Brüssel, den 13.5.2016

SWD(2016) 153 final

ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN

ZUSAMMENFASSUNG DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Begleitunterlage zum

Vorschlag für eine
RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Änderung der Richtlinie 2004/37/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit

{COM(2016) 248 final}
{SWD(2016) 152 final}


Zusammenfassung

Folgenabschätzung zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über Karzinogene und Mutagene mit dem Ziel, neue „verfahrensbedingte Stoffe“ zu ermitteln und verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte festzulegen oder zu überarbeiten

A. Handlungsbedarf

Warum? Um welche Problematik geht es?

Die Exposition gegenüber bestimmten chemischen Stoffen am Arbeitsplatz kann Krebs verursachen. Krebs ist die häufigste arbeitsbedingte Todesursache in der EU. Um Arbeitnehmer vor solchen Risiken zu schützen, hat die EU die Richtlinie über Karzinogene und Mutagene (im Folgenden „KM-Richtlinie“) verabschiedet. Diese Richtlinie sieht Maßnahmen zur Beseitigung oder Begrenzung der Exposition gegenüber karzinogenen chemischen Arbeitsstoffen vor und enthält Grenzwerte für die Exposition am Arbeitsplatz (Occupational Exposure Limit, OEL). Die KM-Richtlinie ist jedoch nicht auf dem neuesten Stand, da sie die jüngsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten nicht berücksichtigt. Die Kommission hat 25 wichtige chemische Arbeitsstoffe, denen rund 20 Millionen Arbeitnehmer in der EU ausgesetzt sind, einer wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bewertung unterzogen. Davon werden die 13 Stoffe, für die Datensätze verfügbar sind, in der Folgenabschätzung behandelt. Die Mitgliedstaaten haben für einige dieser Stoffe Arbeitsplatzgrenzwerte eingeführt, die jedoch sehr unterschiedlich und mitunter zu hoch angesetzt sind, um die Arbeitnehmer zu schützen.

Arbeitsbedingte Krebserkrankungen beeinträchtigen die Wirtschaft insgesamt, da sie (vorübergehend oder dauerhaft) das Arbeitskräfteangebot und die Arbeitsproduktivität verringern und für eine erhöhte Belastung der öffentlichen Finanzen durch vermeidbare öffentliche Ausgaben für Gesundheitsversorgung, Erwerbsunfähigkeitsleistungen, Vorruhestandsbezüge und andere Leistungen sorgen. Für die Arbeitnehmer und ihre Familien stellen Krebserkrankungen nicht nur einen erheblichen Verlust der Lebensqualität dar, sondern führen auch zu direkten Gesundheitsversorgungskosten und indirekt zum Verlust gegenwärtiger und künftiger Erträge. Für die Unternehmen sind arbeitsbedingte Krebserkrankungen mit Kosten für den Personalersatz, Produktivitätsverlusten und der Notwendigkeit verbunden, höhere Löhne als Ausgleich für ein gesteigertes Berufsrisiko zu zahlen, was sich wiederum auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirkt.

Was soll mit dieser Initiative erreicht werden?

Mit der Initiative werden drei Ziele verfolgt:

Reduzierung der berufsbedingten Exposition von Arbeitnehmern in der EU gegenüber karzinogenen chemischen Arbeitsstoffen

Erhöhung der Effizienz des EU-Rahmens

mehr Klarheit und fairere Ausgangsbedingungen für die Wirtschaftsakteure

Was ist der Mehrwert des Tätigwerdens auf EU-Ebene? 

Aufgrund der derzeit bestehenden Unterschiede bei den nationalen Arbeitsplatzgrenzwerten, die in den Mitgliedstaaten für die ermittelten Karzinogene gelten, ist nicht für alle Arbeitnehmer in der EU ein Mindestschutz vor den Gefährdungen durch die Exposition am Arbeitsplatz gewährleistet. Ferner schafft die derzeitige Situation ungleiche Wettbewerbsbedingungen, da Unternehmen in Mitgliedstaaten mit Arbeitsplatzgrenzwerten, die geringeren Schutz bieten, ein Wettbewerbsvorteil entsteht. Allein durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten können diese Probleme nicht behoben werden. Daher werden Maßnahmen auf EU-Ebene zur Verwirklichung dieses Ziels als notwendig und im Einklang mit Artikel 5 Absatz 3 EUV angesehen.

B. Lösungen

Welche gesetzgeberischen und sonstigen strategischen Optionen wurden erwogen? Wird eine davon bevorzugt? Warum? 

Auf der Grundlage von Erörterungen mit Wissenschaftlern, Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Vertretern der Mitgliedstaaten wurden in Bezug auf 13 chemische Arbeitsstoffe Vorschläge für Arbeitsplatzgrenzwerte erarbeitet. Für die meisten Stoffe wurden strengere und weniger strenge Optionen ebenfalls berücksichtigt. Für einige Stoffe (z. B. Chrom(VI)-Verbindungen, Hartholzstäube und alveolengängiges kristallines Siliciumdioxid (Quarzfeinstaub)) wurden umfangreichere Auswirkungen festgestellt. Für andere Stoffe (z. B. 2-Nitropropan und Acrylamid) wurden für die Ausgangssituation (keine Maßnahmen) und die Festlegung eines EU-Grenzwerts ähnliche Kosten/Nutzen ermittelt.

Das Verbot der Karzinogene am Arbeitsplatz wurde in Erwägung gezogen, dann aber verworfen, da dies unverhältnismäßig schien. Zwar ergänzen die REACH-Verordnung und die KM-Richtlinie einander, die Exposition gegenüber chemischen Karzinogenen am Arbeitsplatz kann jedoch am effektivsten durch die Richtlinie geregelt werden. Die Option, sektor-, branchen oder verwendungsspezifische Arbeitsplatzgrenzwerte festzulegen, musste verworfen werden, da die derzeitigen Rechtsvorschriften keine Rechtsgrundlage für solche Bestimmungen bieten. Nichtlegislative strategische Optionen, wie etwa die Ausarbeitung von Leitlinien und sonstige Unterstützung bei der Umsetzung der KM-Richtlinie oder das Vertrauen auf Selbstregulierung wurden ebenfalls erwogen. Es wurde jedoch entschieden, dass diese Maßnahmen allein nicht wesentlich zur Lösung der festgestellten Probleme beitragen könnten. Rechtssicherheit für die beteiligten Akteure kann am besten durch eine klare Auflistung der unter die KM-Richtlinie fallenden chemischen Arbeitsstoffe mit den entsprechenden Arbeitsplatzgrenzwerten erzielt werden, da so das Risiko der Exposition gegenüber chemischen Karzinogenen am Arbeitsplatz gesteuert werden kann.

Wer unterstützt welche Option? 

Die im Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz vertretenen Sozialpartner und Mitgliedstaaten unterstützen die Aufnahme von Quarzfeinstaub in die Liste der verfahrensbedingten Stoffe der KM-Richtlinie sowie die Festlegung von Arbeitsplatzgrenzwerten in der von ihnen empfohlenen Höhe. In Fällen, in denen die Meinungen auseinandergingen, setzten sich die Arbeitnehmer in der Regel für niedrigere Grenzwerte (besserer Schutz) und die Arbeitgeber für höhere Grenzwerte (kostengünstigere Umsetzung) ein. Die Aufnahme von Quarzfeinstaub als verfahrensbedingtes Berufskarzinogen hat bei einigen Branchen Bedenken geweckt, sowohl was die damit möglicherweise verbundenen Anforderungen des Risikomanagements als auch die Stigmatisierung gleichartiger Massengüter (d. h. Sand und andere Siliciumdioxidprodukte) als „krebserzeugend“ anbelangt. Diese Faktoren werden in der Analyse erörtert.

C. Auswirkungen der bevorzugten Option

Was sind die Nutzen der bevorzugten Option (sofern es solche gibt, ansonsten die größten Vorteile)?

Der Nutzen der gewählten strategischen Optionen besteht in einer erheblichen Verringerung von arbeitsbedingten Erkrankungen und Todesfällen durch Krebs. Einer konservativen Schätzung zufolge könnten durch die Initiative etwa 100 000 Menschenleben gerettet werden. Arbeitnehmer und ihre Familien werden weniger häufig unter einer reduzierten Lebensqualität aufgrund von arbeitsbedingten Krebserkrankungen leiden. Ferner wird es direkte und indirekte individuelle Kosteneinsparungen bei der Gesundheitsversorgung für Krebserkrankungen geben. Die Systeme der sozialen Sicherheit werden von einer Reduzierung der Kosten für Krebsbehandlungen sowie geringeren Ausgaben für Nichterwerbstätigkeit/Vorruhestand und Entschädigungszahlungen für Berufskrankheiten in diesem Zusammenhang profitieren. Die Arbeitgeber dürften von geringeren Produktivitätverlusten profitieren, die durch den Verlust von Arbeitskräften aufgrund arbeitsbedingter Erkrankungen und die Kosten für deren Ersetzung entstehen. Eine im Auftrag der Kommission durchgeführte Studie zeigt, dass der größte Nutzen durch die Einführung des Arbeitsplatzgrenzwerts von 0,1 mg/m³ für Quarzfeinstaub und von 0,025 mg/m³ für Chrom(VI)-Verbindungen zu erwarten ist. In Bezug auf Quarzfeinstaub wird erwartet, dass im Zeitraum 2010-2069 rund 99 000 Krebserkrankungen vermieden werden, was einem monetären Wert zwischen 34 Mrd. EUR und 89 Mrd. EUR entspricht. Im Falle von Chrom (VI) werden durch die bevorzugte Option rund 1 800 Erkrankungen im gleichen Zeitraum vermieden (591 Mio. EUR-1,7 Mrd. EUR). Für die übrigen Stoffe sind folgende finanzielle Vorteile durch die Einführung eines Arbeitsplatzgrenzwerts gemäß der gewählten Option zu erwarten: Hartholzstäube (12-54 Mio. EUR); Vinylchlorid (1-4 Mio. EUR); o-Toluidin (1,3-10,1 Mio. EUR); Hydrazin (0,01-0,05 Mio. EUR); Feuerfeste Keramikfasern (1,1-3,4 Mio. EUR).

Welche Kosten entstehen bei Umsetzung der bevorzugten Option?

Bei einigen Karzinogenen wird sich die gewählte Option auf die Betriebskosten von Unternehmen auswirken, die zusätzliche Schutz- und Präventionsmaßnahmen umsetzen werden müssen. Dies wird insbesondere für Chrom(VI)-Verbindungen und Quarzfeinstaub der Fall sein. Was Quarzfeinstaub betrifft, so wird die Industrie bis 2069 schätzungsweise 3,5 Mrd. EUR investieren müssen, um einen Grenzwert von 0,1 mg/m³ einzuhalten. Bei den übrigen Karzinogenen werden die Auswirkungen auf die Betriebskosten für Unternehmen (einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen) äußerst gering sein, da nur geringfügige Anpassungen erforderlich sein werden, um die volle Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. Mit dem ausgewählten Maßnahmenpaket werden weder zusätzliche Informationspflichten eingeführt noch ein Anstieg der Verwaltungslasten für Unternehmen oder erhebliche ökologische Kosten verursacht.

Welche Auswirkungen ergeben sich für Unternehmen, KMU und Kleinstunternehmen?

Unternehmen würden von mehr Klarheit und faireren Wettbewerbsbedingungen profitieren. Für viele der in dieser Folgenabschätzung erfassten Stoffe gibt es auf nationaler Ebene bereits Arbeitsplatzgrenzwerte (die jedoch zum Teil in einigen Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch sind). Die Festlegung der Arbeitsplatzgrenzwerte gemäß diesem Vorschlag dürfte keine Auswirkungen auf Unternehmen in Mitgliedstaaten haben, in denen die nationalen Grenzwerte entweder gleich hoch oder niedriger (strenger) als die vorgeschlagenen Werte sind. Es sind keine weniger strengen Regelungen für KMU vorgesehen, die von den Pflichten der KM-Richtlinie nicht ausgenommen sind, da dies zu einem ungleichen Schutz der Arbeitnehmer je nach der Unternehmensgröße führen würde. Die größten Auswirkungen in Situationen, in denen eine höhere Exposition zu erwarten ist, werden KMU erfahren, bei denen die Arbeitnehmer Quarzfeinstaub und Chrom (VI) ausgesetzt sind.

Wird es spürbare Auswirkungen auf nationale Haushalte und Behörden geben?

Während die derzeitige Lage aufgrund der Exposition gegenüber gefährlichen Stoffen für Arbeitnehmer erhebliche wirtschaftliche Kosten bedeutet, würde die gewählte Option auch die damit verbundenen finanziellen Verluste für die Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten reduzieren. Den öffentlichen Verwaltungen werden je nach dem derzeitigen Status des jeweiligen chemischen Arbeitsstoffs in dem Mitgliedstaat unterschiedliche Verwaltungs- und Durchsetzungskosten entstehen, es werden jedoch keine erheblichen Kosten erwartet. Darüber hinaus werden durch die Festlegung von EU-Arbeitsplatzgrenzwerten weniger wissenschaftliche Analysen nach einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich sein.

Wird es andere spürbare Auswirkungen geben?

Die Umsetzung der gewählten Option würde sich positiv auf den Wettbewerb im Binnenmarkt auswirken. EU-weite Arbeitsplatzgrenzwerte für die im Rahmen dieser Initiative behandelten Arbeitsstoffe tragen zu reduzierten Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen in Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen nationalen Grenzwerten bei. Da die vorgeschlagenen Arbeitsplatzgrenzwerte den Werten ähnlich sind, die in den Ländern der meisten EU-Handelspartner gelten, ist nicht mit einer erheblichen Beeinträchtigung der externen Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen zu rechnen. Die Auswirkungen auf die Grundrechte sind positiv – insbesondere in Bezug auf Artikel 2 (Recht auf Leben) und Artikel 31 der Charta (Recht auf gerechte und angemessene sowie gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen).

D. Folgemaßnahmen

Wann wird die Strategie überprüft?

Die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Überarbeitung der KM-Richtlinie würde im Rahmen der nächsten Bewertung der EU-Strategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz gemäß Artikel 17a der Richtlinie 89/391/EWG gemessen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Überwachungs- und Bewertungsverfahren zwischenzeitlich infolge der laufenden Ex-post-Bewertung der EU-Rechtsvorschriften zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (für den Zeitraum 2007-2012) geändert werden könnten.