28.12.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 487/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Neue Maßnahmen für eine entwicklungsorientierte Governance und Durchführung — Bewertung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und diesbezügliche Empfehlungen“

(Initiativstellungnahme)

(2016/C 487/01)

Berichterstatter:

Etele BARÁTH

Beschluss des Plenums

21.1.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

8.9.2016

Verabschiedung auf der Plenartagung

21.9.2016

Plenartagung Nr.

519

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

171/1/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Nach Ansicht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) bedarf es einer koordinierten, entwicklungsorientierten europäischen Governance mit dem Ziel, zur Schaffung eines erneuerten, starken und friedlichen Europas beizutragen. Die Koordinierung muss gestärkt werden, eventuell durch eine neue Organisationsform für die Governance.

1.2.

Es gilt, anhand koordinierter Entwicklungen wieder für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung zu sorgen, die Grundlagen des gesellschaftlichen Wohls und der Demokratie, das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und den beispielhaften Umgang mit der Umwelt zu verbessern.

1.3.

Der EWSA weist darauf hin, dass mit der konsequenten Anwendung des Grundsatzes der Partnerschaft die Beteiligung der Interessenträger an der Planung und Durchführung von über die EU-Fonds finanzierten Investitionen gefördert werden soll. Hierdurch wird das kollektive Engagement für Investitionen gestärkt und mehr Fachwissen einbezogen. So wird die Umsetzung der Projekte effizienter, die Transparenz erhöht sowie zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch beigetragen.

1.4.

Benötigt werden Zielvorgaben und eine Strategie, die einfach und allgemein verständlich sind, sowie ein einheitliches Projekt Europa (EU-Strategie 2030-2050). Es sollte bekräftigt werden, dass das strategische Hauptziel der EU auch weiterhin darin besteht, ein innovatives, nachhaltiges und inklusives Europa zu schaffen. Dazu müssen auch die Ziele der COP 21 (die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung) in das Projekt aufgenommen werden.

1.5.

Die Entwicklungsprogramme müssen besser harmonisiert werden. Die Erarbeitung der kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungsprogramme und -instrumente muss auf einer Reihe prägnanter Ziele beruhen. Unter Instrumente ist die Gesamtheit der politischen, rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Instrumente zu verstehen.

1.6.

Der EWSA spricht sich dafür aus, die konventionellen europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) zusammen mit den marktorientierten und auch Privatkapital mobilisierenden Projekten im Rahmen des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) in den Dienst der gemeinsamen europäischen Ziele zu stellen, um die Harmonisierung zu verbessern. Dazu müssen auch die Ziele der COP 21 (die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung) in das Projekt aufgenommen werden.

1.7.

Der EWSA schlägt vor, das europäische Semester, das auf dem Jahreswachstumsbericht basiert und auch Mittel zur kontinuierlichen Einflussnahme auf das Projekt Europa und zur aufmerksamen Verfolgung seiner Entwicklungen vorsehen sollte, zum wesentlichen Instrument im Dienste einer verstärkten, entwicklungsorientierten zentralen Governance zu machen. So könnte das europäische Semester zugleich die Aufgaben der Systeme übernehmen, die für ein soziales Umfeld sorgen sollen, in dem sich die Menschen wohlfühlen.

1.8.

Neben dem bereits angenommenen, wirtschaftsorientierten BIP-Leistungsindikator, der auf Wirksamkeitsmessungen der entwicklungsorientierten Steuerung basiert, wäre ein Ergebnisindikator (BIP) sinnvoll, der diesen ergänzt, auch die Nachhaltigkeit widerspiegelt und vorrangig soziale und ökologische Faktoren umfasst.

1.9.

Es sind eine enge Koordinierung (Strong Coordination) und die Einführung einer offenen Methode der Koordinierung (Open Method of Cooperation) zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich. In den Entwicklungsverfahren muss die Änderung der bisherigen Praktiken berücksichtigt werden.

1.10.

Die Rechts- und Finanzinstrumente müssen konsolidiert werden. Die entwicklungsorientierte Governance hängt von der Dynamik der Wirtschaft, dem Anstieg des investierten Kapitals, einer größeren Effizienz des Investitionssystems, höheren Qualifikationen der Arbeitskräfte und der Leistung innovativerer Unternehmen ab. Ihr wichtiges längerfristiges Ziel besteht jedoch darin, für eine sich erneuernde Gesellschaft, Wohlergehen und eine bessere und nachhaltige Umwelt zu sorgen.

1.11.

Es ist eine auf mehrere Ebenen aufgeteilte Umsetzung erforderlich. Parallel zu der derzeitigen Reform (REFIT-Programm) müssen auch die Rechts- und Verwaltungsinstrumente für die entwicklungsorientierte Governance entwickelt werden. In diesem Zusammenhang gilt es, die Instrumente der mittleren Ebene, d. h. die Koordinierungsinstrumente für die makroregionale Entwicklung, deutlich zu stärken; zudem wird die Rolle der funktionalen Regionen, Städte, städtischen Gebiete, Ballungsräume, Metropolregionen und Netze innerhalb des für das Projekt Europa vorgesehenen Zeitrahmens erheblich an Bedeutung gewinnen.

1.12.

Ein wichtiger Bestandteil einer langfristigen entwicklungsorientierten Governance ist die Kontinuität. Die Rahmenbedingungen des zyklischen Verlaufs der Politik, des Planungs- und des Entwicklungsprozesses und der haushaltspolitischen Zeithorizonte müssen aufeinander abgestimmt werden. Die Entwicklungstätigkeit setzt eine kontinuierliche Analyse sowie Kontrolle und Korrektur voraus.

1.13.

Besonders wichtig sind die detaillierte Information der Öffentlichkeit und ihr Engagement, die Entwicklung der Kommunikation und der politischen Vermarktung sowie die korrekte Darstellung greifbarer Ergebnisse wie auch Schwächen.

1.14.

Der EWSA setzt sich konsequent für den Ausbau der demokratischen Teilhabe ein. Bei der offenen Methode der Zusammenarbeit ist auf allen Ebenen die Einbeziehung der Wirtschafts- und Sozialpartner sowie der nichtstaatlichen Organisationen sicherzustellen, was auf europäischer Ebene Hand in Hand mit einer Aufwertung der Rolle des EWSA gehen muss.

1.15.

Der EWSA — wie er bereits in seiner Stellungnahme von 2012 (1) betonte — begrüßt die durch die Europäische Kommission veranlasste Einführung des Europäischen Verhaltenskodexes für Partnerschaften (ECCP), mit dem die Mitgliedstaaten einen Rahmen für die partnerschaftliche Planung und Umsetzung erhalten sollen. Die eigene Vorstellung der Partner von Europa trägt zur Konzipierung der Ziele und zur Identifizierung mit ihnen bei bzw. hilft bei der wirksameren Umsetzung der Pläne.

1.16.

Der EWSA betont, dass über die auf Empfehlungen und vorbildlichen Verfahrensweisen beruhenden Partnerschaftsregelungen hinauszugehen ist und die für die Behörden der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Partnerschaft verbindlichen und an Sanktionen geknüpften Mindestanforderungen umfassend präzisiert werden müssen.

1.17.

Der EWSA empfiehlt, die Mitgliedstaaten dazu zu verpflichten, effiziente Finanzierungssysteme für den Auf- und Ausbau der Kapazitäten der Partner zu konzipieren, die über einfache Schulungen und die bloße Weitergabe von Informationen hinausreichen und auf den Aufbau von Partnerschaftsnetzen sowie die Einführung von Instrumenten für eine echte Beteiligung ausgedehnt werden müssen.

1.18.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnerschaftsnetzen zu stärken. Es ist ein von der Europäischen Kommission einzurichtendes Finanzierungssystem erforderlich, das die Arbeit der in der Regionalpolitik aktiven europäischen Netze von NGO, einschließlich der Überwachung der nationalen Prozesse und der Sicherstellung von Rückmeldungen, unterstützt.

2.   Für ein erneuertes und starkes Europa

2.1.    Bestandsaufnahme und Begründung

2.1.1.

Die Europäische Union ist stark, aber sie kämpft immer noch gegen verschiedene, immer wieder neu aufflammende Krisen. Dies wird am Brexit-Phänomen deutlich. Die Wirtschaftskrise von 2008 zerstörte die mit der Erweiterung zu Beginn der 2000er-Jahre einhergehende Euphorie und verkehrte den Aufholprozess in zahlreichen Ländern ins Gegenteil.

2.1.2.

Die Wirtschaftskrise und der sich daraus ergebende Investitionsrückgang ließen die auf dem Wachstum gründende Einheit der Mitgliedstaaten bröckeln und führten zu wachsenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Spannungen. Entgegen dem grundlegenden Ziel der EU nehmen die Entwicklungsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu.

2.1.3.

Die den Ländern mit hohen Staats- und Auslandsschulden und Haushaltsdefiziten auferlegte strenge Sparpolitik trägt zur Vergrößerung der Kluft zwischen den fortschrittlichsten und den von Sparmaßnahmen betroffenen Ländern bei. Es sind neue Strategien erforderlich, um Wirtschaftswachstum und Eindämmung von Haushaltsdefiziten einerseits und wirksame, der sozialen Inklusion förderliche Maßnahmen andererseits miteinander zu kombinieren.

2.1.4.

Armut, prekäre Arbeitsverhältnisse und Arbeitslosigkeit haben ein untragbares Maß erreicht. Die Perspektivlosigkeit der jungen Menschen ist ein großes Hindernis für die sich neu gestaltende Zukunft Europas.

2.1.5.

Die Europäische Union hat ihren Status als Investitionsstandort verloren und gilt als schwerfällig. Bei den produktiven Investitionen fällt sie nach und nach hinter die Vereinigten Staaten und einige ihrer Mitgliedstaaten wie Deutschland oder das Vereinigte Königreich zurück. Die rückständigen Länder bremsen die besonders dynamischen. Die einzelnen Länder sind zwangsläufig weniger aufeinander angewiesen. In einigen Ländern nimmt das Gefälle trotz eines bedeutenden Haushaltsüberschusses aufgrund der sinkenden produktiven Investitionen weiter zu, wodurch die ärmeren Regionen im Übrigen noch weiter zurückfallen. Die Reaktionen sind langsam und bürokratisch.

2.1.6.

Die grundlegenden Errungenschaften der Union wie das Euro-Währungsgebiet oder der Schengener Raum erweisen sich im Lichte der Migrationskrise und des Terrorismus heutzutage als trennende Faktoren und nicht als Elemente des Zusammenhalts. Viele Länder instrumentalisieren die EU für innenpolitische Kämpfe.

2.1.7.

Beim Entwicklungsstand der einzelnen Regionen ist keine Annäherung zu verzeichnen. Die Differenz zwischen den am stärksten entwickelten und den schwächsten Regionen beträgt gemessen am BIP 14:1. Manche besonders stark geförderten Länder nutzen die ihnen zugewiesenen Mittel anstelle ihrer staatlichen Instrumente und Investitionsfazilitäten, und die nationalen Beiträge sind auf ein Minimum gesunken, weit unter die ursprünglichen Ziele. Die Instrumente der neu eingerichteten Wettbewerbsräte können einen wesentlichen Beitrag zur Annäherung des Entwicklungsstands der einzelnen Regionen leisten.

2.1.8.

Die europäischen Bürger und die Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft und nichtstaatlicher Organisationen haben jegliche Perspektive verloren, die politischen Prozesse sind ihnen fremd geworden, und sie wenden sich zunehmend nach innen. Sie nehmen die EU als starre, unflexible und zu Erneuerung unfähige Institution wahr.

2.1.9.

Die Europäische Union ist — in erster Linie aufgrund ihrer im Entwicklungsbereich schwachen institutionellen Struktur und Leistungen — nicht in der Lage, genügend Mittel zu mobilisieren, um ihre — im Übrigen fragmentierten — Ziele zu erreichen.

2.1.10.

Zukunftsvision, politischer Wille und Regierungsfähigkeit divergieren. Die Koordinierungsmethode ist unzureichend und veraltet, die Rechtsinstrumente sind wirkungslos oder schwer anwendbar und die Mitwirkung der Organisationen sowie die Unterstützung seitens der Gesellschaft, u. a. aufgrund fehlender Kommunikation, schwach.

2.1.11.

Die langfristige Strategie der Union für den Zeitraum bis 2020 ist schon jetzt nicht mehr auf genügend lange Sicht ausgelegt und nicht mehr realistisch. Überdies ist sie fragmentiert und bietet keine Möglichkeit, die Prozesse innerhalb der aktuellen methodischen Rahmen zu steuern. Inzwischen sind die 17 vorrangigen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet worden, mit deren Berücksichtigung im Rahmen einer längerfristigen, komplexen Strategie die Europäische Kommission die Prüfung des Governance-Systems und der Governance-Instrumente in Angriff genommen hat.

2.2.    Neue Wege

2.2.1.

In diesem Zusammenhang hat die neu eingesetzte Europäische Kommission mit Unterstützung des Europäischen Parlaments ein neues Paradigma für die wirtschaftliche Entwicklung auf den Weg gebracht. Dessen formulierte Ziele — die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Wachstumsstimulierung, die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes, die Vereinfachung des Systems der Wirtschaftsregulierung, die Konsolidierung der vorrangigen Gemeinschaftsentwicklungen, der Energiemarkt, die Förderung der Investitionen in den digitalen Markt und in digitale Dienste, die vorrangige Behandlung der Europa verbindenden intellektuellen und physischen Netze sowie die Stärkung der Umwelthaftung — können der Wirtschaft eine bedeutende neue Dynamik verleihen.

2.2.2.

Das Europäische Semester und seine Komponenten bilden ein System, das über die wirtschaftliche Governance hinausgeht. Die Rolle der langfristigen sozioökologischen Ziele muss im Rahmen des Mechanismus des Europäischen Semesters verstärkt werden.

2.2.3.

Das vorrangige Programm zur vollständigen Konsolidierung des Finanzsystems des Euro-Währungsgebiets ist zum einen unzureichend und verschärft zum anderen auch die reale Angst, dass sich der Graben zwischen den europäischen Ländern weiter vertieft. Die europäischen Entwicklungsziele könnten die Starrheit des Europas der zwei Geschwindigkeiten verringern.

2.2.4.

Momentan bestimmen zwei große, grundverschiedene wirtschafts- und finanzpolitische Instrumentarien mit ihrem jeweils eigenen Verfahren die Entwicklungsprozesse; die Komplementarität dieser Instrumentarien muss bereits bei der Zielkoordinierung ausgebaut werden.

2.2.5.

Beim ersten Instrumentarium handelt es sich um die in den Verträgen verankerten klassischen europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds), die den sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt fördern sollen. Es handelt sich hier um fortlaufend modernisierte, aber in ihren Merkmalen unveränderte Investitions- und Entwicklungshilfen, die dank der Umverteilung des über die Beiträge der Mitgliedstaaten finanzierten EU-Haushalts zur Verfügung stehen. In einigen Fällen werden diese Fonds von den Begünstigten nicht gebührend geschätzt, die argumentieren, dass sie ihnen „zustehen“. Bei der sogenannten Halbzeitüberprüfung des bis 2020 reichenden Zeitraums müssen neue Rechtsvorschriften eingeführt werden, um die oben genannte Komplementarität zu fördern.

2.2.6.

Das zweite Instrumentarium ist der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI), welcher der Verwirklichung des neuen „Juncker-Plans“ dient und ein neues marktorientiertes, auf die Förderung von Risikokapital ausgerichtetes Finanzinstrument zur Mobilisierung von Mitteln seitens des Staates, der Banken und der Privatwirtschaft darstellt und dessen Betrag noch erhöht werden kann: Der eingerichtete Steuerungsmechanismus muss zu einem festen Bestandteil der entwicklungsorientierten Governance werden. Die Harmonisierung dieser beiden unterschiedlichen Finanzierungssysteme sollte ebenfalls auf der Ebene jedes Mitgliedstaats erfolgen.

2.2.7.

Im Vergleich zu diesen Finanzierungsquellen sind die anderen gut funktionierenden Finanzinstrumente diversifizierte, an ihre Funktionen angepasste Instrumente, die jedoch in ihrem Umfang begrenzt und auf spezifische Ziele ausgerichtet sind. Die Rahmenbedingungen für das Projekt Europa bieten die Möglichkeit einer systematischen und engen Koordinierung.

2.2.8.

Zu den wenigen, allerdings nicht miteinander verknüpften Zielen der auf die Koordinierung ausgerichteten Europa-2020-Strategie gehörten bisher keine direkten Instrumente zur Verwirklichung dieser Ziele. Es ist jedoch fraglich, ob sich die Entwicklung der EU ohne diese Instrumente angemessen koordinieren lässt. Daher muss die Planung des Zusammenspiels der verschiedenen Instrumente ebenfalls zu den Aufgaben des neuen Plans für den Zeitraum nach 2020 gehören.

2.2.9.

Die elf thematischen Ziele des mehrjährigen Finanzrahmens, welche die Realisierung der ESI-Fonds regeln, sowie die zehn Hauptziele des Juncker-Plans, die nur vage mit den oben genannten Zielen übereinstimmen, und ihre jeweilige Finanz- und Rechtsregelung tragen heute zur Verwirklichung der Europa-2020-Strategie bei. Hinzu kommen die 17 Referenzkriterien der Ziele für nachhaltige Entwicklung, die entscheidend für die Zukunft sind. Die Aufgaben im Rahmen der Programmplanung für die Zeit nach 2020 sollten auf einigen wenigen klar verständlichen und prägnanten Zielen beruhen.

2.2.10.

Heute führen die unterschiedlichen Mechanismen für die Verwirklichung der Ziele sowie die verschiedenen Anfangs- und Endzeiten und Zeitrahmen noch dazu, dass die Ziele weder transparent noch von der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Zivilgesellschaft leicht nachzuvollziehen oder zu verfolgen sind. Durch die fehlenden Synergien und Interaktionen zwischen den verschiedenen Zielen werden die Effizienz sowie die Wirksamkeit der Investitionen erheblich eingeschränkt. Die Synergien zwischen dem EFSI und der erneuerten Europa-2020-Strategie müssen mit der Ausarbeitung einer neuen EU-Strategie für den Zeitraum von 2030 bis 2050 (Projekt Europa) gestärkt werden.

2.2.11.

Während die Strukturfonds mit sehr bürokratischen, zugleich zentralisierten und dezentralisierten Vorbereitungs-, Durchführungs-, Kontroll- und Analysemechanismen einhergehen und auf Unionsebene zahlreiche Agenturen über ihre Umsetzung wachen, sprengt der nun geschaffene Steuerungsmechanismus des neuen EFSI den Rahmen der Europäischen Kommission, und seine neue Organisationsstruktur basiert auf den Anforderungen des Finanz- und Investitionsumfelds. Voraussetzung für die Abstimmung der beiden großen Systeme sind ein strategisches Instrument und ein neues Steuerungssystem (2).

2.2.12.

Die Konzeption eines neuen entwicklungsorientierten Governance-Systems kann zu einer verstärkten Abstimmung und einer offenen Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Partnern führen.

2.2.13.

Zur Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz muss die institutionelle Struktur der Partnerschaft gestärkt werden und entsprechend dem Recht der Öffentlichkeit auf Teilhabe auf alle EU-Bürger ausgeweitet werden. Es gilt, den Unionsbürgen die Möglichkeit zu eröffnen, Zugang zu Informationen zu erhalten und sich an Entscheidungen für die Konzipierung und Umsetzung zu beteiligen. Zudem sollten sich die Bürger zu den Entwürfen für Programme, Ausschreibungen und Bewertungsberichte äußern können.

3.   Stärkung der Partnerschaft

3.1.

Der EWSA hat sich bereits in mehreren Stellungnahmen mit dem Partnerschaftsprinzip beschäftigt und detaillierte Vorschläge formuliert.

3.1.1.

In seiner 2010 verabschiedeten Stellungnahme (3) betonte der EWSA, dass die geltenden Vorschriften auch weiterhin zu viel Ermessensspielraum bei der Auslegung des Partnerschaftsprinzips auf nationaler Ebene lassen und die Europäische Kommission daher eine stärkere und deutlich proaktivere Rolle als Hüterin des Partnerschaftsprinzips spielen sollte. Er hält es für unerlässlich, dass alle operativen Programme den Partnern die für den Aufbau von Kapazitäten erforderlichen Ressourcen für technische Unterstützung garantieren. Er drängt auf eine Rückkehr zu den auf die soziale Innovation und die lokale Entwicklung ausgerichteten gemeinschaftlichen Initiativprogrammen.

3.1.2.

In seiner 2012 verabschiedeten Stellungnahme (4) unterstützt der EWSA die Initiative der Europäischen Kommission, einen Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften aufzustellen. Er weist auf die Bedenken der organisierten Zivilgesellschaft aufgrund der Nichteinhaltung des Partnerschaftsprinzips hin und empfiehlt die Schaffung eines von den Partnern selbst verwalteten Systems zur Kontrolle der Partnerschaft. Er schlägt vor, die mit den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Partnerschaftsabkommen an die Bedingung einer angemessenen Umsetzung des Verhaltenskodex zu knüpfen und hierzu die Ressourcen der operativen Programme durch finanzielle Anreize zu ergänzen. Er bekräftigt seine Empfehlungen in Bezug auf den Ausbau der Partnerkapazitäten.

3.2.

In den Rechtsvorschriften zur Kohäsionspolitik ist die Aufstellung eines Europäischen Verhaltenskodex für Partnerschaften (ECCP) vorgesehen.

3.3.

Die mit der Umsetzung des ECCP gesammelten Erfahrungen zeigen, dass einige Länder die Bestimmungen des Kodex im Rahmen der nationalen Planungsprozesse oder bei der Gestaltung der institutionellen Struktur für die Umsetzung nur formal erfüllt haben.

3.4.

In mehreren Ländern verfügten die Partner über zu wenig Zeit, um sich zu den relevanten Dokumenten zu äußern. Sie wurden in die wichtigsten strategischen Entscheidungen — wie die Festlegung der Prioritäten oder die Mittelzuweisungen — nicht wirklich einbezogen. Durch die speziellen Kommunikations- und Einbindungsmechanismen und -instrumente wurde keine aktive Beteiligung gefördert.

3.5.

Den von einigen NGO durchgeführten Untersuchungen (5) zufolge wurden in mehreren Ländern die Vorschriften für die Auswahl der Partner, die den Begleitausschüssen angehören sollten, zwar formal erfüllt, aber nicht in allen Fällen waren die Repräsentativität und die thematische Abdeckung gewährleistet. Es gibt keinen angemessenen Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsbehörden und den Mitgliedern der Begleitausschüsse.

3.6.

Die für horizontale Fragen zuständigen Behörden wie z. B. die Umweltministerien sind in mehreren einschlägigen Begleitausschüssen nicht vertreten. Die Verwaltungsbehörden bemühen sich nicht, die die horizontalen Prinzipien vertretenden Partner der Zivilgesellschaft in die Planung der Ausschreibungen und die Bewertung der Vorschläge einzubinden.

3.7.

Die Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten bei den Partnern sind in einigen Ländern unzureichend. Zumeist sind sie nur auf Schulungsmaßnahmen und die Erstattung der Reisekosten beschränkt, während mehrere im ECCP enthaltene Vorschläge nicht umgesetzt werden: so etwa die Vernetzung und die Koordinierung oder auch die Deckung der Kosten für Sachverständige, die zur Gewährleistung einer effektiven Mitwirkung des Partners erforderlich sind.

3.8.

In der ersten Hälfte des Finanzzeitraums haben die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten der Nutzung des Instruments der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen Maßnahmen zur lokalen Entwicklung (CLLD) nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt.

3.9.

Nach Auffassung des EWSA ist eine umfassende Überprüfung der Partnerschaftspraktiken erforderlich. Die Prüfung muss auch eine Bewertung der Einführung der Planungsverfahren und der institutionellen Struktur für die Umsetzung sowie eine Evaluierung darüber umfassen, inwieweit das derzeitige Regelungssystem geeignet ist, effizient Partnerschaften zu knüpfen. Die Partner müssen aktiv in den Bewertungsprozess einbezogen werden.

Brüssel, den 21. September 2016

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Das Partnerschaftsprinzip bei der Umsetzung der Fonds, für die der Gemeinsame Strategische Rahmen gilt — Elemente eines europäischen Verhaltenskodex für die Partnerschaft“ (ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 23).

(2)  Stellungnahme der AdR-Fachkommission für Kohäsionspolitik und EU-Haushalt Vereinfachung der ESI-Fonds aus der Sicht der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, Berichterstatter: Petr Osvald (CZ/SPE).

(3)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Förderung einer effizienten Partnerschaft bei der Verwaltung des neuen Programmplanungszeitraums in der Kohäsionspolitik 2007-2013 unter Rückgriff auf bewährte Verfahrensweisen“ (ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 1).

(4)  Siehe Fußnote 1.

(5)  Analysen der Organisationen CEE Bankwatch und SFteam for Sustainable Future.