausfallen können. Für ein und dieselbe Zuwiderhandlung werden teilweise nur sehr niedrige Geldbußen verhängt, sodass die abschreckende Wirkung von Geldbußen in Europa ganz unterschiedlich groß ist. Dieser Umstand wurde auch von Teilnehmern der öffentlichen Konsultation hervorgehoben. Ferner spiegeln die Geldbußen unter Umständen nicht das Ausmaß des Schadens wieder, den die Zuwiderhandlung dem Wettbewerb zugefügt hat. Um zu gewährleisten, dass die NWB auf der Grundlage einheitlicher Kernparameter Geldbußen in einer abschreckenden Höhe festsetzen können, sollte erstens eine einheitliche gesetzliche Obergrenze von mindestens 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes eingeführt werden und zweitens sollten sich die NWB bei der Festsetzung der Geldbußen auf die wichtigsten Faktoren, also die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung, stützen.
Drittens wird mit der vorgeschlagenen Richtlinie geklärt, wer zur Zahlung der Geldbuße herangezogen werden kann. Der Begriff des „Unternehmens“ im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts wird in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union definiert. Demnach können verschiedene juristische Personen, die einem „Unternehmen“ angehören, gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Geldbußen herangezogen werden, die gegen das „Unternehmen“ verhängt werden. Dies ist eine deutliche Botschaft an Unternehmensgruppen als Ganzes, dass das Fehlen einer guten Corporate Governance und eine mangelnde Einhaltung des Wettbewerbsrechts rigoros sanktioniert werden. Außerdem wird gewährleistet, dass die Geldbuße der Gesamtgröße der Unternehmensgruppe und nicht nur der Größe einer Tochtergesellschaft Rechnung trägt, sodass die Geldbuße angemessener ausfällt und eine abschreckendere Wirkung gewährleistet ist. Bislang können jedoch einige NWB die Muttergesellschaften noch nicht für Zuwiderhandlungen ihrer Tochtergesellschaften zur Rechenschaft ziehen. Ferner können einige NWB ungeachtet der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die rechtlichen und die wirtschaftlichen Nachfolger eines Rechtsverletzers, der eine Geldbuße zu zahlen hat, nicht zur Zahlung heranziehen, bzw. es besteht diesbezüglich Unklarheit. Dadurch können sich Unternehmen einer Geldbuße entziehen, indem sie sich einfach mit anderen Unternehmen zusammenschließen oder das Unternehmen umstrukturieren. Um dem abzuhelfen, sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass für die Zwecke der Verhängung von Geldbußen gegen Muttergesellschaften und rechtliche und wirtschaftliche Nachfolger von Unternehmen der Begriff des Unternehmens angewandt wird.
Kapitel VI – Kronzeugenbehandlung
Unternehmen werden nur dann Informationen über geheime Kartelle offenlegen, an denen sie beteiligt sind oder waren, wenn sie mit hinreichender Rechtssicherheit davon ausgehen können, dass ihnen die Geldbuße erlassen wird. Mit diesem Kapitel soll daher die Rechtssicherheit für Unternehmen erhöht werden, die einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung stellen wollen, um durch eine Verringerung der aktuellen Unterschiede zwischen den Kronzeugenprogrammen der einzelnen Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Unternehmen weiterhin einen Anreiz zur Zusammenarbeit mit der Kommission und den NWB haben. Zu diesem Zweck sieht der Vorschlag vor, dass die wichtigsten Grundsätze des Muster-Kronzeugenprogramms des Europäischen Wettbewerbsnetzes in nationales Recht umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass alle NWB zu denselben Bedingungen Geldbußen erlassen und ermäßigen sowie Kurzanträge annehmen können. In der öffentlichen Konsultation stuften 61 % der Teilnehmer die mangelnde Umsetzung des Muster-Kronzeugenprogramms des Europäischen Wettbewerbsnetzes seitens der Mitgliedstaaten als problematisch ein.
Außerdem wird den Antragstellern eine Frist von fünf Arbeitstagen eingeräumt, um Kurzanträge einzureichen, und festgelegt, dass sie während der Untersuchung der Kommission nicht gleichzeitig mit ressourcenintensiven Anfragen von NWB konfrontiert werden sollten. Wenn die Kommission beschlossen hat, in Bezug auf einen Fall nicht tätig zu werden, können Unternehmen, die einen Kurzantrag gestellt haben, ferner bei den jeweiligen NWB einen vollständigen Antrag auf Kronzeugenbehandlung einreichen.
Und schließlich wird durch dieses Kapitel gewährleistet, dass Mitarbeiter, einschließlich Mitarbeitern in leitender Funktion, von Unternehmen, die einen Antrag auf Geldbußenerlass stellen, vor etwaigen individuellen Sanktionen geschützt sind, sofern sie mit den Behörden zusammenarbeiten. Dies ist notwendig, damit Unternehmen weiterhin Anreize haben, einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung zu stellen, weil die Anträge oftmals davon abhängen, dass ihre Mitarbeiter uneingeschränkt und ohne Angst vor Sanktionen mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten.
Auch Einzelpersonen, die Kenntnis von dem Vorliegen von Kartellen oder einer anderen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht haben oder aber etwas über deren Funktionsweise wissen, sollen beispielsweise durch die Einrichtung zuverlässiger und vertraulicher Informationskanäle ermutigt werden, diese Informationen offenzulegen. Zu diesem Zweck haben viele NWB wirksame Verfahren eingeführt (bzw. erwägen, solche einzuführen), durch die sichergestellt wird, dass Einzelpersonen, die Informationen über Zuwiderhandlungen gegen das EU-Wettbewerbsrecht offenlegen bzw. übermitteln, vor Vergeltungsmaßnahmen (z. B. Disziplinarmaßnahmen seitens ihrer Arbeitgeber) geschützt sind. Außerdem hat die Kommission am 16. März 2017 ein anonymes Informationsübermittlungsportal für Kronzeugen bzw. Informanten in Wettbewerbssachen (sogenanntes Whistleblower-Tool) ins Leben gerufen. Die Kommission unterstützt den Schutz von Informanten und erwägt, diesbezüglich horizontale oder sektorbezogene Maßnahmen auf EU-Ebene zu ergreifen.
Kapitel VII – Amtshilfe
Gemäß diesem Kapitel werden Mitarbeiter einer NWB, die eine andere NWB ersucht, Untersuchungsmaßnahmen in ihrem Namen durchzuführen, um Beweismittel in dem betreffenden Hoheitsgebiet zu erheben, befugt sein, der Nachprüfung beizuwohnen und aktiv daran teilzunehmen. Dadurch kann die Wirksamkeit und Effizienz solcher Nachprüfungen erhöht werden.
Außerdem wird mit diesem Kapitel gewährleistet, dass die NWB einander mit Blick auf die Zustellung von Entscheidungen und die Vollstreckung von Geldbußen um Amtshilfe ersuchen und Amtshilfe leisten können, wenn das betreffende Unternehmen im Mitgliedstaat der ersuchenden NWB keine rechtliche Präsenz hat oder es in dem Staat nicht über genügend Vermögenswerten verfügt, sodass die Geldbuße dort nicht vollstreckt werden kann. Bei den Bestimmungen zur Amtshilfe wurde darauf geachtet, den Eingriff in das nationale Recht so gering wie möglich zu halten. Zu diesem Zweck sind folgende Vorkehrungen vorgesehen: i) Zustellung und Vollstreckung erfolgen gemäß dem nationalen Recht des ersuchten Mitgliedstaats. ii) Entscheidungen zur Verhängung von Geldbußen können nur vollstreckt werden, wenn sie rechtskräftig sind und gegen sie kein ordentliches Rechtsmittel mehr eingelegt werden kann. iii) In Bezug auf Verjährungsfristen gilt das Recht des ersuchenden Mitgliedstaats. iv) Die ersuchte Behörde ist nicht verpflichtet, Bußgeldentscheidungen zu vollstrecken, wenn dies der öffentlichen Ordnung in dem betreffenden Mitgliedstaat offensichtlich zuwiderliefe. v) Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme fallen in die Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats, wohingegen Streitigkeiten über die Zustellung und über Vollstreckungsmaßnahmen im ersuchten Mitgliedstaat in die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats fallen.
Amtshilfe ist ein zentraler Aspekt des Vorschlags, da sie für eine enge Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes und somit für den Erfolg des dezentralen Systems, von dem die wirksame Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union abhängt, unerlässlich ist. Ohne eine wirksame Amtshilfe kann es keine einheitlichen Wettbewerbsbedingungen für grenzübergreifend tätige Unternehmen geben, sodass das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt würde.
Kapitel VIII – Verjährungsfristen
Dieses Kapital besagt, dass während der Dauer laufender Verfahren einer NWB oder der Kommission die Verjährungsfristen für die Durchführung von Verfahren durch andere NWB, die sich auf dieselbe Vereinbarung, Entscheidung einer Unternehmensvereinigung oder abgestimmte Verhaltensweise beziehen, für die Dauer der bereits laufenden Verfahren gehemmt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass das System paralleler Zuständigkeiten im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes wirksam funktioniert und dass andere NWB nicht aufgrund von Verjährung daran gehindert werden, im Anschluss ein entsprechendes Verfahren durchzuführen. Die Mitgliedstaaten können die in ihrem Hoheitsgebiet geltenden Verjährungsfristen weiterhin frei festlegen sowie absolute Verjährungsfristen einführen, sofern dies nicht dazu führt, dass die wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union in der Praxis übermäßig erschwert oder gar unmöglich gemacht wird.
Kapitel IX – Allgemeine Bestimmungen
Mit diesem Kapitel wird gewährleistet, dass die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden, die ihre eigenen Entscheidungen selbst am besten darlegen können, befugt sind, in den von ihr behandelten Fällen eigenständig ein Gericht anzurufen und/oder diese eigenständig vor Gericht zu verteidigen. Dadurch wird vermieden, dass es durch die Befassung einer anderen Einrichtung mit der Verteidigung zu einem Anstieg der Kosten und Anstrengungen kommt.
Dieses Kapitel enthält ferner die wichtige Vorkehrung, dass Informationen, die auf der Grundlage der vorgeschlagenen Richtlinie erfasst werden, nur für den Zweck verwendet werden können, für den sie erhoben wurden, und nicht für die Verhängung von Sanktionen gegen natürliche Personen.
Und schließlich besagt dieses Kapitel, dass jegliche Beweismittel unabhängig von dem jeweiligen Speichermedium als Beweismittel zulässig sind. Dadurch wird sichergestellt, dass die einschlägigen Verfahrensvorschriften dem digitalen Zeitalter angemessen sind.
2017/0063 (COD)
Vorschlag für eine
RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts
(Text von Bedeutung für den EWR)
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf die Artikel 103 und 114,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Die Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind der öffentlichen Ordnung zuzurechnen und sollten in der ganzen Union wirksam angewendet werden, um zu gewährleisten, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verfälscht wird. Die wirksame Duchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV ist erforderlich, um offenere, stärker wettbewerbsorientierte Märkte in Europa zu schaffen, auf denen Unternehmen in einem leistungsorientierten Wettbewerb zueinander stehen und keine Markteintrittsschranken errichten, sodass Wohlstand und Arbeitsplätze entstehen können. Die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften schützt die Verbraucher vor Geschäftspraktiken, die bewirken, dass die Preise von Waren und Dienstleistungen auf einem künstlich hohen Niveau verharren, und vergrößert das Angebot an innovativen Waren und Dienstleistungen für die Verbraucher.
(2)Für die öffentliche Rechtsdurchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV sorgen die nationalen Wettbewerbsbehörden (NWB) der Mitgliedstaaten und die Kommission parallel zueinander im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates(). Die NWB und die Kommission bilden zusammen ein Netz von Behörden, die bei der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften der Union eng zusammenarbeiten (Europäisches Wettbewerbsnetz).
(3)Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind die NWB und die nationalen Gerichte verpflichtet, die Artikel 101 und 102 AEUV auf Vereinbarungen und Verhaltensweisen anzuwenden, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können. In der Praxis wenden die meisten NWB die Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts parallel zu den Bestimmungen der Artikel 101 und 102 AEUV an. Diese Richtlinie soll gewährleisten, dass die NWB über die Unabhängigkeit und über die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung und der Verhängung von Geldbußen verfügen, die sie benötigen, um die Artikel 101 und 102 AEUV wirksam anzuwenden; daher wird sie sich unweigerlich auf die von den NWB parallel angewendeten Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts auswirken.
(4)Werden die NWB befugt, alle Informationen zu einem Unternehmen, das Gegenstand einer Untersuchung ist, in digitaler Form, unabhängig vom Speichermedium, einzuholen, sollte sich das auch auf den Umfang der Befugnisse auswirken, über die die NWB verfügen, wenn sie im Anfangsstadium eines Verfahrens auch auf der Grundlage der parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV angewendeten Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts einschlägige Untersuchungsmaßnahmen ergreifen. Würden die NWB in Abhängigkeit davon, ob sie letztlich nur die Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts oder parallel dazu auch die Artikel 101 und 102 AEUV anwenden, mit unterschiedlichen Untersuchungsbefugnissen ausgestattet, würde die wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im Binnenmarkt beeinträchtigt. Daher sollte diese Richtlinie sowohl die alleinige Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV als auch die parallele Anwendung der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts auf denselben Fall abdecken. Eine Ausnahme bildet der Schutz für Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen, der sich auch auf die alleinige Anwendung der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts erstreckt.
(5)Häufig verhindert nationales Recht, dass die NWB über die Unabhängigkeit und die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung und der Verhängung von Geldbußen verfügen, die sie benötigen, um die Wettbewerbsvorschriften wirksam durchzusetzen. Dadurch wird die Fähigkeit der NWB zur wirksamen Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV sowie gegebenenfalls der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV beeinträchtigt. Nach nationalem Recht verfügen viele NWB beispielsweise nicht über wirksame Instrumente, um Beweismittel für Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV zu erheben oder Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die gegen das Gesetz verstoßen, oder sie verfügen nicht über die erforderlichen Ressourcen für eine wirksame Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV. Dies kann sie daran hindern, überhaupt tätig zu werden, oder dazu führen, dass sie ihre Durchsetzungsmaßnahmen begrenzen. Da viele NWB nicht mit den operativen Instrumenten und Garantien ausgestattet sind, die für die wirksame Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV erforderlich sind, können Kartellverfahren für wettbewerbswidrig handelnde Unternehmen je nach dem Mitgliedstaat, in dem sie tätig sind, zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen: So kann es sein, dass keine bzw. keine wirksamen Maßnahmen zur Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV ergriffen werden. In einigen Mitgliedstaaten ist es Unternehmen beispielsweise möglich, sich einer Geldbuße zu entziehen, indem sie schlicht eine Umstrukturierung durchführen. Durch die uneinheitliche Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV und der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts, die parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV angewendet werden, bleiben Gelegenheiten zur Beseitigung von Hindernissen für den Markteintritt und zur unionsweiten Schaffung von offeneren, stärker wettbewerbsorientierten Märkten, auf denen Unternehmen in einem leistungsorientierten Wettbewerb zueinander stehen, ungenutzt. Unternehmen und Verbraucher haben besonders in den Mitgliedstaaten das Nachsehen, in denen die NWB vergleichsweise schlecht für eine wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften gerüstet sind. Ein leistungsorientierter Wettbewerb wird verhindert, wenn es Schutzzonen für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen gibt, da beispielsweise entsprechende Beweismittel nicht erhoben werden können oder Unternehmen die Möglichkeit haben, sich Geldbußen zu entziehen. Solche Umstände hindern Unternehmen daran, in den betreffenden Markt einzutreten bzw. ihr Niederlassungsrecht auszuüben und auf dem Markt Waren und Dienstleistungen anzubieten. Verbraucher in Mitgliedstaaten, in denen das Wettbewerbsrecht weniger strikt durchgesetzt wird, kommen in geringerem Maße in den Genuss der Vorteile einer wirksamen Durchsetzung. Daher wird durch die uneinheitliche Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV und der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts, die parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV angewendet werden, in Europa der Wettbewerb im Binnenmarkt verfälscht und sein reibungsloses Funktionieren beeinträchtigt.
(6)Lücken und Beschränkungen in Bezug auf die Instrumente und Garantien, mit denen die NWB ausgestattet sind, untergraben das System der parallelen Zuständigkeit für die Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV, das auf der Grundlage einer engen Zusammenarbeit innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes als kohärentes Gesamtregelwerk konzipiert ist. Das System beruht darauf, dass die NWB einander mit der Durchführung von Untersuchungsmaßnahmen beauftragen können. Solange einige NWB jedoch nicht über angemessene Untersuchungsinstrumente verfügen, kann das System nicht ordnungsgemäß funktionieren. In anderen wichtigen Bereichen haben die NWB nicht die Möglichkeit, einander Amtshilfe zu leisten. Zum Beispiel können sich in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, einer Geldbuße entziehen, indem sie im Hoheitsgebiet einiger der Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, schlicht keine rechtliche Präsenz haben. Dies verringert die Anreize zur Einhaltung der Artikel 101 und 102 AEUV. Da somit die wirksame Durchsetzung unterbleibt, wird der Wettbewerb zulasten derjenigen Unternehmen verfälscht, die die Vorschriften einhalten, und das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt wird, insbesondere im digitalen Bereich, gefährdet.
(7)Für einen wirklich gemeinsamen Raum der Kartellrechtsdurchsetzung in Europa, der einheitlichere Wettbewerbsbedingungen für die im Binnenmarkt tätigen Unternehmen und einheitlichere Bedingungen für die Verbraucher schafft, sind bei der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV und der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts, die parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV angewendet werden, ein Mindestmaß an Unabhängigkeit, die notwendigen Ressourcen sowie wesentliche Befugnisse zur Durchsetzung und zur Verhängung von Geldbußen erforderlich, damit die Arbeit der NWB ihre volle Wirkung entfalten kann.
(8)Es ist angemessen, diese Richtlinie auf die doppelte Rechtsgrundlage von Artikel 103 und Artikel 114 AEUV zu stellen. Die Gründe hierfür sind, dass diese Richtlinie die Anwendung nicht nur der Artikel 101 und 102 AEUV und der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts, die parallel zu diesen Artikeln angewendet werden, abdeckt, sondern auch die Lücken und Beschränkungen bei den Instrumenten und Garantien, mit denen die NWB im Hinblick auf die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV ausgestattet sind, und die sowohl den Wettbewerb als auch das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen.
(9)Die Einführung von Mindestgarantien, mit denen gewährleistet werden soll, dass die NWB die Artikel 101 und 102 AEUV wirksam anwenden, lässt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, weiterreichende Garantien für die Unabhängigkeit der NWB einzuführen, ihnen mehr Ressourcen zu gewähren und ihre Befugnisse zur Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Verhängung von Geldbußen genauer zu regeln. Um die Arbeit der NWB noch wirksamer zu machen, können die Mitgliedstaaten ihnen zusätzliche Befugnisse übertragen, die über die in dieser Richtlinie vorgesehenen wesentlichen Befugnisse hinausgehen.
(10)Was die Voraussetzungen für die Gewährung der Kronzeugenbehandlung bei geheimen Kartellen angeht, sind hingegen detaillierte Vorschriften erforderlich. Unternehmen werden nur dann Informationen über geheime Kartelle, an denen sie beteiligt sind oder waren, offenlegen, wenn sie mit hinreichender Rechtssicherheit davon ausgehen können, dass ihnen die Geldbuße erlassen wird. Die großen Unterschiede zwischen den Kronzeugenprogrammen der einzelnen Mitgliedstaaten führen für Unternehmen, die erwägen, einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung zu stellen, zu einer Rechtsunsicherheit, die sie von der Antragstellung abhalten kann. Wenn die Mitgliedstaaten im Geltungsbereich dieser Richtlinie strengere oder weniger strenge Vorschriften für die Kronzeugenbehandlung anwenden dürften, dann liefe das nicht nur dem Ziel zuwider, Anreize für potenzielle Antragsteller zu schaffen, um für eine möglichst wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in der Union zu sorgen, sondern wäre darüber hinaus auch kaum mit der angestrebten Gewährleistung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt zu vereinbaren. Es steht den Mitgliedstaaten frei, Kronzeugenprogramme anzuwenden, die nicht nur geheime Kartelle abdecken, sondern auch andere Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV und entsprechende nationale Bestimmungen.
(11)Diese Richtlinie gilt nicht für nationale Rechtsvorschriften, sofern diese strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen vorsehen, mit Ausnahme der Vorschriften für das Zusammenwirken von Kronzeugenprogrammen mit Sanktionen gegen natürliche Personen.
(12)Im Zusammenhang mit der Ausübung der den NWB übertragenen Befugnissen sollten angemessene Vorkehrungen getroffen werden, die mindestens den Standards der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union genügen. Diese Vorkehrungen umfassen unter anderem das Recht auf gute Verwaltung und die Achtung der Verteidigungsrechte der Unternehmen, wozu als wesentlicher Bestandteil das Recht auf Anhörung zählt. Insbesondere sollten die NWB die von der Untersuchung betroffenen Parteien über die nach Artikel 101 oder 102 AEUV gegen sie erhobenen vorläufigen Beschwerdepunkte informieren, bevor sie eine Entscheidung erlassen, die den Interessen der genannten Parteien zuwiderläuft, und sie sollten den Parteien Gelegenheit geben, vor Erlass einer solchen Entscheidung Stellung zu nehmen. Parteien, denen vorläufige Beschwerdepunkte zu einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV mitgeteilt werden, sollten das Recht auf Zugang zur einschlägigen Fallakte der NWB haben, um ihre Verteidigungsrechte wirksam ausüben zu können. Dies gilt vorbehaltlich des berechtigten Interesses, das Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse haben können, und weder für vertrauliche Informationen und interne Aufzeichnungen von Unternehmen noch für den Schriftverkehr zwischen den NWB und der Kommission. Ferner sollten Unternehmen, an die endgültige Entscheidungen von NWB zur Anwendung von Artikel 101 oder 102 AEUV gerichtet sind, im Einklang mit Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union das Recht haben, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Solch endgültige Entscheidungen von NWB sollten eine Begründung umfassen, der die Adressaten entnehmen können, weshalb die Entscheidung ergangen ist, und ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf ausüben können. Die Vorkehrungen sollten so konzipiert sein, dass ein ausgewogenes Verhältnis entsteht zwischen der Achtung der Grundrechte von Unternehmen und der Pflicht, die wirksame Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV zu gewährleisten.
(13)Die Stärkung der NWB im Hinblick auf eine unparteiische Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV im gemeinsamen Interesse einer wirksamen Durchsetzung der europäischen Wettbewerbsvorschriften ist eine grundlegende Voraussetzung für die wirksame und einheitliche Anwendung dieser Vorschriften.
(14)Die Unabhängigkeit der NWB sollte gestärkt werden, um eine wirksame und einheitliche Anwendung der Artikel 101 AEUV und 102 AEUV zu gewährleisten. Dazu sollten die NWB bei der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV durch ausdrückliche Bestimmungen im nationalen Recht vor äußerer Einflussnahme und politischem Druck geschützt werden, die sie an der unabhängigen Bewertung der von ihnen bearbeiteten Fälle hindern könnten. Zu diesem Zweck sollten im Voraus Vorschriften zu den Gründen für die Entlassung von Mitgliedern des Entscheidungsgremiums der NWB erlassen werden, um jeden Zweifel an der Unparteilichkeit des Gremiums und seiner Unabhängigkeit gegenüber äußerer Einflussnahme auszuräumen.
(15)Zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der NWB sollten die Mitarbeiter bzw. die Mitglieder des Entscheidungsgremiums integer handeln bzw. Handlungen unterlassen, die mit der Erfüllung ihrer Aufgaben unvereinbar sind. Die Unabhängigkeit der Mitarbeiter bzw. der Mitglieder des Entscheidungsgremiums zu wahren, bedeutet, dass Mitarbeiter bzw. Mitglieder des Entscheidungsgremiums während der Dauer ihrer Beschäftigung bzw. Amtszeit und auch danach während eines angemessenen Zeitraums weder entgeltlich noch unentgeltlich eine Beschäftigung ausüben sollten, die mit diesem Grundsatz unvereinbar ist. Ferner sollten sie während der Dauer ihrer Beschäftigung bzw. Amtszeit nicht an Unternehmen oder Einrichtungen beteiligt sein, die mit einer NWB zu tun haben, sofern dies ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte. Die Mitarbeiter bzw. die Mitglieder des Entscheidungsgremiums sollten jedes persönliche Interesse bzw. jede Beteiligung offenlegen, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu einem Interessenkonflikt führen könnte. Sie sollten verpflichtet sein, das Entscheidungsgremium, die anderen Mitglieder dieses Gremiums bzw. im Falle von NWB, bei denen die Entscheidungsbefugnis bei einer einzigen Person liegt, die sie berufende Stelle zu informieren, wenn sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eine Entscheidung treffen müssen, die ihre eigenen Interessen berührt und daher ihre Unparteilichkeit beeinträchtigen könnte.
(16)Die Unabhängigkeit der NWB steht weder einer gerichtlichen noch einer parlamentarischen Kontrolle im Einklang mit den Rechtsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats entgegen. Auch Rechenschaftspflichten tragen dazu bei, die Glaubwürdigkeit und Legitimität der Maßnahmen der NWB zu gewährleisten. Zu den angemessenen Rechenschaftspflichten gehört die Veröffentlichung regelmäßiger Tätigkeitsberichte, die die NWB an eine Stelle der Regierung oder des Parlaments richten. Ferner können NWB der Kontrolle oder Überwachung ihrer Ausgaben unterliegen, sofern dies ihre Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt.
(17)Die NWB sollten die Möglichkeit haben, bei der Auswahl der Fälle, in denen sie Verfahren zur Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV einleiten, Schwerpunkte zu setzen, um ihre Ressourcen effizient nutzen und die Verhinderung und Abstellung wettbewerbswidrigen Verhaltens, das den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälscht, in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellen zu können. Zu diesem Zweck sollten sie die Möglichkeit haben, Beschwerden mit der Begründung abzuweisen, dass sie nicht in den Schwerpunktbereich fallen. Die Befugnis der NWB, Beschwerden aus Zuständigkeitsgründen oder anderen Gründen abzuweisen bzw. zu entscheiden, dass kein Anlass für ein Tätigwerden besteht, bleibt davon unberührt. Die Befugnis der NWB zur Schwerpunktsetzung bei der Auswahl der Verfahren lässt das Recht der mitgliedstaatlichen Regierungen unberührt, für die nationalen Wettbewerbsbehörden Leitlinien herauszugeben, die allgemeiner strategischer Art sind oder die Schwerpunkte betreffen und sich nicht auf bestimmte Verfahren zur Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV beziehen.
(18)Die NWB sollten über die erforderlichen Ressourcen in Bezug auf Personal, Know-how, Finanzmittel und technische Ausstattung verfügen, damit sie ihre Aufgaben im Rahmen der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV wirksam wahrnehmen können. Für den Fall, dass ihre Aufgaben und Befugnisse nach nationalem Recht ausgeweitet werden, sollten sie auch unter diesen veränderten Umständen über hinreichende Ressourcen verfügen.
(19)Die NWB benötigen ein Mindestmaß an gemeinsamen Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnissen, um die Artikel 101 und 102 AEUV wirksam durchsetzen zu können.
(20)Die NWB sollten mit wirksamen Untersuchungsbefugnissen ausgestattet sein, um nach Artikel 101 AEUV verbotene Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie die nach Artikel 102 AEUV untersagte missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung bei jedem Verfahrensstand aufzudecken.
(21)Die Untersuchungsbefugnisse der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden müssen den Herausforderungen des digitalen Umfelds angemessen sein und sollten die NWB in die Lage versetzen, alle – auch forensische – Informationen, die das Unternehmen oder die Unternehmensvereinigung, das/die Gegenstand der Untersuchungsmaßnahme ist, betreffen, in digitaler Form zu beschaffen, und zwar unabhängig von dem Medium, auf dem die Informationen gespeichert sind, wie beispielsweise Laptops, Mobiltelefone und andere mobile Geräte.
(22)Die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden sollten befugt sein, in den Räumlichkeiten von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, die Gegenstand eines Verfahrens sind, in dem die Artikel 101 und 102 AEUV zur Anwendung kommen, sowie in den Räumlichkeiten anderer Marktteilnehmer, die über verfahrensrelevante Informationen verfügen könnten, Nachprüfungen durchzuführen. Die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden sollten die Möglichkeit haben, derartige Nachprüfungen durchzuführen, wenn zumindest ein begründeter Verdacht auf eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV besteht.
(23)Im Hinblick auf ihre Wirksamkeit sollte die Befugnis der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden zur Durchführung von Nachprüfungen die genannten Verwaltungsbehörden in die Lage versetzen, Zugang zu Informationen zu erhalten, die dem Unternehmen bzw. der Unternehmensvereinigung bzw. der Person, die Gegenstand der Nachprüfung ist, zugänglich sind und das Unternehmen, das Gegenstand der Untersuchung ist, betreffen.
(24)Um eine unnötige Verlängerung von Nachprüfungen möglichst zu begrenzen, sollten die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden befugt sein, Kopien oder Auszüge aus Geschäftsbüchern und Aufzeichnungen zu dem Geschäftsbereich des Unternehmens bzw. der Unternehmensvereinigung, der Gegenstand der Nachprüfung ist, in den Räumlichkeiten der Behörde oder in anderen bezeichneten Räumlichkeiten weiter zu durchsuchen.
(25)Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich geschäftliche Aufzeichnungen insbesondere aufgrund der abnehmenden Präsenzpflicht in Unternehmen auch in der Wohnung von Mitarbeitern des Unternehmens, einschließlich Mitarbeitern in leitender Funktion, befinden können. Um wirksame Nachprüfungen zu gewährleisten, sollten die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden befugt sein, jegliche Räumlichkeiten zu betreten, auch Privatwohnungen, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass dort geschäftliche Aufzeichnungen aufbewahrt werden, die zum Nachweis einer schweren Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV von Bedeutung sein könnten. Die Ausübung dieser Befugnis sollte allerdings die vorherige Genehmigung durch eine Justizbehörde voraussetzen. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die Aufgaben einer für Wettbewerb zuständigen nationalen Justizbehörde in äußerst dringlichen Fällen einer für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörde zu übertragen, die als Justizbehörde handelt.
(26)Die NWB sollten über wirksame Befugnisse verfügen, Auskünfte zu verlangen, die notwendig sind, um nach Artikel 101 AEUV verbotene Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie die nach Artikel 102 AEUV untersagte missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken. Dazu sollte das Recht gehören, Auskünfte zu verlangen unabhängig von dem Ort, an dem die jeweiligen Informationen gespeichert sind, sofern sie dem Adressaten des Auskunftsverlangens zugänglich sind. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch Informationen, die Dritte, wie zum Beispiel Wettbewerber, Kunden und Verbraucher auf dem Markt, aus freien Stücken vorlegen, im Hinblick auf die konsequente Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften auf der Grundlage umfassender Informationen eine wertvolle Informationsquelle sein können und eine solche Vorlage von Informationen durch Dritte von den NWB gefördert werden sollte.
(27)Die NWB sollten als wirksames Mittel zur Wiederherstellung des Wettbewerbs auf dem Markt verhältnismäßige Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben können.
(28)Bieten Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen im Rahmen eines Verfahrens, das auf eine Entscheidung zum Verbot einer Vereinbarung oder Verhaltensweise hinauslaufen kann, den NWB Verpflichtungen an, die deren Bedenken ausräumen, so sollten die NWB diese Verpflichtungszusagen per Entscheidung für die Unternehmen verbindlich und darüber hinaus durchsetzbar machen können. Ohne festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV vorgelegen hat oder noch vorliegt, sollte in solchen Entscheidungen festgestellt werden, dass für ein Tätigwerden der NWB kein Anlass mehr besteht. Entscheidungen über Verpflichtungszusagen lassen die Befugnisse der Wettbewerbsbehörden und der Gerichte der Mitgliedstaaten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festzustellen und über den Fall zu entscheiden, unberührt.
(29)Um eine wirksame und einheitliche Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV zu gewährleisten, sollten die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden befugt sein, für Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 AEUV entweder selbst im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Geldbußen gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zu verhängen oder im Rahmen eines nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahrens die Verhängung von Geldbußen zu beantragen. Nationale Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verhängung gerichtlicher Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV in strafrechtlichen Verfahren bleiben davon unberührt.
(30)Um zu gewährleisten, dass sich Unternehmen und Unternehmensvereinigungen den Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnissen der NWB beugen, müssen die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden im gegenteiligen Fall die Möglichkeit haben, entweder selbst im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens unmittelbar wirksame Geldbußen wegen Nichtbeugung und Zwangsgelder zur Erzwingung der Beugung zu verhängen oder im Rahmen eines nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahrens die Verhängung von Geldbußen zu beantragen. Nationale Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verhängung solcher Geldbußen durch Gerichte im Rahmen von Strafverfahren bleiben davon unberührt. Ferner berührt diese Richtlinie weder die nationalen Rechtsvorschriften über das Beweismaß noch die Verpflichtung der NWB, die Sachlage im jeweiligen Fall aufzuklären, sofern diese Rechtsvorschriften und Anforderungen mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts im Einklang stehen. Die Geldbußen und Zwangsgelder sollten im Verhältnis zum Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen und Unternehmensvereinigungen stehen.
(31)Um eine wirksame und einheitliche Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV zu gewährleisten, sollte der Begriff des „Unternehmens“ im Sinne der Artikel 101 und 102 AEUV im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union angewendet werden und demnach eine wirtschaftliche Einheit bezeichnen, auch wenn es sich um mehrere juristische oder natürliche Personen handelt. Die NWB sollten daher unter Anwendung des Begriffs des „Unternehmens“ eine zahlungspflichtige Muttergesellschaft feststellen und wegen des Verhaltens einer ihrer Tochtergesellschaften eine Geldbuße gegen sie verhängen können, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft derselben wirtschaftlichen Einheit angehören. Um zu verhindern, dass Unternehmen sich mittels rechtlicher oder organisatorischer Änderungen ihrer Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 101 und 102 AEUV entziehen, sollte es den NWB möglich sein, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union rechtliche oder wirtschaftliche Nachfolger des zur Zahlung verpflichteten Unternehmens festzustellen und wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 101 und 102 AEUV Geldbußen gegen sie zu verhängen.
(32)Um zu gewährleisten, dass die wegen Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV verhängten Geldbußen die wirtschaftliche Tragweite der Zuwiderhandlung widerspiegeln, sollten die NWB die Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigen. Die NWB sollten auch die Möglichkeit haben, Geldbußen festzusetzen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer der Zuwiderhandlung stehen. Diese Faktoren sollten im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beurteilt werden. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union insbesondere in Bezug auf die Schwere der Zuwiderhandlung geurteilt, dass den Umständen des jeweiligen Falls, dem Zusammenhang, in dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat, und der abschreckenden Wirkung der Geldbußen bei der Beurteilung Rechnung zu tragen ist. Faktoren, die in die Beurteilung einfließen können, sind der Umsatz mit den Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Zuwiderhandlung bezieht, sowie die Größe und die wirtschaftliche Macht des Unternehmens, da sie den Einfluss widerspiegeln, den das Unternehmen auf den Markt ausüben konnte. Wiederholte Zuwiderhandlungen desselben Urhebers zeigen dessen Neigung, solche Zuwiderhandlungen zu begehen; sie sind daher ein sehr deutlicher Hinweis darauf, wie schwer das fragliche Verhalten wiegt und inwiefern die Gelbuße erhöht werden muss, um eine wirksame Abschreckung zu erreichen. Bei der Festsetzung der zu verhängenden Geldbuße sollten die NWB den Wert der von dem Unternehmen verkauften Waren und Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen, berücksichtigen. Entsprechend sollten die NWB befugt sein, die gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung zu verhängende Geldbuße zu erhöhen, wenn dieselbe Zuwiderhandlung fortgesetzt oder eine ähnliche Zuwiderhandlung begangen wird, nachdem die Kommission oder eine nationale Wettbewerbsbehörde in einem Beschluss bzw. in einer Entscheidung festgestellt hat, dass das Unternehmen bzw. die Unternehmensvereinigung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV verstoßen hat.
(33)Wie die Erfahrung zeigt, spielen Vereinigungen von Unternehmen bei Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsvorschriften regelmäßig eine Rolle und sollten die NWB die Möglichkeit haben, wirksam Geldbußen gegen sie zu verhängen. Bei Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Hinblick auf die Festsetzung der Höhe der Geldbuße in Verfahren gegen Unternehmensvereinigungen, bei denen die Zuwiderhandlung die Tätigkeit der Unternehmen der Vereinigung betrifft, sollte der mit der Zuwiderhandlung in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehende Gesamtumsatz mit Waren und Dienstleistungen der Unternehmen der Vereinigung herangezogen werden. Um zu gewährleisten, dass die Geldbußen, die Unternehmensvereinigungen wegen von ihnen begangener Zuwiderhandlungen auferlegt werden, auch tatsächlich gezahlt werden, müssen die Voraussetzungen festgelegt werden, unter denen die NWB von den Mitgliedern der Vereinigung die Zahlung der Geldbuße verlangen können, wenn die Vereinigung selbst zahlungsunfähig ist. Dabei sollten die NWB der relativen Größe der der Vereinigung angehörenden Unternehmen und insbesondere der Situation kleiner und mittlerer Unternehmen Rechnung tragen. Die Zahlung der Geldbuße durch eines oder mehrere der Mitglieder einer Vereinigung erfolgt unbeschadet der Vorschriften des nationalen Rechts, die einen Rückgriff auf andere Mitglieder der Vereinigung zur Erstattung des gezahlten Betrags ermöglichen.
(34)Die abschreckende Wirkung von Geldbußen ist in Europa sehr unterschiedlich; so ist der festsetzbare Höchstbetrag der Geldbuße in einigen Mitgliedstaaten sehr niedrig. Um zu gewährleisten, dass die NWB abschreckende Geldbußen festsetzen können, sollte der Höchstbetrag der Geldbuße mindestens 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens betragen. Dies sollte die Mitgliedstaaten nicht an der Beibehaltung oder Einführung eines höheren Höchstbetrags der Geldbuße hindern.
(35)Kronzeugenprogramme sind ein wesentliches Instrument zur Aufdeckung geheimer Kartelle und tragen somit zur effizienten Verfolgung und Sanktionierung dieser Zuwiderhandlungen, bei denen es sich um die schwersten Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht handelt, bei. Derzeit unterscheiden sich die Kronzeugenprogramme, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten Anwendung finden, jedoch deutlich voneinander. Diese Unterschiede führen für die Unternehmen, die Zuwiderhandlungen begehen, zu Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Voraussetzungen, unter denen sie nach den verschiedenen Kronzeugenprogrammen einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung stellen und von einem Geldbußenerlass ausgehen können. Die Rechtsunsicherheit wiederum kann bedeuten, dass die Anreize, einen Antrag zu stellen, an Wirkungskraft einbüßen. Dies wiederum kann die wirksame Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in der Union beeinträchtigen, da weniger geheime Kartelle aufgedeckt werden.
(36)Die Unterschiede zwischen den Kronzeugenprogrammen der Mitgliedstaaten sind auch im Hinblick auf die Gewährleistung möglichst einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen im Binnenmarkt problematisch. Es ist daher angezeigt, die Rechtssicherheit zu verbessern, indem die Unterschiede verringert werden.
(37)Die NWB sollten Unternehmen einen Erlass oder eine Ermäßigung der Geldbuße gewähren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So sollte dann davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen einer nationalen Wettbewerbsbehörde Beweismittel zu einem geheimen Kartell zur Verfügung gestellt hat, die die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV ermöglichen, wenn die jeweilige nationale Wettbewerbsbehörde zum Zeitpunkt der Übermittlung dieser Beweismittel durch das Unternehmen noch nicht über hinreichende Beweismittel zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV im Zusammenhang mit diesem Kartell verfügte.
(38)Antragsteller sollten die Möglichkeit haben, einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung schriftlich oder gegebenenfalls in anderer Weise zu stellen, die nicht zur Erstellung von Unterlagen, Informationen oder anderen Materialien, die sich im Besitz, in der Verwahrung oder unter der Kontrolle des Antragsstellers befinden, führt. Zu diesem Zweck sollten die NWB über ein System verfügen, mit dem sie Kronzeugenerklärungen mündlich oder in anderer Weise, so auch in digitaler Form, entgegennehmen können.
(39)Antragsteller, die im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen geheimen Kartell bei der Europäischen Kommission die Kronzeugenbehandlung beantragt haben, sollten die Möglichkeit haben, in Bezug auf dasselbe Kartell Kurzanträge bei denjenigen NWB einzureichen, die ihrer Ansicht nach für die Behandlung des jeweiligen Falls gut geeignet sind. Die NWB sollten Kurzanträge annehmen, die bestimmte Mindestinformationen zu dem mutmaßlichen Kartell enthalten, und keine darüber hinausgehenden Informationen anfordern, bevor sie beabsichtigen, in Bezug auf den Fall tätig zu werden. Jedoch obliegt es den Antragstellern, die NWB, bei denen sie einen Kurzantrag eingereicht haben, zu informieren, wenn sich am Umfang ihres bei der Kommission gestellten Antrags auf Kronzeugenbehandlung etwas ändern sollte. Die NWB sollten den Antragstellern eine Empfangsbestätigung mit Datum und Uhrzeit des Antragseingangs ausstellen und ihnen mitteilen, ob sie in Bezug auf dasselbe Kartell bereits zuvor einen Kurzantrag oder einen vollständigen Antrag auf Kronzeugenbehandlung erhalten haben. Sobald die Kommission beschlossen hat, weder in Bezug auf den gesamten Fall noch in Bezug auf einen Teil davon tätig zu werden, sollten die Antragsteller die Gelegenheit erhalten, bei den NWB, bei denen sie bisher nur einen Kurzantrag eingereicht haben, einen vollständigen Antrag auf Kronzeugenbehandlung nachzureichen.
(40)Rechtsunsicherheit darüber, ob die Mitarbeiter des Unternehmens vor individuellen Sanktionen geschützt sind, kann potenzielle Antragsteller davon abhalten, Kronzeugenbehandlung zu beantragen. Derzeitige und frühere Mitarbeiter, einschließlich Mitarbeitern in leitender Funktion, von Unternehmen, die bei einer Wettbewerbsbehörde einen Antrag auf Erlass der Geldbuße stellen, sollten daher vor Sanktionen geschützt werden, die Behörden wegen ihrer Beteiligung an dem geheimen Kartell, das Gegenstand des Antrags ist, gegen sie verhängen könnten. Ein solcher Schutz sollte davon abhängig gemacht werden, dass die Mitarbeiter aktiv mit den jeweiligen NWB zusammenarbeiten und der Antrag auf Erlass der Geldbuße vor Beginn des Strafverfahrens gestellt wurde.
(41)In einem System paralleler Zuständigkeiten für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den NWB erforderlich. Insbesondere dann, wenn eine NWB im Namen einer anderen NWB eine Nachprüfung nach Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates durchführt, sollte es möglich sein, dass die Beamten der um Amtshilfe ersuchenden Behörde anwesend sind und Unterstützung leisten, um die Wirksamkeit solcher Nachprüfungen durch zusätzliche Ressourcen, Kenntnisse und Know-how zu erhöhen.
(42)Entsprechend sollten Vereinbarungen getroffen werden, die es den NWB erlauben, zur Zustellung von vorläufigen Beschwerdepunkten und Entscheidungen sowie zur Vollstreckung von Entscheidungen zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern um Amtshilfe zu ersuchen, wenn das betreffende Unternehmen in ihrem Hoheitsgebiet über keine rechtliche Präsenz verfügt. Dies würde die wirksame Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV gewährleisten und zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen.
(43)Um die wirksame Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV durch die NWB zu gewährleisten, sind praktikable Vorschriften für die Hemmung von Verjährungsfristen erforderlich. Insbesondere sollten in einem System paralleler Zuständigkeiten in nationalem Recht vorgesehene Verjährungsfristen gehemmt werden, solange Verfahren vor NWB eines anderen Mitgliedstaats oder bei der Kommission laufen. Die Mitgliedstaaten werden dadurch nicht daran gehindert, absolute Verfährungsfristen beizubehalten oder einzuführen, sofern die Dauer dieser absoluten Fristen die wirksame Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV nicht praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig macht.
(44)Um zu gewährleisten, dass Fälle innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes effizient und wirksam bearbeitet werden, sollten die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen eine für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörde für die Untersuchung von Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 AEUV zuständig ist, während Entscheidungen zur Feststellung der Zuwiderhandlung und/oder Verhängung der Geldbuße von einer für Wettbewerb zuständigen nationalen Justizbehörde erlassen werden, die Möglichkeit haben, direkt bei der für Wettbewerb zuständigen nationalen Justizbehörde Klage zu erheben. Fungieren ferner nationale Gerichte als Rechtsmittelinstanzen in Verfahren gegen Vollstreckungsentscheidungen von NWB, die Artikel 101 oder 102 AEUV anwenden, so sollten die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden uneingeschränkt befugt sein, sich eigenständig als Klägerin oder Beklagte an diesen Verfahren zu beteiligen, und ihnen sollten dieselben Rechte eingeräumt werden wie diesen Verfahrensparteien.
(45)Das Risiko, dass Material, mit dem sich Antragsteller selbst belasten, außerhalb der Untersuchung, für die es übermittelt wurde, offengelegt wird, kann bedeuten, dass die Anreize zur Zusammenarbeit mit den Wettbewerbsbehörden für potenzielle Antragsteller an Wirkungskraft einbüßen. Unabhängig von der Form, in der Kronzeugenerklärungen übermittelt werden, sollten Informationen in den Erklärungen, die durch Akteneinsicht gewonnen wurden, infolgedessen nur verwendet werden, wenn dies erforderlich ist für die Ausübung der Verteidigungsrechte in Verfahren vor Gerichten der Mitgliedstaaten in bestimmten und sehr begrenzten Rechtssachen, die sich unmittelbar auf den Fall beziehen, für den Akteneinsicht gewährt wurde. Dies sollte die Wettbewerbsbehörden nicht daran hindern, ihre Entscheidungen im Einklang mit den geltenden Vorschriften des Unionsrechts oder des nationalen Rechts zu veröffentlichen.
(46)Beweismittel sind ein wichtiges Element bei der Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV. Die NWB sollten die Möglichkeit haben, relevante Beweismittel unabhängig davon, ob es sich um Beweismittel schriftlicher oder mündlicher Art oder um andere Aufzeichnungen handelt, zu berücksichtigen, so auch von juristischen oder natürlichen Personen angefertigte versdeckte Aufzeichnungen, sofern diese nicht die einzigen Beweismittel darstellen. Dies gilt unbeschadet des Rechts auf Anhörung.
(47)Um eine enge Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu fördern, sollte die Kommission im Einklang mit den einschlägigen Vertraulichkeits-, Datenschutz- und Datensicherheitsstandards für Pflege, Weiterentwicklung, Hosting, Betrieb und Unterstützung eines zentralen Informationssystems (System des Europäischen Wettbewerbsnetzes) zuständig sein. Das wirksame und effiziente Funktionieren des Europäischen Wettbewerbsnetzes beruht auf Interoperabilität. Die Kosten für Pflege, Weiterentwicklung, Hosting, Betrieb und Nutzerunterstützung im Zusammenhang mit dem zentralen Informationssystem sowie andere Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Wettbewerbsnetzes, so insbesondere die Kosten für die Organisation von Sitzungen, gehen zulasten des Gesamthaushaltsplans der Union. Bis 2020 sollen die Kosten für das System des Europäischen Wettbewerbsnetzes weiterhin aus den Mitteln des Programms über Interoperabilitätslösungen und gemeinsame Rahmen für europäische öffentliche Verwaltungen (Programm ISA2) gedeckt werden, sofern die erforderlichen Mittel verfügbar und die einschlägigen Kriterien und Prioritäten erfüllt sind.
(48)Die Ziele dieser Richtlinie, die darin bestehen zu gewährleisten, dass die NWB über die Unabhängigkeit, die Ressourcen und die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung und der Verhängung von Geldbußen verfügen, die sie benötigen, um die Artikel 101 und 102 AEUV und das nationale Wettbewerbsrecht parallel zu Artikel 101 und 102 AEUV wirksam anzuwenden, und um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu gewährleisten, können von den Mitgliedstaaten allein nicht ausreichend verwirklicht und aufgrund der erforderlichen wirksamen und einheitlichen Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV insbesondere angesichts des räumlichen Geltungsbereichs besser von der Union allein erreicht werden, sodass die Union im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union tätig werden kann. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(49)Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erläuternden Dokumenten haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
KAPITEL I
GEGENSTAND, GELTUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
Artikel 1
Gegenstand und Geltungsbereich
(1)In dieser Richtlinie sind bestimmte Vorschriften festgelegt, mit denen gewährleistet werden soll, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden über die Unabhängigkeit, die Ressourcen und die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und der Verhängung von Geldbußen verfügen, die sie benötigen, um die Artikel 101 und 102 AEUV wirksam anzuwenden, sodass der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verfälscht wird und den Verbrauchern und Unternehmen keine Nachteile entstehen durch nationale Gesetze und Maßnahmen, die die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften durch die nationalen Wettbewerbsbehörden verhindern. Gegenstand der Richtlinie sind die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV sowie die Anwendung von Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts, die parallel zu den Artikeln 101 und 102 AEUV auf denselben Fall angewendet werden; dies gilt mit Ausnahme des Artikels 29 Absatz 2, der sich auch auf die ausschließliche Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts bezieht.
(2)Diese Richtlinie enthält bestimmte Vorschriften zur Amtshilfe, die darauf abzielen, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und das System der engen Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes zu wahren.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
1.„nationale Wettbewerbsbehörde“ eine Behörde, die von einem Mitgliedstaat nach Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 als für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV zuständige Behörde bestimmt worden ist. Die Mitgliedstaaten können eine oder mehrere Verwaltungsbehörden („für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörde“) bzw. Justizbehörden („für Wettbewerb zuständige nationale Justizbehörde“) mit dieser Aufgabe betrauen;
2.„Wettbewerbsbehörde“ je nach Zusammenhang eine nationale Wettbewerbsbehörde oder die Kommission oder beide;
3.„Europäisches Wettbewerbsnetz“ das aus den nationalen Wettbewerbsbehörden und der Kommission bestehende Behördennetz, das ein Forum für Diskussion und Zusammenarbeit im Rahmen der Anwendung und Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV bildet;
4.„Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts“ Bestimmungen des nationalen Rechts, mit denen überwiegend dasselbe Ziel verfolgt wird wie mit den Artikeln 101 und 102 AEUV und die nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 parallel zum Wettbewerbsrecht der Union auf denselben Fall angewandt werden, mit Ausnahme der Verwendung von Informationen aus Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen nach Artikel 29 Absatz 2 und unter Ausschluss nationaler Rechtsvorschriften, mit denen natürlichen Personen strafrechtliche Sanktionen auferlegt werden.
5.„nationales Gericht“ ein Gericht eines Mitgliedstaats im Sinne des Artikels 267 AEUV;
6.„Rechtsmittelinstanz“ ein nationales Gericht, das im Wege ordentlicher Rechtsmittel befugt ist, Entscheidungen einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder darüber ergehende gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen, unabhängig davon, ob das jeweilige Gericht selbst die Befugnis hat, eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht festzustellen;
7.„Verfahren“ ein Verfahren vor einer nationalen Wettbewerbsbehörde, in dem Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV zur Anwendung kommt, bis die jeweilige Wettbewerbsbehörde das Verfahren durch Erlass einer Entscheidung nach Artikel 9 oder Artikel 11 beendet hat oder zu dem Schluss gelangt ist, dass kein Anlass für weitere Maßnahmen ihrerseits besteht, oder, im Fall der Kommission, ein Verfahren vor der Kommission, in dem Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV zur Anwendung kommt, bis die Kommission das Verfahren durch Erlass eines Beschlusses nach Artikel 7, 9 oder 10 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 beendet hat oder zu dem Schluss gelangt ist, dass kein Anlass für weitere Maßnahmen ihrerseits besteht;
8.„Unternehmen“ im Sinne der Artikel 101 und 102 AEUV gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung;
9.„geheimes Kartell“ eine Vereinbarung und/oder eine abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Wettbewerbern zwecks Abstimmung ihres Wettbewerbsverhaltens auf dem Markt und/oder Beeinflussung der relevanten Wettbewerbsparameter durch Verhaltensweisen wie die Festsetzung von An- oder Verkaufspreisen oder sonstiger Geschäftsbedingungen, die Aufteilung von Produktions- oder Absatzquoten, die Aufteilung von Märkten einschließlich Angebotsabsprachen, Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und/oder gegen andere Wettbewerber gerichtete wettbewerbsschädigende Maßnahmen, die in ihrer Gesamtheit oder in Teilen nur den Beteiligten bekannt sind;
10.„Geldbußenerlass“ den Umstand, dass einem Unternehmen wegen seiner Beteiligung an einem geheimen Kartell als Anerkennung dafür, dass es im Rahmen eines Kronzeugenprogramms mit einer Wettbewerbsbehörde zusammengearbeitet hat, keine Geldbuße auferlegt wird;
11.„Geldbußenermäßigung“ den Umstand, dass einem Unternehmen wegen seiner Beteiligung an einem geheimen Kartell als Anerkennung dafür, dass es im Rahmen eines Kronzeugenprogramms mit einer Wettbewerbsbehörde zusammengearbeitet hat, eine Geldbuße auferlegt wird, die im Vergleich zu der Geldbuße, die ihm andernfalls auferlegt worden wäre, ermäßigt ist;
12.„Kronzeugenbehandlung“ sowohl den Geldbußenerlass als auch die Geldbußenermäßigung;
13.„Kronzeugenprogramm“ ein Programm in Bezug auf die Anwendung des Artikels 101 AEUV oder des nationalen Wettbewerbsrechts, in dessen Rahmen ein an einem geheimen Kartell Beteiligter unabhängig von den übrigen Kartellbeteiligten an einer Untersuchung der Wettbewerbsbehörde mitwirkt, indem er freiwillig seine Kenntnis von dem Kartell und seine Beteiligung daran darlegt und ihm dafür im Gegenzug durch Entscheidung oder Beschluss bzw. Verfahrenseinstellung die wegen seiner Beteiligung am Kartell zu verhängende Geldbuße erlassen oder ermäßigt wird;
14.„Kronzeugenerklärung“ eine freiwillige mündliche oder schriftliche Darlegung seitens oder im Namen eines Unternehmens oder einer natürlichen Person gegenüber einer Wettbewerbsbehörde, in der das Unternehmen oder die natürliche Person seine bzw. ihre Kenntnis von einem geheimen Kartell und seine bzw. ihre Beteiligung daran darlegt und die eigens zu dem Zweck formuliert wurde, im Rahmen eines Kronzeugenprogramms bei der Wettbewerbsbehörde den Erlass oder eine Ermäßigung der Geldbuße zu erwirken, oder eine Aufzeichnung dieser Darlegung; dies umfasst nicht bereits vorliegende Informationen;
15.„bereits vorhandene Informationen“ Beweismittel, die unabhängig von einem wettbewerbsbehördlichen Verfahren vorliegen, unabhängig davon, ob diese Informationen in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind oder nicht;
16.„Vergleichsausführungen“ eine freiwillige Darlegung seitens oder im Namen eines Unternehmens gegenüber einer Wettbewerbsbehörde, die ein Anerkenntnis des Unternehmens oder seinen Verzicht auf das Bestreiten der Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV oder das nationale Wettbewerbsrecht und seiner Verantwortung für diese Zuwiderhandlung enthält und die eigens zu dem Zweck formuliert wurde, der betreffenden Wettbewerbsbehörde die Anwendung eines vereinfachten oder beschleunigten Verfahrens zu ermöglichen;
17.„Antragsteller“ ein Unternehmen, das im Rahmen eines Kronzeugenprogramms einen Antrag auf Geldbußenerlass oder -ermäßigung stellt;
18.„ersuchende Behörde“ eine nationale Wettbewerbsbehörde, die ein Amtshilfeersuchen nach den Artikeln 23, 24 oder 25 stellt;
19.„ersuchte Behörde“ eine nationale Wettbewerbsbehörde, an die ein Amtshilfeersuchen gerichtet wurde; bei einem Amtshilfeersuchen nach den Artikeln 24 und 25 kann es sich dabei um die zuständige Dienststelle, Behörde oder Abteilung handeln, die für die Durchsetzung entsprechender Entscheidungen nach nationalen Gesetzen, sonstigen Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren die Hauptverantwortung trägt.
Alle Bezugnahmen auf die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV und auf Zuwiderhandlungen gegen diese Artikel sind so zu verstehen, dass sie auch die parallele Anwendung der Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts auf denselben Fall umfassen.
KAPITEL II
GRUNDRECHTE
Artikel 3
Vorkehrungen
Im Zusammenhang mit der Ausübung der in dieser Richtlinie genannten Befugnisse durch die nationalen Wettbewerbsbehörden sind angemessene Vorkehrungen zu treffen, die mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang stehen, u. a. Vorkehrungen in Bezug auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der Unternehmen und ihr Recht, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
KAPITEL III
UNABHÄNGIGKEIT UND RESSOURCEN
Artikel 4
Unabhängigkeit
(1)Um die Unabhängigkeit der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden bei der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV zu gewährleisten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die genannten Behörden ihre Aufgaben und ihre Befugnisse – auf der Grundlage angemessener Rechenschaftspflichten und unbeschadet der engen Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes – unparteiisch und im Interesse der wirksamen und einheitlichen Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV erfüllen bzw. ausüben.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen insbesondere Folgendes sicher:
a) Die Mitarbeiter und die Mitglieder des Entscheidungsgremiums der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden können ihre Aufgaben und ihre Befugnisse im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV unabhängig von politischer und anderer externer Einflussnahme erfüllen bzw. ausüben.
b) Die Mitarbeiter und die Mitglieder des Entscheidungsgremiums der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden ersuchen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und bei der Ausübung ihrer Befugnisse im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV weder um Weisungen von einer Regierung oder einer anderen öffentlichen oder privaten Stelle noch nehmen sie solche Weisungen an.
c) Die Mitarbeiter und die Mitglieder des Entscheidungsgremiums der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden unterlassen jede Handlung, die mit der Erfüllung ihrer Aufgaben und mit der Ausübung ihrer Befugnisse im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV unvereinbar ist.
d) Die Mitglieder des Entscheidungsgremiums der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden dürfen nur entlassen werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht mehr erfüllen oder wenn sie sich eines schweren Fehlverhaltens nach nationalem Recht schuldig gemacht haben. Die Gründe für eine Entlassung sollten im Voraus im nationalen Recht festgelegt werden. Die Mitglieder dürfen nicht aus Gründen entlassen werden, die mit der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben und der ordnungsgemäßen Ausübung ihrer Befugnisse im Rahmen der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV, die in Artikel 5 Absatz 2 festgelegt sind, zusammenhängen.
e) Die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden sind befugt, bei der Erfüllung der in Artikel 5 Absatz 2 festgelegten Aufgaben im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV eigene Prioritäten zu setzen. Insofern als die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden zur Prüfung förmlich eingereichter Beschwerden verpflichtet sind, umfasst dies auch die Befugnis der genannten Behörden, derartige Beschwerden mit der Begründung abzuweisen, dass sie nicht als Priorität betrachtet werden. Dies gilt unbeschadet der Befugnis der nationalen Wettbewerbsbehörden, Beschwerden aus anderen im nationalen Recht festgelegten Gründen abzuweisen.
Artikel 5
Ressourcen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden über die personellen, finanziellen und technischen Ressourcen verfügen, die sie für die wirksame Erfüllung ihrer Aufgaben und Ausübung ihrer Befugnisse im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV, die in Absatz 2 festgelegt sind, benötigen.
(2)Die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV durch die nationalen Wettbewerbsbehörden beinhaltet Folgendes: Durchführung von Untersuchungen im Hinblick auf die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV, Erlass von Entscheidungen zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV auf der Grundlage des Artikels 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und enge Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes, um die wirksame und einheitliche Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV zu gewährleisten.
KAPITEL IV
BEFUGNISSE
Artikel 6
Befugnis zur Durchführung von Nachprüfungen in betrieblichen Räumlichkeiten
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden alle für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV erforderlichen unangekündigten Nachprüfungen bei Unternehmen und Unternehmensvereinigungen vornehmen können. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Bediensteten und anderen Begleitpersonen, die von den nationalen Wettbewerbsbehörden zur Durchführung von Nachprüfungen ermächtigt wurden, mindestens befugt sind,
a) alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel der betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zu betreten;
b) die Bücher und sonstigen geschäftlichen Aufzeichnungen, unabhängig davon, auf welchem Medium sie gespeichert sind, zu prüfen; dies umfasst auch das Recht auf Zugang zu Informationen, die der Einheit, die Gegenstand der Nachprüfung ist, zugänglich sind;
c) Kopien oder Auszüge gleich welcher Art aus diesen Büchern und Aufzeichnungen anzufertigen oder zu erlangen, und, wenn sie es für notwendig erachten, diese Kopien oder Auszüge in den Räumlichkeiten der nationalen Wettbewerbsbehörden oder anderen bezeichneten Räumlichkeiten weiter zu durchsuchen;
d) betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Aufzeichnungen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist;
e) von allen Vertretern oder Mitarbeitern des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Fakten oder Unterlagen zu verlangen, die Gegenstand und Zweck der Nachprüfung betreffen, und ihre Antworten aufzuzeichnen.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verpflichtet sind, die von den für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden durchgeführten Nachprüfungen zu dulden. Widersetzt sich ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung einer Nachprüfung, die von einer für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörde angeordnet oder von einer nationalen Justizbehörde genehmigt wurde, so haben die nationalen Wettbewerbsbehörden Anspruch auf die für die Durchführung der Nachprüfung erforderliche Unterstützung durch die Polizei oder eine entsprechende gesetzlich ermächtigte Behörde. Eine derartige Unterstützung kann auch vorsorglich beantragt und gewährt werden.
Artikel 7
Befugnis zur Durchführung von Nachprüfungen in anderen Räumlichkeiten
(1)Besteht ein begründeter Verdacht, dass Bücher oder sonstige geschäftliche Aufzeichnungen, die sich auf den Gegenstand der Nachprüfung beziehen und als Beweismittel für einen schweren Verstoß gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV von Bedeutung sein könnten, in anderen als den in Artikel 6 angegebenen Räumlichkeiten, auf anderen Grundstücken oder in Transportmitteln aufbewahrt werden, darunter auch die Wohnungen von Mitarbeitern der betreffenden Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, einschließlich Mitarbeitern in leitender Funktion, so können die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden unangekündigte Nachprüfungen in diesen Räumlichkeiten, auf diesen Grundstücken oder in diesen Transportmitteln durchführen.
(2)Diese Nachprüfungen können nur mit der vorherigen Genehmigung einer nationalen Justizbehörde vorgenommen werden.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die von einem nationalen Gericht zur Durchführung einer Nachprüfung nach Absatz 1 ermächtigten Bediensteten oder anderen Begleitpersonen mindestens die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, b und c und Artikel 6 Absatz 2 aufgeführten Befugnisse haben.
Artikel 8
Auskunftsverlangen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten können, alle für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV erforderlichen Informationen innerhalb einer festgesetzten Frist zu erteilen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf Informationen, die dem Unternehmen bzw. der Unternehmensvereinigung zugänglich sind.
Artikel 9
Feststellung und Abstellung von Zuwiderhandlungen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden bei Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV die betreffenden Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten können, diese Zuwiderhandlung abzustellen. Sie können hierzu verhaltensorientierte oder strukturelle Abhilfemaßnahmen vorschreiben, die in einem angemessen Verhältnis zu der festgestellten Zuwiderhandlung stehen und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind.
Artikel 10
Einstweilige Maßnahmen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden zumindest in dringenden Fällen, in denen die Gefahr eines ernsten, nicht wieder gutzumachenden Schadens für den Wettbewerb besteht, auf der Grundlage einer prima facie festgestellten Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV von Amts wegen durch Entscheidung anordnen können, dass Unternehmen einstweilige Maßnahmen auferlegt werden. Eine solche Entscheidung hat eine befristete Geltungsdauer und ist – sofern erforderlich und angemessen – verlängerbar.
Artikel 11
Verpflichtungszusagen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden bei Verfahren, die mit Blick auf den Erlass einer Entscheidung zur Abstellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV eingeleitet werden, die Verpflichtungszusagen, die Unternehmen unterbreitet haben, um die Bedenken der nationalen Wettbewerbsbehörden auszuräumen, im Wege einer Entscheidung für bindend erklären können. Die Entscheidung kann befristet sein und muss besagen, dass für ein Tätigwerden der jeweiligen nationalen Wettbewerbsbehörde kein Anlass mehr besteht.
KAPITEL V
GELDBUSSEN UND ZWANGSGELDER
Artikel 12
Geldbußen für Unternehmen und Unternehmensvereinigungen
(1)Unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die für die Verhängung von Sanktionen in strafrechtlichen Gerichtsverfahren maßgeblich sind, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden entweder durch Entscheidung in Verwaltungsverfahren wirksame, angemessene und abschreckende Geldbußen gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verhängen können, oder die Möglichkeit haben, die Verhängung derartiger Geldbußen in nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahren zu beantragen, wenn die Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV verstoßen.
(2)Unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die für die Verhängung von Sanktionen in strafrechtlichen Gerichtsverfahren maßgeblich sind, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden entweder durch Entscheidung in Verwaltungsverfahren wirksame, angemessene und abschreckende Geldbußen gegen Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen verhängen können, die im Verhältnis zu ihrem Gesamtumsatz festgesetzt werden, oder die Verhängung derartiger Geldbußen in nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahren beantragen können, wenn die Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen vorsätzlich oder fahrlässig
a)eine Nachprüfung nach Artikel 6 Absatz 2 nicht dulden;
b)Siegel gebrochen haben, die Bedienstete oder andere Begleitpersonen, die von der ersuchenden nationalen Wettbewerbsbehörde ermächtigt wurden, nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d angebracht haben;
c)bei der Beantwortung einer Frage nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e eine unrichtige oder irreführende Antwort erteilen, keine vollständige Antwort erteilen oder eine vollständige Antwort verweigern oder eine von einem Mitarbeiter erteilte unrichtige, irreführende oder unvollständige Antwort nicht innerhalb einer von der nationalen Wettbewerbsbehörde gesetzten Frist berichtigen;
d)bei der Erteilung einer durch Entscheidung nach Artikel 8 verlangten Auskunft unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben machen oder die Angaben nicht innerhalb der gesetzten Frist machen;
e)einer Entscheidung nach den Artikeln 10 und 11 nicht nachkommen.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Zwecke der Verhängung von Geldbußen gegen Muttergesellschaften sowie rechtliche und wirtschaftliche Nachfolger von Unternehmen der Begriff des Unternehmens angewandt wird.
Artikel 13
Berechnung der Geldbußen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer berücksichtigen.
(2)Wird gegen eine Unternehmensvereinigung eine Geldbuße verhängt, die dem Umsatz ihrer Mitglieder Rechnung trägt, und ist die Unternehmensvereinigung selbst nicht zahlungsfähig, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Unternehmensvereinigung verpflichtet ist, von ihren Mitgliedern Beiträge zur Deckung des Betrags der Geldbuße zu verlangen.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden, sofern es zur vollständigen Zahlung der Geldbuße erforderlich ist, die Zahlung des ausstehenden Betrags der Geldbuße von jedem Unternehmen verlangen können, dessen Vertreter den Entscheidungsgremien der Unternehmensvereinigung angehört haben. Die nationalen Wettbewerbsbehörden können, soweit es noch notwendig ist, die Zahlung des ausstehenden Betrags der Geldbuße auch von jedem Mitglied der Unternehmensvereinigung verlangen, das auf dem Markt tätig war, auf dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat. Von Mitgliedern der Unternehmensvereinigung, die die Zuwiderhandlung nicht umgesetzt haben und entweder von deren Existenz keine Kenntnis hatten oder sich aktiv davon distanziert haben, noch ehe die Untersuchung begonnen hat, darf die Zahlung hingegen nicht verlangt werden.
Artikel 14
Höchstbetrag der Geldbuße
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Höchstbetrag der Geldbuße, die eine nationale Wettbewerbsbehörde gegen jedes Unternehmen oder jede Unternehmensvereinigung, das/die sich an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV beteiligt hat, verhängen kann, auf mindestens 10 % seines/ihres weltweiten Gesamtumsatzes in dem der Entscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr festgesetzt wird.
(2)Steht die Zuwiderhandlung einer Unternehmensvereinigung mit den Tätigkeiten ihrer Mitglieder im Zusammenhang, wird der Höchstbetrag der Geldbuße auf mindestens 10 % der Summe des weltweiten Gesamtumsatzes derjenigen Mitglieder, die auf dem Markt, auf dem sich die Zuwiderhandlung der Vereinigung auswirkte, tätig waren, festgesetzt. Die finanzielle Haftung der einzelnen Unternehmen für die Zahlung der Geldbuße darf den gemäß Absatz 1 festgesetzten Höchstbetrag jedoch nicht übersteigen.
Artikel 15
Zwangsgelder
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung wirksame, angemessene und abschreckende Zwangsgelder verhängen können, die im Verhältnis zu ihrem täglichen Gesamtumsatz festgesetzt werden, um sie zu zwingen,
a)eine Nachprüfung nach Artikel 6 Absatz 2 zu dulden;
b) die Informationen nach Artikel 8 vollständig und genau zu erteilen,
c) einer Entscheidung nach den Artikeln 9, 10 und 11 nachzukommen.
KAPITEL VI
KRONZEUGENBEHANDLUNG
Artikel 16
Geldbußenerlass
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden über Kronzeugenprogramme verfügen, auf deren Grundlage sie Unternehmen einen Geldbußenerlass gewähren können.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Geldbußenerlass nur gewährt werden kann, wenn das Unternehmen
a)die in Artikel 18 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt;
b)seine Beteiligung an einem geheimen Kartell offenlegt und
c)das erste Unternehmen ist, das Beweismittel vorlegt, die
i)die nationale Wettbewerbsbehörde zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Antrag erhält, in die Lage versetzen, eine gezielte Nachprüfung im Zusammenhang mit dem geheimen Kartell durchzuführen, vorausgesetzt, die nationale Wettbewerbsbehörde verfügte bislang nicht über die erforderlichen Beweismittel, um eine Nachprüfung im Zusammenhang mit dem geheimen Kartell durchzuführen, bzw. hat noch keine derartige Nachprüfung durchgeführt oder
ii)nach Auffassung der nationalen Wettbewerbsbehörde die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ermöglichen, vorausgesetzt, die nationale Wettbewerbsbehörde verfügte bislang nicht über die erforderlichen Beweismittel, um eine solche Zuwiderhandlung festzustellen, und kein anderes Unternehmen hat bislang die Voraussetzungen für einen Geldbußenerlass nach Absatz 2 Buchstabe c Ziffer i im Zusammenhang mit demselben Kartell erfüllt.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Unternehmen für einen Geldbußenerlass infrage kommen, mit Ausnahme von Unternehmen, die Schritte unternommen haben, um andere Unternehmen zur Beteiligung an einem geheimen Kartell zu zwingen.
Artikel 17
Geldbußenermäßigung
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden über Kronzeugenprogramme verfügen, auf deren Grundlage sie Unternehmen, die die Voraussetzung für einen Geldbußenerlass nicht erfüllen, eine Geldbußenermäßigung gewähren können.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Geldbußenermäßigungen nur dann gewährt werden, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 18 erfüllt sind und der Antragsteller seine Beteiligung an einem geheimen Kartell offenlegt und der nationalen Wettbewerbsbehörde Beweismittel für das mutmaßliche geheime Kartell vorlegt, die im Hinblick auf den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV oder eine entsprechende Bestimmung des nationalen Rechts gegenüber den Beweismitteln, die sich zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits im Besitz der nationalen Wettbewerbsbehörde befinden, einen erheblichen Mehrwert aufweisen.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden eine zusätzliche Geldbußenermäßigung gewähren können, wenn der Antragsteller Beweismittel vorlegt, die keiner weiteren Bestätigung bedürfen und von der nationalen Wettbewerbsbehörde verwendet werden, um zusätzliche Tatsachen zu beweisen, die zu Geldbußen führen, die höher sind als die Geldbußen, die sonst gegen die an dem geheimen Kartell Beteiligten verhängt worden wären. Die Geldbußenermäßigung für den Antragsteller steht im Verhältnis zu dieser Geldbußenerhöhung.
Artikel 18
Allgemeine Voraussetzungen für die Anwendung der Kronzeugenregelung
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Antragsteller alle nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen erfüllen muss, um für die Kronzeugenbehandlung infrage zu kommen:
a)Er hat seine Beteiligung an dem mutmaßlichen geheimen Kartell unmittelbar nach Stellung seines Antrags beendet; dies gilt mit Ausnahme jener Kartellaktivitäten, die nach Auffassung der zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörde nach vernünftigem Ermessen möglicherweise erforderlich sind, um die Integrität ihrer Untersuchung zu wahren.
b)Er arbeitet ab dem Zeitpunkt seiner Antragstellung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die nationale Wettbewerbsbehörde ihr Verfahren gegen alle von der Untersuchung betroffenen Parteien durch Erlass einer Entscheidung oder in anderer Weise beendet hat, ernsthaft, uneingeschränkt, kontinuierlich und zügig mit der nationalen Wettbewerbsbehörde zusammen. Dies beinhaltet, dass er
i)der nationalen Wettbewerbsbehörde unverzüglich alle relevanten Informationen über und Beweise für das mutmaßliche geheime Kartell übermittelt, die in seinen Besitz gelangen oder zu denen er Zugang hat,
ii)sich der nationalen Wettbewerbsbehörde zur Verfügung hält, um jede Anfrage zu beantworten, die zur Feststellung des Sachverhalts beitragen kann,
iii)dafür sorgt, dass derzeitige (und, soweit möglich, frühere) Mitarbeiter einschließlich Mitarbeitern in leitender Funktion für Befragungen durch die nationale Wettbewerbsbehörde zur Verfügung stehen,
iv)relevante Informationen über und Beweise für das mutmaßliche Kartell nicht vernichtet, verfälscht oder unterdrückt und
v)weder die Tatsache seiner Antragstellung noch den Inhalt seines Antrags offenlegt, bis die nationale Wettbewerbsbehörde ihre Beschwerdepunkte in dem Verfahren mitgeteilt hat, sofern nichts anderes vereinbart wurde.
c)Er darf Folgendes nicht getan haben:
i)Er darf weder Beweise für das mutmaßliche geheime Kartell vernichtet, verfälscht oder unterdrückt haben, noch darf er
ii)die Tatsache, dass er eine Antragstellung erwägt, oder den Inhalt des von ihm erwogenen Antrags auf Kronzeugenbehandlung offengelegt haben; dies gilt mit Ausnahme der Offenlegung gegenüber anderen Wettbewerbsbehörden.
Artikel 19
Form der Anträge auf Kronzeugenbehandlung
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Kronzeugenbehandlung schriftlich beantragt werden kann und dass die nationalen Wettbewerbsbehörden auch über ein System verfügen, mit dem sie Kronzeugenerklärungen mündlich oder in anderer Weise, die nicht zur Erstellung von Unterlagen, Informationen oder anderem Material, das sich im Besitz, in der Verwahrung oder unter der Kontrolle des Antragsstellers befindet, führt, entgegennehmen können.
Artikel 20
Marker für einen förmlichen Antrag auf Geldbußenerlass
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Unternehmen, das einen Antrag auf Geldbußenerlass zu stellen beabsichtigt, bei den nationalen Wettbewerbsbehörden zunächst einen Marker beantragen kann. Der Marker schützt den Rang eines Antragsstellers in der Eingangsreihenfolge der Anträge für einen bestimmten Zeitraum, der von der nationalen Wettbewerbsbehörde, die den Antrag auf einen Marker erhält, jeweils fallweise festzulegen ist. Während dieses Zeitraums kann der Antragsteller die Informationen und Beweismittel zusammentragen, die erforderlich sind, um den Mindestbeweisanforderungen für den Geldbußenerlass zu genügen.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es im Ermessen der nationalen Wettbewerbsbehörden liegt, ob sie einen Marker zugestehen oder nicht.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass davon ausgegangen wird, dass die Informationen und Beweismittel zum Zeitpunkt der Gewährung des Markers vorgelegt wurden, wenn der Antragsteller den Antrag innerhalb der gesetzten Frist vervollständigt.
Artikel 21
Kurzanträge
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Unternehmen, die Kronzeugenbehandlung beantragt haben, indem sie bei der Kommission in Bezug auf ein mutmaßliches geheimes Kartell entweder einen Marker beantragt oder einen vollständigen Antrag gestellt haben, in Bezug auf dasselbe Kartell Kurzanträge bei nationalen Wettbewerbsbehörden einreichen können, die ihrer Ansicht nach für die Bearbeitung des jeweiligen Falls geeignet sind.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden Kurzanträge annehmen, sofern sie in einer in Artikel 19 vorgesehenen Form gestellt werden, denselben sachlichen, räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich haben wie der bei der Kommission eingereichte Antrag auf Kronzeugenbehandlung und folgende Angaben in Kurzform enthalten, soweit sie dem Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung bekannt sind:
a)den Namen und die Anschrift des Antragstellers;
b)die Namen der anderen an dem mutmaßlichen geheimen Kartell beteiligten Parteien;
c)die betroffenen Produkte;
d)die betroffenen Gebiete;
e)die Dauer;
f)die Art des mutmaßlichen Kartells;
g)die Mitgliedstaaten, in denen sich die Beweismittel wahrscheinlich befinden und
h)Informationen des Antragstellers über seine bisherigen oder etwaigen künftigen Anträge auf Kronzeugenbehandlung im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen geheimen Kartell.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden davon absehen, vom Antragsteller Informationen im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Zuwiderhandlung, die Gegenstand des Kurzantrags ist, anzufordern, die über die in Absatz 2 aufgeführten Angaben hinausgehen, bevor sie die Einreichung eines vollständigen Antrags nach Absatz 6 verlangen.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass nationale Wettbewerbsbehörden, die einen Kurzantrag erhalten, dem Antragsteller eine Empfangsbestätigung ausstellen, auf der Datum und Uhrzeit des Eingangs vermerkt sind.
(5)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass nationale Wettbewerbsbehörden, die einen Kurzantrag erhalten, zum Zeitpunkt des Eingangs prüfen, ob sie im Zusammenhang mit demselben mutmaßlichen geheimen Kartell bereits einen Kurzantrag bzw. einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung erhalten haben, und den Antragsteller entsprechend informieren.
(6)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Antragsteller die Möglichkeit haben, bei den jeweiligen nationalen Wettbewerbsbehörden vollständige Anträge auf Kronzeugenbehandlung einzureichen, die die in Absatz 1 genannten Kurzanträge vervollständigen, sobald die Kommission den jeweiligen Behörden mitgeteilt hat, dass sie nicht die Absicht hat, in Bezug auf den gesamten Fall oder einen Teil davon tätig zu werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden befugt sind, eine angemessene Frist festzusetzen, vor deren Ablauf der Antragsteller den vollständigen Antrag zusammen mit den entsprechenden Beweismitteln und Informationen einreichen muss.
(7)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in dem Fall, dass der Antragsteller den vollständigen Antrag nach Absatz 6 innerhalb der von der nationalen Wettbewerbsbehörde festgesetzten Frist einreicht, davon ausgegangen wird, dass die in dem vollständigen Antrag enthaltenen Informationen an dem Datum und zu der Uhrzeit des Kurzantrags vorgelegt wurden. Hat der Antragsteller den Kurzantrag spätestens 5 Arbeitstage nach Einreichung des Antrags auf Kronzeugenbehandlung bei der Kommission übermittelt, so wird davon ausgegangen, dass der Kurzantrag an demselben Datum und zu derselben Uhrzeit eingereicht wurde wie der bei der Kommission eingereichte Antrag auf Kronzeugenbehandlung.
Artikel 22
Zusammenwirken von Kronzeugenprogrammen und Sanktionen gegen natürliche Personen
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass derzeitige und frühere Mitarbeiter von Unternehmen, die bei einer Wettbewerbsbehörde einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt haben, einschließlich Mitarbeitern in leitender Funktion, geschützt werden vor straf- und verwaltungsrechtlichen Sanktionen und vor in nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahren verhängten Sanktionen wegen ihrer Beteiligung an dem geheimen Kartell, das Gegenstand des Antrags ist, wenn die jeweiligen Mitarbeiter, einschließlich Mitarbeitern in leitender Funktion, aktiv mit den jeweiligen Wettbewerbsbehörden zusammenarbeiten und der Antrag auf Geldbußenerlass vor Beginn des strafrechtlichen Verfahrens gestellt wurde.
KAPITEL VII
AMTSHILFE
Artikel 23
Zusammenarbeit zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden
Wenn für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörden im Namen und für Rechnung anderer nationaler Wettbewerbsbehörden eine Nachprüfung nach Artikel 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates durchführen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Bediensteten und anderen Begleitpersonen, die von der ersuchenden nationalen Wettbewerbsbehörde ermächtigt wurden, in Ausübung der in den Artikeln 6 und 7 genannten Befugnisse der Nachprüfung beiwohnen und die ersuchte nationale Wettbewerbsbehörde aktiv bei der Nachprüfung unterstützen dürfen.
Artikel 24
Ersuchen um Zustellung vorläufiger Beschwerdepunkte und Entscheidungen
(1)Unbeschadet jeder anderen Form der Zustellung durch eine nationale Wettbewerbsbehörde des ersuchenden Mitgliedstaats entsprechend den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die ersuchte Behörde dem Empfänger auf Antrag der ersuchenden Behörde und in ihrem Namen vorläufige Beschwerdepunkte zu der mutmaßlichen Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV, Entscheidungen, die diese Artikel zur Anwendung bringen und Unterlagen, die mit der Vollstreckung von Entscheidungen zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern zusammenhängen, zustellt.
(2)Die ersuchte Behörde gewährleistet, dass die Zustellung im ersuchten Mitgliedstaat im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren des ersuchten Mitgliedstaats erfolgt.
Artikel 25
Ersuchen um Vollstreckung von Entscheidungen zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die ersuchte Behörde auf Antrag der ersuchenden Behörde Entscheidungen zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern, die nach den Artikeln 12 und 15 von der ersuchenden Behörde erlassen wurden, vollstreckt. Dies gilt nur unter der Voraussetzung, dass
a)das Unternehmen, gegen das die Geldbuße oder das Zwangsgeld vollstreckbar ist, im Mitgliedstaat der ersuchenden Behörde keine rechtliche Präsenz hat oder
b) offensichtlich ist, dass das Unternehmen, gegen das die Geldbuße oder das Zwangsgeld vollstreckt werden kann, im Mitgliedstaat der ersuchenden Behörde keine ausreichenden Vermögenswerte hat.
(2)Die ersuchte Behörde gewährleistet, dass die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren des ersuchten Mitgliedstaats erfolgt.
(3)Die ersuchende Behörde kann nur um Vollstreckung ersuchen, wenn der Titel für die Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat ein bestandskräftiger Titel ist, gegen den kein ordentliches Rechtsmittel mehr eingelegt werden kann.
(4)Für Fragen betreffend Verjährungsfristen gilt das Recht des ersuchenden Mitgliedstaats.
(5)Die ersuchte Behörde ist nicht verpflichtet, Entscheidungen nach Absatz 1 zu vollstrecken, wenn dies der öffentlichen Ordnung in dem Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, offensichtlich widersprechen würde.
Artikel 26
Streitigkeiten über Zustellungsersuchen und über Ersuchen um Vollstreckung von Entscheidungen zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern
(1)Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer zuzustellenden Maßnahme oder einer Entscheidung zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern nach den Artikeln 12 und 15 seitens einer ersuchenden Behörde fallen in die Zuständigkeit der einschlägigen Instanzen des ersuchenden Mitgliedstaats und unter die nationalen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats.
(2)Streitigkeiten über im ersuchten Mitgliedstaat getroffene Vollstreckungsmaßnahmen oder über die Gültigkeit einer Zustellung durch die ersuchte Behörde fallen in die Zuständigkeit der einschlägigen Instanzen des ersuchten Mitgliedstaats und unter die geltenden Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats.
KAPITEL VIII
VERJÄHRUNGSFRISTEN
Artikel 27
Hemmung der Verjährungsfristen für die Verhängung von Sanktionen
(1)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verjährungsfristen für die Verhängung von Geldbußen bzw. Zwangsgeldern durch die nationalen Wettbewerbsbehörden nach den Artikeln 12 und 15 für die Dauer von Verfahren vor nationalen Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten oder vor der Kommission, die sich auf eine Zuwiderhandlung betreffend dieselbe Vereinbarung, Entscheidung einer Unternehmensvereinigung oder abgestimmte Verhaltensweise beziehen, gehemmt werden. Die Hemmung beginnt mit der Mitteilung der ersten förmlichen Untersuchungshandlung an das Unternehmen, das Gegenstand des Verfahrens ist. Sie endet an dem Tag, an dem die zuständige Behörde ihr Verfahren beendet und das Unternehmen darüber informiert hat. Die Dauer dieser Hemmung berührt nicht im nationalen Recht vorgesehene absolute Verjährungsfristen.
(2)Die Verjährungsfrist für die Verhängung von Geldbußen bzw. Zwangsgeldern wird gehemmt, solange die Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde Gegenstand eines bei einer Rechtsmittelinstanz anhängigen Verfahrens ist.
KAPITEL IX
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 28
Rolle der für Wettbewerb zuständigen nationalen Verwaltungsbehörden vor nationalen Gerichten
(1)Mitgliedstaaten, die sowohl eine für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörde, die für die Untersuchung von Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 AEUV zuständig ist, als auch eine für Wettbewerb zuständige nationale Justizbehörde, die für den Erlass von Entscheidungen zur Feststellung der Zuwiderhandlung und/oder zur Verhängung der Geldbuße zuständig ist, benennen, stellen sicher, dass die für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörde direkt Klage bei der für Wettbewerb zuständigen nationalen Justizbehörde erheben kann.
(2)Werden nationale Gerichte in Verfahren gegen Vollstreckungsentscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden, die Artikel 101 oder 102 AEUV anwenden, tätig, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörde uneingeschränkt befugt ist, sich eigenständig als Klägerin, Beklagte oder Antragsgegnerin an diesen Verfahren zu beteiligen und dass ihr dieselben Rechte eingeräumt werden wie den öffentlichen Parteien des Verfahrens.
Artikel 29
Beschränkungen bei der Informationsverwendung
(1)Die auf der Grundlage der Vorschriften in dieser Richtlinie erfassten Informationen sollten nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie erhoben wurden. Sie sollten nicht als Beweismittel für die Verhängung von Sanktionen gegen natürliche Personen verwendet werden.
(2)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zu Kronzeugenerklärungen oder Vergleichsausführungen nur für Zwecke der Ausübung der Verteidigungsrechte in Verfahren vor einer nationalen Wettbewerbsbehörde Zugang gewährt wird. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Informationen aus den Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen von der Partei, die Akteneinsicht erhalten hat, nur verwendet werden dürfen, sofern dies erforderlich ist für die Ausübung ihrer Verteidigungsrechte in Verfahren vor Gerichten der Mitgliedstaaten in Rechtssachen, die sich unmittelbar auf den Fall beziehen, in der Akteneinsicht gewährt wurde, und die Folgendes betreffen:
a)die Aufteilung einer den Kartellbeteiligten von einer nationalen Wettbewerbsbehörde gesamtschuldnerisch auferlegten Geldbuße auf die einzelnen Kartellbeteiligten oder
b)die Überprüfung einer Entscheidung, mit der eine nationale Wettbewerbsbehörde eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV oder Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts festgestellt hat.
(3)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass folgende Kategorien von Informationen, die im Laufe von Verfahren vor einer nationalen Wettbewerbsbehörde eingeholt wurden, nicht in Verfahren vor nationalen Gerichten verwendet werden, bis die nationale Wettbewerbsbehörde ihr Verfahren gegen alle von der Untersuchung betroffenen Parteien durch Erlass einer Entscheidung nach Artikel 9 oder Artikel 11 oder in anderer Weise beendet hat:
a)Informationen, die von anderen natürlichen oder juristischen Person eigens für das Verfahren der nationalen Wettbewerbsbehörde zusammengestellt wurden und
b)Informationen, die die nationale Wettbewerbsbehörde im Laufe ihres Verfahrens zusammengestellt und den Parteien übermittelt hat.
(4)Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kronzeugenerklärungen nur dann nach Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zwischen nationalen Wettbewerbsbehörden ausgetauscht werden,
a)wenn der Antragsteller dem zustimmt oder
b)wenn neben der übermittelnden Behörde auch die empfangende Behörde von demselben Antragsteller einen sich dieselbe Zuwiderhandlung betreffenden Antrag auf Kronzeugenbehandlung erhalten hat, sofern es dem Antragsteller zu dem Zeitpunkt, zu dem die Informationen übermittelt werden, nicht freisteht, die Informationen, die er der empfangenden Behörde übermittelt hat, zurückzuziehen oder
c)wenn die empfangende Behörde schriftlich versichert, dass weder die ihr vorgelegten Informationen, noch andere Informationen, die sie nach dem von der übermittelnden Behörde angegebenen Datum und Zeitpunkt möglicherweise erhält, von ihr oder von einer anderen Behörde, an die die Information anschließend übermittelt wird, dazu verwendet wird, Sanktionen gegen den Antragsteller oder jede andere juristische oder natürliche Person, die in den Genuss des Rechtsvorteils kommt, den die übermittelnde Behörde aufgrund des Antrags auf Kronzeugenbehandlung gewährt, oder gegen jeden Mitarbeiter oder früheren Mitarbeiter der vorgenannten Personen zu verhängen,
und wenn der von der empfangenden nationalen Wettbewerbsbehörde gewährte Schutz vor Offenlegung jenem der übermittelnden nationalen Wettbewerbsbehörde entspricht.
(5)Wenn eine Wettbewerbsbehörde Informationen, die ein Antragsteller freiwillig nach Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 vorgelegt hat, ohne Zustimmung des Antragstellers übermittelt, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die empfangenden nationalen Wettbewerbsbehörden in der Lage sind, die in Absatz 4 Buchstabe c genannte Versicherung abzugeben.
(6)Die Absätze 2-5 gelten unabhängig von der Form, in der die Kronzeugenerklärungen nach Artikel 19 vorgelegt werden.
Artikel 30
Zulässigkeit von Beweismitteln vor nationalen Wettbewerbsbehörden
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass mündliche Erklärungen, Aufzeichnungen und alle sonstigen Gegenstände, die Informationen enthalten, unabhängig von dem Medium, auf dem die Informationen gespeichert sind, als Beweismittel vor einer nationalen Wettbewerbsbehörde zulässig sind.
Artikel 31
Kosten des Systems des Europäischen Wettbewerbsnetzes
Die Kosten, die der Kommission im Zusammenhang mit der Pflege und Weiterentwicklung des Systems des Europäischen Wettbewerbsnetzes und mit der Zusammenarbeit innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes entstehen, gehen im Rahmen der verfügbaren Mittel zulasten des Gesamthaushaltsplans der Union.
KAPITEL X
SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 32
Umsetzung
(1)Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, spätestens am [zweijährige Umsetzungsfrist] in Kraft. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.
Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.
(2)Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.
Artikel 33
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Artikel 34
Adressaten
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Europäischen Parlaments
Im Namen des Rates
Der Präsident
Der Präsident
FINANZBOGEN ZU RECHTSAKTEN
1.RAHMEN DES VORSCHLAGS/DER INITIATIVE
1.1.Bezeichnung des Vorschlags/der Initiative
1.2.Politikbereich(e) in der ABM-/ABB-Struktur
1.3.Art des Vorschlags/der Initiative
1.4.Ziel(e)
1.5.Begründung des Vorschlags/der Initiative
1.6.Laufzeit der Maßnahme und Dauer ihrer finanziellen Auswirkungen
1.7.Vorgeschlagene Methode(n) der Mittelverwaltung
2.VERWALTUNGSMASSNAHMEN
2.1.Monitoring und Berichterstattung
2.2.Verwaltungs- und Kontrollsystem
2.3.Prävention von Betrug und Unregelmäßigkeiten
3.GESCHÄTZTE FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN DES VORSCHLAGS/DER INITIATIVE
3.1.Betroffene Rubrik(en) des mehrjährigen Finanzrahmens und Ausgabenlinie(n)
3.2.Geschätzte Auswirkungen auf die Ausgaben
3.2.1Übersicht
3.2.2Geschätzte Auswirkungen auf die operativen Mittel
3.2.3Geschätzte Auswirkungen auf die Verwaltungsmittel
3.2.4Vereinbarkeit mit dem mehrjährigen Finanzrahmen
3.2.5Finanzierungsbeteiligung Dritter
3.3.Geschätzte Auswirkungen auf die Einnahmen
FINANZBOGEN ZU RECHTSAKTEN
1.RAHMEN DES VORSCHLAGS/DER INITIATIVE
1.1.Bezeichnung des Vorschlags/der Initiative
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts.
1.2.Politikbereich(e) in der ABM-/ABB-Struktur
Politikbereich:
Titel 03 – Wettbewerbspolitik
Maßnahmen:
03 02 – Politische Zusammenarbeit, Europäisches Wettbewerbsnetz und internationale Zusammenarbeit
03 05 – Kartelle, Anti-Trust und Liberalisierung
1.3.Art des Vorschlags/der Initiative
Der Vorschlag/Die Initiative betrifft eine neue Maßnahme.
1.4.Ziel(e)
1.4.1Mit dem Vorschlag/der Initiative verfolgte mehrjährige strategische Ziele der Kommission
Allgemeines Ziel A: Neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen
1.4.2Einzelziel(e) und ABM-/ABB-Tätigkeit(en)
Einzelziel Nr. 2: Wirksame und kohärente Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts durch die nationalen Wettbewerbsbehörden (NWB) und die nationalen Gerichte
ABM-/ABB-Tätigkeit(en): 03 02 – Politische Zusammenarbeit, Europäisches Wettbewerbsnetz und internationale Zusammenarbeit und 03 05 – Kartelle, Anti-Trust und Liberalisierung
1.4.3Erwartete Ergebnisse und Auswirkungen
1.4.4Wie in Abschnitt 2 der Begründung dargelegt, wird sich die Initiative vor allem auf NWB, Unternehmen und Verbraucher auswirken. Leistungs- und Erfolgsindikatoren
Die nachstehende Tabelle zeigt mögliche Indikatoren, die zur Messung von Leistung und Erfolg herangezogen werden könnten.
Ziele
|
Kernindikatoren
|
Sicherstellen, dass alle nationalen Wettbewerbsbehörden („NWB“) über wirksame Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnisse verfügen
|
Legislative Maßnahmen
1. Vorhandensein der wichtigsten Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnisse nach NWB
2. Vorhandensein der wichtigsten Verfahrensgarantien nach NWB
3. Nutzung neuer Untersuchungsbefugnisse nach NWB
4. Zahl der Vollstreckungsentscheidungen nach Art der Entscheidung (z. B. Verbote, Verpflichtungen, einstweilige Maßnahmen)
Nichtlegislative Maßnahmen:
1. Gegebenenfalls Anwendung von Empfehlungen/Leitlinien, die vom Europäischen Wettbewerbsnetz zu billigen sind, durch die NWB
|
Sicherstellen, dass alle NWB in der Lage sind, wirksame Geldbußen zu verhängen
|
Legislative Maßnahmen:
1. In den Mitgliedstaaten, die derzeit in strafrechtlichen Gerichtsverfahren Geldbußen gegen Unternehmen verhängen:
– Möglichkeit der Verhängung von Geldbußen in Verwaltungsverfahren/nichtstrafrechtlichen Gerichtsverfahren
– Möglichkeit der NWB, bei Gericht als Kläger bzw. Beklagte aufzutreten
– Anzahl der Geldbußen gegenüber der Anzahl der Fälle im Vergleich zum vorhergehenden Zeitraum, in dem Geldbußen vor allem in strafrechtlichen Gerichtsverfahren verhängt wurden
2. Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgrenze der Geldbußen nach NWB
3. Änderungen der Höhe der Geldbußen im Vergleich zur Situation vor dem Inkrafttreten der Richtlinie
4. Gesamthöhe der verhängten Geldbußen
5. Anwendung/Nichtanwendung des Begriffs des Unternehmens für die Zwecke der Verhängung von Geldbußen gegen Muttergesellschaften und rechtliche und wirtschaftliche Nachfolger von Unternehmen
Nichtlegislative Maßnahmen:
1. Gegebenenfalls Anwendung von Empfehlungen/Leitlinien, die vom Europäischen Wettbewerbsnetz zu billigen sind, durch die NWB
|
Sicherstellen, dass alle NWB über ein gut konzipiertes Kronzeugenprogramm verfügen, das unter anderem die Beantragung der Kronzeugenbehandlung in mehreren Ländern erleichtert
|
Legislative Maßnahmen:
1. Vorhandensein wirksamer Garantien, dass Unternehmen, die einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung stellen, ihren Rang in der Eingangsreihenfolge der Anträge auf Kronzeugenbehandlung wahren können (nach NWB)
2. Vorhandensein von Vorschriften, die Mitarbeiter von Unternehmen, die einen Antrag auf Kronzeugenbehandlung stellen, vor Sanktionen schützen (nach NWB)
3. Zahl von Anträgen auf Kronzeugenbehandlung nach NWB
Nichtlegislative Maßnahmen:
1. Gegebenenfalls Anwendung von Empfehlungen/Leitlinien, die vom Europäischen Wettbewerbsnetz zu billigen sind, durch die NWB
|
Sicherstellen, dass die NWB über ausreichende Ressourcen verfügen und die EU-Wettbewerbsvorschriften unabhängig durchsetzen können
|
Legislative Maßnahmen:
1. Vorhandensein von Vorschriften, die sicherstellen, dass die NWB keine Weisungen von öffentlichen oder privaten Stellen erhalten (nach NWB)
2. Untersuchung der Frage, ob versucht wurde, die Unabhängigkeit der NWB zu untergraben
3. Untersuchung der Frage, ob die NWB über ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen verfügen, um ihren Aufgaben nachkommen zu können, einschließlich des Entwicklungstrends und eines Vergleichs von Mitarbeiterzahlen und Budgets
|
Zusätzliche Kosten für die NWB
|
1. Zusätzliche Kosten infolge der erweiterten Befugnisse (Schulungen usw.)
2. Kosten der NWB im Bereich der Vollstreckung kartellrechtlicher Entscheidungen (Kosten im Vergleich zur Höhe der verhängten Geldbußen)
|
1.5.Begründung des Vorschlags/der Initiative
1.5.1Kurz- oder langfristig zu deckender Bedarf
Mit dieser Rechtsetzungsinitiative soll vor allem sichergestellt werden, dass das gesamte Potenzial des durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingeführten Systems der dezentralen Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften ausgeschöpft wird, indem die NWB in die Lage versetzt werden, die EU-Wettbewerbsvorschriften wirksamer durchzusetzen. Die wirksame Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften erhält so neue Impulse und die enge Zusammenarbeit im Europäischen Wettbewerbsnetz wird gefördert.
Dazu müssen folgende Einzelziele erreicht werden:
1.
Es muss sichergestellt werden, dass alle NWB über wirksame Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnisse verfügen,
2.
es muss sichergestellt werden, dass alle NWB in der Lage sind, wirksame abschreckende Geldbußen zu verhängen,
3.
es muss sichergestellt werden, dass alle NWB über ein gut konzipiertes Kronzeugenprogramm verfügen, das die Beantragung der Kronzeugenbehandlung in mehreren Ländern erleichtert und
4.
es muss sichergestellt werden, dass die NWB über ausreichende Ressourcen verfügen und die EU-Wettbewerbsvorschriften unabhängig durchsetzen können.
1.5.2Mehrwert aufgrund des Tätigwerdens der EU
Es gibt mehrere Gründe, die das Tätigwerden der EU im Hinblick auf die Verwirklichung der in Abschnitt 1.5.1 aufgeführten Ziele und die Ausschöpfung des vollen Potenzials des Systems der dezentralen Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften, wie in Abschnitt 2 der Begründung dargelegt, rechtfertigen.
1.5.3Aus früheren ähnlichen Maßnahmen gewonnene Erkenntnisse
Durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wurden die NWB befugt, die EU-Wettbewerbsvorschriften anzuwenden. Infolge dessen werden die EU-Wettbewerbsvorschriften nun in einem Umfang durchgeführt, den die Kommission allein nie hätte erreichen können. Die Kommission und die NWB haben seit 2004 mehr als 1000 Durchsetzungsbeschlüsse bzw. -entscheidungen erlassen, von denen 85 % auf die NWB entfielen. Der Richtlinienvorschlag stützt sich auf die Erfahrungen der NWB mit der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und seit dem Jahr 2004 zusammengetragene ergänzende Informationen.
1.5.4Vereinbarkeit mit anderen Finanzierungsinstrumenten sowie mögliche Synergieeffekte
Der Richtlinienvorschlag steht mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 im Einklang und wird starke Synergieeffekte bewirken, denn die vorgeschlagene Richtlinie wird die NWB in die Lage versetzen, ihr Potenzial im Bereich des in der genannten Verordnung vorgesehenen dezentralen Systems der Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften voll auszuschöpfen.
1.6.Laufzeit der Maßnahme und Dauer ihrer finanziellen Auswirkungen
Vorschlag/Initiative mit unbefristeter Laufzeit
1.7.Vorgeschlagene Methode(n) der Mittelverwaltung
Direkte Verwaltung durch die Kommission und ihre Dienststellen.
2.VERWALTUNGSMASSNAHMEN
2.1.Monitoring und Berichterstattung
Die Mittel sind vorgesehen für Pflege, Weiterentwicklung, Hosting, Betrieb und Unterstützung eines zentralen Informationssystems (System des Europäischen Wettbewerbsnetzes) im Einklang mit den einschlägigen Vertraulichkeits- und Datensicherheitsstandards. Sie werden durch vielfältige Maßnahmen eine enge Zusammenarbeit zwischen den NWB und der Kommission im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes gewährleisten. Die Berichterstattungsvorschriften der Generaldirektion finden Anwendung.
2.2.Verwaltungs- und Kontrollsystem
2.2.1Ermittelte Risiken
In Bezug auf die IT-Systeme: Risiko, dass die IT-Systeme das Funktionieren des Europäischen Wettbewerbsnetzes nicht wirksam unterstützen.
2.2.2Angaben zum Aufbau des Systems der internen Kontrolle
IT: Wirksame IT-Governance-Verfahren, bei denen die Systemnutzer aktiv einbezogen werden.
Ausgaben: Die internen Kontrollverfahren sollen angemessenes Risikomanagement im Zusammenhang mit Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge und der Art der Zahlungen gewährleisten. Ferner umfasst das Kontrollsystem verschiedene Elemente, wie z. B. die Berichterstattung an das höhere Management, die Ex-ante-Prüfung durch das zentrale Finanzteam, den internen beratenden Ausschuss für Beschaffung und Aufträge, Ex-post-Kontrollen sowie Audits durch den Internen Auditdienst und den Europäischen Rechnungshof.
2.2.3Abschätzung der Kosten und des Nutzens der Kontrollen sowie Bewertung des voraussichtlichen Fehlerrisikos
Ausgaben: Die Kosten für die Kontrollen werden auf weniger als 3 % der Gesamtausgaben geschätzt. Nichtfinanzieller Nutzen der Kontrollen: besseres Preis-Leistungs-Verhältnis, Abschreckung, Effizienzsteigerung, Verbesserung des Systems und bessere Einhaltung der Vorschriften.
Die Risiken werden durch die vorgesehenen Kontrollen wirksam gemindert, und das Fehlerrisiko wird auf weniger als 2 % geschätzt.
2.3.Prävention von Betrug und Unregelmäßigkeiten
Das Betrugsrisiko wird durch spezielle Kontrollen gemindert. Tätigkeiten und Maßnahmen mit einem erhöhten Betrugsrisiko unterliegen einer besonders gründlichen Überwachung und Kontrolle. Angesichts des oben genannten Kontrollsystems und der Art der Ausgaben im Rahmen der direkten Mittelverwaltung kann die Betrugswahrscheinlichkeit als niedrig eingestuft werden.
Alle Vorgänge unterliegen im Einklang mit unseren Haushaltsabläufen Ex-ante-Kontrollen der ersten Ebene. Die Kontrollen sind sowohl operativer als auch finanzieller Art, die Einleitung operativer Vorgänge und deren Überprüfung erfolgt in der operativen Direktion, während die Einleitung finanzieller Vorgänge und deren Überprüfung durch die Finanzstelle im Referat COMP R2 erfolgt.
Das Betrugsrisiko wird jährlich im Rahmen des Risikomanagements geprüft.
3.GESCHÄTZTE FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN DES VORSCHLAGS/DER INITIATIVE
3.1.Betroffene Rubrik(en) des mehrjährigen Finanzrahmens und Ausgabenlinie(n)
Bestehende Haushaltslinien
Im Jahr 2016 wurden die Informationssysteme zur Unterstützung der Tätigkeiten des Europäischen Wettbewerbsnetzes aus dem Programm ISA2 im Rahmen der ABCDE-Maßnahme finanziert. Sonstige Kosten im Zusammenhang mit dem Funktionieren des Europäischen Wettbewerbsnetzes werden im Rahmen der Verwaltungsausgaben finanziert. Dies gilt auch für den Zeitraum 2017 bis 2020. Die Auswirkungen des Vorschlags auf den Haushalt in der Zeit nach 2020 werden von den Vorschlägen der Kommission zum nächsten MFR und vom Endergebnis der Verhandlungen zum MFR nach 2020 abhängen.
In der Reihenfolge der Rubriken des mehrjährigen Finanzrahmens und der Haushaltslinien.
Rubrik des mehrjähri-gen Finanzrahmens
|
Haushaltslinie
|
Art der
Ausgaben
|
Finanzierungsbeiträge
|
|
Rubrik 1a
|
GM/NGM
|
von EFTA-Ländern
|
von Kandidatenländern
|
von Drittländern
|
nach Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe b der Haushaltsordnung
|
|
26.030100
|
GM
|
JA
|
JA
|
NEIN
|
NEIN
|
Rubrik des mehrjähri-gen Finanzrahmens
|
Haushaltslinie
|
Art der
Ausgaben
|
Finanzierungsbeiträge
|
|
Rubrik 5
|
GM/NGM
|
von EFTA-Ländern
|
von Kandidaten-ländern
|
von Drittländern
|
nach Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe b der Haushalts-ordnung
|
|
03.010211
|
NGM
|
NEIN
|
NEIN
|
NEIN
|
NEIN
|
3.2.Geschätzte Auswirkungen auf die Ausgaben
3.2.1Übersicht
Rubrik des mehrjährigen Finanzrahmens
|
Nummer 1a
|
„Wettbewerbsfähigkeit im Dienste von Wachstum und Beschäftigung“
|
in Mio. EUR (3 Dezimalstellen)
Generaldirektion: COMP
|
|
|
Jahr
2018
|
Jahr
2019
|
Jahr
2020
|
Nach-folgende Jahre (Zah-lungen)
|
GE-SAMT
|
•Operative Mittel
|
|
|
|
|
|
Haushaltslinie 26.030100
|
Verpflichtungen
|
(1)
|
1,000
|
1,000
|
1,000
|
|
3,000
|
|
Zahlungen
|
(2)
|
0,700
|
0,900
|
1,000
|
0,400
|
3,000
|
Aus der Dotation bestimmter operativer Programme finanzierte Verwaltungsausgaben
|
|
|
|
|
|
Mittel INSGESAMT
für die GD COMP
|
Verpflichtungen
|
=1+1a +3
|
1,000
|
1,000
|
1,000
|
|
3,000
|
|
Zahlungen
|
=2+2a+3
|
0,700
|
0,900
|
1,000
|
0,400
|
2,600
|
•Operative Mittel INSGESAMT
|
Verpflichtungen
|
(4)
|
1,000
|
1,000
|
1,000
|
|
3,000
|
|
Zahlungen
|
(5)
|
0,700
|
0,900
|
1,000
|
|
3,000
|
•Aus der Dotation bestimmter operativer Programme finanzierte Verwaltungsausgaben INSGESAMT
|
(6)
|
0
|
0
|
0
|
|
0
|
Mittel INSGESAMT
unter der RUBRIK 1a
des mehrjährigen Finanzrahmens
|
Verpflichtungen
|
=4+ 6
|
1,000
|
1,000
|
1,000
|
|
3,000
|
|
Zahlungen
|
=5+ 6
|
0,700
|
0,900
|
1,000
|
0,400
|
3,000
|
Rubrik des mehrjährigen Finanzrahmens
|
5
|
Verwaltungsausgaben
|
in Mio. EUR (3 Dezimalstellen)
|
|
|
Jahr
N
|
Jahr
N+1
|
Jahr
N+2
|
Nach-folgen-de Jahre (Zah-lun-gen)
|
INS-GE-SAMT
|
GD COMP
|
|
•Personalausgaben
|
0,759
|
0,759
|
0,759
|
|
2,277
|
•Sonstige Verwaltungsausgaben
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0,500
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0,550
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0,550
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1,600
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GD COMP INSGESAMT
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Mittel
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1,259
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1,309
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1,309
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3,877
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Mittel INSGESAMT unter der RUBRIK 5
des mehrjährigen Finanzrahmens
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(Verpflichtungen insg. = Zahlungen insg.)
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1,259
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1,309
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1,309
|
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3,877
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in Mio. EUR (3 Dezimalstellen)
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Jahr
N
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Jahr
N+1
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Jahr
N+2
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Nach-folgende Jahre (Zah-lungen)
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INS-GE-SAMT*
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Mittel INSGESAMT unter den RUBRIKEN 1 bis 5
des mehrjährigen Finanzrahmens
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Verpflichtungen
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2,259
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2,309
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2,309
|
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6,877
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Zahlungen
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1,959
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2,209
|
2,309
|
0,400
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6,877
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3.2.2Geschätzte Auswirkungen auf die operativen Mittel
Für den Vorschlag/die Initiative werden die folgenden operativen Mittel benötigt:
Es ist der GD Wettbewerb nicht möglich, alle in diesem Abschnitt verlangten, durch Finanzinterventionen erzielten Ergebnisse, Durchschnittskosten und Zahlen anzugeben, da es sich um eine neue Initiative handelt und keine früheren statistischen Daten zur Verfügung stehen, die herangezogen werden könnten.
Im Hinblick auf die Förderung der engen Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes und die optimale Verwirklichung der angestrebten Ergebnisse gehen wir unter anderem von den folgenden Ausgaben aus:
Pflege, Weiterentwicklung, Hosting, Betrieb und Unterstützung eines zentralen Informationssystems (System des Europäischen Wettbewerbsnetzes) im Einklang mit den einschlägigen Vertraulichkeits- und Datensicherheitsstandards. Das wirksame und effiziente Funktionieren des Europäischen Wettbewerbsnetzes beruht auf Interoperabilität.
sonstige Verwaltungskosten im Zusammenhang mit dem Funktionieren des Europäischen Wettbewerbsnetzes, wie z. B.:
Kosten im Zusammenhang mit der Organisation von Sitzungen;
Schulungsmaßnahmen für nationale Wettbewerbsbehörden;
in alle Sprachen übersetztes gedrucktes Material;
Herausgabe von in alle Sprachen übersetzten Empfehlungen/Leitlinien;
Follow-up-Erhebungen/-Studien/-Evaluierungen.
3.2.3Geschätzte Auswirkungen auf die Verwaltungsmittel
3.2.3.1.Übersicht
Für den Vorschlag/die Initiative werden keine zusätzlichen Verwaltungsmittel benötigt.
Der Personalbedarf wird durch der Verwaltung der Maßnahme zugeordnetes Personal der GD oder GD-interne Personalumsetzung gedeckt. Hinzu kommen etwaige zusätzliche Mittel für Personal, die der für die Verwaltung der Maßnahme zuständigen GD nach Maßgabe der verfügbaren Mittel im Rahmen der jährlichen Mittelzuweisung zugeteilt werden. Dasselbe gilt für die zur Abdeckung anderer Verwaltungsausgaben benötigten Mittel.
3.2.3.2.Geschätzter Personalbedarf
Für den Vorschlag/die Initiative wird das folgende Personal benötigt:
Schätzung in Vollzeitäquivalenten
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Jahr
N
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Jahr
N+1
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Jahr N+2
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Jahr N+3
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Unbefristete Laufzeit
(vgl. Punkt 1.6)
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•Im Stellenplan vorgesehene Planstellen (Beamte und Bedienstete auf Zeit)
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XX 01 01 01 (am Sitz und in den Vertretungen der Kommission)
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5,5
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5,5
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5,5
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5,5
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5,5
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XX 01 01 02 (in den Delegationen)
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XX 01 05 01 (indirekte Forschung)
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10 01 05 01 (direkte Forschung)
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•Externes Personal (in Vollzeitäquivalenten: VZÄ)
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XX 01 02 01 (VB, ANS und LAK der Globaldotation)
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XX 01 02 02 (VB, ÖB, ANS, LAK und JSD in den Delegationen)
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XX 01 04 jj
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– am Sitz
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– in den Delegationen
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XX 01 05 02 (VB, ANS und LAK der indirekten Forschung)
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10 01 05 02 (VB, ANS und LAK der direkten Forschung)
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Sonstige Haushaltslinien (bitte angeben)
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GESAMT
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5,5
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5,5
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5,5
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5,5
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5,5
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XX steht für den jeweiligen Politikbereich bzw. Haushaltstitel.
Der Personalbedarf wird durch der Verwaltung der Maßnahme zugeordnetes Personal der GD oder GD-interne Personalumsetzung gedeckt. Hinzu kommen etwaige zusätzliche Mittel für Personal, die der für die Verwaltung der Maßnahme zuständigen GD nach Maßgabe der verfügbaren Mittel im Rahmen der jährlichen Mittelzuweisung zugeteilt werden.
Beschreibung der auszuführenden Aufgaben:
Beamte und Zeitbedienstete
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AD – Überwachung, Koordinierung des Europäischen Wettbewerbsnetzes
AST – IT-Projektmanager von Systemen, die den Betrieb des Europäischen Wettbewerbsnetzes unterstützen, Koordinierung der Sitzungen des Europäischen Wettbewerbsnetzes
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Externes Personal
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Entfällt
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3.2.4Vereinbarkeit mit dem mehrjährigen Finanzrahmen
Der Vorschlag/Die Initiative ist mit dem mehrjährigen Finanzrahmen und der derzeitigen Finanzplanung des Programms ISA2 vereinbar, es sind keine weiteren Mittel erforderlich.
3.2.5Finanzierungsbeteiligung Dritter
Der Vorschlag/die Initiative sieht keine Kofinanzierung durch Dritte vor.
3.3.Geschätzte Auswirkungen auf die Einnahmen
Der Vorschlag/Die Initiative wirkt sich nicht auf die Einnahmen aus.