11.4.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 129/51


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Europäischen Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich“

(COM(2017) 294 final)

(2018/C 129/08)

Berichterstatter:

Antonello PEZZINI

Ko-Berichterstatter:

Éric BRUNE

Befassung

7.6.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI)

Annahme in der CCMI

16.11.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

7.12.2017

Plenartagung Nr.

530

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

133/2/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt nachdrücklich die Einrichtung eines Europäischen Programms für die industrielle Entwicklung im Verteidigungsbereich (EDIDP) mit dem Ziel, die strategische Autonomie der Union in diesem Bereich zu stärken und durch den Aufbau einer starken gemeinsamen industriellen und strategischen Basis (1) ein gemeinsames interoperatives und integriertes Verteidigungssystems zu schaffen. Angesichts der derzeitigen geopolitischen Lage ist dies dringlicher denn je.

1.2.

Von entscheidender Bedeutung ist nach Ansicht des EWSA ein neuer Ansatz, bei dem der Rahmen einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) das wesentliche Instrument des Vertrags von Lissabon darstellt, das als politischer Inkubator fungieren und in dessen Rahmen ein Europa der Verteidigung errichtet werden kann. Damit sollen die Bereitschaft und die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Einklang mit Artikel 42 Absatz 6 und Artikel 46 EUV sowie dem Protokoll 10 zum Vertrag gebündelt werden.

1.3.

Nach Auffassung des Ausschusses kann nur eine „inklusive und ehrgeizige“ PESCO (2), in deren Rahmen eine gemeinsame Liste von Kriterien und verbindlichen Zusagen erstellt werden kann, einen Prozess zur Überwindung der Fragmentierung von Angebot und Nachfrage und zur schrittweisen Schaffung eines transparenten und offenen europäischen Marktes anstoßen.

1.4.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die EDIDP-Verordnung in ein gemeinsames strategisches Industriekonzept eingebettet werden muss, mit dessen Hilfe sich eine wirksame Integration der europäischen Erzeuger und Nutzer, bei der sich mindestens drei Mitgliedstaaten an den finanzierten Projekten und der Beschaffung der Produkte und Dienstleistungen beteiligen, erzielen lässt.

1.5.

Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich die Notwendigkeit eines strukturierten Dialogs auf europäischen Ebene — in Übereinstimmung und Koordinierung mit der NATO (3) — sowie eines Rates der Verteidigungsminister, der eine dauerhafte politische Führung und ein Forum für die Konsultation und die Annahme von echten europäischen Beschlüssen ermöglichen kann.

1.6.

Nach Auffassung des EWSA ist es unerlässlich, im Rahmen der EDIDP-Governance gemeinsame und konkrete Ziele festzulegen, und zwar u. a. mithilfe

eines beratenden Ausschusses aus Sachverständigen aus der Industrie, der mit den wichtigsten Entscheidungen bezüglich der Prioritäten für das Arbeitsprogramm betraut würde, und eines Verwaltungsausschuss mit Beteiligung der Mitgliedstaaten.

1.7.

Im Rahmen der Verordnung sollte folgendes gewährleistet werden:

eine geografische Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen europäischen Ländern,

eine umfassende Beteiligung kleinerer Unternehmen,

die Überwindung der unsicheren Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer der EDTIB, um die Richtigkeit der Finanzierung mit EU-Mitteln zu bestätigen,

die Einhaltung der sozialen und ökologischen Standards, insbesondere in Bezug auf die umweltgerechte Gestaltung und die Sicherheit des Arbeitsplatzes (4), um das Fachwissen der Industrie zu sichern,

gleiche Chancen zur Teilnahme am EDIDP-Programm für alle Unternehmen in der EU unabhängig von ihrem Standort und ihrer Größe.

1.8.

Der EWSA schließt sich der Auffassung an, dass im Rahmen des EDIDP auf die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen und die Prototyperstellung hingewirkt werden muss.

1.9.

Nach Ansicht des EWSA ist die Entwicklung einer europäischen Kultur der Verteidigung und der Sicherheit, mit der die Bedeutung der Unionsbürgerschaft zur Geltung gebracht wird, Voraussetzung für die Erarbeitung eines gemeinsamen europäischen Verteidigungsrahmens.

2.   Einleitung

Das Projekt einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik ist für die europäische Integration aus historischer Sicht von jeher ein relevantes, wenn auch sehr heikles Thema.

2.1.

Der erste Versuch, die Bildung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im Jahr 1954, scheiterte am 30. August 1954. Der zweite war die Einführung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Jahr 2000, gefolgt von der Gründung der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) im Jahr 2004. Es folgten die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (EUGS) (5) und schließlich die Gemeinsame Erklärung EU-NATO von 2016 (6).

2.2.

Eine Weiterentwicklung der Verteidigungsindustrie bringt nicht nur erhebliche Vorteile für die europäische Wirtschaft, sondern kann bei weitsichtiger Steuerung zu gegebener Zeit auch ein entscheidender Faktor für eine weiter gefasste Vision zur Schaffung einer wahrhaft europäischen Verteidigung sein.

2.3.

Die mühsame, aber notwendige Überwindung der nationalen Sicht der Verteidigung, die im Kontrast zur Präsenz starker politischer Gruppierungen in der Welt steht und die Fragilität und politische Schwäche Europas auf der Weltbühne deutlich gemacht hat, kann auf den Initiativen des Europäischen Parlaments und des Rates — und den entsprechenden Maßnahmen der Kommission — aufbauen. Mit diesem Ansatz wäre es möglich, die europäische Verteidigungsindustrie und den Markt für Verteidigungsgüter in Europa zu fördern.

2.3.1.

Die europäische Verteidigungsindustrie — im Sinne der gesamten Industrie, die Güter und Dienstleistungen für die Streit-, Polizei- und Sicherheitskräften der EU-Mitgliedstaaten entwickelt, herstellt und liefert — weist in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten auf: Der technologische Wandel verändert den Charakter und das gesamte Gefüge der Verteidigung und Sicherheit mit starken Auswirkungen auf die europäische Industrie, angefangen bei der Nutzung von Massendaten über unbemannte Fahrzeuge und Geräte bis hin zur künstlichen Intelligenz.

2.3.2.

In Bezug auf die gesamte europäische Wirtschaft ist sie mit einem Umsatz von 100 Mrd. EUR pro Jahr und 1,4 Mio. hochqualifizierten Beschäftigten (7) ein führender Wirtschaftssektor in der EU mit starken Ausstrahlungseffekten auf andere Branchen wie Elektronik, Luft- und Raumfahrt, Schiffbau oder technische Textilien.

2.3.3.

Aus technologischer Sicht: das ständige Vorantreiben der Spitzentechnologie stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der EU, weil dabei Ableger im Spitzenbereich entstehen, die unterstützt werden sollten, um zivile Technologien in komplexe Systeme zu integrieren, die Anpassungen an die besonderen Anforderungen im Verteidigungsbereich ermöglichen.

2.3.4.

Aus der Sicht des Binnenmarktes ist der Markt für Verteidigungsgüter traditionell vom Prozess der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes ausgeschlossen. Das Festhalten an 27 Märkten mit verschiedenen einzelstaatlichen Programmen hat die Nutzung von Größenvorteilen bei der Produktion verhindert (8).

2.3.5.

Aus der Sicht der Nachfrage hängt die Verteidigungsindustrie in überaus starkem Maße von den Aufträgen der einzelnen Staaten und von ihren jeweiligen Haushalten ab. In den letzten zehn Jahren sind die Verteidigungshaushalte in der EU um rund 2 Mrd. EUR pro Jahr zurückgegangen, wobei die EU-27-Mitgliedstaaten durchschnittlich 1,32 % ihres BIP für Verteidigung ausgeben.

2.3.6.

Aus strategischer Sicht: Da Europa verpflichtet ist, ein angemessenes Niveau an Sicherheit für seine Bürger und Unternehmen zu gewährleisten, die territoriale Unversehrtheit seiner Grenzen zu schützen und Verantwortung in der Welt zu übernehmen, braucht es eine glaubwürdige Verteidigungsfähigkeit mit einem angemessenen Niveau strategischer Autonomie, einer entsprechenden technologischen und industriellen Entwicklung und einer gemeinsamen europäischen Basis.

2.4.

Vor dem Hintergrund, dass die Technik immer schneller veraltet und die Kosten für die Ausrüstung immer weiter steigen (9), könnte die derzeitige Situation zudem Europas Fähigkeit beeinträchtigen, die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen zu bewältigen.

2.4.1.

Die Investitionen in Verteidigung belaufen sich in Europa derzeit auf weniger als die Hälfte dessen, was die USA investieren.

2.5.

Der europäischen Verteidigungsindustrie ist es zwar gelungen, den Rückgang interner Aufträge durch Exporte und die Globalisierung von Produktion und Absatz zumindest teilweise zu kompensieren, doch die anhaltende Fragmentierung der Verteidigungspolitik hat zu Ineffizienz und Defiziten geführt, die heute immer deutlicher zutage treten:

entgangene Größenvorteile,

konstanter Anstieg der Kosten je Produktionseinheit,

fehlender Wettbewerb zwischen den Unternehmen in den Produktionsländern,

uneinheitliche technische Standards und Normen,

langsamere Innovation,

zunehmender technologischer Rückstand zu den Marktführern aus Drittländern,

hohe Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten.

2.6.

Außerdem könnte dies auch Europas Fähigkeit beeinträchtigen, die neuen Herausforderungen zu bewältigen, vor allem angesichts der relativ geringen Mittelbindungen in Kombination mit der schwach ausgeprägten Abstimmung zwischen den einzelstaatlichen Maßnahmen.

2.6.1.

Darüber hinaus werden die öffentlichen Aufträge zur Beschaffung von Verteidigungsgütern zu 80 % weiter nur auf einzelstaatlicher Basis ausgeschrieben, was natürlich zu Kosten für Doppelarbeit führt.

2.7.

Die Streitkräfte der europäischen Staaten haben zwar auf operativer Ebene ein hohes Maß an Integration erreicht und besitzen eine langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit, sie bleiben aber in 27 völlig verschiedenen Strukturen verhaftet, mit streng national organisierten Unterstützungsdiensten, auch wenn sie immer häufiger auf verschiedene Initiativen im Rahmen des sogenannten „pooling and sharing“ (Bündelung und gemeinsame Nutzung von Ressourcen) zurückgreifen (10).

2.8.

In verschiedenen Dokumenten der EUGS wurden fünf spezifische Ziele von besonderer Bedeutung für die europäische Verteidigung festgelegt:

1.

Verfügbarkeit von militärischen Kapazitäten im gesamten Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen militärischen Fähigkeiten;

2.

Sicherstellung der technischen und industriellen Mittel für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der für ein autonomes Handeln notwendigen militärischen Fähigkeiten;

3.

Investitionen in ferngesteuerte Luftfahrzeuge (Drohnen);

4.

Investitionen in den Bereichen Satellitenkommunikation, autonomer Zugang zum Weltraum und ständige Erdbeobachtung;

5.

Aufbau und Unterstützung von Kapazitäten zur Abwehr von Cyberbedrohungen.

2.9.

Der Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich und der Vorschlag zur Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds zur Förderung von Investitionen im Bereich der gemeinsamen Forschung und Entwicklung von Verteidigungsgütern und -technologien gehören zu einem Paket von Initiativen, mit dem eine Reform des Verteidigungs- und Sicherheitssektors mit folgenden Zielen eingeleitet werden soll:

Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und Schaffung neuer Kooperationsprogramme;

Abbau der Barrieren zwischen den nationalen Märkten;

Unterstützung der europäischen Verteidigungsindustrie bei der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit;

Förderung von Synergieeffekten zwischen ziviler und militärischer Forschung;

Ermittlung von Bereichen, die zur Stärkung der europäischen Verteidigungskapazitäten beitragen können, wie Energie, Raumfahrt und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck.

2.9.1.

Um sich für die weltweiten Herausforderungen im Verteidigungsbereich zu wappnen, muss das Potenzial der Europäischen Verteidigungsagentur voll entfaltet und müssen gemeinsame operative Maßnahmenbereiche ermittelt und den Mitgliedstaaten zur Beschlussfassung unterbreitet werden.

2.10.

Der Europäische Rat vom 15. Dezember 2016 hat die Kommission darum ersucht, „im ersten Halbjahr 2017 Vorschläge für die Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds zu unterbreiten, einschließlich eines von den Mitgliedstaaten zusammen vereinbarten Fensters für die gemeinsame Fähigkeitenentwicklung“ (11). Der Europäische Rat hat sich in seinen Schlussfolgerungen der großen Ratsversammlung zu Außen- und Verteidigungsfragen vom März 2017 für die Einrichtung eines militärischen Planungs- und Durchführungsstabs (MPCC) und eine neue Struktur ausgesprochen, um die Fähigkeit der EU zur schnelleren, wirksameren und reibungsloseren Reaktion zu verbessern.

2.11.

Auf seiner Tagung am 22./23. Juni 2017 kam der Europäische Rat darin überein, dass es notwendig ist, „eine inklusive und ehrgeizige Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO)“ zu begründen, mit einer gemeinsamen Liste von Kriterien und verbindlichen Zusagen, die voll und ganz im Einklang mit Artikel 42 Absatz 6 und Artikel 46 EUV sowie dem Protokoll Nr. 10 zum Vertrag stehen und der nationalen Verteidigungsplanung sowie den Verpflichtungen Rechnung tragen, die die betreffenden Mitgliedstaaten mit der NATO und den VN vereinbart haben (12).

2.12.

Das Europäische Parlament (EP) seinerseits bekräftigte seine Forderung nach einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Verteidigungsbereich sowie nach einer vollständigen Umsetzung des Vertrags von Lissabon in Bezug auf Sicherheit und Verteidigung. In seiner Entschließung vom 22. November 2016 zur europäischen Verteidigungsunion (13) legt das EP dem Europäischen Rat nahe, „bei der schrittweisen Konzeption einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union eine Führungsrolle zu übernehmen und zusätzliche Finanzmittel für ihre Umsetzung bereitzustellen“.

2.12.1.

Das EP unterstrich zudem, dass die europäischen Länder über glaubwürdige militärische Fähigkeiten verfügen müssen, bestärkte die Mitgliedstaaten darin, ihre Anstrengungen zur gemeinschaftlichen Entwicklung militärischer Fähigkeiten zu intensivieren, und bekräftigte seine Forderung nach einer systematischen Harmonisierung von militärischen Anforderungen und einem harmonisierten Prozess der Verteidigungsplanung, der mit dem Prozess der Verteidigungsplanung der NATO abgestimmt ist (14).

2.13.

Der Ausschuss hatte seinerseits bereits mehrfach Gelegenheit, sich zur Verteidigungspolitik zu äußern (15) und rief u. a. „zu einem signifikanten qualitativen Fortschritt bei der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich“ (16) auf.

3.   Der Vorschlag der Europäischen Kommission

3.1.

Die Europäische Kommission schlägt die Einrichtung des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich mit einer Mittelausstattung von 500 Mio. EUR für den Zeitraum für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2020 vor und verfolgt damit folgende Ziele:

Förderung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit in der Verteidigungsindustrie der Union durch Unterstützung von Maßnahmen in der Entwicklungsphase und Förderung aller Formen von Innovation,

Mobilisierung der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen bei der Entwicklung von Produkten und Technologien,

Förderung von Forschung und Entwicklung, insbesondere in Bezug auf die Übernahme der Ergebnisse der Forschung,

Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen zur Vermeidung von Doppelarbeit und Fragmentierung und um Größenvorteile stärker zu nutzen.

3.2.

Die finanzielle Intervention soll in der Form von Finanzhilfen und Finanzierungsinstrumenten bzw. im Wege öffentlicher Beschaffung erfolgen und dient der Unterstützung von Maßnahmen wie Entwurf, Festlegung gemeinsamer technischer Spezifikationen, Prototypen, Tests, Eignungsnachweise und Zertifizierung im Zusammenhang mit Produkten, Komponenten und Technologie.

3.3.

Den vorgeschlagenen Förderfähigkeitskriterien zufolge müssen die Maßnahmen im Rahmen einer Kooperation von mindestens drei Unternehmen mit Sitz in mindestens zwei Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Der Finanzierungsatz wird bei der Herstellung von Prototypen auf 20 % der Gesamtkosten der Maßnahme begrenzt. In allen anderen Fällen können die Gesamtkosten übernommen werden.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Der EWSA begrüßt die Initiativen, die dazu dienen, die Herausforderungen von morgen anzugehen und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der EU, einschließlich der Cyberabwehr, durch Stärkung der strategischen Autonomie der europäischen Verteidigungsindustrie und Aufbau einer starken gemeinsamen industriellen und strategischen Basis zu gewährleisten.

4.2.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Einrichtung eines Europäischen Programms für die industrielle Entwicklung im Verteidigungsbereich durch einen Vorschlag für eine Verordnung als ersten Schritt, der weiter verbessert und verstärkt werden muss, vor allem in Hinblick auf die dafür bereitgestellten Mittel und mit dem Ziel der Verwirklichung eines gemeinsamen Verteidigungssystems (insbesondere bei der FuE), das angesichts der derzeitigen geopolitischen Lage dringlicher denn je erscheint.

4.3.

Nach Auffassung des EWSA ist es an der Zeit, einen europäischen Binnenmarkt für Verteidigungsgüter in der EU-27 zu schaffen, der wirksam, vollendet, effizient und wettbewerbsfähig ist und folgende Merkmale aufweist:

ein stärker geöffneter Markt ohne Segmentierung, auch im Hinblick auf die technischen Normen und Spezifikationen und die CE-Kennzeichnung,

besserer Zugang zu Rohstoffen,

besondere Unterstützung für KMU,

vereinfachter Zugang zu Finanzierungen, Informationen und anderen Märkten,

eine starke Spezialisierung der Aufgaben,

effiziente Nutzung der energietechnischen und weltraumgestützten Infrastruktur,

besserer Schutz der Grenzen und notwendige Sicherheit im Seeverkehr,

zukunftsgerichtete Maßnahmen im Hinblick auf eine gemeinsame, von der gesamten EU mitgetragene Vision.

nachhaltige und sozialverträgliche Entwicklung, die prekären Beschäftigungsverhältnissen entgegenwirkt,

Erleichterung des innergemeinschaftlichen Handels zwischen Produktketten durch Vereinfachung vorübergehender Einfuhren zwischen zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten für Sicherheit (17).

4.3.1.

Der EWSA ist der Überzeugung, dass nur bei Bekämpfung der unsicheren Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer in der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB) das Fachwissen in den Unternehmen sichergestellt und die Ziele des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich (EDIDP) erreicht werden können.

4.4.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Finanzausstattung des EDIDP-Programms äußerst gering ausfällt, und dass das Programm auch im Rahmen des EFSI förderfähig sein sollte, „um eine maximale beschäftigungspolitische Wirkung zu erzielen. Dies betrifft auch doppelt einsetzbare Technologien im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und die Unterstützung für die Einführung einer einheitlichen, soliden und klarer definierten EDTIB“ (18).

4.5.

Der EWSA hält zudem die vorgeschlagenen Förderfähigkeitskriterien für nicht ausreichend im Hinblick auf das Ziel, für die technologische und industrielle Basis der Maßnahmen eine tatsächlich europäische Dimension sicherzustellen: es sollten mindestens drei unabhängige Unternehmen mit Sitz in mindestens drei verschiedenen Mitgliedstaaten notwendig sein, darüber hinaus Nutzergruppen aus kleinen Unternehmen.

4.5.1.

Darüber hinaus sollten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den verschiedenen europäischen Ländern sowie eine umfassende Beteiligung kleinerer Unternehmen gewährleistet werden.

4.6.

Nach Dafürhalten des EWSA sollte mit der EU-Finanzierung sichergestellt werden, dass vorrangig europäische Unternehmen von den Entwicklungsarbeiten profitieren.

4.7.

Der EWSA plädiert für eine europaweite Harmonisierung der Vorschriften für Rüstungsexporte, im Einklang mit den Vorschriften des von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichneten und ratifizierten Vertrags über den Waffenhandel, um eine mögliche Ursache für Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen in der EU, die den Zugang zu den Exportmärkten erschwert, zu beseitigen.

4.8.

In Bezug auf die verschiedenen Arten von Maßnahmen hält der EWSA die Bekämpfung der unsicheren Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer in der europäischen Verteidigungsindustrie für unabdingbar. Mit den Finanzmitteln der EU soll das Fachwissen der EDTIB gestärkt werden. Da das Fachwissen der Industrie von den Arbeitnehmern abhängt, ist eine dauerhafte und gesicherte Zusammenarbeit zwischen diesen und den sie beschäftigenden Unternehmen erforderlich.

4.9.

Das Gleiche gilt nach Auffassung des EWSA in Bezug auf die Kriterien für die Projektauswahl, in die unter anderen folgende Aspekte aufgenommen werden sollten:

die voraussichtlichen Auswirkungen auf die quantitative und qualitative Verbesserung der Kenntnisse der Arbeitnehmer,

die Teilnahme von KMU als weiterer Faktor, der ein Projekt zusätzlich qualifiziert,

die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards (19).

4.9.1.

Nach Ansicht des EWSA sollte in den Dauerprogrammen ein fester Anteil (z. B. 10 %) für kleine Projekte und kleinere Unternehmen vorgesehen werden, was eine ausgewogenere Beteiligung aller aktiven Komponenten der technologischen Entwicklung und Innovation von Produkten und Dienstleistungen im Bereich der Verteidigung an den entsprechenden Programmen ermöglichen würde.

4.10.

Nach Auffassung des EWSA ist es unerlässlich, parallel zu den Durchführungsbefugnissen der Kommission im Rahmen der EDIDP-Governance gemeinsame und konkrete Ziele festzulegen, und zwar u. a. mithilfe

eines beratenden Ausschusses aus Sachverständigen aus der Industrie der Mitgliedstaaten, der Schwerpunktthemen vorschlägt,

eines Programmverwaltungsausschusses aus Vertretern der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines geopolitischen Gleichgewichts in der gesamten Union.

5.   Vorschläge für Maßnahmen

5.1.

Hervorhebung der bedeutenden Rolle des europäischen Verteidigungssektors zum Schutz der sicherheitspolitischen Interessen Europas sowie der zentralen Rolle internationaler Verpflichtungen im Hinblick auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit;

5.2.

Herausstellung der Fähigkeiten und Professionalität der Streitkräfte als Sektor, der traditionell als Triebkraft für Forschung und Innovation und bei der wirtschaftlichen Erholung des europäischen Unternehmertums und des produzierenden Gewerbes in Europa wirkt;

5.3.

Stärkung der Identität und des Gefühls der Zugehörigkeit zur Europäischen Union durch gemeinsame Werte der Bürger verschiedener Länder;

5.4.

Bessere Information der europäischen Bürger über die Organisation der Streitkräfte und die institutionellen Tätigkeiten im Bereich Verteidigung im Hinblick auf die stärkere Bewusstseinsbildung und den Rückhalt in der Bevölkerung;

5.5.

Stärkung der Kenntnisse, des Bewusstseins und der Unterstützung der Unionsbürger im Hinblick auf die technologische Entwicklung von Instrumenten im Verteidigungsbereich mit direkten Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft und die Entwicklung ihrer Länder;

5.6.

Entwicklung des Schwerpunkts Kommunikation des neuen gemeinsamen Ansatzes, um auf immer besser ausgebildetes und im Bereich europäischen Kommunikation höher qualifiziertes Personal zurückgreifen zu können. Den Maßnahmen sollte das Prinzip „qualifizieren und koordinieren“ zugrunde liegen, das gemäß dem Ansatz der europäischen Koordinierung und im Einklang mit der NATO entwickelt wurde.

5.7.

Die Cybersicherheit und Cyberabwehr sind Bereiche, in denen der Verteidigungssektor ein führender Akteur in Europa ist, da der Cyberraum ein neues Feld neben den traditionellen militärischen Schauplätzen darstellt.

Brüssel, den 7. Dezember 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Siehe ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 62.

(2)  Siehe Tagung des Rates vom 22./23. Juni 2017.

(3)  Siehe die Gemeinsame Erklärung vom 8. Juli 2016.

(4)  ISO 14000 e ISO 18000, ISO14006 und ISO 45001, ISO 14006.

(5)  Europäische Union: Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln, Juni 2016,

https://europa.eu/globalstrategy/sites/globalstrategy/files/eugs_review_web.pdf.

(6)  Gemeinsame Erklärung, Warschau, 8. Juli 2016, http://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_133163.htm.

(7)  Europäischer Verband der Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie (ASD), 2017.

(8)  SWD(2017) 228 final, Abschnitt 2.2.

(9)  Siehe Ziffer 9.

(10)  Siehe z. B. die Programme Eurofighter Typhoon oder A400M.

(11)  Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 15.11.2016.

(12)  Siehe Fußnote 2.

(13)  http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2016-0435+0+DOC+XML+V0//DE.

(14)  http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012-0456+0+DOC+XML+V0//DE.

(15)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 62; ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 125; ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 17; ABl. C 100 vom 30.4.2009, S. 114; ABl. C 100 vom 30.4.2009, S. 109.

(16)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 62.

(17)  Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte verfügen über angemessene Standards, um die Sicherheit der internationalen Lieferkette gewährleisten zu können.

(18)  EFSI — Europäischer Fonds für strategische Investitionen — siehe Stellungnahme ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 57.

(19)  Siehe Fußnote 4.