2.3.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 81/188


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge“

(COM(2017) 275 final — 2017/0114 (COD))

und zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge hinsichtlich bestimmter Vorschriften zu den Kraftfahrzeugsteuern“

(COM(2017) 276 final — 2017/0115 (CNS))

(2018/C 081/26)

Berichterstatter:

Alberto MAZZOLA

Befassung

Europäischer Rat, 12.6.2017 und 23.6.2017

Europäisches Parlament, 15.6.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 91 und Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

2.10.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.10.2017

Plenartagung Nr.

529

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

121/2/6

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Auffassung, dass ein faires, transparentes, diskriminierungsfreies und unbürokratisches Mautsystem, das auf EU-Ebene umgesetzt wird und in einem angemessenen Verhältnis zur Straßennutzung und zu den durch Lastkraftwagen, Busse und Personenkraftfahrzeuge verursachten externen Kosten steht, ohne fragmentierte Gebührenregelungen und im Einklang mit dem Nutzer- und Verursacherprinzip eine positive Wirkung hätte, da dadurch der sich verschlechternde Zustand der Straßeninfrastruktur, die Verkehrsüberlastung und die Verschmutzung in Angriff genommen werden könnten. Unter den nachstehend aufgeführten Bedingungen ließe sich dieses System schrittweise im gesamten transeuropäischen Verkehrsnetz auf schwere und leichte Nutzfahrzeuge anwenden, angefangen bei den vorrangigen Streckenabschnitten.

1.2.

Der EWSA unterstreicht, wie wichtig eine Aktualisierung des gemeinsamen Rechtsrahmens ist, um einen einheitlichen Anwendungsbereich für alle Straßenverkehrsteilnehmer sicherzustellen, insbesondere was eine entfernungsabhängige Gebührenregelung auf Gemeinschaftsebene für die Nutzung der Straßenverkehrsinfrastruktur von gemeinschaftlicher Bedeutung betrifft, wie TEN-V-Straßen, Autobahnen und Nationalstraßen mit erheblichem grenzüberschreitenden Verkehr.

1.3.

Das Verkehrswesen ist für die Sicherstellung der Mobilität und sozioökonomischen Entwicklung in der EU von grundlegender Bedeutung, und der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Verkehrsinfrastrukturnetze optimiert werden müssen, um den Herausforderungen des Wachstums und der Nachhaltigkeit zu begegnen: Investitionen in die Infrastruktur sind für Wachstum und Beschäftigung von entscheidender Bedeutung, da eine Erhöhung der Infrastrukturausgaben um 1 % zu einem Anstieg der Produktionsmenge um etwa 0,4 % im selben Jahr und um 1,5 % vier Jahre später führt (1).

1.4.

Der EWSA stellt mit Sorge fest, dass während der Verkehrsinfrastrukturbedarf europaweit auf etwa 130 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt wird, die durchschnittlichen Investitionen in der EU seit Beginn der Krise weit unter 100 Mrd. EUR liegen (2). In der EU ist trotz des neuen EU-Rechtsrahmens für den Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes, der Ende 2013 auf den Weg gebracht wurde (3), und der aus den EU-Strukturfonds geförderten Interventionen (4) ein Rückgang der Ausgaben für die Instandhaltung der Straßeninfrastruktur zu verzeichnen. Im mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 werden sich hierfür kaum mehr Mittel vorsehen lassen.

1.5.

Für den Ausschuss ist es entscheidend, dass die Erträge aus der Nutzung der Straßeninfrastruktur für folgende Zwecke bestimmt sind: Die die Nutzung der Infrastrukturen betreffenden Erträge sollten zur Deckung der Kosten für den Bau, Ausbau, Betrieb und die Instandhaltung der Straßeninfrastruktur bestimmt sein, während die Erträge im Zusammenhang mit den externen Kosten für Maßnahmen zur Abschwächung der negativen Effekte des Straßenverkehrs und zur Verbesserung der Leistung durch alternative Infrastrukturen, innovative Verkehrsmanagementsysteme, automatische Steuerung, Elektrifizierung, insbesondere Schnellladestationen, und alternative Energiesysteme verwendet werden sollten.

1.6.

Nach Auffassung des EWSA könnten die so entstandenen zusätzlichen Einnahmen, die sich bei der von der Europäischen Kommission gewählten Option auf 10 Mrd. EUR jährlich (5), im Fall einer obligatorischen Anwendung auf alle schweren Nutzfahrzeuge auf 20 Mrd. und bei einer Ausweitung auf leichte Nutzfahrzeuge noch mehr belaufen könnten, erhebliche Impulse für die Fertigstellung und das Funktionieren des transeuropäischen Verkehrsnetzes, einschließlich der technologischen Komponenten, geben. Die öffentliche Beteiligung an der Finanzierung der Infrastrukturen ist jedoch nach wie vor entscheidend und wesentlich.

1.7.

Der EWSA betrachtet die Überarbeitung der Rechtsvorschriften in Bezug auf die Eurovignette als Gelegenheit, gemeinsame harmonisierte Bestimmungen festzulegen, die gebührende Durchsetzung dieser Rechtsvorschriften zu überwachen und voranzutreiben, ein einschlägiges EU-Register einzuführen und exakte Daten der Mitgliedstaaten einzuholen.

1.8.

Der EWSA hält es für grundlegend erforderlich, dass der Verkehrsbinnenmarkt frei von diskriminierenden Praktiken ist, und fordert die Kommission auf, rechtzeitig darauf hinzuwirken, dass der EU-Rechtsrahmen in vollem Umfang eingehalten wird: Insbesondere dürfen gelegentliche Nutzer und/oder nicht nationale Nutzer nicht über die für Häufignutzer und/oder nationale Nutzer angewandten Tarife und Gebührenermäßigungen diskriminiert werden.

1.9.

Wesentliche Anliegen des EWSA im Zusammenhang mit der effizienten Verkehrsnutzung sind ferner die Auswirkungen des Klimawandels, das Umweltschutzniveau sowie sämtliche Aspekte, die die Gesundheit und das soziale Wohlergehen betreffen: Wie der Ausschuss bereits betont hat, ist das „Ziel, den Treibhausgasausstoß im Verkehrssektor um mindestens 60 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken, […] nach wie vor sehr ehrgeizig und kann nur mit erheblichen Anstrengungen erreicht werden.“ (6).

1.10.

Der EWSA betont, dass die Anwendung des Nutzer- und des Verursacherprinzips in Regionen in Randlage und in ländlichen Rand-, in Berg- und in Inselgebieten flexibel gehandhabt werden muss, um eine Umkehrung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu vermeiden und ihre Zweckdienlichkeit als Instrument für die Steuerung des Verkehrsgeschehens zu erhalten und gleichzeitig jedwede Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Verkehrsträgern auszuräumen (TEN/582 — Die Auswirkungen der auf der COP 21 getroffenen Vereinbarungen auf die europäische Verkehrspolitik).

1.11.

Der EWSA hält es für grundlegend wichtig, zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie deren Auswirkungen zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf die Vorteile neuer Investitionen sowie die Frachtkosten, um eine Beeinträchtigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu vermeiden.

1.12.

Der EWSA ist der Auffassung, dass besondere Aufmerksamkeit der Frage geschenkt werden muss, ob diese Maßnahmen für die Nutzer, Verbraucher und Bürger im Allgemeinen im Hinblick auf die Transparenz und Klarheit des neuen Steuerrahmens annehmbar sind, damit — unter anderem durch mehrsprachige Autobahnschilder — eine unmittelbare und klare positive Wahrnehmung seitens der Nutzer sichergestellt wird, was den Zweck der erhaltenen Beträge und ihre gerechte Verteilung und Bestimmung sowie das Nichtvorliegen steuerlicher Überbelastungen und Doppelbesteuerungen angeht. Dabei sollten u. a. auch zwei zusammenfassende Indikatoren für die Straßenqualität, d. h. für den Grad der Verkehrsüberlastung und die Emissionssenkung pro Kilometer Infrastruktur, vorgesehen werden.

1.13.

Nach Ansicht des EWSA ließen sich dank der Zuteilung der sich aus der Anwendung der neuen Rechtsvorschriften ergebenden Einnahmen wie oben beschrieben zusätzliche Arbeitsplätze für über eine halbe Million Beschäftigte schaffen.

1.14.

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Kommission die Instrumente für die gebührende und einheitliche Durchsetzung der neuen Rechtsvorschriften — einschließlich der regelmäßigen und wissenschaftlich fundierten Überprüfung des Niveaus der externen Kosten und der effektiven Entsprechung der tatsächlichen Fahrzeugemissionen und der verwendeten Gebührensysteme, durch die emissionsärmere Fahrzeuge aktuell nicht begünstigt behandelt werden — überwachen und vorantreiben sollte. Außerdem sollte sie einen ausführlichen Jahresbericht über die Fortschritte bei der Umsetzung der geänderten Richtlinie verfassen, der dem Europäischen Parlament, dem Rat sowie dem AdR und dem EWSA zu übermitteln ist.

2.   Einleitung

2.1.

Der Verkehr ist eine tragende Säule des einheitlichen europäischen Raums und ermöglicht die konkrete Umsetzung der Freizügigkeit der Bürger, der Arbeitnehmer sowie der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit in der gesamten Union: Die Effizienz und Qualität der Verkehrsnetze haben unmittelbare Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung, die Lebens- und Arbeitsqualität sowie die Wettbewerbsfähigkeit in Europa.

2.2.

Die Kraftverkehrsbranche in der EU, die 344 000 Personenkraftverkehrsunternehmen und mehr als 560 000 Güterkraftverkehrsunternehmen umfasst, bietet fünf Millionen direkte Arbeitsplätze und steuert knapp 2 % zum BIP der EU bei (7). Dadurch trägt sie maßgeblich zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der EU bei, weshalb sie vorausschauende Strategien erfordert.

2.3.

Der Verkehr ist der Hauptverursacher der Luftverschmutzung und macht heute ein Viertel der Treibhausgasemissionen in Europa aus; auf Lastkraftwagen und Busse ist etwa ein Viertel der straßenverkehrsbedingten Emissionen zurückzuführen, ein Prozentsatz, der zwischen 2010 und 2030 um rund 10 % ansteigen soll (EU-Referenzszenario 2016: Energie, Verkehr und Treibhausgasemissionen — Trends bis 2050). In einem ersten Schritt konzentrierte sich die Europäische Kommission auf zwei Vorschläge: Einer betrifft die Zertifizierung der CO2-Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs dieser Fahrzeuge, der andere die Überwachung und Meldung dieser zertifizierten Daten.

2.4.

Mit der angenommenen Strategie — zu der der EWSA bereits Stellung nehmen konnte (8) — wird ein Fahrplan für emissionsarme Mobilität vorgelegt, durch den diesem Übergang auch angesichts der im Übereinkommen von Paris zum Klimawandel festgelegten Ziele Impulse verliehen werden.

2.5.

Mit der Strategie werden drei Ziele verfolgt: die Sicherstellung eines effizienteren Verkehrssystems, die Förderung CO2-armer alternativer Energien im Verkehrssektor und die Förderung emissionsarmer/-freier Fahrzeuge.

2.6.

Der Anwendungsbereich betrifft in erster Linie den Straßenverkehr, auf den mehr als 70 % der auf den Verkehr zurückzuführenden Treibhausgasemissionen entfallen und ein Großteil der Luftverschmutzung zurückgeht, doch sind auch die anderen Verkehrssektoren gehalten, einen Beitrag zu leisten.

2.7.

Um einen im Hinblick auf Energiekosten und Emissionen effizienteren Verkehr sicherzustellen, empfiehlt es sich, die richtigen Preissignale zu setzen und dabei die Externalitäten zu berücksichtigen: Die Kommission beabsichtigt in diesem Zusammenhang, Mautsysteme zu entwickeln, die auf der tatsächlich zurückgelegten Entfernung in Kilometern beruhen, wodurch dem „Verursacher- und Nutzerprinzip“ besser Rechnung getragen wird.

2.8.

Vier Probleme werden angegangen durch eine weiterreichende Anwendung des Nutzer- und Verbraucherprinzips. Deren Lösung findet sich in „fair, efficient road pricing“ (faire und wirksame Straßenbenutzungsgebühren):

Auf den Straßenverkehr entfallen 17 % der CO2-Emissionen der EU, und der Einsatz emissionsarmer und emissionsfreier Fahrzeuge ist unzureichend, um den klima- und energiepolitischen Zielen bis 2030 gerecht zu werden.

Die Qualität der Straßen in der Union nimmt aufgrund rückläufiger Infrastrukturinvestitionen und aufgeschobener Instandhaltungsarbeiten ohne Berücksichtigung der daraus hervorgehenden langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen ab.

Einige Mitgliedstaaten haben temporäre Gebühren (Vignette) eingeführt, durch die ausländische gelegentliche Nutzer diskriminiert werden.

Die durch Straßenfahrzeuge verursachte Luftverschmutzung und Verkehrsüberlastung stellen erhebliche Kosten für die Gesellschaft dar.

2.9.

Die Analysen der wirtschaftlichen Folgen zeigen erhebliche Unterschiede zwischen dem Anstieg der Kosten für die Verkehrsnutzer, die Behörden und die Durchführungsstellen, die durch höhere Einnahmen und verringerte Kosten aufgrund der Überlastung des Verkehrsnetzes und weiterer Externalitäten ausgeglichen werden, während etwaige negative Auswirkungen im Hinblick auf die Verteilung auf und die Auswirkungen für KMU infolge gestiegener Kosten zu erkennen sind (9).

2.10.

Durch digitale Technologien kann der Verkehr sicherer, effizienter und stärker inklusiv gestaltet werden. Sie ermöglichen eine nahtlose Haus-zu-Haus-Mobilität, integrierte Logistik und Mehrwertdienste durch die Einführung intelligenter Verkehrssysteme für alle Verkehrsträger als zentralem Aspekt beim Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes.

2.11.

Die auf europäischer Ebene entwickelten Maßnahmen im Bereich des emissionsarmen Verkehrs haben in jedem Fall starke Auswirkungen auf die Regionen, durch die die Verkehrsinfrastrukturen verlaufen, mit unmittelbaren Folgen im Bereich der Energie-, Raum-, Umwelt- und Verkehrsplanung und mit erheblichen Auswirkungen in den Bereichen Wirtschaft und Beschäftigung.

2.12.

Was die Akzeptanz dieser Maßnahmen vonseiten der Nutzer, Verbraucher und Bürger im Allgemeinen betrifft, muss im Hinblick auf die Schaffung eines Marktes für emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge mehr für Transparenz und Klarheit getan werden: Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die Verbraucher durch eine bessere Kennzeichnung von Pkw besser zu informieren und mittels Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge weitere Unterstützung zu leisten. Gleichzeitig besteht Handlungsbedarf im Hinblick auf die Transparenz des neuen Steuerrahmens, damit eine unmittelbare und klare positive Wahrnehmung seitens der Nutzer sichergestellt wird, was den Zweck der erhaltenen Beträge und ihre gerechte Verteilung sowie das Nichtvorliegen steuerlicher Überbelastungen und Doppelbesteuerungen angeht.

3.   Zusammenfassung der Vorschläge der Europäischen Kommission

3.1.

In den Vorschlägen der Kommission betrifft die Gebührenregelung die Straßeninfrastruktur; sie ist bemessen an der zurückgelegten Strecke — ausgeschlossen sind pauschale Gebührensätze, wie sie derzeit in einigen EU-Mitgliedstaaten gelten — und betrifft alle Fahrzeugtypen — nicht nur schwere Nutzfahrzeuge, sondern auch Kraftomnibusse, Kleintransporter und Personenkraftwagen, und folglich sowohl den Güter- als auch den Personenverkehr, und sie sieht eine Differenzierung der Gebührenerhebung gemäß dem „Schadstoffpotenzial“ und der Abnutzung der Infrastruktur vor. Die Änderungen der Rechtsvorschriften betreffen insbesondere:

Bestimmungen über Maut- oder Nutzungsgebühren für alle Fahrzeuge und nicht mehr ausschließlich für solche mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen: Aktualisierung der Vorschriften der Richtlinie und Ausweitung des Anwendungsbereichs auf alle schweren Nutzfahrzeuge (HDV) ab dem 1.1.2020 und Leichtfahrzeuge mit der Streichung von Ausnahmen, Höchstbeträgen der Gebühren für externe Kosten und einer Vereinfachung der Vorgaben bezüglich deren Anlastung;

die schrittweise Abschaffung der zeitabhängigen Gebühren für schwere Nutzfahrzeuge bis zum 31.12.2023 und für leichte Nutzfahrzeuge bis zum 31.12.2027 sowie die Schaffung einer neuen entfernungsabhängigen Gebührenregelung mit einer Berechnungs- und Bewertungsmethode für die Kosten, die der Bestimmung der Gebühren zugrunde liegen;

Gebührendifferenzierung nach CO2-Emissionen für schwere Nutzfahrzeuge und schrittweise Abschaffung der derzeitigen Differenzierungen nach Euro-Emissionsklassen ab dem 1.1.2022;

zusätzliche Maßnahmen für leichte Nutzfahrzeuge in Bezug auf außerstädtische Verkehrsüberlastung sowie Schadstoff- und CO2-Emissionen für alle Fahrzeugtypen;

Forderung der verbindlichen Erhebung von Gebühren für externe Kosten zumindest auf einen Teil des Netzes für schwere Nutzfahrzeuge ab 1.1.2021.

3.2.

Nach dem Verursacher- und Nutzerprinzip sollte die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 1999/62/EG dazu beitragen, die infolge der derzeitigen Befreiung der Kraftomnibusse von Infrastrukturgebühren bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zu verringern.

3.3.

In einem weiteren Vorschlag sind Änderungen zur schrittweisen Verringerung der für schwere Nutzfahrzeuge geltenden Mindestsätze der Kraftfahrzeugsteuern bis auf Null vorgesehen, die in einem Zeitraum von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in fünf Phasen (von denen jede 20 % der derzeitigen Mindestsätze ausmacht) ablaufen soll.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Der EWSA ist der Auffassung, dass ein faires, transparentes, diskriminierungsfreies und unbürokratisches Mautsystem, das auf EU-Ebene umgesetzt wird und in einem angemessenen Verhältnis zur Straßennutzung und zu den wissenschaftlich messbaren, durch Lastkraftwagen, Busse und Personenkraftfahrzeuge verursachten externen Kosten steht, ohne fragmentierte Gebührenregelungen, aber mit einer Höchstgrenze für die Anlastung der externen Kosten und im Einklang mit dem Nutzer- und Verursacherprinzip eine positive Wirkung hätte, da dadurch der sich verschlechternde Zustand der Straßeninfrastruktur, die Verkehrsüberlastung und die Verschmutzung in Angriff genommen werden könnten.

4.2.

Der EWSA unterstreicht, wie wichtig es ist, die einheitliche Anwendung der EU-Vorschriften neu zu bewerten, zu ändern und zu stärken und auf diese Weise einen gemeinsamen Rechtsrahmen zu schaffen, um einheitliche Bedingungen für alle Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr sicherzustellen: Das Rechtsinstrument Richtlinie lässt großen Spielraum für eine uneinheitliche Anwendung, und der EWSA hält es für notwendig, zu ermitteln, ob — nach einer nach drei Jahren vorgesehenen Überprüfung der Anwendung — verbindlichere Rechtsinstrumente eingesetzt werden müssen, durch die eine einheitliche Anwendung gewährleistet ist.

4.3.

Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, dass der gemeinsame Rahmen für die Gebührenregelung klar, transparent, einfach, überprüfbar und leicht verständlich formuliert ist, sodass die Zweckbestimmung der Einnahmen sowohl auf den elektronischen Belegen und Belegen in Papierform als auch auf den Autobahnschildern deutlich gemacht wird, um die gesellschaftliche Akzeptanz des Beitrags zu verbessern, den jeder einzelne Nutzer zum Wohlergehen der Gemeinschaft erbringt.

4.4.

Eine weitere Harmonisierung der Vorschriften und die Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens auf Unionsebene für das Mautsystem für die Nutzung der Straßenverkehrsinfrastruktur von gemeinschaftlicher Bedeutung, wie die Straßen des TEN-V-Netzes, Autobahnen und Nationalstraßen mit erheblichem grenzüberschreitenden Verkehr, sind entscheidende Voraussetzungen für die Schaffung eines echten Güterverkehrsmarktes in der EU, der frei von Diskriminierung und Wettbewerbsverzerrungen ist.

4.5.

Die Gebührenregelungen wirken sich unterschiedlich auf die zentralen Gebiete und auf die Gebiete in Randlage aus: Die Gebiete in zentraler Lage mit starkem Durchgangsverkehr sind stärker von nachteiligen Auswirkungen betroffen als jene in Randlage, während letztere erheblich niedrigere Steuerausgleiche für Umweltauswirkungen und Finanzierungen von Infrastrukturen erhalten als die zentralen Gebiete. Der EWSA vertritt die Ansicht, dass die Strukturfonds und Umweltfonds sowie die EIB tätig werden sollten, um eine ausgewogene Entwicklung sicherzustellen.

4.6.

Die fehlende Harmonisierung der Abgabesysteme, sei es über Vignetten oder Mautgebühren, hängt auch mit verschiedenen Erfassungstechnologien mit unterschiedlichen, häufig nicht interoperablen Modellen von Gebührenreglungen zusammen, die angesichts einer steigenden Nachfrage nach innovativem Straßenverkehr in Verbindung mit der Entwicklung neuer und intelligenter Infrastrukturen, darunter die automatische Steuerung, die Verbreitung moderner Kraftstoffe und die korrekte Instandhaltung der bestehenden Netze mit ausreichender Kapazität für den Verkehrsfluss, zu weiteren Verwaltungsgebühren und zusätzlichen Kosten für die Transport- und Logistikunternehmen führen.

4.7.

Nach Auffassung des EWSA besteht Bedarf an hinreichenden Investitionen in die bestehende sowie in die künftige Infrastruktur, um eine bessere funktionale Interoperabilität der nationalen Verkehrsnetze — auch unter Einsatz von Satellitentechnologie — zu erreichen. Ihr Zugang sollte im gesamten Binnenmarkt erleichtert werden, indem eine bessere Anwendung der intelligenten Logistik (10) und von IKT-Lösungen gefördert wird, um die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern und die Leistungsfähigkeit des Systems insgesamt durch eine breitere Nutzung intelligenter Verkehrssysteme zu steigern sowie für effizientere und besser verbundene, moderne und nachhaltige Straßenverkehrsnetze in ganz Europa zu sorgen. Das Ziel sollte darin bestehen, ab 2019 EU-weit nur interoperable On-Board-Units (fahrzeugseitige Erfassungsgeräte) einzubauen (siehe Strategie für die Digitalisierung des Verkehrs).

4.8.

Nach Ansicht des EWSA ist es angesichts der fehlenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und ihrer unzureichenden Instandhaltung wesentlich, das Nutzer- und Verursacherprinzip zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur anzuwenden, sofern

die Erlöse aus der Erhebung von Infrastrukturnutzungsgebühren für die Straßeninfrastruktur selbst bestimmt sind, während

diejenigen aus der Erhebung von Gebühren für externe Kosten für die Minderung der negativen Auswirkungen des Straßenverkehrs verwendet werden müssen, darunter der Bau alternativer Infrastrukturen, die Verbreitung alternativer Kraftstoffe, alternative Leitsysteme, alternative Verkehrsträger und Energieversorgung sowie die Unterstützung des transeuropäischen Verkehrsnetzes;

Artikel 9 der Richtlinie in diesem Sinne geändert wird.

4.9.

Der Ausschuss hält Investitionen zur Verringerung der straßenverkehrsbedingten CO2-Emissionen (siehe Ziffer 2.12), die in einer Größenordnung von 1,8 bis 2,4 % des BIP die Umweltqualität und die externen Kosten stark beeinflussen, für ebenso wichtig und fordert einen integrierten Ansatz für die Reduzierung der CO2-Emissionen: Die Einführung von Grenzwerten für Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge, die neu auf dem EU-Fahrzeugmarkt in Verkehr gebracht werden, ist zwar eine wirksamere Maßnahme zur Verringerung der Emissionen im Vergleich zu Gebührenregelungen, doch reicht dies nicht aus, um die erklärten Ziele zu erreichen.

4.10.

Angesichts des anhaltenden Problems der Verkehrsüberlastung innerhalb und außerhalb der städtischen Gebiete sollten fortgeschrittene Verkehrsmanagementsysteme durch die EU finanziell unterstützt und auf wirksame Verfahren der Satellitentechnologie zurückgegriffen werden, um zusätzliche, bereits zulasten der Nutzer gehende Kosten abzuschaffen: Einnahmen, die aus der freiwilligen Ergreifung solcher Maßnahmen hervorgehen, sollten in jedem Fall direkt in die Finanzierung alternativer Lösungen mit neutralen Auswirkungen fließen.

4.11.

Der öffentliche Verkehr muss gefördert werden und es müssen Straßenbenutzungsgebühren festgelegt werden, um dieses Ziel sowohl im Hinblick auf das Nutzer- als auch das Verursacherprinzip einzuhalten und zu erreichen.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1.

Der EWSA befürwortet das Ziel eines europäischen elektronischen Mautdienstes (EETS), bei dem EU-weit ein interoperables fahrzeugseitiges Erfassungsgerät in Verbindung mit einem einzigen Vertrag und einer einzigen Rechnung vorgesehen ist, mit dem ein Binnenmarkt geschaffen und gewährleistet würde, dass die gewerblichen Straßenverkehrsunternehmer einen einzigen Dienstleistungsanbieter, einen einzigen Vertrag und eine einzige Rechnung haben.

5.2.

Die Erfahrung mit dem Mautaufschlag beim Brenner gemäß den in der Richtlinie vorgesehenen Grundsätzen und Grenzwerten mit Blick auf die Errichtung alternativer Infrastrukturen erweist sich als nützlich und für die Lokalbevölkerung als annehmbar: Der EWSA begrüßt es daher, dass diese Möglichkeit auf andere empfindliche Gebiete ausgedehnt wird.

5.3.

Die nach langen Diskussionen und Analysen für schwere Nutzfahrzeuge durchgesetzte Regelung über Ermäßigungen gemäß Artikel 7 ist nach Ansicht des EWSA fair und diskriminierungsfrei und könnte entsprechend auf leichte Nutzfahrzeuge ausgeweitet werden, womit sich die in einigen Ländern zu beobachtenden gegenwärtigen Ungleichheiten zwischen gelegentlichen/ausländischen Nutzern und Häufignutzern/nationalen Nutzern verringern ließen. Artikel 7 sollte daher entsprechend geändert werden.

5.4.

Ein Vergleich der Gebühren für externe Kosten bestimmter Kraftfahrzeugklassen, z. B. Lastkraftwagen Euro V und Euro VI, lässt eine erhebliche Diskriminierung von umweltfreundlicheren Fahrzeugen erkennen, was nach Ansicht des EWSA nicht zu rechtfertigen ist. Der EWSA fordert, die in den Anhängen dieser Richtlinie festgelegten Gebühren für externe Kosten zu überprüfen und die Fahrzeuge mit den geringsten Emissionswerten zu fördern. Bei emissionsfreien Fahrzeugen wird die Auffassung geteilt, dass eine vorübergehende Senkung der Mautgebühren für die Infrastrukturnutzung zweckmäßig ist.

5.5.

Der EWSA fordert die Kommission auf, die wissenschaftliche Bewertung der Mautgebühren regelmäßig zu aktualisieren, einschließlich der örtlichen Bedingungen, und dabei den lokalen Besonderheiten Rechnung zu tragen, aber jegliche Diskriminierung, die nicht durch solide wissenschaftliche Erkenntnisse gerechtfertigt ist, zu vermeiden.

Brüssel, den 18. Oktober 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  IWF, World Economic Outlook, Oktober 2014.

(2)  ITF (2015), ITF Transport Outlook 2015, OECD Publishing, Paris.

(3)  Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU (ABl. L 348 vom 20.12.2013, S. 1).

(4)  In den Jahren 2014 und 2015 beliefen sich die Gesamtinvestitionen der EU-Institutionen aus ihren finanziellen Quellen (d. h. TEN V/Fazilität „Connecting Europe“, EFRE/Kohäsionsfonds und EIB-Darlehen) in die Infrastruktur des TEN-V-Kern- und Gesamtnetzes in der EU-28 auf 30,67 Mrd. EUR.

(5)  Folgenabschätzung Eurovignetten-Richtlinie.

(6)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 10.

(7)  EU Transport in Figures (EU-Verkehr in Zahlen), Europäische Kommission, 2016, auf der Grundlage von Eurostat-Daten.

(8)  ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 84.

(9)  Support Study for the Impact Assessment Accompanying the Revision of the Eurovignette Directive (1999/62/EC), Studienauftrag Nr. MOVE/A3/119-2013 — Mai 2017.

(10)  COM(2016) 766 final.