13.7.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 247/1


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda

(2018/C 247/01)

Berichterstatter:

Dimitrios Kalogeropoulos (EL/EVP), Politisch Verantwortlicher gegenüber dem Gemeinderat von Palaio Faliro

Referenzdokument:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda

COM(2017) 558 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Vorbemerkungen

1.

betont, dass Migrationsbewegungen aus verschiedenen Gründen untrennbarer Bestandteil der menschlichen und vor allem der europäischen Geschichte sind; betont, dass die europäischen Städte und Regionen durch die hohe Zahl von Migranten aufgrund der Instabilität in Drittländern einer erheblichen Belastung ausgesetzt sind. Europa und insbesondere die Regionen an seinem südlichen und östlichen Rand sowie im vergangenen Jahr der westliche Mittelmeerraum und die Küstengebiete Spaniens einschließlich seiner südlichen Atlantikküste sind seit Langem Quelle von Migration, sind in den letzten Jahren jedoch auch zu einem der Hauptziele von Einwanderern und Flüchtlingen aus Drittstaaten geworden.

2.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Migranten und Flüchtlinge vor allem aus afrikanischen und asiatischen Ländern, aber auch aus dem Nahen Osten, die in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelangen wollen, extrem gestiegen. Seit 2015 hat Europa eine so große Zahl an Migranten und Flüchtlingen aufgenommen wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. Faktoren wie die anhaltende Krise in Syrien, die Entstehung von Unruheherden in verschiedenen Regionen Afrikas und Asiens sowie der Wunsch vieler Einwohner dieser beiden Kontinente nach einem besseren Leben in Europa haben entscheidend zur Verschärfung des Phänomens beigetragen, wobei die Ankunftsländer in der EU hauptsächlich die am Mittelmeer gelegenen Mitgliedstaaten und dabei vor allem Griechenland und Italien sind.

3.

Um dieser beispiellosen Herausforderung möglichst wirksam zu begegnen, hat die Europäische Union im Mai 2015 die Europäische Migrationsagenda (1) beschlossen. Als vordringlichste Priorität ging es darum, angesichts der humanitären Tragödien im Mittelmeer Menschenleben auf See zu retten und dafür EU-Maßnahmen in folgenden Bereichen zu entwickeln: a) die Optimierung der Such- und Rettungseinsätze, b) die Bekämpfung krimineller Schleusernetze, c) die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU, d) die Wiederansiedlung von Vertriebenen an ihren Herkunftsorten, e) die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, um die Migration bereits an der Quelle anzugehen, und f) die Unterstützung für die Mitgliedstaaten, die den größten Zustrom an Migranten und Flüchtlingen verzeichnen. In der Europäischen Migrationsagenda sind auch vier Schwerpunkte für eine umfassende Migrationspolitik der EU festgelegt: a) die Anreize für irreguläre Migration reduzieren, b) Menschenleben retten und Außengrenzen sichern, c) die Voraussetzungen für eine kohärente Umsetzung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems schaffen und d) eine neue Politik für legale Migration festlegen.

4.

Die Geschichte lehrt, dass Migranten gefährlichere Routen auf sich nehmen, um ihre Zielländer zu erreichen, wenn es keine legalen Migrationskanäle gibt. Deshalb liefern sie sich organisierten Schleppern aus, unter Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit. Dabei verschärft sich besonders die Gefährdungslage für Frauen.

Besondere Bemerkungen

5.

Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) weist eingangs darauf hin, dass die Europäische Migrationsagenda zwar in erster Linie in die Zuständigkeit der nationalen Regierungen fällt, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften jedoch in diesem Bereich auch eine wesentliche Rolle spielen;

6.

stellt fest, dass den Gebietskörperschaften eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der gestiegenen Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten zukommt. Sie sind es, die die Flüchtlinge und Migranten aufnehmen, versorgen, unterbringen und menschenwürdige Lebensbedingungen für sie schaffen sollen, oft für einen unbestimmt langen Zeitraum, und die sie in vielen Fällen bei der Integration unterstützen müssen. Dies betrifft insbesondere die Regionen an den äußersten Grenzen der EU (etwa die nahe der türkischen Küste gelegenen griechischen Ägäisinseln, bestimmte Inselgebiete Italiens sowie die Provinzen Cádiz, Granada und Almería an der andalusische Küste Spaniens, die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla und die Kanarischen Inseln), wo die Migranten erstmals EU-Gebiet erreichen;

7.

betont in diesem Zusammenhang, dass die Gebietskörperschaften an allen Phasen der Gestaltung und Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda beteiligt werden müssen, etwa an der Festlegung der Prioritäten, der Bewertung der Ergebnisse sowie der Überwachung der Auswirkungen der diesbezüglichen nationalen Strategien auf die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften. An diesem Prozess müssen alle Regierungsebenen auf transparente Weise beteiligt werden, allen voran die Gemeinden und lokalen Gebietskörperschaften;

8.

begrüßt die Anstrengungen der EU zur Unterstützung nachhaltiger Maßnahmen und Verwaltungsstrukturen in Migrations- und Asylfragen und ist der Auffassung, dass dazu auch die Hilfe bei der Schaffung oder Stärkung regionaler und lokaler Institutionen gehören muss, und zwar durch wirksame finanzielle und fachliche Unterstützung und Schulung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften mit dem Ziel, die humanitäre Hilfe sowie die derzeitigen und künftigen finanziellen Mittel vor allem bei der Erstaufnahme bestmöglich zu nutzen; diesbezüglich ist es angebracht, dass diejenigen Regionen, die am stärksten von den Migrationsströmen betroffen sind oder einen hohen Migrantenanteil aufweisen, direkten Zugang zu EU-Mitteln für Integrationsförderung erhalten;

9.

verweist darauf, dass die von ihm vertretenen nachgeordneten Gebietskörperschaften große Bemühungen aufwenden und entsprechend erhebliche Mittel in die Bewältigung humanitärer Probleme vor Ort investieren, die aus den Flüchtlings- und Migrationsströmen erwachsen. Der AdR hat sich in diesem Rahmen bereits als wertvoller Partner weiterer beteiligter Institutionen (auch der Europäischen Kommission) bei der Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda erwiesen;

Prioritäten

10.

hält es für selbstverständlich, dass die komplizierte Natur des Problems einerseits eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erfordert und dass andererseits jede Maßnahme, die die EU und die Mitgliedstaaten ergreifen, stets dem übergeordneten Grundsatz der Achtung und des Schutzes des internationalen Rechts und der Menschenrechte entspricht;

11.

hält es für dringend erforderlich, dass die EU ihre Anstrengungen zur Konsolidierung und Stärkung des gemeinsamen europäischen Rahmens für Migration und Asyl fortsetzt und auch ihre Präventivmaßnahmen fortführt, um das Problem der irregulären Einwanderung anzugehen, die Stabilität zu fördern und die Achtung der Grundrechte in ihrer Nachbarschaft zu gewährleisten. Die EU muss in der Lage sein, die Mitgliedstaaten zu unterstützen, die besonders durch die Migrations- und Flüchtlingsströme belastet werden, und ihre Politik auf den Grundsatz der Solidarität stützen, wobei die Mittelmeeranrainerstaaten und auch die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla umfassender Unterstützung bedürfen;

12.

betont die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen in Bezug auf die irreguläre Einwanderung, damit die Hilfe auf jene Menschen konzentriert werden kann, die wirklich Schutz brauchen; äußert sich außerdem zutiefst besorgt über den modernen Sklavenhandel in einigen afrikanischen Staaten, der infolge der illegalen Schlepperrouten und -praktiken entstanden ist und vor allem durch Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, dessen Opfer Frauen und Mädchen sind, genährt wird;

13.

ist der Meinung, dass die Europäische Union als größter Geldgeber in der Entwicklungspolitik um eine Koordinierung der Migrationspolitik und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bemüht sein muss; hält es allerdings für gefährlich, dass einige internationale Gremien (Entwicklungsausschuss der OECD) zulassen, dass Aufwendungen der Industrieländer für die Betreuung von Flüchtlingen auf die öffentliche Entwicklungshilfe angerechnet werden;

14.

hebt die Bedeutung der internationalen Entwicklungszusammenarbeit als öffentliche Politik zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Drittländern hervor, die zum Ziel hat, Ungleichheiten abzubauen und im Rahmen humanitärer Maßnahmen auf die Gegebenheiten einzuwirken, die unfreiwilliger Migration zugrunde liegen;

15.

teilt die Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Bedingungen Maßnahmen in sechs Bereichen ergriffen werden müssen: a) Sofortmaßnahmen und Unterstützung für Mitgliedstaaten, die aufgrund der gestiegenen Flüchtlings- und Migrationsströme in eine Notlage geraten sind, b) Reduzierung der Anreize für eine andauernde irreguläre Migration, c) Kontrolle der Außengrenzen der EU, d) Asylpolitik, e) Kontrolle der regulären Einwanderung und Integration der Migranten in die Gesellschaft sowie f) Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern;

Reaktion auf Notsituationen

16.

begrüßt die bisherigen Maßnahmen der EU zur Bewältigung kritischer Situationen, die aufgrund der gestiegenen Migrations- und Flüchtlingsströme in den letzten Jahren entstanden sind. Zu diesen Maßnahmen gehören:

die gemeinsamen Operationen Triton und Poseidon im zentralen bzw. im östlichen Mittelmeerraum,

die Gewährung wirtschaftlicher Soforthilfe für die Mitgliedstaaten, die am stärksten betroffen sind und die die grundlegenden sanitären, sozialen und juristischen Dienstleistungen der Regionen für die Migranten und Flüchtlinge verstärken müssen,

die Schaffung und der Betrieb von Erstaufnahme- und Registrierungszentren (Hotspots) in Griechenland und Italien, wobei auch die Ankunftsorte in Andalusien berücksichtigt werden müssen,

die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei, in deren Ergebnis der unkontrollierte Zustrom aus der Türkei nach Griechenland erheblich zurückgegangen ist (wobei diese nicht als Modell zur Bewältigung der Migrationsprobleme dienen darf), die jedoch zugleich Bedenken in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit internationalen Menschenrechtsstandards und ihre „Nachhaltigkeit“ als Teil einer umfassenden politischen Reaktion der EU auf die Krise ausgelöst hat,

die Gewährung von Unterstützung für die libysche Küstenwache, die im Rahmen der Operation EUNAVFOR MED SOPHIA zur Verringerung des Zustroms nach Italien beigetragen hat,

die Aufstockung der Mittel des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, aus dem die Mitgliedstaaten stärker unterstützt werden konnten, wobei diese Mittel in die Regionen fließen müssen;

17.

räumt ein, dass die EU noch konsequentere Maßnahmen ergreifen muss, um

die Unterstützung in den Erstaufnahmeländern der Flüchtlinge und Migranten zu verstärken, mit besonderem Schwerpunkt auf den Gebietskörperschaften in Regionen, die aufgrund ihrer geografischen Lage den Hauptteil der Flüchtlinge und Migranten aufnehmen (etwa den griechischen Inseln der Ägäis oder Italien sowie der Südküste Spaniens und den spanischen Inseln),

die Regionen zu entlasten, die, wie bereits dargelegt, den Hauptteil der Flüchtlinge und Migranten aufnehmen, und dabei unter anderem Aspekte zu berücksichtigen wie die Besonderheiten infolge der Insellage,

die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei unter uneingeschränkter Wahrung der humanitären und völkerrechtlichen Standards umzusetzen, einschließlich der Vorkehrungen für die Rückführung von Personen in die Türkei bei gleichzeitiger Gewährleistung des Zugangs zu ordnungsgemäßen Asylverfahren für all jene, die Anspruch darauf haben,

denjenigen Gruppen die erforderliche Unterstützung zu gewähren, die am meisten unter der erzwungenen Migration leiden, insbesondere den unbegleiteten Minderjährigen;

18.

weist auf die positive Rolle hin, die einige NGO bei der Bewältigung der größten Probleme in Bezug auf Unterbringung, Verpflegung, gesundheitliche Versorgung usw. der Flüchtlinge und Migranten gespielt haben, vor allem in Regionen, die den Hauptteil der Flüchtlinge und Migranten aufnehmen; betont jedoch, dass die Maßnahmen der NGO in enger Zusammenarbeit mit den Gebietskörperschaften besser koordiniert werden müssen, einerseits um sie rationeller und effizienter zu gestalten und andererseits damit sie dem Bedarf und den Gegebenheiten vor Ort entsprechen, aber auch damit sie der erforderlichen Transparenz und Rechenschaftspflicht unterliegen; ist der Ansicht, dass der Europäische Freiwilligendienst in Zusammenarbeit mit NGO und Behörden eine wichtige Rolle bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten übernehmen könnte;

19.

unterstreicht die Bedeutung der von der EU und ihren Mitgliedstaaten geleisteten internationalen humanitären Hilfe für Drittländer in Krisensituationen, die in engem Zusammenhang mit der Zunahme der Migrationsströme stehen;

Beseitigung der Anreize zur irregulären Migration

20.

hält es für unabdingbar, dass die EU die Bemühungen fortsetzt, die sie in Zusammenarbeit mit Drittstaaten zur Bekämpfung von Schleusernetzen unternimmt, insbesondere in den Herkunftsländern der irregulären Migranten und in den Transitländern;

21.

betont, dass eine solide Rechtsgrundlage für die Operation EUNAVFOR MED SOPHIA nötig ist, um deren Wirksamkeit zu verstärken und dafür zu sorgen, dass sie der weiteren Zerschlagung des Geschäftsmodells von Schleusern und Menschenhändlern dient; fordert die EU-Organe etwa auf, mit der libyschen Küstenwache zusammenzuarbeiten, um das illegale Ablegen von Schlauchbooten und Booten Richtung EU zu unterbinden; stellt fest, dass sich die Patrouillentätigkeiten, darunter auch die Unterstützung bei Such- und Rettungsmaßnahmen, allmählich von den Gewässern nahe Italien hin zu den Gewässern in der Nähe zu Libyen verlagert haben; räumt ein, dass dies u. a. zu einem Wandel des Geschäftsmodells der Schleuser geführt hat, die irreguläre Migranten und Flüchtlinge in billige und völlig seeuntüchtige Schlauchboote ohne jegliche Aussicht auf das Erreichen der italienischen Küste setzen, in der Annahme, dass sie in libyschen Gewässern bzw. in ihrer Nähe aufgegriffen werden;

22.

begrüßt die Einrichtung des Europäischen Zentrums zur Bekämpfung von Schleusernetzen als besonders konstruktiven Schritt;

23.

fordert die Europäische Kommission auf, weitere Initiativen zur Erstellung eines kohärenten Aktionsplans einzuleiten, wobei alle Mitgliedstaaten, die zuständigen Institutionen der EU sowie andere einschlägige Organisationen einzubeziehen sind, damit Schleusernetze wirksamer bekämpft werden können;

24.

hält es für notwendig, die Effizienz des europäischen Rahmens für die Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsrecht zu verbessern, sodass mehr Personen zurückgeführt werden können, wobei die europäischen und internationalen Standards einzuhalten sind;

Grenzmanagement

25.

begrüßt die Einrichtung der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache als besonders wichtige Entwicklung und als entscheidenden Schritt in Richtung eines wirksameren Schutzes der Außengrenzen der EU. Die Tätigkeit der Agentur bietet die Möglichkeit einer engeren Abstimmung der Mitgliedstaaten und gewährleistet die rechtzeitige und effiziente Reaktion auf jene Fälle, in denen dringendes Handeln an den Außengrenzen geboten ist;

26.

räumt ein, dass die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache in einigen Bereichen noch stärker tätig werden könnte. Dies betrifft etwa a) die Gewährung technischer und operativer Unterstützung für Einsätze zur Suche und Rettung von in Seenot geratenen Personen bei Grenzüberwachungseinsätzen, b) die Organisation, Koordinierung und Durchführung von Rückführungsmaßnahmen und -einsätzen und c) die Förderung der operativen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten bei der Kontrolle der EU-Außengrenzen; betont, dass die Zahl der Überfahrten reduziert und das illegale Ablegen von Schlauchbooten und Booten in Richtung EU unterbunden werden muss;

27.

bestärkt die Europäische Kommission darin, Leitlinien für die Einrichtung und Tätigkeit von Erstaufnahme- und Registrierungszentren (Hotspots) an allen Außengrenzen der Mitgliedstaaten zu erstellen, die unter anderem die umfassende Einhaltung der Grundrechte der EU und der internationalen Grundrechte gewährleisten und einen konkreten Rahmen für deren Verwaltung vorgeben. Dazu sollten die Erfahrungen genutzt werden, die bei der Einrichtung und Tätigkeit der Erstaufnahme- und Registrierungszentren in Griechenland und Italien (unter anderem auch in den einschlägigen Gebietskörperschaften) gemacht wurden und die unter anderem zeigen, dass der spezifische Umgang mit Flüchtlingen einerseits und Migranten andererseits geprüft werden muss;

Gemeinsame Asylpolitik

28.

hält es für dringend notwendig, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem an den aktuellen dringenden Bedarf angepasst wird, und ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass das Dublin-System, in dem die Kriterien und Verfahren festgelegt sind, nach denen ermittelt wird, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, unbedingt überprüft werden muss; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, Fortschritte bei der vorgeschlagenen Reform der einschlägigen EU-Rechtsvorschrift zu erzielen, die zwar wahrscheinlich nicht ausreichend ist, jedoch in die richtige Richtung geht;

29.

weist darauf hin, dass die Flüchtlinge und Migranten nach dem gegenwärtigen System nicht gleichmäßig auf die Mitgliedstaaten verteilt werden, wobei die größte Belastung jene Mitgliedstaaten zu tragen haben (vor allem Griechenland und Italien), auf die aufgrund ihrer geografischen Lage der bei Weitem größte Anteil des Zustroms entfällt. Die aktuelle Situation schürt soziale Spannungen und Unzufriedenheit in den Ländern, die von dem unverhältnismäßigen Zustrom von Flüchtlingen und irregulären Migranten betroffen sind, insbesondere auf lokaler Ebene, und führt zu Sekundärmigration innerhalb der EU. Für eine effizientere Bewältigung des Problems ist es nötig, unter Einbeziehung der am stärksten betroffenen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu prüfen, ob langfristig die Möglichkeit besteht, die Zuständigkeit für die Prüfung der Asylanträge von der nationalen Ebene auf die EU-Ebene zu verlagern; fordert die Mitgliedstaaten zudem auf, das Verfahren zur Prüfung eines Asylantrags zu beschleunigen, ohne die Rechtssicherheit auszuhöhlen;

30.

bewertet den Plan für eine anteilmäßige Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedstaaten als konstruktiv, räumt jedoch ein, dass der Plan trotz erzielter Fortschritte noch nicht gänzlich funktioniert;

31.

unterstreicht, dass Voraussetzung für eine wirksame Steuerung der großen Zahl an Asylbewerbern die Umsetzung des Grundsatzes der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ist;

32.

betont, dass Frauen (vor allem Mütter und Schwangere) und Kinder (vor allem unbegleitete), die die schwächsten Gruppen unter den Flüchtlingen sind, besonderen Schutz erfahren müssen. In den Ländern, in denen die Verwaltungszuständigkeit für die Vormundschaft für unbegleitete Minderjährige bei den Regionen liegt, müssen diese Regionen eine finanzielle Unterstützung für die Betreuung dieser unbegleiteten minderjährigen Migranten erhalten;

Legale Migration und Integration

33.

verweist mit Nachdruck darauf, dass für Menschen, die legal einwandern bzw. nach dem Völkerrecht Anspruch auf internationalen Schutz haben, sichere Wege für die Migration in die EU geschaffen werden müssen, bspw. Visa aus humanitären Gründen, erweiterte Familienzusammenführung und private Förderprogramme. Dazu müssen die bestehenden Formen der Zusammenarbeit mit Drittstaaten einerseits konsolidiert und andererseits erweitert werden, unabhängig davon, ob es sich um die Herkunftsländer der Migranten oder um die Transitländer auf ihrem Weg in die EU handelt. Die Schaffung von Erstaufnahme- und Registrierungszentren auf dem Gebiet von Drittstaaten ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, weshalb die EU alle notwendigen Maßnahmen ergreifen muss, damit entsprechende Vereinbarungen mit Drittstaaten unter umfassender Wahrung des Unionsrechts und internationaler Menschenrechtsstandards geschlossen werden können. Parallel muss ein kohärenter Rahmen von Leitlinien und Regeln geschaffen werden, damit die Einhaltung aller erforderlichen Voraussetzungen für die reibungslose Tätigkeit der Hotspots gewährleistet ist.

34.

Priorität hat die möglichst rasche und umfassende Integration der Drittstaatsangehörigen (reguläre Migranten und Flüchtlinge) in die Gesellschaften der Mitgliedstaaten, die zudem auf vielen Ebenen und in kohärenter Weise zu erfolgen hat. Allerdings sind einerseits die lokalen Besonderheiten der Aufnahmeländer und andererseits die Besonderheiten und die (ethnische, sprachliche, religiöse usw.) Vielfalt der Drittstaatsangehörigen zu berücksichtigen. Das gewählte Konzept muss deshalb auf die besonderen Bedingungen in jedem einzelnen Fall abgestimmt sein;

35.

stellt fest, dass die Integrationsmaßnahmen nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie auf den Grundsätzen der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte, der Gleichheit von Mann und Frau, der Toleranz, der Freiheit der Meinungsäußerung und der Rechtsstaatlichkeit beruhen, die die Eckpfeiler der europäischen Werte sind;

36.

erachtet es als wesentlich, dass Zivilgesellschaft und Privatsektor auf lokaler und regionaler Ebene in jeden Fahrplan zur Integration von Migranten eingebunden werden, wobei der Erfolg eines jeden Integrationsprojekts entscheidend vom Zugang zu menschenwürdiger Arbeit abhängt; macht die Europäische Kommission diesbezüglich auf einschlägige bewährte Verfahren auf internationaler Ebene aufmerksam, deren Erfolg genau darauf beruht, dass die Einwohner vor Ort von Anfang an eingebunden wurden;

37.

ist der Meinung, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine wichtige Rolle bei der Aufstellung von Fahrplänen für eine vollständige Integration von Migranten und Flüchtlingen zukommt; appelliert diesbezüglich an die Europäische Kommission, bewährte Verfahren und Pilotprojekte zu berücksichtigen, die von internationalen Gremien wie dem UNHCR unterstützt und von europäischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bereits umgesetzt werden;

Die Rolle der Gebietskörperschaften und des AdR

38.

betont die besondere Rolle, die die Gebietskörperschaften in allen genannten Bereichen spielen können und müssen. Sie kümmern sich vor Ort um alle Fragen im Zusammenhang mit den Migrations- und Flüchtlingsströmen und müssen deshalb mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Dies erfordert einen EU-Haushalt, der dem erhöhten Bedarf im Hinblick auf die — auf die verschiedenen Ebenen gemäß der tatsächlich durchgeführten Aktivitäten verteilten — Verantwortung der EU für den Schutz ihrer Außengrenzen und für die Migration entspricht; hält eine enge Einbindung der subnationalen Verwaltungen und Behörden bei der Einführung einer Steuerung für hilfreich, mit der zwischen den verschiedenen Ebenen koordinierte und kohärente Maßnahmen konzipiert und umgesetzt werden können; ist der Auffassung, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in diesem Sinne in die Verwaltung des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds eingebunden werden sollten;

39.

betont schließlich die Rolle des AdR, einerseits als institutionelles Sprachrohr der Gebietskörperschaften auf EU-Ebene und andererseits als Gremium, das den Dialog mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge und Migranten sowie den Transitländern aktiv vorantreiben kann, und zwar durch Institutionen wie die Versammlung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europa-Mittelmeer (ARLEM) und die Konferenz der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften der Länder der Europäischen Union und der Östlichen Partnerschaft (CORLEAP).

Brüssel, den 22. März 2018

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  COM(2015) 240 final.