13.7.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 247/62


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Europäische Bürgerinitiative

(2018/C 247/10)

Berichterstatter:

Luc Van den Brande (BE/EVP), Mitglied des Verbindungsbüros Flandern- Europa

Referenzdokument:

COM(2017) 482 final

SWD(2017) 294 final

I.   EMPFEHLUNGEN FÜR ÄNDERUNGEN

Änderung 1

Artikel 1

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

Gegenstand

Gegenstand

Diese Verordnung legt die Verfahren und Bedingungen für eine Initiative fest, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wird, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht von Unionsbürgern eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen (im Folgenden „Europäische Bürgerinitiative“ oder „Initiative“).

Diese Verordnung legt die Verfahren und Bedingungen für eine Initiative fest, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wird, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht von Unionsbürgern eines Rechtsakts der Union gemäß Artikel 288 AEUV bedarf, um die Verträge umzusetzen (im Folgenden „Europäische Bürgerinitiative“ oder „Initiative“).

Begründung

Hinweis auf Artikel 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, um zu verdeutlichen, dass ein Rechtsakt sich nicht nur auf verbindliche Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse bezieht, sondern auch auf nicht verbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen.

Änderung 2

Artikel 1

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

Gegenstand

Gegenstand

Diese Verordnung legt die Verfahren und Bedingungen für eine Initiative fest, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wird, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht von Unionsbürgern eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen (im Folgenden „Europäische Bürgerinitiative“ oder „Initiative“).

Diese Verordnung legt die Verfahren und Bedingungen für eine Initiative fest, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wird, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht von Unionsbürgern eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen (im Folgenden „Europäische Bürgerinitiative“ oder „Initiative“).

 

Zur Umsetzung der Verträge gehört auch, dass die Kommission gemäß Artikel 48 EUV die Möglichkeit hat, Entwürfe zur Änderung der Verträge vorzulegen.

Begründung

Artikel 48 des Vertrags über die Europäische Union sieht vor, dass die Kommission dem Rat Entwürfe zur Änderung der Verträge vorlegen kann. Da die Kommission die Befugnis hat, derartige Vertragsänderungen vorzuschlagen, müssen auch Bürgerinitiativen, die auf eine derartige Änderung der Verträge abzielen, für zulässig erachtet werden.

Änderung 3

Artikel 4 Absatz 4

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

Information und Unterstützung durch die Kommission und die Mitgliedstaaten

Information und Unterstützung durch die Kommission und die Mitgliedstaaten

Nachdem die Kommission eine Initiative gemäß Artikel 6 registriert hat, veranlasst sie die Übersetzung des Inhalts der Initiative in alle Amtssprachen der Union zwecks Veröffentlichung im Register und Nutzung zur Sammlung von Unterstützungsbekundungen im Einklang mit dieser Verordnung . Eine Organisatorengruppe kann Übersetzungen des Anhangs und gegebenenfalls auch des in Anhang II genannten und gemäß Artikel 6 Absatz 2 vorgelegten Entwurfs eines Rechtsakts in alle Amtssprachen der Union zwecks Veröffentlichung im Register zur Verfügung stellen .

Nachdem die Kommission eine Initiative gemäß Artikel 6 registriert hat, veranlasst sie die Übersetzung des Inhalts der Initiative in alle Amtssprachen der Union zwecks Veröffentlichung im Register und Nutzung zur Sammlung von Unterstützungsbekundungen im Einklang mit dieser Verordnung , einschließlich Übersetzungen des Anhangs und gegebenenfalls des in Anhang II genannten und gemäß Artikel 6 Absatz 2 vorgelegten Entwurfs eines Rechtsakts zwecks Veröffentlichung im Register.

Begründung

Es erscheint angemessen, dass die Europäische Kommission, sobald eine Initiative registriert ist, auch Übersetzungen der Anhänge zur Verfügung stellt, insbesondere des Entwurfs des Rechtsakts, wenn dieser Teil der Initiative ist.

Änderung 4

Artikel 6

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

Registrierung

Registrierung

1.   Mit der Sammlung von Unterstützungsbekundungen für eine Initiative kann erst nach der Registrierung der Initiative durch die Kommission begonnen werden.

1.   Mit der Sammlung von Unterstützungsbekundungen für eine Initiative kann erst nach der Registrierung der Initiative durch die Kommission begonnen werden.

2.   Die Organisatorengruppe reicht den Antrag auf Registrierung über das Register bei der Kommission ein.

2.   Die Organisatorengruppe reicht den Antrag auf Registrierung über das Register bei der Kommission ein.

Bei der Einreichung des Antrags unternimmt die Organisatorengruppe ebenfalls folgende Schritte:

Bei der Einreichung des Antrags unternimmt die Organisatorengruppe ebenfalls folgende Schritte:

Sie übermittelt die Informationen gemäß Anhang II in einer der Amtssprachen der Union;

Sie übermittelt die Informationen gemäß Anhang II in einer der Amtssprachen der Union;

sie nennt, sofern die Organisatorengruppe aus mehr als sieben Mitgliedern besteht, die sieben Mitglieder, die für die Zwecke von Artikel 5 Absätze 1 und 2 zu berücksichtigen sind;

sie nennt, sofern die Organisatorengruppe aus mehr als sieben Mitgliedern besteht, die sieben Mitglieder, die für die Zwecke von Artikel 5 Absätze 1 und 2 zu berücksichtigen sind;

sie gibt gegebenenfalls an, dass eine juristische Person im Sinne von Artikel 5 Absatz 7 geschaffen worden ist.

sie gibt gegebenenfalls an, dass eine juristische Person im Sinne von Artikel 5 Absatz 7 geschaffen worden ist.

Unbeschadet der Absätze 5 und 6 entscheidet die Kommission über den Antrag innerhalb von zwei Monaten nach seiner Einreichung.

Unbeschadet der Absätze 5 und 6 entscheidet die Kommission über den Antrag innerhalb von zwei Monaten nach seiner Einreichung.

 

Die Kommission legt den Antrag auf Registrierung einem unabhängigen Ausschuss vor, der sieben Mitglieder hat und sich aus Juristen, Wissenschaftlern und Vertretern der europäischen Zivilgesellschaft zusammensetzt. Diese prüfen die Zulässigkeit des Antrags auf Registrierung. Sie haben die Möglichkeit, die Organisatorengruppe anzuhören. Der Ausschuss legt seine begründete Entscheidung der Kommission vor, die daraufhin einen entsprechenden Beschluss fasst.

3.   Die Kommission registriert die Initiative, sofern

(…)

3.   Die Kommission registriert die Initiative, sofern

(…)

Begründung

Eines der größten Probleme in der neuen Verordnung ist nach wie vor der Interessenkonflikt und die Monopolstellung der Kommission in allen Phasen des Verfahrens. Daher wird vorgeschlagen, im Einklang mit der AdR-Stellungnahme aus dem Jahr 2015 die Entscheidung über die Registrierung einem unabhängigen Ausschuss aus Juristen, Wissenschaftlern und Vertretern der europäischen Zivilgesellschaft zu übertragen.

Änderung 5

Artikel 8

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

Sammlungsfrist

Sammlungsfrist

1.   Alle Unterstützungsbekundungen werden unbeschadet des Artikels 11 Absatz 6 innerhalb einer Frist von höchstens 12 Monaten ab dem von der Organisatorengruppe gewählten Tag (im Folgenden „Sammlungsfrist“) gesammelt. Dieser Tag darf höchstens drei Monate nach dem Tag der Registrierung der Initiative gemäß Artikel 6 liegen.

1.   Alle Unterstützungsbekundungen werden unbeschadet des Artikels 11 Absatz 6 innerhalb einer Frist von höchstens 18 Monaten ab dem von der Organisatorengruppe gewählten Tag (im Folgenden „Sammlungsfrist“) gesammelt. Dieser Tag darf höchstens drei Monate nach dem Tag der Registrierung der Initiative gemäß Artikel 6 liegen.

Die Organisatorengruppe teilt der Kommission den gewählten Tag spätestens 10 Tage vor diesem Tag mit.

Die Organisatorengruppe teilt der Kommission den gewählten Tag spätestens 10 Tage vor diesem Tag mit.

Will die Organisatorengruppe die Sammlung von Unterstützungsbekundungen vor Ablauf der Sammlungsfrist von 12 Monaten beenden, so teilt sie Kommission den Tag mit, an dem die Sammlungsfrist abläuft.

Will die Organisatorengruppe die Sammlung von Unterstützungsbekundungen vor Ablauf der Sammlungsfrist von 18 Monaten beenden, so teilt sie Kommission den Tag mit, an dem die Sammlungsfrist abläuft.

Begründung

Die Sammlung von 1 Million Unterschriften ist ein großes Unterfangen und setzt voraus, dass die Bürger umfassend informiert und sensibilisiert werden. Um das Ziel innerhalb eines Jahres zu erreichen, muss die Organisatorengruppe sehr gut organisiert sein. Es muss vermieden werden, dass nur große, länderübergreifend operierende Nichtregierungsorganisationen eine EBI einleiten können. Daher wird vorgeschlagen, die Sammlungsfrist auf 18 Monate zu verlängern. Diese Frist hätte eine weniger abschreckende Wirkung auf potenzielle Initiatoren.

Änderung 6

Artikel 14

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

Veröffentlichung und öffentliche Anhörung

Veröffentlichung und öffentliche Anhörung

1.   (…)

1.   (…)

2.   Innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Initiative erhält die Organisatorengruppe die Möglichkeit, die Initiative in einer öffentlichen Anhörung vorzustellen.

2.   Innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Initiative erhält die Organisatorengruppe die Möglichkeit, die Initiative in einer öffentlichen Anhörung vorzustellen.

Die öffentliche Anhörung wird von der Kommission und dem Europäischen Parlament gemeinsam im Europäischen Parlament veranstaltet. Vertreter anderer Organe und beratender Gremien der Union sowie betroffene Interessenträger erhalten Gelegenheit, an der Anhörung teilzunehmen.

Die öffentliche Anhörung wird vom Europäischen Parlament veranstaltet und findet in seinen Räumlichkeiten statt . Vertreter anderer Organe, beratender Gremien der Union und der nationalen Parlamente sowie betroffene Interessenträger erhalten Gelegenheit, an der Anhörung teilzunehmen.

Die Kommission und das Europäische Parlament sorgen für eine ausgewogene Vertretung der einschlägigen öffentlichen und privaten Interessen.

Das Europäische Parlament sorgt für eine ausgewogene Vertretung der einschlägigen Interessen während der Anhörung .

3.   Die Kommission wird bei der Anhörung auf geeigneter Ebene vertreten.

3.   Die Kommission wird bei der Anhörung auf geeigneter Ebene vertreten.

 

4 .    Nach der Anhörung verabschiedet das Europäische Parlament eine Empfehlung an die Europäische Kommission dazu, wie auf die betreffende EBI zu reagieren ist.

Begründung

Der geeignetste Ort, an dem die Organisatorengruppen über ihre Initiative informieren können, ist das Europäische Parlament. Daher ist es auch folgerichtig, dass diese Anhörung nur vom Europäischen Parlament durchgeführt wird. Es gibt keinen institutionellen Grund, die Kommission an der Organisation dieser Anhörung zu beteiligen. Darüber hinaus sollte dies das Vertrauen der Organisatoren in eine transparente und unabhängige Bearbeitung stärken. Die Einbeziehung der nationalen Parlamente in diesen Prozess sollte die Chancen auf Einleitung einer europaweiten Debatte erhöhen.

Es ist wichtig, dass das Europäische Parlament nach der Anhörung einen eigenen Standpunkt zu dieser Initiative festlegt.

Änderung 7

Neuer Artikel nach Artikel 15

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

 

Initiativen, die die in Artikel 12 Absatz 5 erwähnte Bescheinigung nicht erhalten haben, für die innerhalb der Sammlungsfrist jedoch 75 % der Unterschriften zusammengekommen sind, werden von der Kommission zur Information an das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Europäischen Ausschuss der Regionen weitergeleitet.

Begründung

Die Erfahrung hat gezeigt, dass einige Initiativen zwar nicht die erforderliche Zahl von Unterstützungsbekundungen erhalten konnten, sich aber doch innovativ auf die EU-Politik ausgewirkt haben. Daher wäre es bedauerlich, wenn die politische Botschaft derartiger Initiativen verloren ginge. Das Europäische Parlament kann aufgrund der gesellschaftlichen und politischen Relevanz derartiger Initiativen eigene Initiativen auf den Weg bringen.

Änderung 8

Artikel 24

Kommissionsvorschlag

Änderung des AdR

Überprüfung

Überprüfung

Die Kommission überprüft regelmäßig das Funktionieren der Europäischen Bürgerinitiative und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens fünf Jahre nach dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung und anschließend alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor. Die Berichte werden veröffentlicht.

Die Kommission überprüft regelmäßig das Funktionieren der Europäischen Bürgerinitiative und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens drei Jahre nach dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung und anschließend alle drei Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor. Die Berichte werden veröffentlicht.

Begründung

Es ist wichtig, in regelmäßigen Abständen das ordnungsgemäße Funktionieren der europäischen Bürgerinitiative zu überprüfen, und zwar nicht nur die Verfahren, sondern auch die politische Wirkung und die effektive Beteiligung der Bürger an der Politik. Eine rechtzeitige Überprüfung ist notwendig, um entsprechende Korrekturen vornehmen zu können. Daher ist ein Zeitraum von drei Jahren angemessener. Sollte diese neue Verordnung scheitern, gehört die Europäische Bürgerinitiative der Vergangenheit an.

II.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

Am 13. Oktober 2015 verabschiedete der Ausschuss der Regionen eine Stellungnahme zur Europäischen Bürgerinitiative (EBI) (1). Diese Stellungnahme wurde auf Grundlage des Berichts der Europäischen Kommission über die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 erarbeitet. Aufgrund der zahlreichen Rückmeldungen während des laufenden Verfahrens und ihres Inhalts forderte der Ausschuss der Regionen, die genannte Verordnung zu überarbeiten.

2.

Die Menschen in Europa stehen im Mittelpunkt des Projekts Europa. Die europäische partizipative Demokratie ist so zu verstehen, dass die Bürger in Europa ermutigt werden, sich an der europäischen Politik zu beteiligen und die Zukunft Europas mitzugestalten. Gemäß Artikel 10 Absatz 3 des EU-Vertrags haben alle Bürgerinnen und Bürger das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen.

3.

Die EBI ist ein Recht der Unionsbürger. Mit ihrer Hilfe soll das empfundene Demokratiedefizit der EU abgebaut und die Kluft zwischen den Unionsbürgern und den europäischen Institutionen und Entscheidungsträgern überwunden werden. In Anbetracht der anhaltenden Wirtschafts- und Vertrauenskrise in der EU müssen Möglichkeiten für einen offenen Dialog zwischen den Unionsbürgern geboten werden, um einer zunehmenden Unzufriedenheit der Menschen mit der europäischen Integration entgegenzuwirken. Besonders wichtig ist es, das Vertrauen jener jungen Europäer zu gewinnen bzw. zurückzugewinnen, die den Glauben an den Prozess der europäischen Integration verloren haben. Durch das Recht der gesetzgeberischen Initiative bietet die EBI als transnationales Instrument den Bürgern Gelegenheit, sich in die politische Agenda der EU einzubringen, und sie zielt darauf ab, europaweite Debatten zu bürgerrelevanten Fragen anzukurbeln.

4.

Gemäß Artikel 11 des Vertrags über die Europäische Union müssen die Organe der EU die Bürger und die repräsentativen Verbände informieren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Ansichten in allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen. Im selben Artikel wird der Europäischen Kommission ein ausdrückliches Mandat zur Durchführung von Anhörungen der Betroffenen („Interessenträger“) erteilt, um die Kohärenz und Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten; die Kommission sollte die grundlegende Anforderung der „Rechenschaftspflicht“ als Vorbedingung für Demokratie und verantwortungsvolle Regierungsführung gemäß dem Geist der Verträge ernst nehmen.

5.

Um zu gewährleisten, dass die EBI ein erfolgreicher Teil des demokratischen Gefüges der EU wird, ist es von entscheidender Bedeutung, dass erfolgreiche Bürgerinitiativen echte politische Debatten und umfassendere politische Folgemaßnahmen seitens der EU-Institutionen nach sich ziehen.

6.

Die EBI ist kein Ersatz für das Initiativrecht der Europäischen Kommission, das die Vertiefung der Union vorangebracht hat und weiterhin bestehen bleiben muss. Sie ist ein zusätzlicher Kanal für die gegenseitige Verständigung zwischen Bürgern und verleiht den Debatten in der EU eine länderübergreifende Dimension, aus der alle Institutionen der EU, auch die Europäische Kommission selbst, Nutzen ziehen; die EBI verfügt daher über das Potenzial, ein ausgezeichnetes Beispiel für „gelebte Demokratie“ zu sein.

7.

Die EBI bietet den Bürgern in Europa die Möglichkeit, am europäischen Beschlussfassungsprozess teilzunehmen und die politische Agenda der EU mitzugestalten. Die Kommission muss jedoch zusätzliche Initiativen erarbeiten, um den Bürgerdialog zu stärken und den Menschen die europäische Politik näher zu bringen. Die EBI sollte als eines der Instrumente zur Verwirklichung der Ziele der partizipativen Demokratie betrachtet werden; man sollte indes nicht erwarten, dass es mit dieser Initiative automatisch zu einer Beteiligung der Bürger in Europa an der europäischen Entscheidungsfindung kommt.

8.

Die im Vertrag vorgesehenen Möglichkeiten in Bezug auf die partizipative Demokratie und insbesondere den vertikalen zivilen Dialog (2) müssen besonders beachtet werden. Um „einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft“ zu pflegen (Artikel 11 Absatz 2 EUV), sollte die Europäische Kommission ein „Dialogsystem“ initiieren, nach dem die EU-Institutionen sich nicht so sehr auf Verfahren konzentrieren, sondern mehr darauf aus sind, Ergebnisse zu liefern. Die EBI ist kein Arbeitsinstrument im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens: Sie muss als grundlegender Pfeiler der partizipativen Demokratie gesehen werden, der auf Beratung, Zusammenarbeit und gemeinsame Gestaltung abhebt, und außerdem als Gelegenheit, die Europäische Kommission mit ernsthaften Bedenken zu konfrontieren und auf diese Weise Sensibilisierung und das Verständnis füreinander zu fördern.

9.

Die EBI ist Ausdruck der partizipativen Demokratie, die die repräsentative Demokratie ergänzt; sie vergrößert die Reihe von Rechten im Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft und bereichert die öffentliche Debatte über europäische Politik; sie sollte die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an der europäischen Integration erhöhen und dafür sorgen, dass sie sich stärker mit ihr identifizieren.

10.

Die rechtlichen und politischen Instrumente der Partizipation sollten gestärkt werden, um einer neuen Entscheidungskultur Raum zu geben, die auf dem Grundsatz des Regierens in einem Mehrebenensystem („Multi-Level-Governance“) fußt. Multi-Level-Governance stützt sich ihrem Wesen nach auf mehrere Kanäle und ermöglicht daher eine „aktivere“ europäische Bürgerschaft. Die Herausforderung besteht darin, ein System einer innovativen Interessenvertretung zu schaffen, in dem sich die Menschen gleichberechtigt und ihren unterschiedlichen Identitäten entsprechend repräsentiert fühlen.

11.

Ein europäischer öffentlicher Raum für Debatten zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern ist mit Blick auf die Legitimität und Rechenschaftspflicht der EU sehr wichtig. Das Demokratiedefizit kann nur beseitigt werden, wenn ein europäischer öffentlicher Raum entsteht, in den der demokratische Prozess eingebettet ist.

12.

Die politischen Empfehlungen zur partizipativen Demokratie auf europäischer Ebene, wie sie in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 13. Oktober 2015 formuliert wurden, haben nach wie vor volle Gültigkeit.

Die neue Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative

13.

In seiner Stellungnahme aus dem Jahr 2015 wies der Ausschuss der Regionen darauf hin, dass die EBI in ihrer jetzigen Form nicht zur Förderung der partizipativen Demokratie beiträgt, da das Verfahren und die verschiedenen Regelungen mit zu vielen administrativen und technischen Zwängen, Barrieren und Hindernissen verknüpft sind, die die Bürger davon abhalten, an der europäischen Demokratie mitzuwirken. Außerdem hat sich gezeigt, dass die heutige Bürgerinitiative kein Instrument ist, durch das die Bürger Einfluss auf die politische Agenda der EU und den politischen Beschlussfassungsprozess nehmen können.

14.

Im Einklang mit den bereits vom Europäischen Parlament, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Europäischen Bürgerbeauftragten vertretenen Standpunkten ist der Ausschuss der Regionen der Ansicht, dass die neue Verordnung einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Verfahren der EBI darstellt.

Verfahrenstechnische und administrative Verbesserungen in der neuen Verordnung

15.

Der Ausschuss der Regionen begrüßt die folgenden verfahrenstechnischen und administrativen Verbesserungen in der neuen, von der Kommission vorgeschlagenen Verordnung:

Die Initiatoren einer EBI sind Einzelpersonen (Organisatoren), doch sie können von nun an eine Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit gründen, um die strafrechtliche Haftung der Organisatoren für Betrug und grobe Fahrlässigkeit zu begrenzen.

Die Frist von zwölf Monaten für die Sammlung von Unterschriften bleibt bestehen, aber den Initiatoren steht nach der Registrierung ein Zeitraum von drei Monaten zur Verfügung, um selbst festzulegen, wann mit der Sammlung von Unterschriften begonnen wird.

Im Alter von mindestens 16 Jahren hat jeder Bürger das Recht, eine Unterstützungsbekundung zu unterzeichnen.

Die Anforderungen an die personenbezogenen Daten, die zur Unterzeichnung einer Unterstützungsbekundung erfüllt sein müssen, werden vereinfacht. Alle Bürgerinnen und Bürger der EU werden die Möglichkeit haben, auf der Grundlage ihrer Staatsangehörigkeit und unabhängig von ihrem Wohnsitz ihre Unterstützung zu bekunden. Die Kommission schlägt vor, zwischen zwei Mustern für Unterstützungsbekundungen zu wählen. (Derzeit nutzen die Mitgliedstaaten 13 verschiedene Formulare.)

Die Registrierungsverfahren werden verbessert, einschließlich der Möglichkeit, eine Initiative auf der Grundlage der Zulässigkeitsvoraussetzungen nur teilweise zu registrieren, anstatt sie insgesamt abzulehnen, wobei die Kommission lediglich den zulässigen Teil registriert.

Eine Online-Kooperationsplattform für die EBI, die ein Forum für Diskussionen sowie Beratung und Unterstützung für die Organisatoren bieten soll, wird eingerichtet.

Ein zentrales Online-Sammelsystem wird eingerichtet und von der Kommission betrieben, um die Sammlung und Katalogisierung der Unterstützungsbekundungen sowie ihre Überprüfung durch die nationalen Behörden zu vereinfachen. Die Kommission wird dieses System entwickeln, dauerhaft betreiben und kostenlos zur Verfügung stellen.

Bei der Registrierung einer EBI wird die Kommission eine Übersetzung in alle EU-Amtssprachen veranlassen und alle übrigen Organe und Einrichtungen der EU über die neue EBI unterrichten.

Die Kommission bietet Unterstützung für die (potenziellen) Organisatoren einer EBI (die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, eine oder mehrere EBI-Kontaktstellen einzurichten).

Die Kommission wird Sensibilisierungs- und Kommunikationsmaßnahmen im Zusammenhang mit der EBI durchführen.

Nach wie vor kein politisches Konzept

16.

Ungeachtet der vorgenannten Vorschläge und Maßnahmen, die in der neuen Verordnung enthalten sind, um das EBI-Verfahren zu verbessern und viele Hindernisse aus dem Weg zu räumen, bleibt doch nach wie vor der Eindruck bestehen, dass die Kommission nicht offen genug ist und eine zu defensive Haltung einnimmt. Dies wird in erster Linie im Hinblick auf die eher politischen Aspekte der Bürgerinitiative deutlich:

Die partizipative Demokratie ist von besonderer Bedeutung, wenn es darum geht, das Vertrauen der Menschen in das Projekt Europa wiederherzustellen oder zu verbessern. Daher muss die EBI als ein grenzübergreifendes Instrument angesehen werden, das dazu dient, die Bürger in die europäische Demokratie einzubinden und ihnen bei der Politikgestaltung auf europäischer Ebene eine Stimme zu geben: Sie bietet einen europäischen öffentlichen Raum für Debatten zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern. Die neue Verordnung bietet hierfür nur eine unzureichende Grundlage.

Der derzeitige Interessenkonflikt der Kommission beeinträchtigt die Wirksamkeit der EBI im Hinblick auf die Förderung der Beteiligung und des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger ernsthaft: Sie muss gleichzeitig als wichtigster Anbieter von Informationen und Unterstützungsstruktur für EBI fungieren, ist erster „Adressat“ für EBI und entscheidet außerdem über die Registrierung und die Zulässigkeit der Initiativen.

Durch die neue Verordnung wird der Interessenkonflikt der Kommission nicht gelöst: Sie fungiert 1. als wichtigster Anbieter von Informationen und 2. als Unterstützungsstruktur für Bürgerinitiativen, sie ist aber 3. auch die Instanz, bei der sich Organisatoren melden und registrieren müssen, außerdem entscheidet sie 4., ob eine Initiative registriert werden kann, und sie muss 5. erfolgreiche EBI weiterverfolgen. Dieser ungelöste Interessenkonflikt wirkt sich nach wie vor nachteilig auf die Wirksamkeit und Legitimität der EBI aus. In der Stellungnahme des AdR aus dem Jahr 2015 wurde daher vorgeschlagen, als eine Art „Rat der Weisen“ oder „Europäische Bürgervertretung“ einen unabhängigen Ad-hoc-Ausschuss aus Sachverständigen, Wissenschaftlern und Juristen einzusetzen und mit der Prüfung der Zulassungskriterien zu betrauen.

Die Kommission beschränkt die EBI auf die Angelegenheiten, die zu ihren Befugnissen gehören und zu denen es im Rahmen der Verträge möglicherweise eines Rechtsaktes der Union bedarf. Die Kommission kann sich von diesem legalistischen Ansatz nicht lösen und lässt es in Bezug auf die festzulegenden Kriterien an Klarheit fehlen. Dies könnte zu willkürlichen Beurteilungen und Risiken führen und eine offene und transparente politische Debatte untergraben.

Die Kommission hat auch keinen Vorschlag vorgelegt, um dem Wunsch Rechnung zu tragen, Bürgerinitiativen zu akzeptieren, in denen eine Änderung der EU-Verträge gefordert wird.

Es wäre angemessen gewesen, in den Zulassungskriterien die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger und den Grundsatz der Subsidiarität zu nennen.

Es gibt bestimmte Bürgerinitiativen, in denen es um ein wichtiges Thema geht, für die es aber nicht gelungen ist, eine Million Unterschriften zu sammeln oder in bestimmten Ländern die erforderliche Mindestzahl zu erreichen. Heute werden derartige EBI ad acta gelegt. In den Fällen, in denen eine erhebliche Zahl an Unterschriften gesammelt wurde, sollte die Europäische Kommission indes geeignete Reaktionsformen für solche EBI entwickeln, damit ihre potenzielle politische Botschaft und die damit einhergehende Mobilisierung nicht verloren gehen.

Die Kommission sollte der Öffentlichkeit ihre politisch motivierten Entscheidungen in ihrer offiziellen Antwort auf eine EBI, die mehr als eine Million Unterschriften erhalten hat, detailliert und transparent erläutern. Eine politisch starke Weiterverfolgung sollte gewährleistet werden.

Dem Europäischen Parlament kommt eine zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, eine öffentliche politische Debatte mit den Bürgern in Gang zu bringen, unter anderem durch die geplanten Anhörungen. Darüber hinaus muss das Parlament Garant sein für die politische Weiterverfolgung erfolgreicher EBI und die Berücksichtigung der politischen Botschaft der EBI, für die es nicht gelungen ist, die nötige Anzahl Unterschriften zu sammeln.

Es sollten ernsthafte Überlegungen über die Möglichkeiten für stärker strukturierte, langfristige Folgemaßnahmen zu den Anhörungen des Europäischen Parlaments angestellt werden. So sollte den Bürgern die Möglichkeit eingeräumt werden, die als Reaktion auf eine erfolgreiche EBI getroffenen Maßnahmen zu überprüfen und die Debatte über das betreffende Thema fortzusetzen. Es sollte erwogen werden, nach der Veröffentlichung der Reaktion der Europäischen Kommission auf eine EBI eine vom EP organisierte förmliche zweite Anhörung unter Einbeziehung der Befürworter der EBI durchzuführen und auf diese Weise Raum für weitere Diskussionen zwischen allen Interessenvertretern zu schaffen.

Allgemeine Sensibilisierung und Erhöhung des Wissensstands über die EBI

17.

Die Öffentlichkeit muss für die EBI sensibilisiert werden. Zu diesem Zweck sollten Werbe- und Förderkampagnen durchgeführt werden, um die EBI in den Medien und in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.

18.

Die EBI könnte ein wirksames Instrument für die demokratische Teilhabe sein. Daher sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten ihre Kommunikationsbemühungen bezüglich dieses Instruments maximieren, um es in das Bewusstsein möglichst vieler Unionsbürger zu rücken und die aktive Beteiligung daran zu fördern.

Der Beitrag des Ausschusses der Regionen und der Gebietskörperschaften

19.

Die Kommission sollte auch nationale und lokale Mandatsträger dazu auffordern und dabei unterstützen, eine Vorreiterrolle bei den Bemühungen zu spielen, die Bürger über die EBI zu informieren.

20.

Die EBI bietet den Bürgerinnen und Bürgern Europas ein Instrument, das es ihnen ermöglicht, sich aktiv am europäischen Beschlussfassungsprozess zu beteiligen. Der Europäische Ausschuss der Regionen ist sich seiner eigenen Rolle und Verantwortung bewusst und verweist in diesem Zusammenhang auf den Beschluss seines Präsidiums (3) zur Mitwirkung des AdR an EBI. Er bekräftigt seinen Willen, jene EBI, die in den politischen Aufgabenbereich des AdR fallen und die als politisch relevant angesehen werden, zu unterstützen, beispielsweise durch: Unterstützung der Europäischen Kommission bei der Durchsicht der vorgeschlagenen EBI aus dem Blickwinkel ihrer lokalen/regionalen Relevanz und der Subsidiarität; Ausrichtung von Veranstaltungen in Verbindung mit EBI; Unterstützung von dezentralisierten Kommunikationsmaßnahmen zu EBI; im Bedarfsfall Initiativstellungnahmen zum Thema EBI; aktive Teilnahme an den Anhörungen im EP und den politischen Folgemaßnahmen; Unterstützung bei der Umsetzung erfolgreicher EBI und gegebenenfalls bei der Einführung von Rechtsvorschriften als Reaktion auf diese.

Brüssel, den 23. März 2018

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  ABl. C 423 vom 17.12.2015, S. 1.

(2)  Auf die Bürger der EU zugehen: Die Chance nutzen. „Über uns, mit uns, für uns“, ein Bericht von Luc Van den Brande, Sonderberater des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, Oktober 2017.

(3)  144. Sitzung des Präsidiums des Ausschusses der Regionen, 10. April 2013, Punkt 8 — CDR1335-2013_11_00_TRA_NB-item 8.