21.2.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 66/23


P8_TA(2016)0202

Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten im Zeitraum 2014-2015

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. April 2016 zu dem Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (Artikel 116 Absatz 7 GO) für die Jahre 2014–2015 (2015/2287(INI))

(2018/C 066/04)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Artikel 1, 10, 11 und 16 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 15 und 298 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

unter Hinweis auf die Artikel 41 und 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (1),

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (2),

unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 15. Dezember 2011 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (Neufassung) (3),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. März 2014 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (Artikel 104 Absatz 7 GO) für die Jahre 2011-2013 (4),

unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Oktober 2013 in der Rechtssache C-280/11 P Rat der Europäischen Union gegen Access Info Europa,

unter Hinweis auf das von der Kommission im Mai 2015 vorgestellte Paket „Bessere Rechtsetzung“,

unter Hinweis auf die von Präsident Juncker für die Kommission vorgegebenen politischen Leitlinien,

unter Hinweis auf die Berichte der Kommission, des Rates und des Parlaments über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 in den Jahren 2013 und 2014,

unter Hinweis auf das Grünbuch der Kommission aus dem Jahr 2007 zum Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten im Besitz der Organe der Europäischen Gemeinschaft,

unter Hinweis auf den Jahresbericht 2014 des Bürgerbeauftragten,

gestützt auf Artikel 52 und Artikel 116 Absatz 7 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie die Stellungnahme des Rechtsausschusses (A8-0141/2016),

A.

unter Hinweis darauf, dass vollständige Transparenz Voraussetzung dafür ist, dass die Bürger den Organen der Union vertrauen, und dazu beiträgt, dass sich die Bürger der aus der Rechtsordnung der Union abgeleiteten Rechte bewusst werden und dass sie den Beschlussfassungsprozess in der EU, einschließlich der ordnungsgemäßen Umsetzung der Verwaltungs- und Legislativverfahren, kennen und begreifen;

B.

unter Hinweis darauf, dass das Recht auf den Zugang zu Dokumenten ein in der Charta der Grundrechte und den Verträgen verankertes Grundrecht ist, das mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 umgesetzt wurde, wobei das Ziel insbesondere darin bestand, die Wahrnehmung dieses Rechts so einfach wie möglich zu gestalten und bewährte Verwaltungsverfahren für den Zugang zu Dokumenten zu fördern und so eine demokratische Kontrolle der Arbeit der Organe und der Einhaltung der in den Verträgen verankerten Bestimmungen zu gewährleisten;

Transparenz und Demokratie

1.

weist darauf hin, dass viele der in seiner Entschließung zum Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten für die Jahre 2011-2013 enthaltenen Empfehlungen von den drei Organen nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sind; bedauert insbesondere die Tatsache, dass die EU-Organe und -Einrichtungen nicht aus der jeweilig bestehenden Führungsstruktur einen Transparenzbeauftragten benannt haben, der für die Einhaltung der Bestimmungen und die Verbesserung der Praktiken zuständig sein soll; fordert die Organe auf, dies kurzfristig nachzuholen;

2.

verweist darauf, dass nach Artikel 10 Absatz 1 EUV die Maßnahmen und die Politik der EU-Organe auf der repräsentativen Demokratie beruhen und dass die EU-Organe die Einhaltung der Grundsätze der umfassenden Transparenz, der geteilten Verantwortung und der ordnungsgemäßen und zeitnahen Unterrichtung der Bürger gewährleisten müssen; betont, dass in Artikel 10 Absatz 3 EUV die partizipative Demokratie als einer der wichtigsten demokratischen Grundsätze der EU anerkannt wird, indem hervorgehoben wird, dass die Entscheidungen so bürgernah wie möglich getroffen werden müssen; betont, dass die Ergebnisse öffentlicher Anhörungen, die im Rahmen der Beteiligung der Bürger am Beschlussfassungsprozess durchgeführt werden, von den Organen berücksichtigt werden müssen;

3.

weist darauf hin, dass nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 Transparenz und der Zugang zu allen Dokumenten der Organe die Regel sein müssen und dass die in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmeregelungen — wie bereits mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegt wurde — ordnungsgemäß und unter Berücksichtigung des übergeordneten öffentlichen Interesses an der Verbreitung und den Anforderungen der Demokratie, einschließlich einer vermehrten Beteiligung der Bürger am Beschlussfassungsprozess, der Legitimität der Verwaltung und der Effizienz und der Verantwortung gegenüber den Bürgern — ausgelegt werden müssen;

4.

ist der Ansicht, dass die Organe, Agenturen und sonstigen Einrichtungen der Europäischen Union bei der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 die mit dem Vertrag von Lissabon und der Charta der Grundrechte eingeführten Regeln und Änderungen nach wie vor weder gebührend berücksichtigen noch einhalten, und zwar insbesondere was die partizipative Demokratie betrifft; nimmt mit Genugtuung die unlängst ergangenen Urteile der Großen Kammer des Gerichtshofs in den Rechtssachen Digital Rights Ireland  (5) und Schrems  (6) zur Kenntnis, in denen sich der Gerichtshof auf die Charta stützte, als er die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung (7) bzw. die Safe-Harbour-Entscheidung (8) für nichtig erklärte; hebt hervor, dass sich der tatsächliche Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten sowie die Verwaltung von Dokumentenregistern auf Standards gründen müssen, die in angemessener Weise die Artikeln 41 und 42 der Charta einhalten;

5.

betont, dass bei der Gewährleistung von Transparenz auch für den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz gesorgt werden sollte;

6.

erinnert daran, dass jede Ablehnung des öffentlichen Zugangs zu Dokumenten auf einer klar und genau definierten rechtlichen Ausnahmeregelung beruhen und ordnungsgemäß und konkret begründet sein muss, damit der Bürger die Ablehnung des Zugangs verstehen und von den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen effektiv Gebrauch machen kann;

7.

betont, dass zum Aufbau eines legitimen, rechenschaftspflichtigen und demokratischen politischen Systems, das im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit steht, die Bürger ein Recht haben müssen, Folgendes zu wissen und zu kontrollieren:

das Handeln ihrer gewählten oder für die Ausübung eines Amtes in einer öffentlichen Einrichtung ernannten Vertreter;

den Beschlussfassungsprozess (einschließlich der im Umlauf befindlichen Dokumente, der beteiligten Personen, der abgegebenen Stimmen usw.);

die Art und Weise, in der die öffentlichen Gelder zugeteilt und ausgegeben werden, und die hiermit erzielten Ergebnisse;

hält aus diesem Grund die Veröffentlichung eines elektronischen Registers, in das alle vorstehenden Punkte aufgenommen werden, für geboten;

8.

fordert die Kommission nachdrücklich auf, ein für Transparenz und Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten zuständiges Kommissionsmitglied zu benennen; fordert den Vizepräsidenten der Kommission auf, in der Zwischenzeit und so schnell wie möglich einen ambitionierten Aktionsplan in Bezug auf Transparenz und Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten vorzulegen und damit anzuerkennen, dass Transparenz der Eckpfeiler einer besseren Rechtsetzung ist;

9.

bedauert, dass der Zugang der Bürger zu den Unterlagen der Organe der EU nach wie vor schwierig ist, weil es zur Erleichterung des Zugangs zu Dokumenten für Bürger keinen gemeinsamen Ansatz der Organe gibt, der sich auf vollständige Transparenz, Kommunikation und direkte Demokratie gründen würde; fordert die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU nachdrücklich auf, einen proaktiven Ansatz zur Transparenz dadurch weiter zu entwickeln, dass sie von sich aus so viele ihrer Dokumente wie möglich auf die einfachste, benutzerfreundlichste und zugänglichste Art offen legen, die Dokumente auf Anforderung in eine andere Amtssprache der EU übersetzen lassen und geeignete, einfache und kostengünstige Vorkehrungen für den Zugang zu Informationen, einschließlich auf digitalem und elektronischem Wege, einrichten, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zugeschnitten sind; vertritt insbesondere die Auffassung, dass die Zugänglichkeit von Informationen mittels Schnittstellen und Suchsystemen, die einfach benutzt werden können, verbessert werden sollte; fordert die Entwicklung eines gemeinsamen Zugangspunkts zu den Portalen der drei Organe, wobei man auf dem Pilotprojekt für die Online-Plattform für die proaktive Veröffentlichung von Dokumenten der EU-Organe aufbauen sollte, und die Harmonisierung von Suchportalen zwischen den Abteilungen desselben Organs (einschließlich der Generaldirektionen der Kommission); fordert die Organe außerdem auf, die Verbreitung der europäischen Rechtsvorschriften und der europäischen Politik weiterzuführen und zu stärken; vertritt die Ansicht, dass die Union zu diesem Zweck uneingeschränkt von den Möglichkeiten der neuen Technologien (soziale Netzwerke, Anwendungen für Smartphones usw.) Gebrauch machen sollte, damit vollständig und mühelos auf die Informationen zugegriffen werden kann;

10.

bedauert, dass offiziellen Dokumenten häufig eine zu hohe Geheimhaltungsstufe zugewiesen wird; bekräftigt seinen Standpunkt, dass klare und einheitliche Regeln für die Festsetzung und Aufhebung der Geheimhaltungsstufe von Dokumenten festgelegt werden sollten; bedauert, dass die Organe ohne hinreichende Begründung Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit einberufen; fordert die Organe erneut auf, Anträge auf Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 zu prüfen und öffentlich zu begründen; meint, dass Anträge auf Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Parlament vom Parlament auf Einzelfallbasis bewertet werden sollten; ist der Auffassung, dass ein Aufsichtsgremium die Verfahren zur Festsetzung und Aufhebung der Geheimhaltungsstufe überwachen sollte;

11.

fordert die Organe, Einrichtungen und Agenturen der EU auf, schnellere, weniger aufwändige und besser zugängliche Verfahren für den Umgang mit Beschwerden gegen die Verweigerung des Zugangs einzurichten; ist der Auffassung, dass mit einem proaktiveren Ansatz wirksame Transparenz gewährleistet und sinnlosen Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden kann, die sowohl den Organen als auch den Bürgern unnötige Kosten und überflüssigen Aufwand verursachen könnten;

12.

fordert alle Organe nachdrücklich auf, die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 — bis zu ihrer erhofften Überarbeitung — sowie die nachfolgende Rechtsprechung in vollem Umfang und gemäß ihrem Wortlaut und Geist anzuwenden und dabei den Änderungen durch den Vertrag von Lissabon und die Charta der Grundrechte Rechnung zu tragen; fordert insbesondere den Rat, einschließlich seiner vorbereitenden Gremien, auf, Protokolle der Sitzungen der Arbeitsgruppen des Rates und andere Dokumente sowie — vor dem Hintergrund der Rechtssache „Access Info Europe“ — die Identität der Mitgliedstaaten, die sich geäußert haben, sowie ihre Vorschläge zu veröffentlichen; fordert das Parlament auf, die Tagesordnungen und Vermerke zur Rückmeldung von Sitzungen der Ausschusskoordinatoren, des Präsidiums und der Konferenz der Präsidenten sowie grundsätzlich alle in diesen Tagesordnungen erwähnten Unterlagen im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 zugänglich zu machen, indem sie auf der Website des Parlaments veröffentlicht werden;

13.

fordert alle Organe auf, die strengeren Transparenzvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 anzuwenden, wenn sich die verlangten Auskünfte auf Umweltfragen beziehen, und ihren Verpflichtungen nachzukommen, Umweltinformationen aus eigener Initiative zu veröffentlichen;

14.

fordert alle Organe auf, ihre internen Vorkehrungen zur Meldung von Fehlverhalten zu bewerten und bei Bedarf zu überarbeiten, und fordert Schutz für Hinweisgeber (whistleblowers); fordert insbesondere die Kommission auf, dem Parlament Bericht über ihre Erfahrungen mit den 2012 für die Bediensteten der EU angenommenen neuen Bestimmungen über das Melden von Missständen und die entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen zu erstatten;

Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001

15.

betont, dass sich das Recht auf Zugang zu Dokumenten seit dem Inkrafttreten des EUV und des AEUV auf alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU erstreckt; ist daher der Ansicht, dass die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 dringend aktualisiert und mit Blick auf die Bestimmungen in den Verträgen und die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte grundlegend überarbeitet werden muss; hält es insbesondere für geboten, ihren Geltungsbereich auszuweiten, sodass alle europäischen Organe — wie beispielsweise der Europäische Rat, die Europäische Zentralbank und der Gerichtshof –, für die die Verordnung derzeit nicht gilt, und alle Einrichtungen und Stellen der EU eingeschlossen werden;

16.

bedauert, dass die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 im Rat immer noch blockiert ist, und hofft, dass so bald wie möglich Fortschritte erzielt werden; fordert den Rat auf, eine konstruktive Haltung einzunehmen und den oben genannten Standpunkt zu berücksichtigen, den das Europäische Parlament am 15. Dezember 2011 in erster Lesung in Bezug auf die Verabschiedung einerr Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung allgemeiner Grundsätze und Beschränkungen für das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Union angenommen hat;

17.

empfiehlt die Aufstellung einheitlicher Grundsätze für den Zugang zu Dokumenten, die den Bürgern mehr Klarheit verschaffen würden, was auch auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 und der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 erfolgen könnte;

18.

bedauert, dass bei der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 kaum Fortschritte hinsichtlich der Verpflichtung der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen erzielt worden sind, vollständige Dokumentenregister zu führen, wie dies in deren Artikel 11 und 12 sowie schlussendlich im Vertrag von Lissabon und in der Charta der Grundrechte vorgesehen ist; fordert einen gemeinsamen Ansatz zu einzurichtenden Registern und fordert all diejenigen EU-Organe, die dies noch nicht getan haben, auf, Dokumentenregister einzurichten und Maßnahmen umzusetzen, mit denen die Festlegung der Geheimhaltungsstufe und die Art der Bereitstellung der Dokumente der Organe vereinheitlicht werden; fordert insofern erneut — neben einem gemeinsamen Zugangspunkt zu den Portalen der drei Organe — gemeinsame Verfahren und Kriterien für die Registrierung sowie die Zuweisung von interinstitutionellen Codes, damit künftig ein gemeinsames interinstitutionelles Register, einschließlich einer speziellen gemeinsamen Datenbank zum Stand der Legislativdossiers, geschaffen werden kann;

19.

erinnert daran, dass die Organe gemäß Artikel 1 Buchstabe c und Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 dazu verpflichtet sind, „eine gute Verwaltungspraxis im Hinblick auf den Zugang zu Dokumenten zu fördern“ und „eine gute Verwaltungspraxis [zu entwickeln], um die Ausübung des durch diese Verordnung gewährleisteten Rechts auf Zugang zu Dokumenten zu erleichtern“; hebt hervor, dass im Sinne von Artikel 298 AEUV und Artikel 41 der Charta der Grundrechte Transparenz eng mit dem Recht auf eine gute Verwaltung verknüpft ist, und bekräftigt seine Forderung nach Erlass einer Verordnung über Verwaltungsverfahren innerhalb der eigenen Verwaltung der EU (9);

20.

erinnert daran, dass der Verweis auf den Schutz der Wirksamkeit des Beschlussfassungsverfahrens mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon für Rechtsakte gestrichen wurde;

Transparenz des Rechtsetzungsverfahrens

„Triloge“

21.

betont, dass die Transparenz des Rechtsetzungsverfahrens von größter Bedeutung für die Bürger ist; fordert die Organe auf, die Dokumente, die Teil des Legislativverfahrens sind oder einen Bezug zu ihm aufweisen, zugänglich zu machen; vertritt insbesondere die Auffassung, dass die Organe der EU der Öffentlichkeit so viele Dokumente wie möglich auf ihren Websites zur Verfügung stellen und prüfen sollten, ob „Ihr Europa“ als einheitliches, öffentlich zugängliches EU-Portal genutzt werden kann, um die Konsultation zu erleichtern;

22.

nimmt zur Kenntnis, dass die Bürgerbeauftragte eine Untersuchung der sogenannten „Triloge“ eingeleitet hat, bei denen es sich um eine etablierte Praxis handelt, die bei den meisten EU-Rechtsvorschriften zur Anwendung kommt; fordert die Bürgerbeauftragte nachdrücklich auf, die ihr nach den Verträgen und dem Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten zustehenden Untersuchungsbefugnisse vollständig auszuschöpfen;

23.

weist darauf hin, dass der Rückgriff auf Triloge — wenn auch nicht in den Verträgen förmlich vorgesehen — anerkanntermaßen zu dem Mittel geworden ist, um einen Konsens zwischen den Rechtsetzungsinstanzen herzustellen und das im Vertrag vorgesehene Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen; merkt dementsprechend an, dass Vermittlungsausschüsse nur bei der dritten Lesung und als letztes Mittel zum Einsatz kommen;

24.

bedauert, dass die Bürger keine Möglichkeit haben, die Trilogverhandlungen zu kontrollieren; bekundet seine Besorgnis darüber, dass diese Praxis im Bereich der Gesetzgebung dazu führen könnte, dass während der Triloge neue Elemente in ein Gesetzgebungsvorhaben eingefügt werden, ohne dass hierfür ein Vorschlag der Kommission oder ein Änderungsantrag des Parlaments als Grundlage dienen würde, wodurch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren und die öffentliche Kontrolle umgangen werden können;

25.

bedauert, dass aufgrund des Durchsickerns von formellen und informellen Trilogunterlagen ein ungleicher Zugang zu Dokumenten und somit zu Gesetzgebungsverfahren besteht, was sich kenntnisreiche und gut vernetzte Interessengruppen zunutze machen; weist darauf hin, dass das Durchsickern von Dokumenten ein geringeres Ausmaß hätte, wenn die Dokumente unverzüglich auf einer leicht zugänglichen Plattform proaktiv veröffentlicht würden;

26.

erinnert daran, dass in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Gefahr des Drucks von außen anerkannt wird und einen legitimen Grund für die Beschränkung des Zugangs zu Dokumenten im Zusammenhang mit dem Beschlussfassungsverfahren darstellen kann, aber nur dann, wenn das Vorhandensein eines solchen Drucks eindeutig erwiesen und nachgewiesen ist, dass das Risiko, dass die zu treffende Entscheidung aufgrund dieses Drucks von außen erheblich beeinträchtigt wird, begründet anzunehmen ist (10); ist besorgt darüber, dass die derzeitige Praxis beim umfassenderen Zugang zu entscheidenden Phasen des Gesetzgebungsverfahrens Lobbyisten gegenüber der breiten Öffentlichkeit bevorzugt;

27.

weist darauf hin, dass Triloge zwar wichtig und wirksam sind, die derzeitigen für sie geltenden Verfahren aber im Hinblick auf die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens bedenklich sind; fordert die beteiligten Organe auf, für mehr Transparenz der informellen Triloge zur Stärkung der Demokratie zu sorgen, indem sie den Bürgern ermöglichen, alle Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen ist, wie dies der Gerichtshof der Europäischen Union in den verbundenen Rechtssachen Schweden und Turco gegen Rat erkannt hat, und zugleich den Rechtsetzungsinstanzen hinreichend Reflexionsspielraum einzuräumen; fordert die EU Organe auf, dem zuständigen parlamentarischen Ausschuss eingehender über den Stand der Trilog-Verhandlungen Bericht zu erstatten; ist der Ansicht, dass in dem Fall, dass im Rahmen von Trilogen Dokumente, wie Tagesordnungen, Zusammenfassungen von Ergebnissen, Protokolle und allgemeine Ausrichtungen im Rat, erarbeitet werden und zur Verfügung stehen, solche Dokumente einen Bezug zu Gesetzgebungsverfahren aufweisen und grundsätzlich nicht anders als sonstige legislative Dokumente behandelt werden dürfen; vertritt die Auffassung, dass eine Liste der Trilogverhandlungen und dieser vorstehend genannten Dokumente unmittelbar auf der Website des Parlaments bereitgestellt werden sollten; erinnert daran, dass die künftige interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung eine Datenbank für Legislativdossiers umfassen und — falls sie angenommen wird — eine Regelung zur sachgerechten Behandlung von Trilogen enthalten würde;

Änderungsanträge im Plenum

28.

bedauert, dass bei Einreichungen von mindestens 40 Mitgliedern unterzeichneten Änderungsanträgen im Plenum lediglich die Namen einiger Mitunterzeichner veröffentlicht werden; ist der Ansicht, dass die Namen aller Mitunterzeichner veröffentlicht werden sollten;

Verbindliches Register für Lobbyisten

29.

fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag für eine interinstitutionelle Vereinbarung zur Einrichtung eines verbindlichen interinstitutionellen Registers von Interessenvertretern sowie örtlichen Behörden und regionalen Organisationen, die innerhalb der Institutionen tätig sind, unverzüglich vorzulegen, und fordert, dass diesem Vorhaben größtmögliche Priorität eingeräumt wird; fordert, dass dieses Register detaillierte Angaben enthält, aus denen sich ergibt, wer welche Interessengruppe zu welchem Zweck und mit welchen Ressourcen und Finanzmitteln vertritt;

30.

hält seine Mitglieder und die Vertreter des Rates dazu an, sich an die Praxis der Kommission zu halten, wie sie in deren Beschluss vom 25. November 2014 niedergelegt wurde, und Informationen über Sitzungen zwischen ihnen und ihren Mitarbeitern einerseits und Interessenträgern und Vertretern der Zivilgesellschaft andererseits zu veröffentlichen;

31.

fordert das Parlament in diesem Zusammenhang auf, zunächst den Mitgliedern, die ihre Kontakte mit Lobbyisten offenlegen möchten, ein Formblatt für Berichterstatter zur Verfügung zu stellen, das diese ihren Berichten beifügen können, und auf den Internetseiten des Parlaments, die über die einzelnen Mitglieder informieren, einen Abschnitt für solche Angaben vorzusehen;

Delegierte Rechtsakte

32.

verweist darauf, dass nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 und im Interesse einer umfassenden parlamentarischen, demokratischen und transparenten Kontrolle auch der Zugang zu den Dokumenten gewährt werden muss, die im Rahmen der Befugnisübertragung erstellt wurden (delegierte Rechtsakte), da diese Rechtsakte einen großen Teil der europäischen Rechtsvorschriften darstellen, weswegen eine angemessene und transparente parlamentarische und demokratische Kontrolle in vollem Umfang gewährleistet werden sollte; beanstandet in diesem Zusammenhang insbesondere, dass aufgrund der mangelnden Einbeziehung der Rechtsetzungsinstanzen keine Transparenz bei den europäischen Aufsichtsbehörden (EBA, EIOPA, ESMA) gegeben ist; nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass noch kein einheitliches Register mit allen abgeleiteten Rechtsakten erstellt wurde, und fordert die Kommission auf, dieses Register unverzüglich einzurichten;

Internationale Übereinkünfte

33.

weist darauf hin, dass internationalen Übereinkünften eine verbindliche Wirkung zukommt und dass sie Auswirkungen auf das EU-Recht haben, und betont, dass die Verhandlungen während des gesamten Verfahrens transparent sein müssen, was bedeutet, dass die Organe das Verhandlungsmandat veröffentlichen sollten, das dem Verhandlungsführer der EU erteilt wurde, ohne dass die Verhandlungsposition der EU untergraben wird; ist der Auffassung, dass Dokumente im Zusammenhang mit internationalen Übereinkünften grundsätzlich öffentlich sein sollten, wenn es auch berechtigte Ausnahmen geben muss und dass das Vertrauen nicht untergraben werden darf, das unter den betroffenen Parteien notwendig ist, um effektive Verhandlungen zu erreichen; bedauert, dass die Kommission und der Rat regelmäßig alle Dokumente im Zusammenhang mit Verhandlungen als vertraulich einstufen, wodurch der Zugang der Bürger zu Informationen beschränkt wird; äußert seine Überzeugung, dass die Öffentlichkeit Zugang zu allen wichtigen Verhandlungsunterlagen haben sollte, einschließlich derjenigen, über die man sich bereits geeinigt hat, mit Ausnahme derjenigen, die als sensibel betrachtet werden, wobei eine eindeutige Begründung in jedem Einzelfall zu geben ist, wie dies in Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 festgelegt ist;

34.

weist die Kommission darauf hin, dass das Parlament nach Artikel 218 AEUV in allen Phasen während des Verhandlungsverfahrens unverzüglich und umfassend zu unterrichten ist; fordert die Kommission auf, in jeder Phase zu bewerten, welche Unterlagen und Informationen proaktiv veröffentlicht werden können;

Transparenz der Verwaltungsverfahren

35.

betont, dass Transparenz den in Artikel 41 der Charta und Artikel 298 AEUV verankerten Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung stärkt und zu seiner Umsetzung beiträgt; fordert daher die Organe der EU auf, dafür zu sorgen, dass ihre internen Verwaltungsverfahren diesem Ziel gerecht werden;

36.

fordert die Organe der EU auf, gemeinsame Standards zur Regelung der Frage festzulegen, wie die Verwaltungsverfahren abgewickelt und wie die entsprechenden Dokumente bereitgestellt, eingestuft, freigegeben, registriert und verbreitet werden können; hofft, dass in Kürze ein Legislativvorschlag hierzu vorgelegt werden kann;

Vertragsverletzungsverfahren

37.

bedauert den Mangel an Transparenz bei Aufforderungs- und Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten; fordert insbesondere, dass die im Rahmen dieser Verfahren von der Kommission an die Mitgliedstaaten übersandten Dokumente und die entsprechenden Antworten öffentlich zugänglich sind; fordert außerdem, dass die Informationen über die Vollstreckung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs aus eigener Initiative veröffentlicht werden;

Verwaltung von Strukturfonds und andere Themen

38.

fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Informationen zu den Verhandlungen über nationale und regionale operationelle Programme umfassend zugänglich und wirklich transparent sind;

39.

hält eine vollständige Transparenz der Daten und den Zugang zu ihnen für wesentlich, damit Missbrauch und Betrug verhindert und bekämpft werden; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, die Veröffentlichung der Daten von sämtlichen Begünstigten der Strukturfonds und von den Unterauftragnehmern zwingend vorzuschreiben; weist erneut darauf hin, dass die vollständige Transparenz der öffentlichen Ausgaben in der EU unerlässlich ist, um Rechenschaftspflicht zu gewährleisten und Korruption zu bekämpfen;

40.

fordert die Kommission auf zu überwachen, ob die Mitgliedstaaten die in der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 festgelegten Informations- und Mitteilungspflichten erfüllen, und erforderlichenfalls die für einen Verstoß gegen diese Pflichten vorgesehenen Sanktionen zu verhängen;

41.

weist darauf hin, dass bei der Veröffentlichung von Informationen über die Vergütungen der MdEP und die entsprechende Regelung auf der Website des Parlaments zwar Fortschritte erzielt wurden, dieser Ansatz jedoch unter Berücksichtigung der bewährten Verfahren der einzelstaatlichen Parlamente sowie der Initiativen einzelner MdEP verfolgt werden sollte; fordert daher alle MdEP auf, sich aktiv darum zu bemühen, Informationen über ihre jeweiligen Tätigkeiten und die Verwendung von Mitteln offenzulegen, sodass dem Parlament in Bezug auf Transparenz und Offenheit in der EU weiterhin eine Vorreiterrolle zukommt und für die öffentlichen Mittel eine bessere Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit gewährleistet ist;

42.

nimmt die Wende in der Transparenzpolitik der EZB, der zufolge die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des EZB-Rats vorgesehen ist, zur Kenntnis, bedauert jedoch, dass die EZB im Vergleich zu anderen Zentralbanken weltweit diesbezüglich noch aufzuholen hat; erwartet die Umsetzung weiterer Maßnahmen, damit die Transparenz der Kommunikationskanäle der EZB verbessert wird;

43.

hofft außerdem, dass künftig sämtliche Dokumente über die im Rahmen der Überprüfung der Aktiva-Qualität getroffenen Entscheidungen veröffentlicht werden, damit für gleiche Wettbewerbsbedingungen in der gesamten EU gesorgt ist; hofft, dass auch für den künftigen einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM), gemäß der einschlägigen Bestimmungen der Sab 1. Januar 2016 geltenden SRM-Verordnung, Transparenzregeln gelten werden;

44.

fordert den gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 eingesetzten interinstitutionellen Ausschuss auf, sich stärker zu engagieren und die zuständigen Ausschüsse über die erörterten Themen zu informieren; fordert den Ausschuss ferner auf, regelmäßiger zusammenzutreten und seine internen Diskussionen und Beratungen dadurch zu öffnen, dass Vertreter der Zivilgesellschaft, die Europäische Bürgerbeauftragte und der Europäische Datenschutzbeauftragte eingeladen werden und deren Beiträge berücksichtigt werden; fordert ihn auf, sich dringend mit den in dieser Entschließung genannten Themen zu befassen;

45.

hält es für wesentlich, dass die Einrichtungen der EU eine gemeinsame Politik zu Interessenkonflikten verfolgen; stellt fest, dass die bislang verfolgte Politik in manchen Fällen Bestimmungen über die Veröffentlichung der Lebensläufe und der Interessenerklärungen des Direktors und der anderen Führungskräfte umfasst; weist jedoch mit Besorgnis darauf hin, dass die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Lebensläufe und der Interessenerklärungen nicht für die Sachverständigen gilt; fordert die Einrichtungen auf, diese Verpflichtung auf die Sachverständigen auszuweiten;

Folgemaßnahmen

46.

verlangt von der Kommission und fordert den Generalsekretär des Europäischen Parlaments auf, das Parlament über die Umsetzung der in dieser Entschließung enthaltenen Empfehlungen zu informieren;

47.

fordert die Kommission auf, die Kriterien für die Veröffentlichung der Empfänger von Strukturfondsmitteln zu vereinheitlichen;

o

o o

48.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, der Bürgerbeauftragten, dem Datenschutzbeauftragten und dem Europarat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.


(1)  ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.

(2)  ABl. L 264 vom 25.9.2006, S. 13.

(3)  ABl. C 168 E vom 16.6.2013, S. 159.

(4)  Angenommene Texte, P7_TA(2014)0203.

(5)  Verbundene Rechtssachen C-293/12 und C-594/12. Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 8. April 2014.

(6)  Rechtssache C-362/14. Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 6. Oktober 2015.

(7)  Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006.

(8)  Beschluss 2000/520/EG der Kommission vom 26. Juli 2000.

(9)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2013 mit Empfehlungen an die Kommission zu einem Verwaltungsverfahrensrecht der Europäischen Union (ABl. C 440 vom 30.12.2015, S. 17).

(10)  Rechtssache T-144/05, Pablo Muñiz gegen Kommission, Randnr. 86.