19.8.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 303/45


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema REFIT

(Sondierungsstellungnahme)

(2016/C 303/06)

Berichterstatter:

Denis MEYNENT

Die Europäische Kommission beschloss am 13. Januar 2016, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

REFIT

(Sondierungsstellungnahme).

Der gemäß Artikel 19 der Geschäftsordnung eingesetzte und mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Unterausschuss „Bessere Rechtsetzung“ nahm seinen Entwurf einer Stellungnahme am 19. April 2016 einstimmig an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 517. Plenartagung am 25./26. Mai 2016 (Sitzung vom 26. Mai) mit 185 gegen 4 Stimmen bei 8 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass das oberste Ziel des Programms REFIT (1) darin besteht, die Qualität und Wirksamkeit der europäischen Rechtsvorschriften zu verbessern und einfache, verständliche und folgerichtige Regelungen zu schaffen, ohne die bestehenden Politikziele infrage zu stellen und ohne dem Schutz der Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer und des sozialen Dialogs bzw. der Umwelt Abbruch zu tun.

1.2.

Die europäischen Rechtsvorschriften sind ein wesentlicher Integrationsfaktor, der keine Belastung oder zu verringernde Kosten darstellt. Wenn die Rechtsvorschriften verhältnismäßig sind, dann sind sie im Gegenteil Garant des Schutzes, der Förderung und der Rechtssicherheit, die für sämtliche Akteure und europäische Bürger wichtig sind.

1.3.

Die Folgenabschätzungen für jeden Legislativvorschlag müssen integriert werden und der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimension — auch für die KMU — die ihnen gebührende Bedeutung verleihen. Der Ausschuss plädiert dafür, dass das Parlament, der Rat und die Europäische Kommission sich auf eine gemeinsame Methode für die Folgenabschätzung verständigen können, an der sich der Ausschuss und der Ausschuss der Regionen (AdR) ebenfalls orientieren können.

1.4.

Der Prozess der öffentlichen Konsultation ebenso wie die Konsultation der Sachverständigen und der Interessenträger müssen so offen wie möglich sein, können jedoch die Konsultation der Sozialpartner und des Ausschusses nicht ersetzen.

1.5.

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, in ihren Anzeiger eine jährliche Bewertung der wesentlichen — quantitativen und qualitativen Nachteile/Vorteile der Maßnahmen des REFIT-Programms, einschließlich des Niveaus und der Qualität der Beschäftigung sowie des Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzes, aufzunehmen.

1.6.

Der Beschlussfassungsprozess muss so flexibel und wirksam wie möglich bleiben. Die politische Beschlussfassung, die unabhängig bleiben muss, darf von keinem der zur Prüfung der Fundiertheit eingerichteten Gremien und Filter beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang ist gegen die Bürokratisierung des Beschlussfassungsprozesses vorzugehen.

1.7.

Der Ausschuss nimmt die Einrichtung der REFIT-Plattform zur Kenntnis, die insbesondere den Auftrag erhalten hat, sich für wirksamere Rechtsvorschriften und einfachere Verwaltungsbestimmungen einzusetzen. Er unterstreicht, dass sie sich nicht auf die Prüfung einer begrenzten Zahl von Themen beschränken sollte und die Mitgesetzgeber bzw. die in den Verträgen verankerten obligatorischen Konsultationen des Ausschusses — dessen Arbeiten ja unterschiedlicher Natur sind — und der Sozialpartner nicht ersetzen kann. Er fordert die Kommission auf, die Kriterien für die Vorauswahl der bei der Plattform eingegangenen Vorschläge zu veröffentlichen, über ihre Ausgewogenheit zu wachen und bezüglich der Berücksichtigung der Empfehlungen der Plattform klare Aussagen zu treffen, so dass prägende Einflüsse zurückverfolgt werden können.

1.8.

Was die Repräsentativität der REFIT-Plattform angeht, ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Gewährung zweier zusätzlicher Sitze es ihm ermöglichen würde, der Art seines Mandats in vollem Umfang Rechnung zu tragen und so die Zivilgesellschaft widerzuspiegeln, mit deren Vertretung er betraut ist. Im Übrigen stellt der Ausschuss das Fehlen einer europaweiten Vertretung der Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen in der „Gruppe der Interessenträger“ der Plattform fest und fordert, diesbezüglich umgehend Abhilfe zu schaffen.

1.9.

Der Ausschuss hat den Vorteil, einen direkten Bezug zu den Gegebenheiten vor Ort zu haben und auf ein umfassendes Netz aus Organisationen auf nationaler Ebene und auf die Sachkenntnis seiner Mitglieder zurückgreifen zu können, und ist daher gut aufgestellt, um einen maßgeblichen Beitrag zu den auf europäischer Ebene durchgeführten Folgenabschätzungen zu leisten. Er möchte vornehmlich Ex-post-Bewertungen und qualitativen Bewertungen Vorrang geben; sie ermöglichen eine Einschätzung der Auswirkungen gesetzgeberischer und politischer Maßnahmen der EU und die Vermittlung der Erfahrungen und Einschätzungen der europäischen Wirtschafts- und Sozialpartner.

1.10.

Bei der Umsetzung bestimmter Richtlinien möchte der Ausschuss einen spezifischen Beitrag zu dem Initiativbericht des Europäischen Parlaments über den Jahresbericht zu der Umsetzung der EU-Gesetzgebung durch die Mitgliedstaaten leisten, indem er auf die Hinzufügungen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung hinweist.

1.11.

Der Ausschuss erhofft sich von dem REFIT-Programm, dass es in beide Richtungen funktioniert, d. h. dass es a priori nicht die Ausrichtung vorwegnimmt, die der Rechtsetzung zu geben ist: Hinzufügung, Ergänzung, Änderung oder Streichung eines Rechtsaktes.

1.12.

Der Ausschuss würde es ablehnen, sich für Zielsetzungen zur Verringerung des EU-Besitzstands auf einer quantitativen Grundlage zu engagieren, ohne vorher sämtliche Folgen für den Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutz abzuschätzen.

1.13.

Der Ausschuss spricht sich für eine gründlichere Ex-post-Bewertung der Auswirkungen der EU-Rechtsetzung im Rahmen des EU-Politikzyklus aus, insbesondere was die in der Folgenabschätzung zu dem ursprünglichen Legislativvorschlag erwarteten Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung angeht. Die Ex-post-Bewertungen sollten nach einer angemessenen Zeitspanne nach Ablauf der Frist für die Umsetzung in innerstaatliches Recht, auf pluralistische Art und Weise durchgeführt werden.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Rechtsvorschriften für die Verwirklichung der Ziele des EU-Vertrags und die Schaffung der Rahmenbedingungen für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zum Vorteil der Bürger, Unternehmen und Arbeitnehmer erforderlich sind (2). Außerdem trägt die Rechtsetzung dazu bei, das Wohlergehen zu verbessern, das allgemeine Interesse und die Menschenrechte zu schützen, ein hohes Sozial- und Umweltschutzniveau zu fördern und die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Rechtsetzung zu gewährleisten. Sie sollte Wettbewerbsverzerrung und Sozialdumping verhindern.

2.2.

Der Ausschuss begrüßt es daher, dass Vizepräsident Timmermans mehrfach darauf hingewiesen hat, dass das Programm REFIT nicht zu einer Deregulierung des EU-Besitzstands und nicht zu einer Absenkung des Sozialschutzniveaus, des Umweltschutzes und der Grundrechte führen darf (3).

2.3.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Rechtsetzung Kosten und Bürokratie — die sich als schwerfällig und nicht notwendig erweisen können — aber auch erhebliche Vorteile für die Bürger, Unternehmen und Behörden mit sich bringen kann. Er erinnert daran, dass die intelligente Rechtsetzung stets darauf abzielen muss, einen echten Mehrwert zu erreichen. Wo immer dies möglich ist, müssen die EU-Vorschriften Auflagen beseitigen und nicht zusätzliche Auflagen schaffen.

2.4.

Nach Ansicht des Ausschusses muss im Rahmen der „Besseren Rechtssetzung“ die bestgeeignete Lösung zur vertieften Vollendung des EU-Binnenmarktes bevorzugt werden: gezielte Harmonisierung, sinnhafte Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung in den nicht harmonisierten Bereichen, Koregulierung, Selbstregulierung und Normung. Der Ausschuss weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine gezielte und intelligente Harmonisierung der Rechtsvorschriften zur Beseitigung der Hemmnisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beiträgt. Eine Harmonisierung der 28 einschlägigen nationalen Rechtsakte bildet für die Unternehmen und Bürger der EU einen wichtigen Ansatzpunkt für die Vereinfachung und Verringerung des Regelungs- und Verwaltungsaufwands.

2.5.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass das oberste Ziel des Programms REFIT darin besteht, die Qualität und Wirksamkeit der europäischen Rechtsvorschriften zu verbessern und einfache, verständliche und folgerichtige Regelungen zu schaffen, ohne die bestehenden Politikziele infrage zu stellen oder dem Schutz der Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer und des sozialen Dialogs bzw. der Umwelt Abbruch zu tun.

2.6.

Der Ausschuss betont in diesem Zusammenhang, dass es ihm ein besonderes Anliegen ist, dass die betreffenden Rechtsvorschriften und der damit verbundene Aufwand sinnvoll sind, sprich die von ihnen unterm Strich ausgehenden Nutzeffekte größer sind als von ihnen verursachten Kosten, und dass die Rechtsvorschriften verhältnismäßig sind und eine ausreichende Rechtssicherheit gewährleisten.

2.7.    Hinsichtlich der Folgenabschätzung

2.7.1.

Der Ausschuss nimmt die Unterzeichnung der interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ zur Kenntnis, die am 13. April 2016 zwischen den drei EU-Organen erfolgte.

2.7.2.

Der Ausschuss begrüßt insbesondere, dass die drei Organe anerkannt haben, dass das System der Folgenabschätzung ein Instrument ist, das ihnen behilflich sein soll, zu wohl überlegten Entscheidungen zu gelangen, aber keineswegs politische Entscheidungen ersetzt (4).

2.7.3.

Der Ausschuss stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Kommission im Rahmen ihrer integrierten, ausgewogenen und pluralistischen Folgenabschätzungen alternative Lösungen vorsieht, welche die Kosten eines Verzichts auf Europa und die Auswirkungen der verschiedenen Optionen auf die Wettbewerbsfähigkeit, aber auch die Folgen der Vorschläge zu den KMU und Kleinstunternehmen sowie die digitale sowie die territoriale Dimension betreffen (5).

2.7.4.

Der Ausschuss befürwortet, dass die Kommission ihre Folgenabschätzung aus eigener Initiative oder auf Ersuchen des Europäischen Parlaments oder des Rates ergänzen kann, bedauert jedoch, dass jede Institution selbst bestimmt, wie sie ihre Bewertungsarbeit regelt. Der Ausschuss plädiert dafür, dass die drei Organe sich auf eine gemeinsame Methode für die Folgenabschätzung verständigen können, an der sich der EWSA und der AdR für die Begründung ihrer eigenen Änderungsanträge orientieren können.

2.7.5.

Nach Ansicht des Ausschusses müssen die Folgenabschätzungen in den europäischen Institutionen selbst vorgenommen werden. Wenn allerdings aus ganz bestimmten Gründen die Inanspruchnahme privater Berater erwogen wird, fordert der Ausschuss Folgendes:

die Leistungsbeschreibung muss unparteiisch auf der Grundlage transparenter und klarer Kriterien formuliert und vorab veröffentlicht werden;

die Auswahl der Bewerber muss zu Bedingungen der vollständigen Transparenz auf der Grundlage einer breit angelegten und pluralistischen Ausschreibung erfolgen, die eine Rotation der berücksichtigten Bewerber und die Überprüfung ihrer Kompetenzen ermöglicht;

die Zuschlagserteilung muss öffentlich gemacht werden.

2.8.    Hinsichtlich der Konsultation der Interessenträger

2.8.1.

Nach Ansicht des Ausschusses darf die Konsultation der Interessenträger und der Sachverständigen nicht die Konsultation der Sozialpartner, des Ausschusses und des Ausschusses der Regionen, die in einer ganz bestimmten Phase des Legislativprozesses und innerhalb der vom AEUV gesetzten Grenzen erfolgt, und auch nicht die Konsultationen auf nationaler Ebene ersetzen, die auf einer verstärkten Beteiligung der Sozialpartner beruhen müssen. Er unterstreicht, dass eine angemessene „Kartierung der Interessenträger“ wesentlich für eine gebührende Repräsentativität der Akteure und ein anspruchsvolles Konsultationsverfahren ist, und fordert die Kommission auf, sich hierfür auf das Transparenz-Register zu stützen.

2.8.2.

Der Ausschuss fordert, dass die Konsultation erfolgt, ohne an dem strukturierten zivilen Dialog (Artikel 11 Absatz 2 AEUV) oder den Konsultationen in einem ganz bestimmten Rahmen, wie die Anhörung der Sozialpartner im Rahmen des sozialen Dialogs (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Artikel 154 AEUV) oder die Anhörung beratender Einrichtungen wie des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (Artikel 304 AEUV) zu rühren.

2.8.3.

Der Ausschuss unterstreicht, dass bei der „Kartierung der Interessenträger“ eine angemessene geographische und zielgruppenmäßige Aufteilung unter besonderer Berücksichtigung der unterrepräsentierten Gruppen gewährleistet werden muss. Bei der Analyse der Antworten auf die Konsultationen muss ein Mechanismus der begründeten Gewichtung angewandt werden (6).

2.9.    Hinsichtlich des REFIT-Programms

2.9.1.

Der Ausschuss nimmt die allgemeinen Ziele des von der Kommission konzipierten REFIT-Programms zur Kenntnis und verweist insbesondere auf seine Stellungnahmen (7) zu dem Programm „Bessere Rechtsetzung“ und zu der „Intelligenten Regulierung“. Der Ausschuss verweist darauf, dass eine „intelligente Regulierung“ weder davon entbindet, die Vorschriften in Bezug auf den Schutz von Bürgern, Verbrauchern und Arbeitnehmern wie auch die Standards für die Gleichstellung von Männern und Frauen oder die Umweltschutzvorschriften einzuhalten, noch dazu führen darf, dass Verbesserungen unterbleiben. Eine intelligente Regulierung muss auch der im Vertrag verankerten sozialen Dimension des Binnenmarktes Rechnung tragen, insbesondere was die Umsetzung der im Rahmen des sozialen Dialogs in Europa ausgehandelten Vereinbarungen betrifft.

2.9.2.

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass es der Kommission darum geht, das Verfahren und die Qualität der Instrumente für die Gewährleistung einer optimalen Begleitung der Umsetzung zu verbessern.

2.9.3.

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, in ihren Anzeiger eine jährliche Bewertung der wesentlichen — quantitativen und qualitativen Nachteile/Vorteile der Maßnahmen des REFIT-Programms, einschließlich des Niveaus und der Qualität der Beschäftigung sowie des Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzes, aufzunehmen.

2.9.4.

Der Ausschuss legt Wert auf die Feststellung, dass eine bessere Rechtsetzung politische Entscheidungen nicht ersetzen kann und darf.

2.10.    REFIT-Plattform

2.10.1.

Der Ausschuss nimmt die Einrichtung der REFIT-Plattform zur Kenntnis, an der er beteiligt ist und die die Vorschläge zur Verringerung unnötigen Verwaltungs- und Regelungsaufwands und zur Erleichterung der Anwendung der EU-Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten analysieren soll. Er stellt fest, dass die Bereiche, die unter den sozialen Dialog und in die Zuständigkeit der Sozialpartner fallen, bei dem der Plattform zugewiesenen Zuständigkeitsspektrum außen vor bleiben.

2.10.2.

Der Ausschuss stellt jedoch fest, dass die Plattform:

ein beratendes Forum für den Austausch bleiben muss und die normale Arbeit der Organe und insbesondere der Mitgesetzgeber nicht ändern darf;

die Anhörung des Ausschusses und der anderen in den Verträgen vorgesehenen obligatorischen Konsultationen, insbesondere mit Artikel 154 AEUV im Hinblick auf die Sozialpartner, wahren soll;

sich auf die Überprüfung einer begrenzte Zahl von Themen beschränken muss.

2.10.3.

Der Ausschuss erwartet außerdem, dass:

diese Plattform nicht anderweitig durchgeführte Konsultationsverfahren wiederholt und keine unnötige bürokratische Ebene darstellt;

die Plattform nicht mit der Begründung in die Entscheidungsfindung eingreift, dass sie befasst worden sei, eine Aussprache über ein spezielles Thema oder besondere Maßnahmen vorgeschlagen habe.

2.10.4.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass die große Zahl der Teilnehmer dieser Plattform, die sehr unterschiedliche Art der Beteiligten (Mitgliedstaaten, Sozialpartner, NGO, Mitglieder der Zivilgesellschaft), das breite Spektrum der Themen auf der Tagesordnung sowie die beschränkte Häufigkeit der Sitzungen nicht geeignet sind, tief greifende Beratungen über die von der Plattform behandelten Vorschläge auszulösen.

2.11.    Hinsichtlich der Repräsentativität der REFIT-Plattform

2.11.1.

Der Ausschuss unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass er in dieser Plattform nur über einen Sitz verfügt und an den Sitzungen auf der Grundlage einer Rotation zwischen seinen drei Gruppen teilnimmt, obwohl sie eine durch die Verträge errichtete Einrichtung darstellt, welche die Vielfalt der EU widerspiegelt.

2.11.2.

Der Ausschuss ist daher der Auffassung, dass bei Zuerkennung von zwei weiteren Sitzen die dreigliedrige Struktur des Ausschusses und auf diese Weise sein Mandat zur Widerspiegelung der Zivilgesellschaft respektiert würde, die er vertreten soll.

2.11.3.

Der Ausschuss stellt das Fehlen einer europaweiten Vertretung der Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen in der „Gruppe der Interessenträger“ der Plattform fest und fordert, diesbezüglich umgehend Abhilfe zu schaffen.

2.12.    Hinsichtlich der Funktionsweise der Plattform

2.12.1.

Der Ausschuss ersucht die Kommission:

die Modalitäten und Kriterien für die Auswahl der in der Plattform vertretenen Parteien zu verdeutlichen;

zu gewährleisten, dass jeder Vertreter der Interessenträger über die materiellen Mittel verfügt, um die Sitzungen vorbereiten und sich sinnvoll an ihnen beteiligen zu können;

die Anzahl und die Kriterien für die Vorauswahl der bei der Kommission eingegangenen und anschließend an die Plattform übermittelten Vorschläge zu veröffentlichen;

auf die gebührende Repräsentativität der Vorschläge (Mitgliedstaaten, Sozialpartner, Mitglieder der Zivilgesellschaft) zu achten;

rechtzeitig die umfassenden vorbereitenden und für die Mitglieder hilfreichen Dokumente vorzulegen, um es ihnen zu ermöglichen, sich unter optimalen Bedingungen im Hinblick auf einen wirksamen Beitrag zum Haushaltsjahr insgesamt auf die Sitzung vorzubereiten;

die Berücksichtigung der Empfehlungen zu gewährleisten, damit die prägenden Einflüsse zurückverfolgt werden können;

die im Rahmen der Arbeiten der Plattform erzielten Ergebnisse bekannt zu machen.

3.   Sonstige Bemerkungen

3.1.    Bewertung der EU-Maßnahmen

3.1.1.

Der Ausschuss erinnert daran, dass er als vollwertiger institutioneller Partner und nicht als eine Unterkategorie der Interessenträger mit zahlreichen, vielfältigen und widersprüchlichen Interessen angesehen werden muss.

3.1.2.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass er einen direkten Bezug zu den Gegebenheiten vor Ort hat und auf ein umfassendes Netz aus Organisationen auf nationaler Ebene und auf die Sachkenntnis seiner Mitglieder zurückgreifen kann und von daher gut aufgestellt ist, um einen maßgeblichen Beitrag zu dieser Folgenabschätzung leisten zu können.

3.1.3.

Der Ausschuss unterstreicht, dass diese Bewertungstätigkeit seine Beziehungen zu den verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft stärken und es ihm ermöglichen wird, diese Funktion als Brücke zwischen den Institutionen und den Vertretern der Zivilgesellschaft weiter auszubauen.

3.1.4.

Der EWSA verdeutlicht, dass die von ihm vorgenommene Evaluierung in Form von politischen Empfehlungen erfolgen wird, welche die wesentlichen Auswirkungen der betreffenden Politik auf die Zivilgesellschaft hervorheben und das beste Vorgehen für die Zukunft vorschlagen werden.

3.1.5.

Der Ausschuss unterstreicht, dass er vornehmlich Ex-post-Bewertungen und qualitativen Bewertungen Vorrang geben muss; sie ermöglichen eine Einschätzung der Auswirkungen gesetzgeberischer und politischer Maßnahmen der EU und sind ein geeigneter Kanal, um die Erfahrungen und Einschätzungen der europäischen Wirtschafts- und Sozialpartner zu vermitteln.

3.1.6.

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Ex-post-Bewertungen der Kommission und des Parlaments — an denen er mitwirken wird — als Grundlage für Gesetzesänderungen bzw. für neue Rechtsvorschriften dienen werden, zu denen er konsultiert wird.

3.1.7.

Der Ausschuss ist erfreut, dass er sich damit voll in das Gesetzgebungsverfahren einbringen und seine Möglichkeiten ausbauen kann, zu der Festlegung künftiger politischer Strategien der Union beizutragen.

3.2.    Umsetzung der Richtlinien

3.2.1.

Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht fügen die Mitgliedstaaten mitunter Elemente hinzu, die mit den betreffenden EU-Rechtsvorschriften in keinerlei Zusammenhang stehen; der Ausschuss ist daher der Auffassung, dass diese Hinzufügungen entweder durch den Umsetzungsakt bzw. die Umsetzungsakte oder durch diesbezügliche Dokumente deutlich gemacht werden müssen (8). In diesem Zusammenhang ist der Ausschuss der Auffassung, dass der Begriff „Goldplating“, der sich auf die „Überregulierung“ bezieht, nicht zu verwenden ist, da damit bestimmte nationale Praktiken angeprangert werden und zugleich ein differenzierter und flexibler Ansatz ausgeschlossen wird.

3.2.2.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten in Fällen einer Mindestharmonisierung die Möglichkeit behalten müssen, in ihrem nationalen Recht Bestimmungen vorzusehen, die auf die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einen angemessenen Sozialschutz, ein hohes und dauerhaftes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von Ausgrenzungen (9), die Förderung und Entwicklung der KMU sowie ein hohes Gesundheits- oder Verbraucher- (10) und Umweltschutzniveau (11) abzielen, ohne jedoch unnötige Regelungs- oder Verwaltungshemmnisse zu schaffen, und folglich müssen Richtlinien gegenüber Verordnungen den Vorzug erhalten, wo immer dies möglich ist.

3.2.3.

Der Ausschuss stellt fest, dass das Streben nach Maximalharmonisierung in Gesetzgebungsvorschlägen oftmals zu zahlreichen Abweichungen bzw. Ausnahmen führt, die weitere Hemmnisse für den Binnenmarkt schaffen und legitimieren.

3.2.4.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass er eine nützliche Rolle als Mittler zwischen den Gesetzgebern und den Nutzern der EU-Gesetzgebung spielen und einen spezifischen Beitrag zu dem Initiativbericht des Europäischen Parlaments über den Jahresbericht zu der Umsetzung der EU-Gesetzgebung durch die Mitgliedstaaten leisten kann, indem er auf die Hinzufügungen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung hinweist, und ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass sich etwa die Studie seiner Beobachtungsstelle zu den „Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf das Baugewerbe“ (12) sowie die Studie seiner Arbeitsmarktbeobachtungsstelle über die Jugendarbeitslosigkeit (13), um nur zwei Beispiele zu nennen, als methodisch nützlich erweisen könnten.

3.3.    Prospektive Dimension

3.3.1.

Der Ausschuss erhofft sich von dem REFIT-Programm, dass es in beide Richtungen funktioniert, d. h. dass es a priori nicht die Ausrichtung vorwegnimmt, die der Rechtsetzung zu geben ist: Hinzufügung, Ergänzung, Änderung oder Streichung eines Rechtsaktes.

3.3.2.

Der Ausschuss befürwortet es, dass ein ständiges Screening und eine permanente Neubewertung des EU-Besitzstands von der Kommission durchgeführt werden, insbesondere durch die Prüfung der Relevanz und des Mehrwertes der Legislativ- und Nichtlegislativakte der EU.

3.3.3.

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der integrierte und ganzheitliche Ansatz der Folgenabschätzungen grundlegend ist und die Kommission den Schwerpunkt nicht nur auf die Dimension der Wettbewerbsfähigkeit legen darf; er ist der Auffassung, dass der Mehrwert der Maßnahmen der EU gebührend berücksichtigt werden muss und bei der Kosten-Nutzen-Analyse sämtliche Aspekte, auch die Kosten eines Nichttätigwerdens, erwogen werden müssen.

3.3.4.   Folgenabschätzung

3.3.4.1.

Nach Auffassung des Ausschusses darf die gesteigerte Anzahl der Folgenabschätzungskriterien die Kommission nicht dazu veranlassen, von einem Tätigwerden abzusehen oder eine Initiative mit der Begründung abzulehnen, dass ein oder mehrere Kriterien nicht erfüllt sind; er ist daher der Auffassung, dass die Kommission die Kriterien gegeneinander abwägen muss; er ist außerdem der Ansicht, dass die Vielzahl der Kriterien nicht zu einer Form der Bürokratisierung des Beschlussfassungsprozesses und zu einer legislativer Enthaltsamkeit führen darf.

3.3.4.2.

Der Ausschuss misst dem Grundsatz „Vorfahrt für KMU“ („Think Small First“) und dem KMU-Test, insbesondere im Rahmen seiner Stellungnahme zum Small Business Act  (14), besondere Bedeutung bei, hält es jedoch nicht für angemessen, den Kleinstunternehmen allgemeine Ausnahmen zu gewähren; es wäre nach seiner Ansicht sinnvoller, hinsichtlich der Legislativvorschläge einen fallspezifischen Ansatz auf der Grundlage einer genauen Folgenabschätzung zu wählen.

3.3.4.3.

Der Ausschuss befürwortet es, dass Kommissionsvorschläge mit gründlichen, auf aussagekräftige Fakten gestützten Folgenabschätzungen („evidence-based“) einhergehen, unterstreicht jedoch, dass es dem gesetzgebenden Organ der EU obliegt, seinen Ermessensspielraum zu nutzen, indem er ein gewisses Gleichgewicht zwischen dem Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz einerseits und den wirtschaftlichen Interessen der Akteure andererseits bei der Verfolgung seines von den Verträgen zugewiesenen Ziels gewährleistet, ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau (15) sicherzustellen.

3.3.4.4.

Der Ausschuss weist darauf hin, dass sich dies auch auf die Quantifizierung der Regulierungs- und Verwaltungslasten beziehen könnte, sofern:

hierbei die Frage der Kosten und des Aufwands der Rechtsetzung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit im Allgemeinen, aber auch bezüglich der Vorteile der bestehenden Rechtsvorschriften in den Bereichen Soziales, Umwelt, der Verbraucherrechte, Gesundheit und Beschäftigung beleuchtet wird;

dies nicht zur Verringerung bzw. Aufweichung der politischen Ziele der EU führt;

hierbei die „Schwachstellen“ in der Rechtsetzung und die notwendigen Initiativen geprüft werden, um intelligente, hochwertige Normen für die EU festzulegen.

3.3.4.5.

Der Ausschuss würde es ablehnen, sich für Zielsetzungen zur Verringerung des EU-Besitzstands auf einer quantitativen Grundlage zu engagieren, ohne vorher sämtliche Folgen für den Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutz abzuschätzen.

3.3.4.6.

Bezüglich der Bewertung der kumulativen Kosten (CCA) stellt der Ausschuss fest, dass die Kommission bei der Ex-ante und Ex-post-Bewertung eines Teils der europäischen Rechtsvorschriften berücksichtigen muss, dass diese neuen Kosten zu den bestehenden Erfüllungs- und Anwendungskosten hinzukommen. Der Ausschuss räumt ein, dass bei der CCA die Finanzkosten berechnet werden, durch die ein bestimmter Bereich aus den Rechtsvorschriften herausfällt, doch sei darauf hingewiesen, dass diese Evaluierung nicht geeignet ist, einen Sektor teilweise oder vollständig von der Regelung freizustellen.

3.3.5.   Ex-ante-Bewertung

3.3.5.1.

Der Ausschuss ist besorgt, dass die Diskussion zu einem immer früheren Zeitpunkt des Rechtsetzungsverfahrens stattfindet, noch bevor die Mitgesetzgeber und die Sozialpartner in Aktion treten, die somit Gefahr laufen, von der Debatte ausgeschlossen zu werden, die bereits ohne sie stattfinden wird.

3.3.6.   Ex-post-Bewertung

3.3.6.1.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Ex-post-Bewertungen mindestens genauso wichtig sind wie die Ex-ante-Bewertung; er fordert die Kommission auf, in diesem Zusammenhang einen methodischen Leitfaden mit den Kriterien für nachhaltige Entwicklung vorzulegen.

3.3.6.2.

Der Ausschuss spricht sich für eine gründlichere Ex-post-Bewertung der Auswirkungen der EU-Rechtsetzung im Rahmen des EU-Politikzyklus aus, insbesondere was die in der Folgenabschätzung zu dem ursprünglichen Legislativvorschlag erwarteten Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung angeht.

3.3.6.3.

Nach Auffassung des Ausschusses sollten die Ex-post-Bewertungen nach Ablauf einer angemessenen Frist, vorzugsweise mehrere Jahre nach der Frist für die Umsetzung in innerstaatliches Recht, auf pluralistische Art und Weise durchgeführt werden.

3.3.6.4.

Nach Ansicht des Ausschuss sind die Ex-post-Bewertungen wichtige Analyseinstrumente, und die Schlussfolgerungen aus den Bewertungen können unmittelbar in eine etwaige Folgenabschätzung mit Blick auf die Revision eines Legislativaktes einfließen.

Brüssel, den 26. Mai 2016.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Die Abkürzung bezeichnet das Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung.

(2)  COM(2012) 746 final, S. 2.

(3)  COM(2015) 215 final.

(4)  Interinstitutionelle Vereinbarung (IIV) vom 15. Dezember 2015, Ziffer 7 (http://ec.europa.eu/smart-regulation/better_regulation/documents/iia_blm_final_en.pdf).

(5)  Ebenda.

(6)  ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 57.

(7)  ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 33, ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 87 und ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 107.

(8)  Ziffer 31 der IIV.

(9)  Artikel 151 AEUV.

(10)  Artikel 168 und 169 AEUV.

(11)  Artikel 191 AEUV.

(12)  http://www.eesc.europa.eu/resources/docs/eesc-2014-02466-00-01-tcd-tra-fr.pdf.

(13)  http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.fr.lmo-observatory-impact-study-youth.

(14)  ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 51.

(15)  Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 2010 in der Rechtssache Afton Chemical, C-343/09, ECLI:EU:C:2010:419, Ziffer 56.


ANHANG

Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der Stimmen (Artikel 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung):

a)   Ziffer 2.11.1 und Ziffer 2.11.2

Der Ausschuss unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass er in dieser Plattform nur über einen Sitz verfügt und an den Sitzungen auf der Grundlage einer Rotation zwischen seinen drei Gruppen teilnimmt, obwohl sie eine durch die Verträge errichtete Einrichtung darstellt, welche die Vielfalt der EU widerspiegelt.

Der Ausschuss ist daher der Auffassung, dass bei Zuerkennung von zwei weiteren Sitzen die dreigliedrige Struktur des Ausschusses und auf diese Weise sein Mandat zur Widerspiegelung der Zivilgesellschaft respektiert würde, die er vertreten soll.

b)   Ziffer 1.8

Was die Repräsentativität der REFIT-Plattform angeht, ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Gewährung zweier zusätzlicher Sitze es ihm ermöglichen würde, der Art seines Mandats in vollem Umfang Rechnung zu tragen und so die Zivilgesellschaft widerzuspiegeln, mit deren Vertretung er betraut ist. Im Übrigen stellt der Ausschuss das Fehlen einer europaweiten Vertretung der Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen in der „Gruppe der Interessenträger“ der Plattform fest und fordert, diesbezüglich umgehend Abhilfe zu schaffen.

Begründung

Es darf nur eine einheitliche Vertretung des EWSA geben, nicht jeweils eine für jede seiner Gruppen. Die Art und Weise, wie diese einheitliche Vertretung gewährleistet wird, ist ausschließlich Sache des EWSA; es kann nicht angehen, dass er mit drei unter Umständen einander widersprechenden Stimmen seine Meinung äußert und abstimmt.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen:

49

Nein-Stimmen:

123

Enthaltungen:

16