21.3.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 88/64


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik

(2017/C 088/13)

Berichterstatterin:

Anne Quart (DE/SPE) Staatssekretärin für Europa und Verbraucherschutz, Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg

Referenzdokument:

JOIN(2015) 50 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Erwägungen

1.

ist der Ansicht, dass die Förderung von Stabilität und Wohlstand in der Nachbarschaft der EU zu den obersten Prioritäten der Außen- und Sicherheitspolitik der EU zählen sollte, und dringt darauf, dass die Potenziale lokaler und regionaler Gebietskörperschaften (LRG) bei der Konzipierung und Umsetzung der europäischen Außenpolitik berücksichtigt werden; ist der Auffassung, dass der Ausschuss der Regionen einen bedeutsamen Beitrag zur Vertrauensbildung und internationalen Zusammenarbeit auf regionaler und lokaler Ebene leisten sollte;

2.

stellt fest, dass die Nachbarschaftspolitik (ENP) nur nachhaltig wirken kann, wenn sie den Bürgerinnen und Bürgern der EU-Mitgliedstaaten und der ENP-Länder einen konkreten Nutzen bringt; fordert, dass diesem Aspekt bei der Umsetzung der neuen Strategie ein zentraler Stellenwert eingeräumt wird;

3.

stellt fest, dass die ENP vor allem ein Projekt der Institutionen der Europäischen Union und der Regierungen der Mitgliedstaaten und der Nachbarstaaten ist; betont, dass die erfolgreiche Umsetzung der Programme und Projekte sowohl in den EU-Mitgliedstaaten als auch in den beteiligten Drittstaaten erhebliche Auswirkungen auf der regionalen und lokalen Ebene zeitigt; fordert, dass im Rahmen der ENP vorrangig die Zusammenarbeit auf lokaler und regionaler Ebene und die Interaktion der Zivilgesellschaften gestärkt und dafür adäquate Mittel zur Verfügung gestellt werden; besteht darauf, dass die LRG und ihre Vereinigungen in jede Umsetzungsphase der ENP — von der Programmplanung bis hin zur demokratischen Kontrolle — eingebunden werden; ist der Auffassung, dass sie an den Arbeiten der Assoziationsausschüsse und -räte beteiligt werden und den Status ständiger Beobachter erhalten sollten;

4.

fordert mehr konkrete Projekte zur Förderung zwischenmenschlicher Kontakte; hält es für unverzichtbar, mehr Mittel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Partnerschaften zwischen Gebietskörperschaften und den Wissenschafts-, Kultur- und Jugendaustausch zur Verfügung zu stellen; bekräftigt seine Forderung, die Partner in die Programme der Union, beispielsweise Erasmus einzubinden; begrüßt, dass die Kommission der Frage der Visaerleichterung einen hohen Stellenwert einräumt und konkrete Vorschläge für Ukraine und Georgien unterbreitet hat; bekräftigt seine Unterstützung für eine Zusammenarbeit in Visa- und Mobilitätsfragen mit jenen ENP-Partnerländern, die eine Annäherung an die EU wünschen, einschließlich Visaliberalisierung und Erleichterung des Dialogs;

5.

bekräftigt die in seiner Stellungnahme vom 9. Juli 2015„Eine neue Europäische Nachbarschaftspolitik“ enthaltenen Vorschläge; fordert die Europäische Kommission und den EAD auf, diese bei der Umsetzung der Strategie konsequent zu berücksichtigen;

6.

stellt fest, dass die bewaffneten Konflikte, die Anwendung von Gewalt, die Verletzungen der territorialen Souveränität, der Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechts der Völker, der Terrorismus und die ernsthafte Destabilisierung in zahlreichen Ländern und Regionen in der Nachbarschaft der EU zahlreiche Todesopfer, Verletzte, Binnenvertriebene und erzwungene Auswanderung zur Folge haben und die Entwicklung von nachhaltigen Partnerschaften hemmen; betont, dass es wichtig ist, sich von geopolitischen Überlegungen und Wunschdenken zu verabschieden, realistische Ziele auf der Grundlage einer realistischen Bewertung festzulegen und die Zusammenarbeit zwischen denjenigen Partnern zu organisieren, die ein echtes Interesse an einer Zusammenarbeit und auch die Fähigkeit haben, langfristige Ziele zu erreichen; besteht darauf, dass trotz der notwendigen Differenzierung weiterhin ein Gleichgewicht zwischen der östlichen und der südlichen Nachbarschaft gewahrt werden muss;

7.

weist darauf hin, dass eine Partnerschaft nur auf der Basis von Gleichberechtigung und gegenseitigem Vorteil dauerhaft gestaltet werden kann; begrüßt, dass die Kommission dieser Frage bei der Überprüfung der ENP besondere Bedeutung beigemessen hat, und fordert, das Konzept der gleichberechtigten beiderseitigen Verantwortung für die ENP-Partnerschaft in der Praxis umzusetzen;

8.

unterstreicht insbesondere, dass die konsequente Einhaltung der Menschenrechte und der Normen des humanitären Völkerrechts nicht infrage gestellt werden darf; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Konflikte, die viele ENP-Länder erschüttern, neue Herausforderungen im Hinblick auf den Schutz der Flüchtlinge und die Achtung des humanitären Völkerrechts mit sich bringen und neue Ansätze für die Einbeziehung neuer und wirksamerer Instrumente zur uneingeschränkten Wahrung der europäischen und internationalen Normen zum Schutz von Flüchtlingen erfordern; betont zudem, dass bei den anstehenden Verhandlungen über globale Migrationspakte mit zahlreichen ENP-Ländern die lokalen Behörden einbezogen und die Migrationspolitik und die Nachbarschaftspolitik stärker miteinander verzahnt werden sollten, um Widersprüche und Verzerrungen zu vermeiden;

Stabilität der EU und ihrer Nachbarschaft

9.

betont, dass Europa den größten Einfluss auf Stabilität und Wohlstand in seiner Nachbarschaft durch die Attraktivität des sozioökonomischen Modells der EU, die Einheit und Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten, nachhaltige Entwicklung, Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und demokratischen Freiheiten ausübt; unterstreicht, dass der wichtigste Beitrag zur Stabilisierung der Nachbarschaft die Stabilität der EU und das Festhalten an ihren Werten und Prinzipien ist;

10.

fordert, Sicherheitsbedrohungen in ihrer Komplexität zu analysieren und bei der Bearbeitung der Ursachen von Instabilität anzusetzen; betont, dass vorrangig die sozioökonomischen Ursachen der aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit und Migration angegangen werden müssen; begrüßt die Zusage der EU, gemeinsam mit den Partnern der ENP an der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu arbeiten; fordert, dass zusätzliches Augenmerk auf die Förderung der sozialen Rechte gerichtet wird, weil nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung für eine stabile Nachbarschaft ausschlaggebend sind; betont, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen der entscheidende Punkt für die Zukunft der meisten Nachbarschaftsländer ist; begrüßt, dass ein besonderer Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen gelegt werden soll; betont, dass hierfür ein Mehrebenen-Ansatz — von der nationalen zur regionalen und lokalen Ebene — sowie regionale, subregionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit notwendig sind; fordert, dass die sektoriellen Kooperationsprogramme so gestaltet werden, dass sie durch die LRG umgesetzt werden können;

11.

begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag für einen neuen Partnerschaftsrahmen für die Zusammenarbeit mit Drittländern und für eine neue europäische Investitionsoffensive für Drittländer vorgelegt hat, mit der die Migrationsursachen durch Mobilisierung von Investitionen, Verstärkung der technischen Hilfe und Unterstützung wirtschaftlicher und struktureller Reformen zur Verbesserung des unternehmerischen Umfelds und der allgemeinen politischen Rahmenbedingungen angegangen werden sollen; fordert, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der EU von Anbeginn an in diesen Prozess einzubinden;

12.

erwartet, dass in den neuen „Migrationspakten“, die gegenwärtig von der EU mit Jordanien und dem Libanon im Rahmen der Mitteilung „Über einen neuen Partnerschaftsrahmen“ vom 7. Juni 2016 ausgehandelt werden, unter Achtung der Menschenrechte und der Normen des humanitären Völkerrechts ein gutes Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen und Gegebenheiten dieser Länder und den Erwartungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten gefunden wird;

13.

bekräftigt seine Verpflichtung dem tunesischen Volk gegenüber und fordert eine echte tiefgreifende und umfassende Partnerschaft zwischen der EU und Tunesien; betont, dass die Fortführung der friedlichen und demokratischen Entwicklung zu einer stabilen Wirtschafts- und Sicherheitslage ein äußerst positives Signal für alle ENP-Länder wäre; unterstreicht die Notwendigkeit einer erheblichen Aufstockung der EU-Hilfe für Tunesien zur Unterstützung der Konsolidierung der Demokratisierung und zur Förderung von Investitionen und Entwicklung in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft, insbesondere bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Erhaltung hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen, die allen Bürgern zugänglich sind; nimmt die Einleitung ehrgeiziger Verhandlungen über ein vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Tunesien zur Kenntnis und ruft die Kommission zu einem ganzheitlichen Ansatz auf, um zu gewährleisten, dass dieses Abkommen von gegenseitigem Nutzen sein wird, ohne dass die erheblichen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den beiden Parteien außer Acht gelassen werden;

14.

fordert, die LRG in der EU wie auch in den ENP-Ländern prioritär dabei zu unterstützen, den Geflüchteten eine qualitativ angemessene Grundversorgung zur Verfügung zu stellen, statt Flüchtlinge in Drittländer auszuquartieren, sowie auf längere Sicht eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Herkunftsgemeinden und -regionen unter Einbeziehung dieser Menschen zu gestalten; weist darauf hin, dass die Geflüchteten, die aus den Nachbarländern nach Europa gekommen sind, perspektivisch eine Brücke zwischen der EU und den Nachbarländern darstellen;

15.

spricht sich angesichts von religiöser Radikalisierung, Nationalismus, Extremismus und Terrorismus für die Entwicklung von Strategien und die Bereitstellung geeigneter Instrumente aus, um den interkulturellen Dialog innerhalb der EU und mit den Gesellschaften ihrer Nachbarländer zu fördern; hebt die Verantwortung und das Potenzial von LRG in diesem Bereich hervor; wir brauchen diesen Dialog zwischen Politikern, wir brauchen ihn aber auch innerhalb der Zivilgesellschaft und insbesondere zwischen den Bürgerinnen und Bürgern;

16.

stellt fest, dass gutnachbarschaftliche Beziehungen zu den ENP-Ländern und deren Nachbarn für die Stabilität in Europa unverzichtbar sind; weist darauf hin, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit und der politische Dialog zwischen der EU und der Russischen Föderation besonders wichtig sind; verweist darauf, dass eine Normalisierung der ökonomischen und politischen Beziehungen zu Russland von der vollständigen Umsetzung des Minsker Abkommens abhängig ist; weist darauf hin, dass auf der subnationalen Ebene und zwischen der Zivilgesellschaft und den wirtschaftlichen Interessenträgern auch weiterhin eine Zusammenarbeit und ein Dialog bestehen und dass dieses Potenzial bei der Überwindung von Differenzen besser genutzt werden sollte;

Differenzierung und regionale Zusammenarbeit

17.

betont, dass die Kooperation mit der EU nicht zu einem Wettbewerb zwischen den Nachbarländern um die besten Beziehungen zur EU, sondern zu regionaler und territorialer Zusammenarbeit führen sollte; unterstreicht die Unverzichtbarkeit der multilateralen Dimension der ENP; betont, dass die vielschichtigen Herausforderungen zur Stabilisierung der Nachbarschaft nur zu bewältigen sind, wenn alle Partner einer Region systematisch zusammenarbeiten; stellt fest, dass es seitens der EU eines größeren Engagements bedarf, um den multilateralen Ansatz der Nachbarschaftspolitik zu beleben und den LRG dabei einen zentralen Platz einzuräumen;

18.

weist auf das Engagement und das Potenzial des Ausschusses der Regionen für die regionale Zusammenarbeit hin, insbesondere die Versammlung Europa-Mittelmeer der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften (ARLEM), die Konferenz der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften der Östlichen Partnerschaft (CORLEAP) sowie die Task-Force für die Ukraine; fordert die Kommission und die EU-Delegationen auf, die Fachkompetenz dieser drei Gremien besser zu nutzen;

19.

stellt fest, dass sich Georgien, Moldau und die Ukraine in Erwartung eines langfristigen Nutzens für die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder für eine besonders enge Beziehung mit der EU entschieden und Assoziierungsabkommen unterzeichnet haben; ist besorgt angesichts der sozialen Kosten der Reformprozesse, die die Akzeptanz der Annäherung in der Bevölkerung gefährden, und fordert die EU auf, noch enger mit den betroffenen Ländern zusammenzuarbeiten, um Wege für die Bewältigung dieser Herausforderung zu finden; unterstreicht die Bedeutung der Dezentralisierungsreformen in diesen Ländern für die Umsetzung der Abkommen und fordert, die Demokratisierungsprozesse auf lokaler und regionaler Ebene mit Priorität zu befördern;

20.

fordert Strategien, um eine Situation zu vermeiden, in der sich Länder zwischen einer engeren Zusammenarbeit mit der EU oder anderen Partnern entscheiden müssen; begrüßt, dass mit den neuen Verhandlungen zwischen der EU und Armenien neue Wege beschritten werden, um eine enge Kooperation mit der EU zu ermöglichen, ohne andere internationale Verpflichtungen zu beeinträchtigen; ist der Auffassung, dass diese Erfahrungen auch für die Entwicklung der Beziehungen zu Belarus und Aserbaidschan genutzt werden sollten;

21.

fordert subregionale Strategien, die den überaus unterschiedlichen Herausforderungen und Realitäten in der südlichen Nachbarschaft gerecht werden, nämlich in Form einer Strategie für die Region Adria-Ionisches Meer, einer Strategie für den westlichen Mittelmeerraum und einer Strategie für den östlichen Mittelmeerraum;

22.

fordert die Hohe Vertreterin und die Kommission auf, eine konkrete Strategie für die Einbeziehung der Nachbarn der Nachbarn in die ENP-Länder vorzulegen, insbesondere die Russische Föderation, um diesen Ansatz mit Leben zu erfüllen;

23.

unterstreicht, dass Partnerschaft in den Grenzregionen beginnt; fordert die Kommission auf, deren Rolle anzuerkennen und sich entwickelnde grenzüberschreitende Zusammenarbeiten zwischen LRG in den Nachbarschaftsländern zu unterstützen und somit ein Beispiel für weitere ENP-Länder zu schaffen; fordert die Erarbeitung eines über den gegenwärtigen Finanzrahmen hinausgehenden längerfristigen und umfassenden Konzeptes; fordert in diesem Zusammenhang, die Möglichkeit zur Gründung von EVTZ zwischen EU-Regionen und benachbarten Regionen zu nutzen und im Hinblick auf die Entwicklung aller Grenzregionen der EU mit den ENP-Ländern rasch eine Vereinbarung zur Vereinheitlichung des Einsatzes von EU-Mitteln aus INTERREG Europa und dem Europäischen Nachbarschaftsinstrument zu treffen;

Verantwortung und Bürgerorientierung

24.

unterstreicht, dass lokale und regionale Verantwortung unerlässlich ist für eine erfolgreiche ENP und dass EU-Politiken und Maßnahmen sowie die Finanzierung unter Berücksichtigung regionaler Bedürfnisse bestimmt werden sollten. Hierbei sollte ein umfassender Ansatz gewählt werden, der allen Teilen der Gesellschaft zugutekommt und die regionale Entwicklung unterstützt; weist darauf hin, dass die Rolle der LRG, insbesondere in Grenzgebieten, in den bilateralen Aktionsplänen verstärkt werden sollte und dass dies eine Stärkung der Rechte und der Zuständigkeiten der LRG erfordert sowie eine Ausstattung mit ausreichenden und durch die LRG abrufbaren Finanzmitteln;

25.

stellt fest, dass Kenntnisse über die EU und die Vereinbarungen der ENP-Länder mit der EU auf der subnationalen Ebene und in der Zivilgesellschaft wenig entwickelt sind; fordert die Kommission in Zusammenarbeit mit den EU-Delegationen auf, die Sichtbarkeit der Kooperationsprogramme auf regionaler und lokaler Ebene deutlich zu erhöhen, lokale und regionale Akteure insbesondere durch Lehrerbildungsprogramme für Lehrkräfte und den Austausch von Lehrmaterial besser zu informieren und zu schulen und auf subnationaler Ebene den Aufbau von Kapazitäten zur Nutzung der ENP-Programme zu stärken;

26.

sieht es als essenziell an, das Engagement der Jugend und die Teilhabe der Frauen als Schlüsselfaktoren für die Entwicklung der Nachbarschaftsstaaten zu stärken;

27.

fordert mehr konkrete Projekte vor Ort mit fühlbaren Ergebnissen und positiven Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger;

Gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit sowie Achtung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten

28.

unterstreicht, dass gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie sowie die Achtung der Menschenrechte und demokratischen Freiheiten von grundlegender Bedeutung für Stabilität sind; weist darauf hin, dass die einzelnen Gesellschaften in der Nachbarschaft der EU von verschiedenen historischen Erfahrungen und Gegebenheiten geprägt sind und dass Standards für Demokratie und Menschenrechte weder von außen noch von oben auferlegt werden können, sondern sich von unten nach oben entwickeln müssen; betont die Rolle der LRG bei der Verankerung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Gesellschaft; betont, dass diese Grundwerte das Fundament der ENP bilden, das nicht verwässert werden darf, und weist auf die Notwendigkeit hin, in den Partnerschaftsabkommen wirksamere institutionelle Verfahren vorzusehen, die eine Überwachung der Wahrung dieser Grundwerte durch die Partner ermöglichen;

29.

weist darauf hin, dass in einem Großteil der Nachbarschaftsländer die Verwaltungskapazitäten auf den subnationalen Ebenen verbessert werden müssen; bekräftigt die Bereitschaft des AdR und seiner Mitglieder und der beteiligten Gebietskörperschaften sowie ihrer nationalen Verbände, an den Programmen zum Aufbau der Verwaltungskapazitäten in den Nachbarländern mitzuwirken; fordert die Kommission auf, die dazu notwendigen administrativen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen; fordert, Dezentralisierungsreformen in Staaten der Nachbarschaft verstärkt zu unterstützen; schlägt vor, mit Nachbarschaftsstaaten sektorielle Pilotprojekte zu vereinbaren, die in der Verantwortung lokaler und regionaler Behörden umgesetzt werden, um so Erfahrungen mit Dezentralisierungsprozessen zu ermöglichen;

30.

fordert die Kommission auf, Projekte für lokale und regionale Abgeordnete und lokale Verwaltungen zu entwickeln, in deren Rahmen der Erfahrungsaustausch mit LRG aus der EU organisiert werden kann; fordert, die nationalen Vereinigungen der LRG stärker zu unterstützen, um den Erfahrungsaustausch zwischen den LRG innerhalb der Länder zu fördern; spricht sich für einen deutlichen Ausbau der Städtepartnerschaftsprogramme und des Programms für Informationsaustausch und technische Unterstützung (TAIEX) sowie des Twinning-Programms aus; fordert die Kommission auf, die im Rahmen von ARLEM, CORLEAP und der Arbeitsgruppe Ukraine entwickelten Aktivitäten unter Federführung des AdR nicht nur politisch, sondern auch finanziell adäquat zu unterstützen;

31.

bekräftigt seine Aufforderung an den Europäischen Auswärtigen Dienst, als praktische Maßnahme einen Ansprechpartner für LRG in jeder der 16 Delegationen der Kommission in den ENP-Ländern zu benennen;

Zusammenarbeit im Energiebereich

32.

stellt fest, dass eine enge Zusammenarbeit in Energiefragen wesentlicher Bestandteil der Beziehungen der EU mit ihren Nachbarn ist, da viele von ihnen wichtige Energielieferanten für die EU-Mitgliedstaaten sind; vertritt die Ansicht, dass die EU ihre Abhängigkeit von externen Lieferanten und Energieträgern verringern kann, indem sie die Energieeffizienz in allen Phasen der Energiewertschöpfungskette verbessert, in größtmöglichem Umfang erneuerbare und andere einheimische Energiequellen nutzt und ökologisch nachhaltigen Kraftstoffen und Technologien den Vorzug gibt. Auf diese Weise leistet sie auch einen Beitrag zur Umsetzung der in Paris festgelegten COP 21-Ziele; betont, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren Nachbarn in Energiefragen vor allem Projekte zur Entwicklung der Energieinfrastruktur und zur Energieeffizienz umfassen sollte;

33.

weist darauf hin, dass der Bürgermeisterkonvent für Klima und Energie als Plattform für die Zusammenarbeit in diesem Bereich genutzt werden könnte, und ist bereit, in diesem Zusammenhang den Sachverstand und das Fachwissen der AdR-Botschafter des Bürgermeisterkonvents im Hinblick auf die Umsetzung der Klima- und Energieziele in den ENP-Ländern zur Verfügung zu stellen;

34.

anerkennt das Recht der Staaten, über ihre Energieversorgung zu entscheiden; fordert, die Anliegen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der Bürgerinnen und Bürger dabei konsequent zu berücksichtigen, und verweist auf den massiven Widerstand zahlreicher Gemeinden in der EU gegen die Förderung von Erdgas und Erdöl mittels Hydrofracking und fordert, die Einhaltung höchster EU-Umweltstandards bei der Erdgas- und Erdöl-Förderung und -Verarbeitung zum Gegenstand der Energiekooperation mit den ENP-Ländern zu machen;

35.

fordert, dass die Interkonnektivität der Energienetze nicht nur innerhalb der EU, sondern auch zwischen der EU und ihren Nachbarn und wiederum deren Nachbarn verbessert wird;

36.

ist besorgt, dass die Energiepreise in einigen ENP-Staaten massiv gestiegen sind; fordert, dass das Bekenntnis der Kommission zur Förderung der Bezahlbarkeit von Energie in konkrete Konzepte zur Unterstützung der von Energiearmut betroffenen Bevölkerung in den ENP-Ländern mündet;

37.

ist überzeugt, dass der Schwerpunkt bei neuen Energieprojekten auf der Diversifizierung der Energieträger liegen sollte und diese Projekte den Status der ENP-Länder als Transitländer nicht infrage stellen sollten;

Schaffung von Synergien

38.

empfiehlt einen besseren Austausch über die in der Zusammenarbeit mit der östlichen sowie der südlichen Nachbarschaft gemachten Erfahrungen und begrüßt das diesbezügliche Engagement der Mitglieder der ARLEM, der CORLEAP und der Arbeitsgruppe Ukraine;

39.

fordert eine engere Koordinierung zwischen der ENP und den von der EU erarbeiteten Programmen zur Erleichterung der Flüchtlingssituation in den Nachbarschaftsstaaten;

40.

begrüßt, dass in der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union die Rolle der Regionen als „maßgebliche Governance-Räume in einer dezentralisierten Welt“ anerkannt und angestrebt wird, „weltweit kooperative regionale Ordnungen [zu] fördern und [zu] unterstützen“; fordert die Hohe Vertreterin und den EAD auf, die Erfahrungen der LRG anzuerkennen und zu nutzen;

Finanzmittel

41.

betont, dass die im Rahmen des Europäischen Nachbarschaftsinstruments bereitgestellten Finanzmittel nicht den politischen Bestrebungen und Herausforderungen in der Nachbarschaft der EU angemessen sind, und bedauert, dass im Zuge der Überprüfung der ENP keine Aufstockung der Finanzmittel empfohlen wurde;

42.

stellt fest, dass sich die EU derzeit mehr Krisen gegenübersieht als je zuvor, insbesondere der Flüchtlingskrise, Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten, die zu einer Gefährdung wesentlicher Werte geführt haben; hebt hervor, dass diese Krisen zum Zeitpunkt des Abschlusses des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2014-2020 noch nicht vorherzusehen waren; fordert die Kommission auf, einen Vorschlag für eine Überarbeitung des MFR im Hinblick auf eine Anhebung der Obergrenzen unter der Rubrik 4 und Rubrik 3 vorzulegen, der auch zu einer substanziellen Anhebung der ENP-Mittel führt, u. a. um die Migrations- und Flüchtlingskrise zu bewältigen und um die Aufnahme und Integration von Migranten, für die die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften die Hauptverantwortung tragen, zu gewährleisten. Der neue MFR bietet die Gelegenheit, die Mittel aufzustocken, die für die Umsetzung der Prioritäten der Europäischen Migrationsagenda — auch in Bezug auf Drittländer — vorgesehen sind;

43.

fordert ein schrittweises Abgehen von der Praxis, die ENP-Finanzmittel vorrangig auf die Kooperation mit der nationalen Ebene zu konzentrieren; fordert, dass möglichst den Bedingungen der einzelnen Länder entsprechende Prozentsätze für die Finanzierung von Projekten auf subnationaler Ebene festgelegt werden; betont die Notwendigkeit, die Finanzmittel der EU gezielt den Bedürfnissen der regionalen und lokalen Akteure anzupassen, u. a. durch die Unterstützung kleiner Projekte und die flexible Gestaltung der Ko-Finanzierung; schlägt vor, dass die Kommission die Möglichkeit der Wiedereinführung der früheren, in den Beitrittsländern genutzten Fazilität für Kommunal- und Regionalverwaltungen (LAF) erwägt und ihren Anwendungsbereich mit strikteren Erstattungsregularien, die die Durchführung konkreterer und nachhaltigerer Projekte bedingen, auf die ENP-Länder ausweitet; fordert die sorgfältige Kontrolle der Verwendung der Finanzmittel, u. a. durch die Zivilgesellschaft.

Brüssel, den 11. Oktober 2016

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Markku MARKKULA