2.3.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 81/216


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2017“

(ergänzende Stellungnahme)

(2018/C 081/31)

Berichterstatter:

Petr ZAHRADNÍK

Mitberichterstatter:

Javier DOZ ORRIT

Beschluss des Plenums

27.4.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 29A der Durchführungsbestimmungen zur Geschäftsordnung

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

5.10.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

19.10.2017

Plenartagung Nr.

529

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

158/4/6

Präambel

Diese Stellungnahme ist Teil eines umfangreicheren Pakets von vier Stellungnahmen des EWSA über die Zukunft der europäischen Wirtschaft (Paket zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets, der Kapitalmarktunion und der Zukunft der EU-Finanzen)  (1) . Das Paket steht im Kontext der Erörterung des Weißbuchs über die Zukunft Europas, die von der Europäischen Kommission vor kurzem auf den Weg gebracht wurde; zudem wird die Rede zur Lage der Union 2017 von Kommissionspräsident Juncker berücksichtigt. Im Einklang mit der Entschließung des EWSA zur Zukunft Europas  (2) und früheren Stellungnahmen zur Vollendung der WWU  (3) wird mit diesem Paket von Stellungnahmen die Notwendigkeit einer gemeinsamen Vorstellung von Sinn und Zweck der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Union unterstrichen, und dies geht weit über technische Konzepte und Maßnahmen hinaus und ist in erster Linie eine Frage des politischen Willens und einer gemeinsamen Sichtweise.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Diese Schlussfolgerungen und Empfehlungen sollen die Stellungnahme ECO/423 ergänzen, auf der die vorliegende Stellungnahme beruht und deren Aussagen in vollem Umfang befürwortet werden. Sie stehen auch im Einklang mit den drei anderen Stellungnahmen zum Thema wirtschaftliche Zukunft Europas, auf die in der Präambel verwiesen wurde.

1.2.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Fortschritte bei der Entwicklung der Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets und verfolgt aufmerksam die Faktoren, die diese Entwicklung prägen. Als besonders wichtig erachtet er jedoch den Zusammenhang zwischen dem Euro-Währungsgebiet und den fiskalpolitischen Aspekten sowie die Stärkung des institutionellen Rahmens der Eurozone.

1.3.

Nach Auffassung des EWSA ist es von wesentlicher Bedeutung, im Rahmen der Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets eine ausgewogene Mischung aus wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu gewährleisten und die geld-, fiskal- und strukturpolitischen Komponenten zielführend miteinander zu verflechten. Angesichts der vorgesehenen Neuordnung dieser Maßnahmen im Einklang mit der wirtschaftlichen Entwicklung gewinnt dieser Aspekt zunehmend an Bedeutung.

1.4.

Der EWSA missbilligt die Tatsache, dass der Europäische Rat einen positiven fiskalischen Kurs ablehnt, und ruft ihn auf, seine Haltung zu überdenken. Insbesondere wegen der erwarteten Abkehr der Europäischen Zentralbank von ihrer Praxis der quantitativen Lockerung erhalten die Argumente für einen positiven fiskalischen Kurs mehr Gewicht. Gleichzeitig anerkennt der EWSA, dass das Ausmaß eines positiven fiskalischen Kurses angemessen gesteuert werden muss, um die nach wie vor hohe öffentliche Verschuldung nicht noch weiter in die Höhe zu treiben, und dass dieser Kurs auf Bereiche ausgerichtet werden muss, die einen deutlichen langfristigen Nutzen erzeugen.

1.5.

Der EWSA nimmt die wirtschaftliche Erholung im Euro-Währungsgebiet zur Kenntnis und empfiehlt mit Blick auf deren Aufrechterhaltung und Förderung, wesentliche Maßnahmen zur Mobilisierung von Investitionen zu ergreifen und Strukturreformen durchzuführen, die sowohl zu höherer Produktivität als auch zur Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze beitragen. Strukturreformen sollten stärker im Einklang mit dem Verfahren des Europäischen Semesters umgesetzt werden. Zudem empfiehlt der EWSA, bei den Strukturreformen das gesamte Euro-Währungsgebiet bzw. die EU als Ganzes zu berücksichtigen und von isolierten strukturellen Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten abzusehen.

1.6.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Stärkung des Zusammenhalts im Euro-Währungsgebiet sowohl in Form einer besseren Koordinierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik als auch einer effizienteren finanziellen Intermediation durch die Vollendung der Finanzunion und die Gewährleistung einer stärkeren Rolle des Euroraums in der Weltwirtschaft. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, empfiehlt der EWSA eine entsprechende Stärkung des institutionellen Rahmens der Eurozone.

1.7.

Der EWSA ist der Ansicht, dass der Euro die Währung der gesamten EU ist; er spricht sich für die Verbesserung der Wirtschaftslage in der EU aus, damit das Euro-Währungsgebiet erneut erweitert werden kann und sich damit schon im Vorfeld positive Auswirkungen im Euro-Währungsgebiet wie auch bei seinen neuen Mitgliedern ergeben werden.

1.8.

Der EWSA stellt fest, dass angesichts des Brexits und der Unberechenbarkeit der jetzigen US-Regierung der weltweiten politischen und wirtschaftlichen Entwicklung die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

1.9.

Der EWSA ist sich der Tatsache bewusst, dass die Möglichkeiten zur Verbesserung der Funktionsweise des Euro-Währungsgebiets im Rahmen der jetzigen Vorschriften begrenzt sind (insbesondere in Bezug auf strukturelle Maßnahmen); für einige der grundlegenderen Aspekte müssen neue Vorschriften erlassen werden (z. B. in Bezug auf die Stärkung des institutionellen Rahmens oder die Schaffung neuer fiskalpolitischer Instrumente).

1.10.

Im Rahmen der 2018 anstehenden wirtschaftlichen und politischen Empfehlungen betont der EWSA die Notwendigkeit einer Debatte zu folgenden Aspekten:

die Schaffung einer Fiskalunion;

Stärkung der Verantwortung der Mitgliedstaaten und Engagement für Verpflichtungen gegenüber dem Euroraum;

die Notwendigkeit von Strukturreformen im Rahmen des Europäischen Semesters;

eine weitere Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung und Steuerung;

die Verbesserung des Systems der Finanzvermittlung mit im Ergebnis einer Stärkung der langfristigen Investitionen (im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung) unter Einbeziehung der EIB, des EIF und des EFSI 2.0;

einen größeren Einfluss des Euro-Währungsgebiets in der Welt.

1.11.

Der EWSA ist sich bewusst, dass sich mehr Investitionen auf die Lohnentwicklung auswirken und zum Rückgang der Arbeitslosigkeit beitragen müssen. Darüber hinaus sollten diese Investitionen auch auf den Abbau der in dieser Stellungnahme beschriebenen Ungleichgewichte ausgerichtet werden, die — sollten sie weiter bestehen und nicht angegangen werden — ein wesentliches Hindernis für langfristiges Wachstum darstellen könnten.

1.12.

Um zu gewährleisten, dass die Bürger das Projekt zur Wiederbelebung des Euro-Währungsgebiets überzeugt mittragen und entsprechende Strukturreformen erfolgreich sind, müssen die soziale Dimension dieser Reformen verstärkt und demokratische und transparente Formen der politischen Steuerung im Euro-Währungsgebiet geschaffen werden, deren Ziele wirtschaftlicher Wohlstand und ein hoher Lebensstandard sind.

2.   Hintergrund

2.1.

Als Teil des regelmäßig wiederkehrenden Prozesses des Europäischen Semesters veröffentlichte die Europäische Kommission im November 2016 Dokumente für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets sowie eine Mitteilung mit dem Titel „Hin zu einem positiven fiskalischen Kurs für das Euro-Währungsgebiet“. Der EWSA erarbeitete zu diesen Dokumenten die Stellungnahme ECO/423, die auf seiner Plenartagung im Februar 2017 verabschiedet wurde. Seither hat sich das Thema durch die Entwicklung der Wirtschaftspolitik der EU sowie durch die Aktivitäten einiger Mitgliedstaaten erheblich weiterentwickelt. In dieser ergänzenden Stellungnahme werden die wichtigsten Entwicklungen dargelegt:

Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (März 2017);

Frühjahrswirtschaftsprognose (Mai 2017);

Mitteilung zu den länderspezifischen Empfehlungen 2017 (Mai 2017).

Gleichzeitig wurden ein Weißbuch über die Zukunft Europas und ein Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und über die Zukunft der EU-Finanzen während dieses Zeitraums veröffentlicht, die der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, in seiner Rede zur Lage der Union im September 2017 weiter ausgeführt hat. Darüber war eine deutlich sichtbare Entwicklung des fiskalischen Aspekts der Funktionsweise des Euro-Währungsgebiets zu verzeichnen. In dieser Stellungnahme wird auf die Wirtschaftsentwicklung 2018 eingegangen und es werden die Vorschläge des EWSA für die Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets für 2018 werden.

2.2.

Die wirtschaftliche Erholung verläuft geringfügig rascher als erwartet; allerdings sind im Euro-Währungsgebiet weiterhin umfassendere Investitionen erforderlich, die unter anderem durch angemessene haushaltspolitische Konjunkturmaßnahmen gefördert werden könnten, ohne dass es dadurch langfristig zu einem Anstieg der öffentlichen Verschuldung kommen muss. Die Folgen der Krise und die bereits ergriffenen politischen Maßnahmen wirken sich weiterhin auf die Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit aus und sind auch eine der Ursachen für die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, die Wachstumsperspektiven im Euro-Währungsgebiet durch eine stärkere Förderung von Investitionen und durch sozialpolitische Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheit zu verbessern. Laut der Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission werden Investitionen flankiert durch eine entsprechende Lohnentwicklung und einen kontinuierlichen Rückgang der Arbeitslosenquoten, die zunehmen dazu beitragen, die Inlandsnachfrage zu stärken, entscheidende Faktoren für die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Erholung sein.

2.3.

Zudem muss der Zusammenhalt im Euro-Währungsgebiet wachsen. Dazu könnten folgende Faktoren beitragen: die Vollendung der Finanzunion mit den erwarteten positiven Auswirkungen auf Investitionen, die im Rahmen der geltenden Vorschriften getätigt werden könnten; die weitere Stärkung der wirtschafts- und haushaltspolitischen Koordinierung, die auf eine Fiskalkapazität für das Euro-Währungsgebiet und die Schaffung eines autonomen Haushalts des Euro-Währungsgebiets abzielt; eine stärkere institutionelle Struktur für das Euro-Währungsgebiet, die eine bessere interne und externe Vertretung sowie eine größere Verantwortung der einzelnen Mitglieder ermöglicht, für deren Umsetzung jedoch neue Vorschriften erforderlich sind.

2.4.

Eines der im Weißbuch über die Zukunft der Europäischen Union erwogenen Szenarien ist die Möglichkeit eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten, mit dem Euro-Währungsgebiet als möglicher wichtiger Trennungslinie. Dazu ist der EWSA jedoch der Ansicht, dass der Euro die Währung der EU insgesamt ist. Wünschenswert wäre daher die Schaffung von Anreizen für nicht dem Euroraum angehörende Staaten, damit sie über einen Beitritt zum Euroraum als eine der Prioritäten ihrer internen Politik nachdenken.

2.5.

In ihrer Winter- und Frühjahrsprognose spricht die Europäische Kommission von einer „hohen Unsicherheit“ hinsichtlich der internen und externen Wachstumsrisiken, die sowohl auf handelsbezogene als auch auf finanzielle und geopolitische Faktoren zurückzuführen sind. In ihrer Frühjahrsprognose zeigte sich die Europäische Kommission besorgt über die Entwicklungen in den USA und im Vereinigten Königreich (Brexit), die sich möglicherweise negativ auf den (moderaten) Aufschwung in Europa auswirken könnten. Die Regierung Trump ist noch unberechenbarer, als es anfangs schien, und der anhaltend hohe Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands und des Euro-Währungsgebiets stellt für sie ein Problem dar. Dies könnte zu ungünstigen handelspolitischen Maßnahmen seitens der USA mit negativen Folgen für die EU und das Euro-Währungsgebiet führen. Auch der Verlauf des Brexits lässt sich nur schwer voraussehen: Der lange Vorlauf vor den Verhandlungen lässt nichts Gutes für das Endergebnis erahnen, und angesichts der Ergebnisse der Wahlen im Juni ist mit Komplikationen und Verzögerungen bei den Verhandlungen zu rechnen.

2.6.

Die jüngste Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission legt den Schluss nahe, dass die Empfehlung der Kommission und die Stellungnahme des EWSA (ECO/423), in denen für 2017 für einen positiven finanzpolitischen Kurs im gesamten Euro-Währungsgebiet plädiert wurde — was der Rat in seiner Empfehlung vom 10. März 2017 inzwischen abgelehnt hat — in die richtige Richtung gingen. Der EWSA missbilligt die Entscheidung des Europäischen Rates und ist der Auffassung, dass die seither entstandenen Risiken und die Frühjahrsprognose der Kommission bestätigen, dass es zweckmäßig ist, einen positiven finanzpolitischen Kurs im Bereich der Haushaltspolitik aufrechtzuerhalten.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die Bedeutung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) als grundlegende Priorität im Rahmen der europäischen Integration wurde in Verbindung mit den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge und der anschließenden Debatten über die Zukunft der EU unterstrichen. Ferner wurde festgestellt, dass es trotz all der anhaltenden und noch ungelösten Probleme falsch wäre, eine übermäßig abwehrende Haltung einzunehmen, wenn es um das Euro-Währungsgebiet geht. Stattdessen wären eine ehrgeizigere Vision der Zukunft des Euro-Währungsgebiets und die Arbeit an spezifischen Maßnahmen zur besseren Ausschöpfung seines Potenzials angebrachter. Der EWSA unterstützt diesen Standpunkt.

3.2.

Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wohlstand der EU und die gerechte Umverteilung des in ihr generierten Einkommens und Vermögens wird in der Stellungnahme ECO/423 betont, dass eine ausgewogene wirtschaftspolitische Mischung geld-, fiskal- und strukturpolitische Instrumente sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit und Effizienz der Finanzmärkte enthalten muss, einschließlich angemessener Regelungen, um das Eingehen unverantwortlicher Risiken seitens einiger Finanzinstitute zu verhindern. Der EWSA ist überzeugt, dass dies durch die Entwicklungen in den letzten Monaten in vielerlei Hinsicht noch wichtiger geworden ist.

3.3.

Der EWSA unterstützt voll und ganz die Vollendung und Vertiefung der WWU bis zum Jahr 2025. In diesem Sinne stimmt diese Stellungnahme mit dem Paket anderer Stellungnahmen des EWSA zur wirtschaftlichen Zukunft Europas überein, die in der Präambel aufgeführt sind. Nach Ansicht des EWSA sollte besonderes Augenmerk auf folgende Bereiche gelegt werden:

3.3.1.

Stärkung und Koordinierung der Haushalts-, Wirtschafts- und Strukturpolitik mit dem Ziel der Schaffung eines wirksamen Mix aus diesen Politikbereichen, auch im Hinblick auf die Einführung einer starken (eigenen) Haushaltslinie für das Euro-Währungsgebiet im Rahmen des Haushaltsplans der EU. Zum ersten Mal wird auf so hoher politischer Ebene im Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion der Begriff „Fiskalunion“ verwendet. Eine „Fiskalunion“ im Rahmen eines homogenen Währungs- und Wirtschaftsraums und eines funktionierenden Binnenmarkts würde auch eine gemeinsame bzw. stark koordinierte Fiskalpolitik (sowohl in Bezug auf Steuern wie auf die Ausgaben) umfassen, die eine gerechte Besteuerung und eine systematische und wirksame Haltung zu Steuerhinterziehung und Steuerbetrug fördern würde;

3.3.2.

Beibehaltung oder sogar Erweiterung der individuellen Verantwortung und Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei allen bestehenden Mechanismen der wirtschaftspolitischen Steuerung, einschließlich objektiver Überwachung, Anwendung sämtlicher Präventiv- und Korrekturmaßnahmen sowie ggf. schließlich Sanktionen — denn die Verantwortung der einzelnen Akteure ist eine entscheidende Voraussetzung für Verbesserungen im Euro-Währungsgebiet im Rahmen eines umfassenden Verständnisses für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU, vor allem im Rahmen des Europäischen Semesters;

3.3.3.

Die Ausschüsse für Produktivität werden als geeignetes Instrument empfohlen, die auf die aktive Mitwirkung aller relevanten Sozialpartner gestützt sind und die Durchführung von Strukturreformen erleichtern können, die neben der Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten wesentlich zur Steigerung der Funktionalität und der Homogenität des gesamten Binnenmarkts beitragen, indem bestimmte ordnungspolitische Hindernisse und Barrieren beseitigt werden ohne dabei bestehende Sozial- und Arbeitnehmerrechte anzutasten;

3.3.4.

erhebliche Verbesserung der Effizienz der Finanzintermediation durch die Nutzung des gesamten Spektrums der Finanzmarktakteure im Einklang mit der vorgeschlagenen Bankenunion und der Kapitalmarktunion; der Hauptschwerpunkt bei den Bemühungen um eine wirksamere Finanzintermediation sollte auf den realen Investitionen und nicht auf der Steigerung des Volumens des virtuellen Finanzsektors liegen;

3.3.5.

für eine starke und geachtete WWU — angesichts der Veränderungen in der globalen Wirtschaft — ist auch ihre Außenvertretung sehr wichtig. Es ist von zentraler Bedeutung, nicht nur einen einvernehmlichen Standpunkt der einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber ihren internationalen Partnern zu haben, bei dem die EU mit einer Stimme spricht, sondern auch über eine geeignete institutionelle Struktur zu verfügen, die diesem gemeinsamen Interesse im globalen Kontext entspricht (4);

3.3.6.

darüber hinaus hätte in begründeten Fällen die Möglichkeit einer Erweiterung des Euro-Währungsgebiets in Betracht gezogen werden sollen. Einige Länder — vor allem in Mittel- und Osteuropa — weisen sehr positive wirtschaftliche Leistungsindikatoren auf und werden im Rahmen des Europäischen Semesters sehr positiv bewertet. Sie könnten die Funktionsweise des Euro-Währungsgebiets unterstützen und sein Gewicht innerhalb der EU offensichtlich stärken;

3.3.7.

nicht zuletzt setzt die Unterstützung der Bürger für die WWU die Schaffung von Instrumenten voraus, die gewährleisten, dass die Entscheidungen im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung demokratisch getroffen werden und der Binnenmarkt durch eine starke soziale Säule ergänzt wird.

3.4.

Für den EWSA ist es für das Funktionieren des Euro-Währungsgebiets entscheidend, höhere Investitionen und die Durchführung und Umsetzung von Strukturreformen zu fördern, die durch das Europäische Semester, insbesondere unter Berücksichtigung des Binnenmarkts, noch stärker hätten unterstützt werden können. Mit von der EIB, dem EIF und dem EFSI finanzierten Investitionen wurden positive Ergebnisse erzielt und u. a. erforderliche regionale Projekte durchgeführt. Nichtsdestotrotz ist deren Umfang nicht ausreichend, um die Investitionslücken zu schließen, die insbesondere in Krisenzeiten entstehen. Diese Instrumente sollten zur Schaffung eines ausreichend soliden Systems beitragen, das die gemeinsame Nutzung öffentlicher und privater Finanzierungsquellen ermöglicht. Die gesteuerte Flexibilität im Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte für die Anwendung einer goldenen Regel genutzt werden, laut der Investitionen und damit einhergehende laufende Ausgaben so eingesetzt werden, dass künftige Gewinne und Wirkungen erzielt werden. Der Schwerpunkt der Strukturreformen sollte eindeutig von den einzelnen Mitgliedstaaten auf die allgemeine Funktionsweise des Binnenmarktes verlagert werden.

3.4.1.

Das Ziel der Strukturreformen sollte in erster Linie die Beseitigung bestehender Ungleichgewichte und die Schaffung von Bedingungen sein, die eine langfristige Entwicklung im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDG) begünstigen. Zu diesen Ungleichgewichten gehören die wachsenden Unterschiede innerhalb der EU und innerhalb der Mitgliedstaaten. Strukturreformen sollten zur Annahme von Maßnahmen führen, die dem gesamteuropäischen Kontext und nicht nur dem partiellen Bedarf einzelner Mitgliedstaaten Rechnung tragen.

3.4.2.

Im EU-Kontext sollten die Reformen nicht nur auf inländische politische Prioritäten ausgerichtet sein, sondern auch aus Sicht der EU insgesamt gesehen werden: aus der Perspektive strategischer Projekte, mit denen sich ein solider Mehrwert für die EU schaffen lässt.

3.4.3.

Die Strukturreformen sollten begleitet werden von der Förderung hochwertiger Arbeitsplätze mit dem Schwerpunkt auf einem angemessenen Lohnniveau und der uneingeschränkten Achtung der sozialen Gerechtigkeit.

3.4.4.

Es sind noch viele Reformen erforderlich, um Regelungen zu verbessern, die geeignet sind, die Entwicklung von Unternehmen zu unterstützen und einen angemessenen Schutz für die Bürger zu gewährleisten. Strukturreformen sollten u. a. in Bezug auf folgende Aspekte durchgeführt werden: Vorschriften in den Bereichen Unternehmensgründung, Baugenehmigungen, Aufnahme von Krediten, Steuerzahlung, grenzübergreifender Handel, Grundbucheintragung und Harmonisierung der Steuerpolitik, die zu einer soliden Funktionsweise des Binnenmarkts und gleichzeitig zur Eindämmung des unlauteren Wettbewerbs beitragen würden. Auch das öffentliche bzw. politische Klima (d. h. Effizienz und Integrität des öffentlichen Sektors, Sicherheit und Stabilität während des gesamten Lebenszyklus eines Projekts) spielt eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt mit Blick auf die Akzeptanz dieser Reformen durch die Öffentlichkeit sollte herausgestellt werden, dass der Prozess hinter der Umsetzung dieser Reformen sehr kompliziert ist und ihr makroökonomisches Ergebnis von der Funktionsweise vieler aufwendiger Prozesse auf Mikroebene abhängt. Es ist unbedingt erforderlich, diese Abhängigkeiten zu erläutern, wenn die Reformen von der Öffentlichkeit mitgetragen werden sollen. Diese Unterstützung durch die Öffentlichkeit setzt auch voraus, dass die zur Förderung der künftigen Funktionsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets geschaffenen Instrumente auf eine legitime und demokratische Weise beschlossen werden und dadurch das richtige Gleichgewicht zwischen der wirtschaftlichen und der sozialen Säule gewahrt wird.

3.4.5.

Es besteht Handlungsspielraum für eine engere Verknüpfung zwischen den erforderlichen Strukturreformen, dem Europäischen Semester, dem mehrjährigen Umsetzungsrahmen der ESI-Fonds (bzw. ganz allgemein des EU-Haushalts) und einem stärker entwickelten und effizienten Euro-Währungsgebiet. Die Stärkung der Verbindung zwischen Strukturreformen und dem Haushaltsplan der EU, dessen Ziel in der Förderung von Konvergenz auf mittlere bis lange Sicht besteht, steht in engem Zusammenhang mit der erwarteten Beschränkung der quantitativen Lockerung seitens der EZB, wobei eine restriktivere Geldpolitik mehr Raum für die Nutzung fiskalischer Ströme schafft.

3.5.

Gleichzeitig sind erneute Bemühungen erforderlich, um eine Aufwärtskonvergenz des Lebensstandards, der sozialen Standards und der Löhne innerhalb der Mitgliedstaaten und zwischen ihnen als Mindestbedingung für die Stärkung des Vertrauens in die EU und die Sicherung der Zukunft Europas zu gewährleisten. Die Konvergenz sollte über die europäische Säule sozialer Rechte gefördert werden.

3.5.1.

In diesem Zusammenhang liegen Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage in der EU und im Euro-Währungsgebiet im Allgemeinen sowie in Ländern mit hohem Leistungsbilanz- bzw. Handelsüberschuss im Besonderen nahe, um innerhalb des Euro-Währungsgebiets und gegenüber der übrigen Welt wieder ein Gleichgewicht herzustellen.

3.5.2.

Die Mitgliedstaaten der EU sollten ihre Strategien für Wettbewerbsfähigkeit nicht auf die Annahme stützen, das Lohnniveau werde weiterhin niedrig bleiben. Eine wirksame Kombination der wirtschaftspolitischen Maßnahmen sollte zu einer Belebung der Investitionen in die Infrastruktur führen, und höhere Ausgaben in den Bereichen Bildung, Forschung, Berufsbildung und Kompetenzen sollten sich in einem stärkeren Produktivitätswachstum, höheren Löhnen und einem Anstieg der Einkommen niederschlagen und gleichzeitig Auswirkungen auf den Lebenszyklus, die Laufbahnentwicklung und sich ändernde Lebenshaltungskosten haben. Der EWSA achtet jedoch die unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten, die vorrangig dafür Verantwortung tragen, dies im Rahmen moderner Methoden der Tarifverhandlungen zu lösen.

3.5.3.

Die Arbeitsmarktlage in verschiedenen Ländern des Euro-Währungsgebiets zeigt, dass die noch ausstehenden Strukturreformen in diesem Bereich auf die Reduzierung der hohen Zahl an befristeten Stellen, unfreiwilligen Teilzeitstellen und Niedriglohnstellen sowie die Förderung hochwertiger Arbeitsplätze für besser ausgebildete und kompetentere Arbeitskräfte konzentriert werden sollten. Ein vernünftiger sozialer Dialog und fundierte Tarifverhandlungen zwischen autonomen Sozialpartnern sollten die Grundlage für eine neue Art von Arbeitsmarktreformen bilden. Dies würde nicht nur die soziale Gerechtigkeit verbessen, sondern auch die Produktivität der Wirtschaft erhöhen.

3.6.

Insbesondere Maßnahmen zur Durchführung von Strukturreformen und zur Stärkung der Koordinierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik können im Rahmen des geltenden Rechtssystems durchgeführt werden. Im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020 können sie weiter gestärkt werden. Auf der anderen Seite erfordern eine weitere Konsolidierung des Euro-Währungsgebiets mit einer gemeinsamen Haushaltspolitik oder eine stärkere Präsenz des Euroraums auf der internationalen Bühne gänzlich neue Vorschriften.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Aus den in dieser Stellungnahme genannten Gründen ruft der EWSA die Europäische Kommission und den Rat auf, im Rahmen der Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets für 2018 einen angemessenen positiven fiskalischen Kurs einzuschlagen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dieser Vorschlag insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines angemessenen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums und der Gewährleistung einer funktionierenden Mischung aus Wirtschafts- und Währungspolitik, deren expansiver Charakter nicht unbegrenzt ausgedehnt werden kann.

4.2.

Der EWSA ist der Ansicht, dass bei der Umsetzung der Investitionsoffensive für Europa (die er begrüßt) diejenigen Projekte Vorrang haben sollten, die mit den nachhaltigen Entwicklungszielen im Einklang stehen und der sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht werden.

4.3.

Nach Ansicht des EWSA geht aus den jüngsten Entwicklungen des wirtschaftspolitischen Paradigmas in den vergangenen Monaten recht deutlich hervor, dass die politische Unterstützung für das Konzept, das zu einer Fiskalunion auf der Grundlage der Plattform des Euro-Währungsgebiets führt, zunimmt. In diesem Zusammenhang empfiehlt der EWSA, diese Entwicklungen sorgfältig zu überwachen, und er ist uneingeschränkt bereit, sich am Prozess zur Stärkung des haushaltspolitischen Gewichts als Vorbedingung für ein homogeneres Umfeld für das Euro-Währungsgebiet zu beteiligen. Zudem ist es von entscheidender Bedeutung, zu beobachten, auf welche Art und Weise sich diese Entwicklung in potenziellen Veränderungen der institutionellen Strukturen und Systeme niederschlägt.

4.4.

Der EWSA ist nach wie vor der Überzeugung, dass in einer Zeit, in der die Vertiefung der WWU einmal mehr zu den obersten Prioritäten zählt, die Prozesse im Zusammenhang mit einem effizienteren und besser funktionierenden Binnenmarkt nicht unterschätzt werden dürfen. Ein effizienter und funktionsfähiger Binnenmarkt ist eine Grundvoraussetzung, die erfüllt sein muss, bevor überhaupt über eine vertiefte WWU nachgedacht werden kann. Die WWU kann die Erwartungen hinsichtlich ihrer Vorteile nur dann erfüllen, wenn die Öffnung und Liberalisierung des Binnenmarkts künftig fortgesetzt werden, seine Homogenität gestärkt wird sowie sichtbare und verborgene nationale Schutzbarrieren beseitigt werden.

4.5.

Der EWSA unterstützt die Auffassung, dass das Umfeld einer vertieften WWU auch mit dem Prozess der Finanzintermediation im Einklang stehen muss. Die herausragenden Aspekte der Finanzunion sind die Bankenunion und die Kapitalmarktunion. Bei der Bankenunion geht es in erster Linie um konstantes und vorhersehbares Verhalten im Bankensektor. Zudem muss sie auf angemessene Finanzmittel gestützt sein, um mögliche Bankinsolvenzen abfedern zu können. Die Kapitalmarktunion ist dagegen als Erweiterung der Möglichkeiten zur Gewährung von Finanzmitteln zu verstehen und befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase. Eine verbesserte Funktionsweise der finanziellen Intermediation sollte hingegen im Bereich der realen Investitionstätigkeiten deutlicher zum Tragen kommen.

4.6.

Die Zukunft der EU hängt auch davon ab, ob ihre Integration verstärkt und ihre Rolle im globalen Kontext konsolidiert werden kann. Dies ist einer der wenigen zentralen Prioritäten, vor allem zum jetzigen Zeitpunkt, und ist eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse für alle Mitgliedstaaten der EU. Um dieses Ziel zu erreichen, könnte es nützlich sein, die gemeinsame Vertretung der EU auf der internationalen Bühne zu stärken und auf dieser Ebene gemeinsame Werte, Grundsätze und Strategien zu fördern und durchzusetzen — wie politische und wirtschaftliche Freiheit und Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, der Wert des freien Unternehmertums in den Bereichen Handel und Investitionen, die Schaffung von Bedingungen für einen fairen und offenen Wettbewerb sowie die Beseitigung illegaler und krimineller Geschäftspraktiken wie die missbräuchliche Nutzung von Steuersystemen oder Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Darüber hinaus sind die Achtung der sozialen und bürgerlichen Rechte sowie grundlegende Anforderungen an ökologische Standards unabdingbar.

Brüssel, den 19. Oktober 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Dieses Paket beinhaltet folgende Stellungnahmen des EWSA: „Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2017 (ergänzende Stellungnahme)“, „Kapitalmarktunion: Halbzeitprüfung“ (siehe Seite 117 dieses Amtsblatts), „Vertiefung der WWU bis 2025“ (siehe Seite 124 dieses Amtsblatts) und „EU-Finanzen bis 2025“ (siehe Seite 131 dieses Amtsblatts).

(2)  Entschließung des EWSA, ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 11.

(3)  ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 10 und ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 8.

(4)  Für nähere Einzelheiten siehe z. B. ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 16.