28.12.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 487/24


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — „Wie geht es weiter nach Paris?“

(Initiativstellungnahme)

(2016/C 487/04)

Berichterstatterin:

Tellervo KYLÄ-HARAKKA-RUONALA

Beschluss des Plenums

26.4.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

5.9.2016

Verabschiedung auf der Plenartagung

21.9.2016

Plenartagung Nr.

519

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

129/0/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Das Übereinkommen von Paris ist ein ersehnter Schritt hin zu einem weltweiten Engagement zur Eindämmung des Klimawandels. Es muss nun ratifiziert, umgesetzt und weiterentwickelt werden. In dieser Stellungnahme legt der EWSA seine Ansichten zu den wesentlichen Strategien dar, mit denen der langfristige Wandel in die mit dem Übereinkommen angestrebte klimaneutrale Zukunft bewerkstelligt werden soll.

1.2.

Angesichts der enormen globalen Herausforderungen ist ein grundlegender Wandel in der Herangehensweise der Europäischen Union notwendig. Anstatt sich nur auf ihren eigenen Klimagasausstoß zu konzentrieren, sollte die EU überlegen, wie sie dazu beitragen kann, einen aus globaler Sicht möglichst hohen Klimanutzen zu erzielen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission in diesem Sinn auf, eine langfristige Strategie zur Förderung und Vergrößerung des globalen ökologischen Handabdrucks (1) der EU zu entwerfen.

1.3.

Die EU sollte ferner Lösungen anstreben, die unter sowohl wirtschaftlichen als auch sozialen und ökologischen Aspekten gewinnbringend sind. Der EWSA fordert daher die Kommission auf, die Klimastrategie so anzulegen, dass sie zur Stärkung der EU-Wirtschaft und zur Verbesserung des Wohlergehens der EU-Bürger beiträgt und gleichzeitig die Eindämmung des Klimawandels fördert.

1.4.

Weltweites Engagement ist eine wesentliche Voraussetzung, um echten Klimanutzen zu erzielen, die Verlagerung von Emissionen (carbon leakage) zu verhindern, das Investitionsrisiko zu senken und der Abwanderung von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Der EWSA appelliert an die Kommission, weiterhin durch aktive Klimadiplomatie eine umfassende Umsetzung des Übereinkommens zu fördern und andere große Volkswirtschaften zu ermutigen, ebenso ehrgeizige Verpflichtungen einzugehen wie die EU. Die Kommission sollte auch in allen Bereichen der Außenpolitik, insbesondere Handel und Investitionen sowie Entwicklungszusammenarbeit, klimapolitische Überlegungen einbeziehen.

1.5.

In der Praxis kann die EU am besten zum Klimaschutz beitragen, indem sie Technologien sowie Lösungen für die Verringerung von Emissionen und den Ausbau von Kohlenstoffsenken exportiert und emissionsärmere Produkte für den Weltmarkt herstellt als ihre Konkurrenten. Der EWSA plädiert deshalb dafür, verstärkt Innovationen von der Forschungs- bis zur Markteintrittsphase zu fördern, um eine weltweit führende Rolle der EU im Bereich Klimaschutztechnologie sicherzustellen. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Potenzial der KMU gelten.

1.6.

Die interne Dimension der EU-Klimapolitik könnte auf handlungsorientierte, wirksame und kohärente Maßnahmen im Rahmen einer Klimaunion abheben. Zunächst muss alles darangesetzt werden, die bis jetzt gefällten Entscheidungen umzusetzen. Dabei haben die Kommission und die Mitgliedstaten jeweils ihre eigenen Zuständigkeiten.

1.7.

Der EWSA fordert die Kommission ferner auf, die langfristige Strategie bereichsübergreifend anzulegen. Der weitere Weg sollte im Zusammenspiel mit den einschlägigen „Unionen“ im Binnenmarkt — insbesondere in Verbindung mit Energie, Verkehr, Digitalisierung, Industrie, Landwirtschaft, Kapital und Innovation — entwickelt werden. Auch den Herausforderungen im Zusammenhang mit nachhaltigen Nahrungsmittelsystemen und der Rolle von Kohlenstoffsenken sollte besonderes Augenmerk gelten.

1.8.

Die Umsetzung der im Pariser Übereinkommen festgelegten Ziele sollte so weit wie möglich durch Marktmechanismen vorangetrieben werden. Ein globales Kohlenstoffpreissystem wäre ein neutrales und wirksames Mittel, um alle Marktteilnehmer ins Boot zu holen. Der EWSA ermutigt die Kommission, aktiv verschiedene Entwicklungspfade und Maßnahmen zu prüfen und gemeinsam mit anderen Ländern den Weg hin zu einem globalen Kohlenstoffpreis einzuschlagen.

1.9.

Der Weg von Paris hin zu einer Niedrigemissionswirtschaft ist mit außerordentlich großen Herausforderungen gepflastert. Zur Steuerung eines gerechten Wandels und zur Unterstützung der Unternehmen und Bürger bei der Anpassung an die Veränderungen und bei der Entwicklung neuer Lösungen und Kompetenzen müssen in der Klimastrategie geeignete Anpassungsmaßnahmen vorgesehen werden.

1.10.

Die zivilgesellschaftlichen Partner bewirken durch ihr Handeln vor Ort die Umstellung auf eine Niedrigemissionswirtschaft. Aufgabe der politischen Entscheidungsträger ist es, geeignete Rahmenbedingungen und die Finanzierung sicherzustellen und sie über alle verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren. Durch Entwicklung einer angemessenen Multi-Level-Governance ist das zivilgesellschaftliche Klimahandeln zu fördern und von eventuellen Hindernissen zu befreien. Der EWSA geht davon aus, dass er umfassend in die Entwicklung dieser Multi-Stakeholder-Infrastruktur sowie in die Erarbeitung der langfristigen EU-Klimastrategie einbezogen wird.

2.   Die EU als starker Akteur der internationalen Klimapolitik

2.1.

Auf der Weltklimakonferenz in Paris (COP 21) wurde ein globales Übereinkommen erzielt, um weltweit die Weichen für eine Begrenzung der Erderwärmung auf merklich unter 2 oC zu stellen und weitere Anstrengungen zur Senkung des Temperaturanstiegs auf 1,5 oC gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu unternehmen. Dazu sind weltweit massive Emissionssenkungen und tief greifende gesellschaftliche Veränderungen erforderlich.

2.2.

Angesichts der weltweit anstehenden Herausforderungen ist ein grundlegender Wandel in der Herangehensweise der EU an die Eindämmung des Klimawandels notwendig. Es ist entscheidend, dass die EU sich gezielt darum bemüht, weltweit konkrete Impulse zu setzen. In diesem Sinn sollte sie anstreben, nicht nur ihren eigenen „ökologischen Fußabdruck“ zu verringern, sondern auch ihren „ökologischen Handabdruck“ zu vergrößern.

2.3.

Weltweites Engagement ist eine wesentliche Voraussetzung, um den Klimawandel zu bewältigen, die Verlagerung von Emissionen (carbon leakage) zu verhindern, das Investitionsrisiko zu senken und der Abwanderung von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Die EU hat vor und während der Weltklimakonferenz in Paris eine Führungsrolle übernommen und sollte in diesem Sinn auch im Hinblick auf die künftigen Konferenzen der Vertragsparteien agieren. Ihre klimadiplomatischen Bemühungen sollte die EU in erster Linie auf diejenigen Länder mit dem größten Klimagasausstoß ausrichten, aber auch auf ihre unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten schärfsten Konkurrenten und vielversprechendsten Partner. Klima- und Wirtschaftsdiplomatie sollten Hand in Hand gehen.

2.4.

Die größten Verursacher sind China, die USA und die EU mit einem jeweiligen Anteil von mehr als 25 % bzw. rund 15 % bzw. ca. 10 % am weltweiten Klimagasausstoß. Der EU-Anteil an den Emissionen soll bis 2030 auf etwa 5 % sinken. Damit die Klimaschutzmaßnahmen der EU größtmögliche Wirkung zeitigen, muss die EU deshalb alles daransetzen, andere Parteien zu mehr Ehrgeiz zu bewegen.

2.5.

In der Praxis kann die EU am besten zum globalen Klimaschutz beitragen, indem sie Niedrigemissions-Konzepte exportiert und emissionsärmere Produkte für den Weltmarkt herstellt als ihre Konkurrenten.

2.6.

Neben den USA sind mittlerweile auch China und andere sich rasch entwickelnde Länder wichtige Lieferanten von Niedrigemissionstechnologien. Die EU hat sowohl auf den Exportmärkten wie auch auf dem Binnenmarkt in den letzten fünf Jahren in bestimmten Sektoren regelrechte Einbrüche erlebt, die einst vorhandene globale technologische Führerschaft ist verloren gegangen. Die Juncker-Kommission hat zwar den Anspruch formuliert, weltweit die Nummer eins bei erneuerbaren Energien werden zu wollen, doch dieses Ziel rückt derzeit in weite Ferne.

2.7.

Es müssen deshalb dringend neue und zusätzliche Impulse gesetzt werden, damit die EU bei Klimaschutzlösungen wieder führend wird. Die globalen Möglichkeiten erstrecken sich über ein breites Spektrum an Technologien, Produkten, Dienstleistungen, Wissen sowie allgemeine Produktions- und Verbrauchsmodelle. Auch sollte der Export von Know-how im Bereich Kohlenstoffsenken, bspw. durch den Transfer von Wissen im Bereich nachhaltige Waldbewirtschaftung und Aufforstung, als Chance begriffen werden, globale Impulse zu setzen.

2.8.

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission der Innovationsmission beigetreten ist, in deren Rahmen sich die größten Wirtschaftsmächte der Welt verpflichtet haben, ihre finanzielle Unterstützung von Forschung und Entwicklung im Bereich saubere Energie in den nächsten fünf Jahren zu verdoppeln.

2.9.

Eine wirksame Handels- und Investitionspolitik ist ein wesentliches Instrument für eine erfolgreiche Umsetzung von Niedrigemissions-Konzepten und die Förderung der Umstellung auf eine klimaneutrale Weltwirtschaft. Um konkrete Fortschritte zu erzielen, sollten Klimafragen ein wichtiger Aspekt von Verhandlungen über Handels- und Investitionsabkommen sein. Letztlich sollten Handelsschranken für klimafreundliche Produkte, Technologien und Konzepte aufgehoben werden; in diesem Kontext wäre besonders das Abkommen über den Handel mit Umweltschutzgütern relevant. Gemeinsame Lösungen sind auch erforderlich, um Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher regionaler Klimaschutzmaßnahmen und -anforderungen zu vermeiden.

2.10.

Im Bereich Entwicklungspolitik wurde die aktuelle Zielvorgabe einer von den Industrieländern zugesagten jährlichen Klimafinanzierung von 100 Mrd. USD auf der COP 21 bis 2025 verlängert; für die Umsetzung des Ziels wurde ein praktischer Fahrplan gefordert. Einzelne Länder machten ebenfalls Finanzierungszusagen. Nun kommt es darauf an, dass die Versprechen eingehalten und die Mittel wirtschaftlich, ökologisch und sozial verantwortungsvoll eingesetzt werden. Insbesondere in den Entwicklungsländern sind Aufklärungskampagnen notwendig, um die Akteure der Zivilgesellschaft über den Zugang zu Finanzmitteln zu informieren. Der EWSA hat im Kontext der EU-Afrika-Strategie einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet.

2.11.

In der Entwicklungspolitik spielt auch die technologische Zusammenarbeit eine Rolle. Dabei ist für einen angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums als wesentliche Voraussetzung für Innovation zu sorgen. Ferner ist darauf zu achten, dass die bereitgestellten Lösungen den Voraussetzungen in den Entwicklungsländern gerecht werden und diesen Ländern im Geiste der Partnerschaft ein klimaneutrales Wachstum ohne Beeinträchtigung ihrer Entwicklung ermöglichen. Die Entwicklungsländer müssen bei ihren Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen außerdem durch Kapazitätsaufbau unterstützt werden.

2.12.

Allgemein sollten Klimaschutzbelange in allen Dimensionen der EU-Außenpolitik durchgängig berücksichtigt werden, um weltweit die Umsetzung des Pariser Übereinkommens voranzubringen.

3.   Der Weg zu einer wirksameren Klimaunion

3.1.

Um auf einer soliden Grundlage weltweit Einfluss nehmen zu können, sollte die EU eine aufgrund ihrer internen Maßnahmen in vollem Maße wirksame, geschlossene und glaubwürdige Klimaunion anstreben, die allem voran eine Union des Handelns sein muss. Zunächst muss alles darangesetzt werden, die bis jetzt gefällten Entscheidungen umzusetzen. Dabei haben die Kommission und die Mitgliedstaten jeweils ihre eigenen Zuständigkeiten.

3.2.

Von der Eindämmung der Klimawandelfolgen sind alle Wirtschaftsbereiche betroffen, weshalb der Klimaunion ein integrierter Ansatz zugrunde gelegt werden muss. Weitere Klimaschutzmaßnahmen sollten im Zusammenspiel mit anderen einschlägigen „Unionen“ wie beispielsweise der Energieunion, dem einheitlichen europäischen Verkehrsraum, dem Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen, dem digitalen Binnenmarkt, der europäischen Industriepolitik, der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Kapitalmarktunion und der Innovationsunion entwickelt werden. Ferner muss sichergestellt werden, dass die EU-Klimapolitik und nationale Umsetzungsmaßnahmen ineinandergreifen.

3.3.

Die EU sollte durch die Erfüllung ihrer Klimaverpflichtungen ihre Wirtschaft und das Wohlergehen ihrer Bürger stärken. Klimapolitische Maßnahmen sollten nicht auf den simplen Ausgleich der wirtschaftlichen wie auch sozialen und ökologischen Aspekte, sondern auf allseits gewinnbringende Lösungen abheben. Daher muss ein emissionsarmes Wachstum gefördert werden, wobei u. a. das Potenzial der Digitalisierung, sauberer Technologien, der Bio-Ökonomie und der Kreislaufwirtschaft umfassend auszuschöpfen ist.

3.4.

Nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb der EU herrscht ein enormer Klimaschutz-Investitionsbedarf. Klimaschutzaspekte sollten in die Finanzierungskriterien öffentlicher Investitionsprogramme einfließen und auch bei der Förderung durch EU-Mittel berücksichtigt werden. Der öffentlich-privaten Zusammenarbeit, dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen und der Europäischen Investitionsbank kommen eine entscheidende Rolle zu. Der EWSA begrüßt die Errichtung des europäischen Investitionsvorhabenportals und der europäischen Plattform für Investitionsberatung und weist darauf hin, dass zahlreiche kleinere Projekte nicht aufgrund des Schwellenwerts für die Projekte ausgeschlossen werden dürfen.

3.5.

Die Voraussetzungen für Klimaschutzinvestitionen in der Privatwirtschaft sind dieselben wie für alle anderen Investitionen. Damit die durch Klimaschutz eröffneten geschäftlichen Chancen und Potenziale genutzt werden können, muss für ein wettbewerbsfähiges und stabiles Förderumfeld für Unternehmen gesorgt werden.

3.6.

Um sich zum weltweiten Spitzenreiter im Bereich Klimaschutztechnologien und -lösungen aufzuschwingen, muss die EU für innovationsfreundliche Rahmenbedingungen sorgen, die Forschung, Entwicklung, Pilotprojekte, Demonstration, Markteintritt und internationalen Marktausbau umfassen. Besonderes Augenmerk sollte dem Innovationspotenzial und dem internationalen Marktzugang der KMU gelten. In diesem Zusammenhang muss sichergestellt werden, dass KMU nicht am Zugang zu Finanzierung scheitern.

3.7.

Da die meisten Klimagasemissionen bei der Energieerzeugung verursacht werden, steht die Energie im Mittelpunkt des Wandels. Grundlegende Maßnahmen sind die Ersetzung fossiler Brennstoffe durch klimaneutrale Energieträger und die Verbesserung der Energieeffizienz in allen Sektoren und Tätigkeitsbereichen. Die zunehmende Elektrifizierung der Gesellschaft kann im Fall der Ersetzung fossiler Brennstoffe erheblich zur Senkung der Emissionen beitragen. In der Entwicklung von Stromspeichermöglichkeiten liegt eine der größten Herausforderungen und Chancen.

3.8.

Die Dekarbonisierung des Verkehrs, insbesondere des Straßenverkehrs, erfordert breit gefächerte Maßnahmen. Elektrizität und alternative Energieträger, moderne Biokraftstoffe, die Verbesserung der Energieeffizienz von Fahrzeugen und in der Logistik, die verstärkte Nutzung von emissionsarmen Verkehrsträgern, Ko-Modalität und öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Raumplanung spielen bei der Umstellung eine Rolle. Mit Blick auf die Schifffahrt und den Luftverkehr fordert der EWSA die Vereinbarung ehrgeiziger globaler Zielsetzungen im Rahmen der IMO und der ICAO.

3.9.

Eine erfolgreiche Dekarbonisierung setzt auch die Weiterentwicklung von Produkten und Produktionsverfahren voraus. Die größten Chancen liegen in der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle und der Gestaltung neuer klimaneutraler Produkte, die dienst- und funktionsorientiert sind. Dabei sollte das Potenzial sämtlicher Branchen nutzbar gemacht werden, ohne dass die politischen Entscheidungsträger Favoriten, bspw. bestimmte Branchen, Techniken oder Produkte, fördern.

3.10.

Die Land- und Forstwirtschaft sind im Kontext des Klimawandels in mehrfacher Hinsicht relevant. Neben Emissionssenkungen ist auch die Bindung von Kohlendioxid für die Eindämmung des Klimawandels wichtig. Die Bedeutung einer nachhaltigen Nutzung von forstwirtschaftlichen Ressourcen und einer angemessenen Bodenbewirtschaftung ist somit ersichtlich. Andererseits bereitet die Anpassung an den Klimawandel große Probleme in der Land- und Forstwirtschaft. Deshalb ist intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich Resilienz und Anpassung sowie der Senkenfunktion von Böden notwendig.

3.11.

Zwischen Klimawandel und Ernährungssicherheit besteht vor dem Hintergrund des raschen Bevölkerungswachstums ein existenzieller Zusammenhang. Um die enormen Herausforderungen von sowohl Ernährungssicherheit als auch Klimaschutz zu bewältigen, müssen nachhaltigere Nahrungsmittelsysteme geschaffen und gleichzeitig die Verlagerung von Emissionen und Arbeitsplätzen verhindert werden.

3.12.

Die Digitalisierung ist ein übergreifender Aspekt der Dekarbonisierung der Gesellschaft. Automatisierung, Robotik und das Internet der Dinge machen industrielle Abläufe und Logistiksysteme effizienter. Durch intelligente Energienetze, intelligente Mobilität, intelligente Gebäude und intelligente Gemeinschaften werden die Bürger in den Dekarbonisierungsprozess eingebunden, während Verbraucher zu Prosumenten werden und über digitale Plattformen Produkte und Dienstleistungen gemeinsam genutzt werden.

3.13.

Insgesamt kommt den Bürgern bei der Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft eine entscheidende Rolle zu. Der Umstieg auf nachhaltigere Konsummuster und Veränderungen der Lebensweise, bspw. der Ernährungs-, Einkaufs-, Fortbewegungs- und Freizeitgewohnheiten, können zu bemerkenswerten Ergebnissen führen. Sensibilisierungskampagnen, Produktinformationen und Bildungsmaßnahmen können den Bürgern helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen.

3.14.

Der EWSA hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Stellungnahmen zu spezifischen Maßnahmen zur Bewerkstelligung des Wandels hin zu einer klimaneutralen Zukunft in den oben genannten Bereichen geäußert (2).

3.15.

Beim Übergang hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft wird es sich nicht vermeiden lassen, dass es neben Gewinnern auch Verlierer gibt. Daher ist es unerlässlich, den Wandel in gerechter Weise kontrolliert zu steuern. Es bedarf geeigneter Maßnahmen zur Unterstützung der Unternehmen und Bürger bei der Anpassung an die neuen Gegebenheiten. Kostensteigerungen und Qualifikationslücken sind die größten Probleme, die gelöst werden müssen. Nach Ermittlung der am stärksten gefährdeten Branchen und Gruppen kann eine gezielte finanzielle Unterstützung hier Abhilfe schaffen. In erster Linie sollten jedoch neue Lösungen ausgelotet und Qualifikationen entwickelt werden.

4.   Umfassende Nutzung von Preisbildungsmechanismen

4.1.

Bei der Durchführung von Maßnahmen zur Verwirklichung der von den politischen Entscheidungsträgern im Rahmen des Pariser Übereinkommens festgelegten Ziele und Zielvorgaben sollten weitestmöglich Marktmechanismen zum Tragen kommen. Um den Klimaschutz auf neutrale und effiziente Weise voranzubringen, sollte eine globale Bepreisung von Klimagasemissionen angestrebt werden. Damit Preismechanismen funktionieren können, sollten deshalb ihnen zuwiderlaufende oder interferierende Energiesubventionen deshalb abgeschafft werden.

4.2.

In mehreren Ländern und Regionen gibt es bereits verschiedene Kohlenstoff-Preissysteme, die zumeist auf der Besteuerung von Kohlenstoff und auf der Zuteilung von und dem Handel mit Emissionsrechten beruhen. Es wird erwogen, die verschiedenen Systeme miteinander zu verknüpfen.

4.3.

Im EU-Emissionshandelssystem ist der Preis für Emissionszertifikate immer noch unerwartet niedrig, denn das Angebot an Emissionsrechten hat die Nachfrage weit überschritten, und sich überschneidende Subventionen haben den Markt beeinträchtigt. Die Emissionsobergrenzen sorgen für die Einhaltung der Emissionsreduktionsziele, doch bietet das System keinen Anreiz für Investitionen in klimaneutrale Energie. Dazu nämlich müsste der Kohlenstoffpreis angehoben werden, während gleichzeitig durch geeignete Maßnahmen Emissionsverlagerungen verhindert werden müssten.

4.4.

Ein gut funktionierendes und gerechtes globales Kohlenstoffpreissystem würde die Ausgangsbedingungen für Exportunternehmen auf dem Weltmarkt angleichen und somit das Investitionsrisiko senken und der Abwanderung von Arbeitsplätzen entgegenwirken. Außerdem hätten importierte Erzeugnisse, die aufgrund niedrigerer Klimaauflagen billiger sind, keinen Wettbewerbsvorteil mehr. Und Finanzierungsströme würden in die Entwicklungsländer umgeleitet. Deshalb sollte eine entsprechende globale Regelung mit Nachdruck angestrebt werden. Der Ausschuss erinnert daran, dass er sich zudem — quasi als Zwischenlösung — für einen „Border Carbon Adjustment“-Mechanismus ausgesprochen hat, bis eine solche globale Regelung greift (3). Allerdings sollte den Herausforderungen und Risiken solcher Mechanismen gebührende Aufmerksamkeit zukommen.

4.5.

Um die Voraussetzungen für ein geeignetes Preissystem und seine Auswirkungen zu ermitteln, sollten verschiedene Optionen sorgfältig geprüft werden. Zumindest folgende Pfade und Maßnahmen sollten ausgelotet werden:

übergreifende Vernetzung regionaler Preis- und Handelssysteme;

Einführung sektoraler internationaler Emissionshandelskonzepte in den wichtigsten Sektoren.

Der EWSA appelliert an die Kommission, aktiv verschiedene Entwicklungspfade und Maßnahmen zu prüfen, ihre Erfahrungen zu teilen und gemeinsam mit anderen Ländern den Weg hin zu einem globalen Kohlenstoffpreissystem einzuschlagen.

5.   Die vielfältige Rolle der Zivilgesellschaft

5.1.

Im Wandel in die klimaneutrale Zukunft kommt der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle auf globaler, europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu. Unternehmen, Arbeitnehmer, Verbraucher und Bürger bewerkstelligen den Wandel durch ihr Handeln vor Ort, während die politischen Entscheidungsträger für ein geeignetes Förderumfeld sorgen sollten.

5.2.

Auf den Märkten sind zahlreiche Fortschritte zu verzeichnen: Immer mehr private und institutionelle Anleger berücksichtigen bei ihren Investitionen das sog. Kohlenstoffrisiko, und es sind klimabezogene private Kapitalfonds errichtet worden. Viele Unternehmen erneuern und entwickeln ihre Tätigkeiten und ihre Produktpalette, um den klimabewussten Ansprüchen ihrer Kunden und Aktionäre gerecht zu werden. Über Branchengrenzen hinweg und zwischen Großunternehmen und KMU entstehen neue unternehmerische Ökosysteme.

5.3.

Auf der COP 21 verdeutlichten zahlreiche Tätigkeiten die Rolle der nachgeordneten Gebietskörperschaften, der Privatwirtschaft und anderer zivilgesellschaftlicher Akteure bei der Verwirklichung von Klimazielen und der Förderung neuer Partnerschaften. Die Dynamik der „Global Climate Action Agenda“ muss aufrechterhalten werden, um weitere Impulse für entsprechende Initiativen zu setzen.

5.4.

Wie der EWSA vorgeschlagen hat (4), sollte ein Bündnis aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft errichtet werden, um nichtstaatlichen Klimaschutz auf verschiedenen Ebenen zu fördern und ins Bewusstsein zu bringen, ein Forum für einen strukturierten Dialog zwischen Zivilgesellschaft und Entscheidungsträgern zu bieten und Hindernisse für Maßnahmen zu beseitigen. Der EWSA geht davon aus, dass er umfassend in die Entwicklung einer solchen schlüssig durchdachten Multi-Stakeholder-Infrastruktur einbezogen wird.

5.5.

Bei der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in anderen Regionen wie beispielsweise der Gruppe der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP-Gruppe) (5) oder dem Mittelmeerraum hat der Klimaschutz in Verbindung mit der Ernährungssicherheit für den EWSA oberste Priorität.

5.6.

Der EWSA strebt ferner eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Kommission bei der Erarbeitung der langfristigen Klimastrategie der EU an, mit der der Weg in eine klimaneutrale Zukunft bereitet wird.

Brüssel, den 21. September 2016

Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Der „Handabdruck“ misst die positiven Einflüsse auf die Umwelt oder Gesellschaft, der „Fußabdruck“ dagegen steht für negative Einflüsse durch bspw. Emissionen. (Norris 2015). Der „ökologische Handabdruck“ ist somit ein Maß für den durch die Verringerung von Emissionen oder den Ausbau von Senken bewirkten Klimanutzen. Der ökologische Handabdruck der EU setzt sich aus der Gesamtheit der positiven Einflüsse der EU überall in der Welt zusammen.

(2)  Siehe bspw. die EWSA-Stellungnahmen zu folgenden Themen: Die Auswirkungen der COP 21 auf die europäische Verkehrspolitik (ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 10); Lage der Energieunion 2015 (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 117); Kreislaufwirtschaft (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 98); Ein integrierter SET-Plan (ABl. C 133 vom 14.4.2016, S. 25); Umgestaltung des Energiemarkts (ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13); Energieeffizienzkennzeichnung (ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 6); Verbesserte Möglichkeiten für die Energieverbraucher (ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 22); Überprüfung des Emissionshandelssystems der EU (ABl. C 71 vom 24.2.2016, S. 57); Das Paris-Protokoll (ABl. C 383, 17.11.2015, S. 74); Auswirkungen der Klima- und Energiepolitik auf die Land- und Forstwirtschaft (ABl. C 291 vom 4.9.2015, S. 1); Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030 (ABl. C 424 vom 26.11.2014, S. 39); Marktwirtschaftliche Instrumente (ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 1).

(3)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Marktwirtschaftliche Instrumente“, Ziffer 3.5.1 und 3.5.2 (ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 1).

(4)  Stellungnahme des EWSA vom 14. Juli 2016 zur „Schaffung eines Bündnisses zur Erfüllung der Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris“ (ABl. C 389, vom 21.10.2016, S. 20).

(5)  Siehe die im Juli 2016 in Nairobi angenommene Entschließung des Netzes der wirtschaftlichen und sozialen Interessenträger EU-Afrika.