21.3.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 88/22


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Staatliche Beihilfen und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

(2017/C 088/05)

Berichterstatter:

Markus Töns (DE/SPE), Mitglied des Landtags des Landes Nordrhein-Westfalen

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

bezieht sich mit dieser Initiativstellungnahme auf folgende Initiativen der Kommission: 1. die Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV (1); 2. das Konsultationsverfahren zum Entwurf einer Erweiterung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) (2), nach dem bestimmte Investitionsbeihilfen für Häfen und Flughäfen von der vorherigen beihilferechtlichen Prüfung durch die Kommission ausgenommen werden sollen; 3. die von der EU-Kommission beabsichtigte Überprüfung des „Almunia-Pakets“ sowie die Neuregelung der auslaufenden Verordnung zu den De-Minimis-Beihilfen bei DAWI;

2.

bekräftigt, dass die europäischen Beihilferegelungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) nicht nur auf die Grundsätze des Wettbewerbs beschränkt sein dürfen, sondern dem durch die Verträge eingeräumten großen Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Festlegung, was eine DAWI ist, sowie den Prinzipien der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung, des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts sowie der Neutralität gegenüber der Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten voll Rechnung tragen müssen (Artikel 3 EUV, Artikel 14, 106, 345 AEUV und Protokoll Nr. 26). Die DAWI müssen die Unterschiede der Bedürfnisse, der Nutzerpräferenzen und des öffentlichen Auftragswesens widerspiegeln, die sich aus den unterschiedlichen geografischen Lagen, sozialen oder kulturellen Situationen und demokratischen Prozessen in den Mitgliedstaaten ergeben können. Der AdR ruft in Erinnerung, dass eine Beihilfeprüfung nur dann durchgeführt werden darf, wenn eine nationale, regionale oder lokale Regulierung oder Finanzierung von DAWI grenzüberschreitende bzw. binnenmarktrelevante Auswirkungen hat;

3.

betont die herausragende Rolle der DAWI für Wachstum und Beschäftigung sowie die Tatsache, dass die DAWI häufig die Voraussetzung für weitere öffentliche und private Investitionen sind. Die DAWI müssen daher auch unter dem Blickwinkel der europäischen Investitionsagenda gesehen werden. In diesem Zusammenhang ist auf den Jahreswachstumsbericht 2016 der EU-Kommission hinzuweisen, demzufolge „es unerlässlich [ist], dass die Mitgliedstaaten soziale Investitionen, unter anderem in Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, Wohnraumförderung und Rehabilitationsleistungen auf breiterer Basis fördern, um die vorhandenen und künftigen Qualifikationen für eine Teilnahme am Arbeitsmarkt und ihre Anpassung an den Bedarf zu verbessern … und soziale Investitionen … mit der Zeit eine wirtschaftliche und soziale Rendite ab[werfen], insbesondere in Bezug auf Beschäftigungsaussichten, Arbeitseinkommen und -produktivität, Armutsprävention und Stärkung des sozialen Zusammenhalts“;

4.

fordert daher weitere Überlegungen, die DAWI durch europäische Förderungen beihilfekonform zu unterstützen. Z. B. sollte die Anwendung der beihilferechtlichen Vorschriften weiter vereinfacht werden, etwa durch die Einführung einer an einfache Kriterien wie die Übereinstimmung mit genehmigten operationellen Programmen geknüpfte Regelvermutung der Beihilfekonformität einer Finanzierung aus den ESIF. Denn die Ungleichbehandlung von direkt verwalteten EU-Fonds, wie EFSI und HORIZONT 2020, und den ESIF im beihilferechtlichen Bereich ist nicht gerechtfertigt, erhöht die Verwaltungslast und behindert Synergien zwischen den Fonds, wie sie auch von der Europäischen Kommission selbst angestrebt werden;

5.

bedauert, dass die Kommission sich weiterhin weigert, im Bereich der DAWI Artikel 14 AEUV als Rechtsgrundlage für die beihilferechtlichen Vorschriften für DAWI anzuwenden, der ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren und so eine erhöhte Rechtssicherheit und demokratische Legitimität gewährleisten würde;

6.

stellt fest, dass das europäische Regelungswerk der staatlichen Beihilfen bei den DAWI aufgrund des komplexen Sachverhalts, der konkurrierenden Auslegung von Begrifflichkeiten und langjähriger Anpassungen zu umfangreich, zu detailliert und unübersichtlich geworden ist. Der Verwaltungsaufwand für die beihilfegewährenden Behörden und die Unternehmen muss weiter verringert werden, und die Ressourcen der Kommission sollten sich auf die Durchführung der Beihilfevorschriften in den Fällen mit der größten Auswirkung auf den Binnenmarkt konzentrieren. Hebt ebenfalls hervor, dass die komplexen Regelungen auch dazu führen können, dass sie unzureichend bekannt sind und damit die Erleichterungsmöglichkeiten der DAWI nicht genutzt werden. Appelliert daher an die EU-Kommission, die Vielzahl der Sekundärrechtsakte und Texte des nicht zwingenden Rechts („Soft law“) im Beihilfebereich (Verordnungen, Mitteilungen, Leitlinien usw.) stringenter zu fassen und, wo möglich, zusammenzuführen;

7.

wiederholt seine grundsätzliche Ablehnung einer Einbeziehung zusätzlicher Qualitäts- und Effizienzerwägungen der EU-Kommission in die Vereinbarkeitsprüfung bei der Finanzierung der DAWI. Qualitäts- und Effizienzgesichtspunkte, die den Ermessensspielraum der lokalen und regionalen Beihilfegeber weiter einschränken, fallen grundsätzlich nicht in die durch das Wettbewerbskapitel des AEUV begründete Zuständigkeit der Kommission. Die Entscheidungen über Qualität und Effizienz müssen den Behörden vor Ort überlassen bleiben (3);

8.

unterstreicht, dass Handelsabkommen der EU nicht das Recht der EU, ihrer Mitgliedstaaten und deren Gebietskörperschaften umfassen, Dienstleistungen selbst zu regulieren, sicherzustellen oder zu unterstützen. Erwartet, dass die von der EU-Kommission im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum TTIP-Abkommen gegebenen Garantien auch für alle anderen Verhandlungen von Handelsabkommen gelten, und zwar, dass die Möglichkeiten von Staaten nicht beeinträchtigt werden, Vorschriften einzuführen oder beizubehalten, mit denen die hohe Qualität der Dienstleistungen gewährleistet und wichtige Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses, wie Gesundheitsschutz, öffentliche Sicherheit oder Umweltschutz, geschützt werden sollen, dass keine Privatisierung von Dienstleistungen vorgeschrieben wird, dass der öffentliche Sektor sein bestehendes Angebot an öffentlichen Dienstleistungen ausbauen kann und dass öffentliche Dienstleistungen angeboten werden können, die zuvor von privaten Anbietern erbracht wurden (4);

9.

erinnert vor dem Hintergrund der Verzahnung von DAWI und öffentlichen Investitionen an seine Sorge, dass bei den Rechnungslegungsstandards des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene (ESVG 2010) von Eurostat, das ab September 2014 gilt, nicht zwischen öffentlichen Ausgaben und öffentlichen Investitionen unterschieden wird. Zudem führt die Umsetzung dieser Standards in nationales Recht in einigen Mitgliedstaaten dazu, dass die lokalen und nationalen Gebietskörperschaften dazu verpflichtet werden, Obergrenzen für öffentliche Investitionen pro Jahr und pro Einwohner anzusetzen. Ferner behindern diese Obergrenzen auch diejenigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die über Rückstellungen verfügen, mit denen sie umfangreiche DAWI-relevante Investitionsprojekte anstoßen könnten. Fordert die Europäische Kommission daher auf, einen Bericht über die Umsetzung des ESVG 2010 vorzulegen (5);

Mitteilung zum Begriff der staatlichen Beihilfe  (6)

10.

weist darauf hin, dass die Einstufung einer Tätigkeit als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ aufgrund der gewachsenen kulturellen und politischen Strukturen und aufgrund der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung derartiger Tätigkeiten bei den Mitgliedstaaten liegt und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in voller Unabhängigkeit entscheiden können, welche Dienstleistung sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ansehen;

11.

begrüßt, dass die Kommission am 19. Mai 2016, zwei Jahre nach dem Konsultationsverfahren vom 1. Halbjahr 2014 zum Begriff der staatlichen Beihilfe nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV, ihre Bekanntmachung veröffentlicht hat, in der sie den Anwendungsbereich der EU-Beihilfevorschriften zur Förderung öffentlicher Investitionen erläutert. Der Europäische Ausschuss der Regionen erkennt die Absicht der Kommission an, ihre Ressourcen auf die Durchsetzung der Beihilfevorschriften in den Fällen mit der größten Auswirkung auf den Binnenmarkt konzentrieren zu wollen; stellt jedoch gleichzeitig fest, dass sie sich in der Mitteilung darauf beschränkt, eine Auslegung des Begriffs der staatlichen Beihilfe in den Bereichen vorzunehmen, in denen eine Rechtsprechung durch den EuGH bereits erfolgt ist; stellt daher zur Diskussion, ob dieser Ansatz nicht zu restriktiv ist, und im Widerspruch zu verschiedenen dynamischen Entwicklungen im Bereich der öffentlichen Investitionen z. B. im Zusammenhang mit Steuerfragen und der Entwicklung neuer sozialer Dienstleistungen steht;

12.

bringt seine Zufriedenheit über die in der Bekanntmachung bestätigte Einschränkung des Begriffs der „Beeinträchtigung des Handelsverkehrs innerhalb der EU“ zum Ausdruck. In der Tat sollen, aufbauend auf sieben Einzelfallentscheidungen vom 29. April 2015 (7) und entsprechend der Forderung im ursprünglichen AdR-Stellungnahmeentwurf, Zuwendungen für lokale Infrastruktur oder lokale Dienstleistungen, die kaum in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden dürften und die allenfalls marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen haben, nunmehr nicht unter die EU-Beihilfevorschriften fallen (8).

13.

nimmt die Auffassung der Kommission zur Kenntnis, dass öffentliche Investitionen für den Bau oder die Modernisierung von Infrastruktur keine staatliche Beihilfe darstellen, wenn die betreffende Infrastruktur nicht unmittelbar mit anderen Infrastrukturen der gleichen Art im Wettbewerb steht; widerspricht jedoch der pauschalen Auffassung der Kommission, dies gelte in der Regel bei Straßen- und Eisenbahninfrastruktur, Binnenwasserstraßen sowie Wasserversorgungs- und Abwassernetzen jedoch nicht in Bereichen wie Energie, Breitband, Flughäfen oder Häfen;

14.

zeigt sich erfreut über die Klarstellung, dass öffentliche Zuwendungen für bestimmte kulturelle Aktivitäten, die nicht kommerzieller Art sind, sondern kostenlos oder gegen eine Gebühr, die bis 50 % der Kosten abdeckt, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, nicht den Beihilfevorschriften unterliegen; dies wird den hohen Prüfungsaufwand bei kommunalen und regionalen Behörden trotz der weiterhin erforderlichen Prüfung im Einzelfall wesentlich mindern und zu mehr Rechtssicherheit im Umgang mit der öffentlichen Kulturförderung führen;

15.

erwartet daher eine Klarstellung der EU-Kommission, dass bei einer lokalen Dienstleistung eine Handelsbeeinträchtigung nicht droht und erwartet ferner, dass es der Beschwerdeführer und oder die EU-Kommission sind, die nachweisen müssen, dass der innergemeinschaftliche Handel beeinträchtigt ist oder sein kann;

16.

erwartet, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Zukunft rechtssicher entscheiden können, wann sie beihilfekonform fördern können;

17.

spricht sich im Rahmen des im April 2016 vorgestellten Aktionsplans „Auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum“, mit dem sich der AdR in einer gesonderten Stellungnahme befasst, gegen eine Einschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung von DAWI-Tätigkeiten aus;

Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)

18.

hebt den Nutzen des praktischen Leitfadens für die aktuelle AGVO (9) hervor, der Fragen der nationalen Behörden und Antworten der EU-Kommission zusammenfasst; stellt jedoch fest, dass die Zweifel der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Auslegung durch die Antworten der Kommission bisweilen keineswegs geklärt werden;

19.

begrüßt die Initiative der Kommission einer bis 30. Mai 2016 geöffneten ersten Konsultation zu einer erneuten Überarbeitung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) (10) mit der Zielsetzung, Beihilfen für Hafen- und Flughafeninfrastruktur von der Anmeldepflicht auszunehmen, da der Verwaltungsaufwand für öffentliche Behörden und Endbegünstigte umso mehr gesenkt wird, je weiter gefasst der Anwendungsbereich der AGVO ist;

20.

stellt allerdings fest, dass es im Fall der Häfen keine wie auch immer geartete vorherige Rechtsgrundlage in Bezug auf die Kriterien für die Vereinbarkeit der Investitionsbeihilfen gibt, die es der Kommission ermöglicht hätte, eine Kasuistik auf der Grundlage von mehr Rechtssicherheit zu entwickeln; fordert die Kommission daher auf, das Vorliegen staatlicher Beihilfen — bzw. die Beihilfefreiheit — sowohl in Bezug auf die Art der Investitionen als auch die Größe der Häfen genauer herauszuarbeiten und dabei die Besonderheiten der Organisation der Häfen in den einzelnen Mitgliedstaaten wie auch ihren öffentlichen Auftrag zu berücksichtigen;

21.

betont, dass im Bereich der Binnenhäfen verschiedene Maßnahmen der Mitgliedstaaten möglicherweise keine staatlichen Beihilfen darstellen, weil der Begünstigte keiner Wirtschaftstätigkeit nachgeht oder sich die Maßnahmen nicht auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken. Dies könnte unter bestimmten Umständen bei Beihilfen für Binnenhafenanlagen der Fall sein, die rein lokaler Natur sind, oder in Zusammenhang mit Binnenhafenanlagen, die über keinen direkten Zugang zum Meer verfügen, und keinen Handel oder die Kommunikation mit anderen Mitgliedstaaten auf Binnenwasserstraßen ermöglichen und daher den Wettbewerb nicht verzerren;

22.

fordert, in die AGVO auch eine Freistellung für Betriebsbeihilfen für Häfen bzw. zumindest für bestimmte Hafenkategorien, entsprechend den geplanten Forderungen für bestimmte Flughäfen (siehe Ziffer 28);

23.

befürchtet, dass nach Aufnahme des Sachverhalts der Hafeninfrastrukturen in die AGVO jede staatliche Maßnahme, die der Definition der staatlichen Beihilfe entspricht und nicht unter die Freistellung fällt, Gegenstand einer äußerst komplexen Bewertung mit ungewissem Ausgang im Hinblick auf eine mögliche Genehmigung unmittelbar auf der Grundlage des Vertrags wird; fordert die Kommission deshalb auf, spezifische Leitlinien für derartige Beihilfen vorzuschlagen, wenn diese oberhalb der Befreiungsschwelle liegen;

24.

unterstützt bei der Behandlung von Investitionshilfen für Regionalflughäfen explizit den Ansatz der EU-Kommission, dass „die Festlegung einer Anmeldeschwelle in Form der Höhe der Beihilfe nicht zweckmäßig (ist), da die Auswirkung einer Beihilfe auf den Wettbewerb vor allem von der Größe des Flughafens und nicht vom Umfang der Investition abhängt“;

25.

erwartet von der EU-Kommission, dass sie bei den „Begriffsbestimmungen für Beihilfen für Regionalflughäfen“ eine Angleichung mit bereits bestehender EU-Gesetzgebung gewährleistet;

26.

bekräftigt seine frühere Position, dass sich die Kommission auf Großflughäfen konzentrieren sollte und die Beihilfemaßnahmen für Kleinflughäfen mit einem Verkehrsaufkommen von durchschnittlich nicht mehr als 300 000 Fluggästen pro Jahr nicht unter den Anwendungsbereich für staatliche Beihilfen fallen sollten, weil sie keinen nennenswerten Einfluss auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben können, weil diese Flughäfen strukturell nicht in der Lage sind, die Kapital- und Betriebskosten zu decken (11) und weil die öffentliche Unterstützung zur Entwicklung einer sicheren und wirtschaftlich tragfähigen Luftverkehrsinfrastruktur in schlecht angebundenen Regionen bestimmt ist (12); eine solche Bestimmung müsste selbstverständlich mit einer deutlichen Anhebung der Befreiungsschwelle für Beihilfemaßnahmen für Flughäfen in Form von DAWI (derzeit 200 000 Fluggäste pro Jahr) einhergehen, und zwar wieder auf diejenige Schwelle, die vor der Verabschiedung des sogenannten „Almunia-Pakets“ in Kraft war, d. h. 1 Mio. Fluggäste pro Jahr. Voraussetzung für eine solche Festlegung muss jedoch sein, dass eine angemessene Anbindung nicht auf andere Weise erreicht werden kann;

27.

bezweifelt, dass Kleinflughäfen einen Mindestsatz von 25 % der Investitionsbeihilfen selbst aufwenden können. Bittet die Kommission in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass diese Beihilfen in der Regel nicht auf eine Kapazitätserhöhung abzielen, sondern meist mit Infrastrukturbedarf zusammenhängen;

28.

fordert, in die AGVO auch eine Freistellung für Betriebsbeihilfen zugunsten von Flughäfen aufzunehmen, da die Luftverkehrsleitlinien der EU-Kommission für Betriebsbeihilfen (Leitlinien von 2014, Rn. 112 ff.) klare Vorgaben enthalten, z. B. hinsichtlich der Berechnung der anfänglichen Finanzierungslücke, die auch im Rahmen einer Freistellung erfüllt werden können;

29.

hält es für notwendig, die derzeitigen Bestimmungen für Häfen und Flughäfen sowohl in Bezug auf die Investitionsbeihilfen als auch die Betriebsbeihilfen an die Gegebenheiten der Regionen in äußerster Randlage anzupassen. Diese Regionen weisen nämlich ein massives Anbindungsdefizit auf und sind vollkommen auf den See- und Luftverkehr als einzig praktikable Option für die Beförderung in diesen abgelegenen Gebieten angewiesen;

30.

plädiert bei den Investitions- und den Betriebsbeihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes für eine 100 %ige statt nur eine 50 %ige Erhöhung der für eine revidierte AGVO vorgeschlagenen Schwellenwerte (respektive von der EU-Kommission vorgeschlagen: von 100 auf 150 Mio. EUR pro Projekt und von 50 auf 75 Mio. EUR pro Unternehmen und Jahr) und fordert eine stärkere Angleichung der Vorschriften und Voraussetzungen der AGVO mit dem Wortlaut der Mitteilung zum Begriff der staatlichen Beihilfe, da mit dieser Mitteilung einige grundsätzliche Klarstellungen vorgenommen wurden, die von den Mitgliedstaaten begrüßt werden, die jedoch nicht die Verbindlichkeit einer unmittelbar anwendbaren Verordnung wie der AGVO besitzen;

31.

fordert im Einklang mit der in dem vorhergehenden Absatz verlangten Anhebung des Schwellenwerts ebenfalls hinsichtlich der Investitions- und Betriebsbeihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes, den Schwellenwert von 1 Mio. auf 2 Mio. EUR zu erhöhen, bei dessen Unterschreitung die Berechnungsmethode für Beihilfen nach Artikel 53 Absatz 8 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 angewandt werden kann, d. h. eine Beihilfeintensität bis zu 80 % der beihilfefähigen Kosten des Vorhabens (abweichend von der Methode gemäß Artikel 53 Absätze 6 und 7 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014);

32.

fordert die Kommission dazu auf, in einer revidierten AGVO den Status staatlicher Investitionsbeihilfen für Infrastrukturmaßnahmen klarzustellen. Auf Grundlage der Entscheidung Propapier/Eisenhüttenstadt vom 1.10.2014 (13) sollte bei allgemeinen Infrastrukturmaßnahmen stets erwogen werden, ob die positiven Auswirkungen der Beihilfe auf die regionale Entwicklung nicht die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb überwiegen;

33.

erwartet eine Gleichstellung von Sportinfrastrukturen und multifunktionalen Freizeitinfrastrukturen in der überarbeiteten AGVO dahingehend, dass auch Betriebsbeihilfen für multifunktionale Freizeitinfrastrukturen bis zu 2 Mio. EUR pro Infrastruktur und Jahr freigestellt werden;

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.

34.

spricht sich für eine dynamische Erweiterung des Begriffs der DAWI aus. Neue soziale Dienstleistungen, wie z. B. soziale Dienstleistungen, die sich in Zusammenhang mit der Erstaufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten ergeben, oder die digitale Infrastruktur in Regionen, in denen ein Marktversagen festzustellen ist, wie z. B. Regionen, die mit den Herausforderungen des demografischen Wandels konfrontiert sind, könnten wegen der Notwendigkeit einer flächendeckenden Versorgung der Bürgerinnen und Bürger als Teil der Daseinsvorsorge angesehen werden. Auch künftige, neue Entwicklungen sind regelmäßig angemessen zu beurteilen und müssen auf Ebene der Mitgliedstaaten ebenfalls als DAWI angesehen werden können, wenn es erforderlich ist;

35.

kritisiert, dass die Kommission in der aktuellen Mitteilung zu den DAWI ihren Ermessensspielraum in der Frage, was als DAWI definiert werden kann, durch den Bezug auf „normale Marktbedingungen“ zu erweitern versucht hat (14). Dies steht sowohl im Widerspruch zu den Prinzipien der lokalen und regionalen Selbstverwaltung und ist auch in der Praxis für die öffentlichen Behörden eine kaum nachzuweisende Bedingung;

36.

weist darauf hin, dass durch das vierte im Altmark-Urteil festgelegte Kriterium lediglich ein Anreiz für die Mitgliedstaaten geschaffen wurde, die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu verwenden statt einen DAWI-basierten Ansatz zu wählen. In der Tat sind lokale und regionale Behörden mit der Schwierigkeit konfrontiert, bei der zweiten Alternative des vierten Altmark-Kriteriums, d. h. dem Maßstab eines durchschnittlichen, gut geführten und angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestatteten Unternehmens, über kein Benchmark in den Fällen zu verfügen, in denen in dem bestimmten Sektor keine Privatunternehmen tätig sind. Fordert daher die Kommission auf, — auch mit Marktstudien, mit denen bestimmte Standardkosten ermittelt werden können, — eine detaillierte Leitlinie dazu zu entwickeln, was ein durchschnittliches, gut geführtes und angemessen mit den erforderlichen Mitteln ausgestattetes Unternehmen ist, um die Erfüllung des vierten Altmark-Kriteriums durch die Behörden zu erleichtern und so eine bestimmte DAWI-Aktivität von einer Beihilfeprüfung zu befreien;

37.

hält eine Überprüfung der Definition des angemessenen Gewinns einer DAWI für unabdinglich, insbesondere um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass diese Gewinne häufig in DAWI reinvestiert werden — auch über Anreize oder mittels einer Steigerung des Prozentsatzes des erkennbaren angemessenen Gewinns;

38.

erneuert seine Forderung nach einer Erhöhung der Schwellenwerte bei den De-Minimis-Regeln für Beihilfen bei den DAWI. Die Schwellenwerte für eine Prüfung der Zulässigkeit von Beihilfen bei DAWI sollten bei einer Million EUR im Einzelfall pro drei Steuerjahre liegen. Unterhalb dieses Schwellenwertes wird nicht davon ausgegangen, dass derartige Beihilfen alle Kriterien für eine staatliche Beihilfe erfüllen, weil wegen des bei DAWI oftmals nur lokalen Bezugs eine Beeinträchtigung des Handelsverkehrs oder eine Wettbewerbsverzerrung, die den Binnenmarkt gefährdet, nicht vorliegt;

39.

ist der Auffassung, dass die Schwelle der von der Anmeldepflicht nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV befreiten Ausgleichsleistungen für mit der Erbringung von DAWI betrauten Unternehmen von nicht mehr als 15 Mio. EUR pro Jahr auf die ursprünglich und vor 2011 bereits gültige Schwelle von 30 Mio. EUR angehoben werden sollte;

40.

spricht sich für eine Verlängerung der Regellaufzeit für die Betrauungsakte auf über zehn Jahre aus, um dem Aufwand der Betrauung und der Amortisierung der Investitionen durch die mit DAWI betrauten Stellen besser Rechnung zu tragen;

41.

plädiert ferner für eine Erweiterung der im Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 festgelegten Definition des sozialen Wohnungsbaus. Um den großen Ermessungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Bereitstellung, Erbringung, Finanzierung und Organisation des sozialen Wohnungsbaus und die demokratische Entscheidungsfreiheit zu gewährleisten, sollte die Einschränkung des sozialen Wohnungsbaus auf „Bedürftige oder sozial schwächere Bevölkerungsgruppen“ aufgehoben werden. Das Recht auf angemessenen und erschwinglichen Wohnraum sollte stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, denn vom Unvermögen des Wohnungsmarkts, dem gesamten Wohnraumbedarf gerecht zu werden, sind nicht nur Menschen betroffen, die gar keinen Zugang zu Wohnraum haben, sondern auch die Bewohner gesundheitsgefährdender, unangemessener oder überbelegter Wohnungen sowie diejenigen, die den Großteil ihres Einkommens für die Zahlung ihrer Miete oder der Monatsrate für ihren Kredit aufwenden;

42.

bittet um einen Kapazitätsaufbau zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten, um das Wissen über Beihilfen bei DAWI zu verbessern. Es muss ein Dialog von der EU-Kommission auch direkt mit den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften geführt und Hilfestellung gegeben werden;

43.

fordert auch die Mitgliedstaaten auf, gemeinsam mit der EU-Kommission geeignete Kommunikations- und Koordinierungsverfahren zu schaffen und Leitfäden für Gebietskörperschaften zu entwickeln, um die komplexen Prüfungen von Beihilfen bei DAWI zu erleichtern. Erwartet ferner von den Mitgliedstaaten, dass sie bei der Ausarbeitung der nationalen Berichte zur Umsetzung des Almunia-Pakets die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und ihre Verbände einbinden, um so eine realistische Bestandsaufnahme der konkreten DAWI-relevanten Schwierigkeiten und Herausforderungen zu gewährleisten;

44.

fordert zur Herstellung einer Rechtssicherheit für lokale und regionale Gebietskörperschaften, eine Verjährungsfrist für Beschwerdeführer von fünf Jahren seit Beginn der Ausgleichszahlung oder der Investition vorzusehen. Die bislang geltende Frist für die Einleitung eines in einen Rückforderungsbeschluss mündenden Verfahrens durch die Kommission von zehn Jahren ab dem Tag, an dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger gewährt wurde, die faktisch auch als Verjährungsfrist für Beihilfebeschwerden fungiert, ist zu lang. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie die geförderten Unternehmen brauchen mehr Rechtssicherheit. Eine Verjährungsfrist von zehn Jahren, zu der noch der Zeitbedarf für die Verfahren hinzukommt, was dazu führt, dass bis zu 20 oder 25 Jahre zuvor gewährte Beihilfen zurückgefordert werden müssen, ist unverhältnismäßig lang und beeinträchtigt ein grundlegendes Bedürfnis der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und deren Unternehmen, die sich Rechtsrat oft nicht leisten können. Darüber hinaus wird dadurch eines der Ziele der Rückforderung staatlicher Beihilfen vereitelt: die Wiederherstellung der zuvor bestehenden Wettbewerbssituation;

45.

hält es für erforderlich, dass Beschwerdeführer nur sein kann, wer auch unmittelbar wirtschaftlich betroffen sein kann. Der Kreis der bislang Beschwerdebefugten, d. h. „Mitgliedstaaten, Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere der Beihilfeempfänger, Wettbewerber und Berufsverbände“ gemäß Artikel 20 in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe h der Verfahrensverordnung, ist immer noch zu weit.

Brüssel, den 11. Oktober 2016

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Markku MARKKULA


(1)  Siehe Bekanntmachung vom 19.5.2016: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/ modernisation/notice_aid_en.html.

(2)  http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-622_de.htm.

(3)  Siehe Ziffer 29, Stellungnahme des AdR vom 30. November 2012 zum Thema „Modernisierung des EU-Beihilfenrechts“.

(4)  http://europa.eu/rapid/press-release_STATEMENT-15-4646_de.htm.

(5)  Siehe Ziffer 20, AdR-Stellungnahme vom 3.12.2014: Förderung der Qualität öffentlicher Investitionen im Handlungsbereich der EU (BUDG-V-009).

(6)  http://ec.europa.eu/competition/consultations/2014_state_aid_notion/index_en.html.

(7)  http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4889_de.htm zu den Beschlüssen über folgende Fälle: Öffentliche Krankenhäuser in Hradec Králové/CZ (SA.37432), Medizinisches Versorgungszentrum Durmersheim/DE (SA.37904), Städtische Projektgesellschaft „Wirtschaftsbüro Gaarden“ (Kiel)/DE (SA.33149), Landgrafen-Klinik/DE (SA.38035), Investitionsbeihilfe für den Hafen von Lauwersoog/NL (SA.39403), Glenmore Lodge/UK (SA. 37963) und Golfclubs im Eigentum der Mitglieder/UK (SA.38208).

(8)  Siehe Punkte 196 und 197 der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV.

(9)  http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/practical_guide_gber_en.pdf.

(10)  http://ec.europa.eu/competition/consultations/2016_gber_review/index_en.html.

(11)  Stellungnahme des AdR zum Thema EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftfahrtunternehmen vom 28. November 2013, COTER-V-043.

(12)  Siehe Beschluss der EU-Kommission zum Flughafen Angoulême, 23.7.2014: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-498_de.htm.

(13)  Beihilferegister GD Wettbewerb, SA.23827.

(14)  Siehe Ziffer 48: „Es [wäre] nicht zweckmäßig …, bestimmte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen an eine Dienstleistung zu knüpfen, die von im Einklang mit den Marktregeln handelnden Unternehmen zu normalen Marktbedingungen, die sich z. B. im Hinblick auf den Preis, objektive Qualitätsmerkmale, Kontinuität und den Zugang zu der Dienstleistung mit dem vom Staat definierten öffentlichen Interesse decken, zufriedenstellend erbracht wird oder erbracht werden kann“.