52015PC0021

Vorschlag für einen BESCHLUSS DES RATES über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren /* COM/2015/021 final - 2015/0013 (NLE) */


BEGRÜNDUNG

1.           KONTEXT DES VORSCHLAGS

In der Vergangenheit wurden Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten auf der Grundlage von Handelsschiedsregeln beigelegt, die keine Transparenz vorschreiben. Eine größere Transparenz bei der Investor-Staat-Streitbeilegung ist jedoch ein wichtiges Ziel, da die Öffentlichkeit dadurch einen größtmöglichen Zugang zu Unterlagen und Anhörungen erhält und Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wird. Dies ist wichtig, da es bei der Investor-Staat-Streitbeilegung um Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Gemeinwohl dienenden Maßnahmen gehen kann oder die öffentlichen Finanzen betroffen sein können.

Die Kommission bemüht sich bereits seit 2010 um eine bessere Transparenz bei der Investor-Staat-Streitbeilegung.[1] Das Europäische Parlament hat dies in seiner Entschließung zur künftigen europäischen Investitionspolitik ausdrücklich gefordert.[2] Die Kommission hat nicht nur sichergestellt, dass künftige EU-Übereinkünfte ein hohes Maß an Transparenz vorsehen, sie hat auch wesentlich dazu beigetragen, dass die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law – UNCITRAL) weltweite Transparenzregeln für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten festgelegt und Mechanismen für die Anwendung der verbesserten Transparenzregeln auf die 3000 bestehenden Investitionsabkommen entwickelt hat. Der vorliegende Vorschlag ist eine Reaktion auf die 2010 festgelegten politischen Ziele und die Forderung des Europäischen Parlaments von 2011; er zeigt die Entschlossenheit der Kommission, das gesamte System zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat zu reformieren und zu verbessern, und er ist ein konkreter Beweis für den Nutzen einer gemeinsamen EU-Auslandsinvestitionspolitik, ohne die ein solches Ergebnis wohl nicht zustande gekommen wäre.

Die UNCITRAL nahm am 10. Juli 2013 Regeln über Transparenz bei der Investor-Staat-Streitbeilegung (im Folgenden „Transparenzregeln“) an, die am 16. Dezember 2013 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gebilligt wurden.[3] Danach erhält die Öffentlichkeit Zugang zu allen Unterlagen (sowohl zu den Entscheidungen des Gerichts als auch zu den Stellungnahmen der Parteien), mündliche Verhandlungen werden unter Zulassung der Öffentlichkeit durchgeführt, und interessierte Dritte (Zivilgesellschaft) können vor dem Gericht Stellungnahmen abgeben. Ein angemessener Schutz vertraulicher Informationen ist ebenfalls vorgesehen, jedoch geht dieser nicht über vergleichbare Maßnahmen hinaus, die in nationalen Gerichten getroffen werden. Die Union verwendet diese Regeln als Grundlage für die Bestimmungen über Transparenz bei der Investor-Staat-Streitbeilegung in allen Übereinkünften, die derzeit ausgehandelt werden; sie hat diese oder vergleichbare Regeln in den Entwurf für das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada und den Entwurf für das Freihandelsabkommen EU-Singapur aufgenommen und ist sogar noch weiter gegangen.

Die Regeln traten am 1. April 2014 in Kraft. Sie gelten automatisch für die Investor-Staat-Streitbeilegung bei Abkommen, die nach dem 1. April 2014 geschlossen wurden und die einen Verweis auf die UNCITRAL-Schiedsordnung enthalten. Sie gelten jedoch nicht automatisch für Abkommen, die vor diesem Datum geschlossen wurden. Angesichts der großen Zahl bestehender Investitionsübereinkünfte, die vor dem 1. April 2014 geschlossen wurden, ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Transparenzregeln auch auf diese Übereinkünfte angewendet werden. Die Europäische Union ist bei einer dieser Übereinkünfte – dem Vertrag über die Energiecharta – Vertragspartei und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben rund 1400 derartige Übereinkünfte mit Drittländern geschlossen.

Daher hat die Union zusammen mit anderen UNCITRAL-Mitgliedern auf die Aushandlung eines multilateralen Übereinkommens gedrängt, das die Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln auf bestehende Investitionsabkommen erleichtert. Am 10. Februar 2014 ermächtigte der Rat die Kommission, ein solches Übereinkommen unter der Schirmherrschaft der UNCITRAL (im Folgenden „Übereinkommen“) auszuhandeln; die Union war aktiv an der Aushandlung des Übereinkommens beteiligt, wobei sie durch die Kommission vertreten wurde. Am 9. Juli 2014 wurden die Verhandlungen abgeschlossen, und am 10. Dezember 2014 wurde das Übereinkommen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet.[4] Das Übereinkommen liegt am 17. März 2015 in Port Louis (Mauritius) und danach am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.

Das Übereinkommen gilt für vor dem 1. April 2014 geschlossene Investitionsabkommen; mit ihm wird ein Mechanismus eingerichtet, durch den Länder und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration untereinander vereinbaren können, bei Streitigkeiten im Rahmen von Investitionsabkommen, bei denen sie Vertragsparteien sind, die UNCITRAL-Transparenzregeln anzuwenden. Sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten können dem Übereinkommen beitreten und die Transparenzregeln auf ihre bestehenden Investitionsabkommen anwenden. Die Europäische Union könnte durch die Unterzeichnung des Übereinkommens im Hinblick auf den Vertrag über die Energiecharta Vertragspartei des Übereinkommens werden, die Mitgliedstaaten könnten für ihre bestehenden Übereinkünfte Vertragsparteien des Übereinkommens werden. Das Übereinkommen sieht das Konzept einer Negativliste vor, d. h. die Transparenzregeln gelten, sofern nicht ein Unterzeichner im Rahmen eines Vorbehalts nach Artikel 3 bestimmte Übereinkünfte auflistet, die dem Übereinkommen nicht unterliegen sollen.

Bezüglich des Vertrags über die Energiecharta würde die Europäische Union Vertragspartei des Übereinkommens, um den Anwendungsbereich der Transparenzregeln auf Investor-Staat-Streitigkeiten im Rahmen des Vertrags über die Energiecharta auszuweiten, bei denen die Union Beklagte ist und der Kläger einem Staat außerhalb der EU angehört, der die Anwendung des Übereinkommens auf Streitigkeiten, die sich im Rahmen des Vertrags über die Energiecharta ergeben, nicht ausgeschlossen hat.

Gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 207 und die Artikel 63 bis 66 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 2, ist der Abschluss internationaler Übereinkünfte im Bereich Auslandsinvestitionen seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Teil der ausschließlichen Zuständigkeit der Union. Die Kommission ist der Ansicht, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Union, verbindliche Rechtsakte im Bereich Auslandsinvestitionen zu erlassen, für alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit Auslandsinvestitionen (ausländische Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen) gilt, also auch für Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten.

Daher wurde die Aufrechterhaltung bilateraler Investitionsabkommen, welche die Mitgliedstaaten vor dem 1. Dezember 2009 mit Drittländern unterzeichnet haben, nach Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 vom 12. Dezember 2012[5] genehmigt; die Unterzeichnung und der Abschluss bilateraler Investitionsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern nach dem 1. Dezember 2009 müssen nach Artikel 11 bzw. Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 genehmigt werden. Die Unterzeichnung und der Abschluss dieses Übereinkommens fallen ebenfalls in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union, so dass Mitgliedstaaten nach Artikel 2 Absatz 1 AEUV nur dann verbindliche Rechtsakte in diesem Bereich erlassen dürfen, wenn sie von der Union dazu ermächtigt werden. Deshalb sollte die Union die Mitgliedstaaten ermächtigen, Vertragsparteien des Übereinkommens zu werden, damit sie die Anwendung der Transparenzregeln auf ihre vor dem 1. April 2014 mit Nicht-EU-Ländern geschlossenen und nach Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 aufrechterhaltenen bilateralen Investitionsabkommen ausweiten können. Diese Ermächtigung gilt auch dann für die Mitgliedstaaten, wenn sie nach dem Vertrag über die Energiecharta als Beklagte in Angelegenheiten auftreten, die von Investoren außerhalb der EU vorgebracht werden.[6] Entsprechend dem Ziel, die Transparenz des Systems für die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten zu erhöhen, ist die Kommission der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten die Anwendung der Transparenzregeln bei allen vorstehend genannten Abkommen vorsehen sollten, indem sie das Übereinkommen ratifizieren, ohne bestimmte Abkommen von seiner Anwendung auszunehmen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Kommission beabsichtigt, Mittel für die Webseite bereitzustellen, auf der alle Unterlagen, die den Transparenzregeln unterliegen, veröffentlicht werden.

Die Kommission legt einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des Übereinkommens durch die Europäische Union und über die Ermächtigung der einzelnen Mitgliedstaaten zum Beitritt zu dem Übereinkommen vor.

Parallel dazu legt die Kommission den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des genannten Übereinkommens vor.

2.           ERGEBNISSE DER KONSULTATIONEN DER INTERESSIERTEN KREISE UND DER FOLGENABSCHÄTZUNGEN

Das UNCITRAL-Übereinkommen über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren ermöglicht eine breitere Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln. An der Aushandlung des Übereinkommens waren Beobachter und Mitglieder der Zivilgesellschaft beteiligt. Sie hatten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen.

3.           RECHTLICHE ASPEKTE

Gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 207 Absatz 4 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 5, unterbreitet die Kommission dem Rat einen Vorschlag für einen Beschluss über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des Übereinkommens der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren.

Gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 2 Absatz 1, enthält dieser Vorschlag auch eine Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren zu unterzeichnen.

4.           AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Haushalt.

2015/0013 (NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 207 Absatz 4 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 5,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)       Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gehören ausländische Direktinvestitionen zu den unter die gemeinsame Handelspolitik fallenden Bereichen. Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „AEUV“) hat die Europäische Union ausschließliche Zuständigkeit für die gemeinsame Handelspolitik. Folglich kann nur die Union in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen. Die Mitgliedstaaten dürfen nach Artikel 2 Absatz 1 AEUV in einem solchen Fall nur tätig werden, wenn sie von der Union hierzu ermächtigt werden.

(2)       Außerdem sind im Dritten Teil Titel IV Kapitel 4 AEUV gemeinsame Regeln zum Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern festgelegt, die auch für den Kapitalverkehr im Zusammenhang mit Investitionen gelten. Von den Mitgliedstaaten geschlossene internationale Übereinkünfte im Zusammenhang mit Auslandsinvestitionen können sich auf diese Regeln auswirken.

(3)       Der Rat ermächtigte die Kommission am 10. Februar 2014, ein Übereinkommen über die Anwendung von Transparenzregeln für die Investor-Staat-Streitbeilegung unter der Schirmherrschaft der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law – UNCITRAL) auszuhandeln.

(4)       Die Verhandlungen wurden am 9. Juli 2014 mit der Annahme des Wortlauts des Übereinkommens durch die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht erfolgreich abgeschlossen, und das Abkommen liegt am 17. März 2015 in Port Louis (Mauritius) und danach am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.

(5)       Die Transparenzregeln sollten bei der Investor-Staat-Streitbeilegung im größtmöglichen Umfang angewendet werden. Was die Europäische Union betrifft, so sollten die Transparenzregeln für den Vertrag über die Energiecharta gelten. Es ist wünschenswert, dass die Mitgliedstaaten das Übereinkommen unterzeichnen und auf bestehende bilaterale Investitionsabkommen mit Drittländern anwenden.

(6)       Das Übereinkommen sollte im Namen der Europäischen Union unterzeichnet werden. Die Mitgliedstaaten sollten ermächtigt werden, das Übereinkommen zu unterzeichnen und es auf bestehende bilaterale Investitionsabkommen mit Drittländern sowie auf Streitigkeiten im Rahmen des Vertrags über die Energiecharta mit Investoren von Drittländern anzuwenden –

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Kommission wird ermächtigt, im Namen der Union das Übereinkommen über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren zu unterzeichnen, das unter der Schirmherrschaft der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht ausgearbeitet wurde.

Der Wortlaut des zu unterzeichnenden Übereinkommens ist diesem Beschluss beigefügt.

Artikel 2

Die einzelnen Mitgliedstaaten werden ermächtigt, das Übereinkommen im Hinblick auf ihre in Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 vom 12. Dezember 2012 genehmigten bilateralen Investitionsabkommen mit Drittländern sowie im Hinblick auf die mögliche Anwendung des Vertrags über die Energiecharta bei Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und Investoren von Drittländern, wie im Kontext des Vertrags über die Energiecharta vorgesehen, zu unterzeichnen.[7]

Artikel 3

Vorbehaltlich des Abschlusses des Übereinkommens stellt das Generalsekretariat des Rates die zu seiner Unterzeichnung im Namen der Union erforderliche Bevollmächtigungsurkunde für die Personen aus, die vom Verhandlungsführer des Übereinkommens benannt wurden.

Artikel 4

Dieser Beschluss tritt am […] in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am […]

                                                                       Im Namen des Rates

                                                                       Der Präsident

[1]               Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik“, KOM(2010) 343 endg.; zum Bekenntnis der Kommission zu Transparenz, siehe S. 11.

[2]               Bericht über die künftige europäische Auslandsinvestitionspolitik (A7-0070/2011), Absatz 31.

[3]               Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, verabschiedet am 16. Dezember 2013, achtundsechzigste Tagung.

[4]               Resolution A/RES/69/116.

[5]               Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 40).

[6]               Siehe Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften an das Sekretariat der Energiecharta gemäß Artikel 26 Absatz 3 Buchstabe b Ziffer ii des Vertrags über die Energiecharta (ABl. L 69 vom 9.3.1998, S. 115).

[7]               Siehe Mitteilung der Europäischen Gemeinschaften an das Sekretariat der Energiecharta gemäß Artikel 26 Absatz 3 Buchstabe b Ziffer ii des Vertrags über die Energiecharta (ABl. L 69 vom 9.3.1998, S. 115).

ANHANG

Übereinkommen über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren

Präambel

Die Vertragsparteien dieses Übereinkommens –

in der Erkenntnis des Nutzens von Schiedsverfahren als Methode zur Beilegung von Streitigkeiten, die im Rahmen internationaler Beziehungen entstehen können, sowie der umfangreichen und weit verbreiteten Verwendung von Schiedsverfahren für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten,

auch in der Erkenntnis, dass Bestimmungen über Transparenz bei der abkommensverankerten Investor-Staat-Streitbeilegung notwendig sind, um dem öffentlichen Interesse an solchen Schiedsverfahren Rechnung zu tragen,

in der Überzeugung, dass die von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht am 11. Juli 2013 angenommenen Regeln über Transparenz in abkommensverankerten Investor-Staat-Schiedsverfahren („UNCITRAL-Transparenzregeln“), die seit dem 1. April 2014 gelten, wesentlich zur Schaffung eines harmonisierten rechtlichen Rahmens für eine faire und effiziente Beilegung internationaler Investitionsstreitigkeiten beitragen würden,

in Anbetracht der großen Zahl bereits in Kraft befindlicher Abkommen mit Bestimmungen zum Schutz von Investitionen oder Investoren und der praktischen Bedeutung einer Förderung der Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln auf Schiedsverfahren auf der Grundlage solcher bereits geschlossener Investitionsabkommen,

auch in Anbetracht des Artikels 1 Absätze 2 und 9 der UNCITRAL-Transparenzregeln –

haben Folgendes vereinbart:

Anwendungsbereich

Artikel 1

1.           Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf Schiedsverfahren zwischen einem Investor und einem Staat oder einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die auf der Grundlage eines vor dem 1. April 2014 geschlossenen Investitionsabkommens durchgeführt werden („Investor-Staat-Schiedsverfahren“).

2.           Der Begriff „Investitionsabkommen“ bezeichnet alle zwei- oder mehrseitigen völkerrechtlichen Verträge – einschließlich aller üblicherweise als Freihandelsübereinkünfte, Übereinkünfte über die wirtschaftliche Integration, Handels- und Investitionsrahmen- oder ‑kooperationsübereinkünfte oder zweiseitige Investitionsabkommen bezeichneten Verträge – die Bestimmungen zum Schutz von Investitionen oder Investoren sowie ein Recht der Investoren auf ein Schiedsverfahren gegen die Vertragsparteien des betreffenden Investitionsabkommens enthalten.

Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln

Artikel 2

Zwei- oder mehrseitige Anwendung

1.           Die UNCITRAL-Transparenzregeln finden Anwendung auf alle Investor-Staat-Schiedsverfahren, gleichviel ob diese nach der UNCITRAL-Schiedsordnung eingeleitet werden oder nicht, in denen der Beklagte eine Vertragspartei ist, die keinen einschlägigen Vorbehalt nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a oder b angebracht hat, und in denen der Kläger einem Staat angehört, der eine Vertragspartei ist, die keinen einschlägigen Vorbehalt nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a angebracht hat.

Einseitiges Angebot der Anwendung

2.           Finden die UNCITRAL-Transparenzregeln keine Anwendung nach Absatz 1, so sind sie auf ein Investor-Staat-Schiedsverfahren, gleichviel ob dieses nach der UNCITRAL-Schiedsordnung eingeleitet wird oder nicht, anzuwenden, wenn der Beklagte eine Vertragspartei ist, die keinen in Bezug auf dieses Investor-Staat-Schiedsverfahren einschlägigen Vorbehalt nach Artikel 3 Absatz 1 angebracht hat, und der Kläger der Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln zustimmt.

Geltende Fassung der UNCITRAL-Transparenzregeln

3.           Finden die UNCITRAL-Transparenzregeln Anwendung nach Absatz 1 oder 2, so gilt die neueste Fassung der Regeln, zu welcher der Beklagte keinen Vorbehalt nach Artikel 3 Absatz 2 angebracht hat.

Artikel 1 Absatz 7 der UNCITRAL-Transparenzregeln

4.           Artikel 1 Absatz 7 letzter Satz der UNCITRAL-Transparenzregeln findet keine Anwendung auf Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Absatz 1.

Meistbegünstigungsklausel in einem Investitionsabkommen

5.           Die Vertragsparteien dieses Übereinkommens vereinbaren, dass sich ein Kläger nicht auf eine Meistbegünstigungsklausel berufen kann, um die Anwendung der UNCITRAL-Transparenzregeln nach diesem Übereinkommen zu erreichen oder zu verhindern.

Vorbehalte

Artikel 3

1.           Eine Vertragspartei kann erklären,

a)      dass sie dieses Übereinkommen nicht auf Investor-Staat-Schiedsverfahren auf der Grundlage eines spezifischen durch Titel und Namen seiner Vertragsparteien bezeichneten Investitionsabkommens anwendet;

b)      dass Artikel 2 Absätze 1 und 2 keine Anwendung auf Investor-Staat-Schiedsverfahren findet, die nach anderen spezifischen Schiedsregeln oder ‑verfahrensregeln als der UNCITRAL-Schiedsordnung durchgeführt werden und in denen sie Beklagte ist;

c)      dass Artikel 2 Absatz 2 keine Anwendung auf Investor-Staat-Schiedsverfahren findet, in denen sie Beklagte ist.

2.           Bei einer Revision der UNCITRAL-Transparenzregeln kann eine Vertragspartei innerhalb von sechs Monaten nach der Beschlussfassung über die Revision erklären, dass sie die revidierte Fassung der Regeln nicht anwenden wird.

3.           Die Vertragsparteien können in einer Urkunde mehrere Vorbehalte anbringen. In dieser Urkunde stellt jede Erklärung

a)      zu einem spezifischen Investitionsabkommen nach Absatz 1 Buchstabe a,

b)      zu spezifischen Schiedsregeln oder ‑verfahrensregeln nach Absatz 1 Buchstabe b,

c)      nach Absatz 1 Buchstabe c oder

d)      nach Absatz 2

einen gesonderten Vorbehalt dar, der nach Artikel 4 Absatz 6 gesondert zurückgenommen werden kann.

4.           Nur die in diesem Artikel ausdrücklich zugelassenen Vorbehalte sind zulässig.

Anbringen von Vorbehalten

Artikel 4

1.           Mit Ausnahme von Vorbehalten nach Artikel 3 Absatz 2 kann eine Vertragspartei Vorbehalte jederzeit anbringen.

2.           Bei der Unterzeichnung angebrachte Vorbehalte bedürfen der Bestätigung bei der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Diese Vorbehalte werden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens für die betreffende Vertragspartei wirksam.

3.           Bei der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Übereinkommens oder beim Beitritt zu ihm angebrachte Vorbehalte werden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens für die betreffende Vertragspartei wirksam.

4.           Mit Ausnahme der von einer Vertragspartei nach Artikel 3 Absatz 2 angebrachten Vorbehalte, die sofort mit ihrer Hinterlegung wirksam werden, erlangen Vorbehalte, die nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens für diese Vertragspartei hinterlegt werden, zwölf Monate nach dem Datum ihrer Hinterlegung Wirksamkeit.

5.           Vorbehalte und deren Bestätigungen sind beim Verwahrer zu hinterlegen.

6.           Jede Vertragspartei, die einen Vorbehalt nach diesem Übereinkommen anbringt, kann ihn jederzeit zurücknehmen. Diese Rücknahme ist beim Verwahrer zu hinterlegen und wird mit der Hinterlegung wirksam.

Anwendbarkeit auf Investor-Staat-Schiedsverfahren

Artikel 5

Dieses Übereinkommen und alle Vorbehalte oder Rücknahmen von Vorbehalten finden ausschließlich auf Investor-Staat-Schiedsverfahren Anwendung, die nach dem Datum des Inkrafttretens beziehungsweise Wirksamwerdens des Übereinkommens, des Vorbehalts oder der Rücknahme des Vorbehalts für jede der betreffenden Vertragsparteien eingeleitet werden.

Verwahrer

Artikel 6

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird hiermit zum Verwahrer dieses Übereinkommens bestimmt.

Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung, Beitritt

Artikel 7

1.           Dieses Übereinkommen liegt am 17. März 2015 in Port Louis (Mauritius) und danach am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf für a) alle Staaten oder b) alle Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die aus Staaten zusammengesetzt und Vertragsparteien eines Investitionsabkommens sind.

2.           Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Unterzeichner dieses Übereinkommens.

3.           Dieses Übereinkommen steht allen in Absatz 1 genannten Staaten oder Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die nicht Unterzeichner sind, ab dem Datum seiner Auflegung zur Unterzeichnung zum Beitritt offen.

4.           Die Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Verwahrer hinterlegt.

Beteiligung von Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration

Artikel 8

1.           Hinterlegt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration eine Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde, so unterrichtet sie den Verwahrer über die spezifischen durch Titel und Namen ihrer Vertragsparteien bezeichneten Investitionsabkommen, deren Vertragspartei sie ist.

2.           Sofern in diesem Übereinkommen die Zahl der Vertragsparteien maßgebend ist, zählt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration nicht als weitere Vertragspartei zusätzlich zu ihren Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien sind.

Inkrafttreten

Artikel 9

1.           Dieses Übereinkommen tritt sechs Monate nach Hinterlegung der dritten Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

2.           Vollzieht ein Staat oder eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration die Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Übereinkommens oder den Beitritt zu ihm nach Hinterlegung der dritten Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde, so tritt dieses Übereinkommen für diesen Staat oder diese Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration sechs Monate nach Hinterlegung der betreffenden Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

Änderung

Artikel 10

1.           Jede Vertragspartei kann durch Einreichung eines Änderungsvorschlags beim Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Änderung dieses Übereinkommens vorschlagen. Der Generalsekretär übermittelt daraufhin den Vertragsparteien dieses Übereinkommens den Änderungsvorschlag mit der Aufforderung, ihm mitzuteilen, ob sie eine Konferenz der Vertragsparteien zur Beratung und Abstimmung über den Vorschlag befürworten. Befürwortet innerhalb von vier Monaten nach dem Datum der Übermittlung wenigstens ein Drittel der Vertragsparteien eine solche Konferenz, so beruft der Generalsekretär die Konferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen ein.

2.           Die Konferenz der Vertragsparteien bemüht sich nach Kräften um eine Einigung durch Konsens über jede Änderung. Sind alle Bemühungen um einen Konsens erschöpft und wird kein Konsens erzielt, so ist als letztes Mittel eine Zweidrittelmehrheit der auf der Konferenz anwesenden und abstimmenden Vertragsparteien erforderlich, um die Änderung zu beschließen.

3.           Eine beschlossene Änderung wird vom Generalsekretär der Vereinten Nationen allen Vertragsparteien zur Ratifikation, Annahme oder Genehmigung vorgelegt.

4.           Eine beschlossene Änderung tritt sechs Monate nach Hinterlegung der dritten Ratifikations‑, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft. Tritt eine Änderung in Kraft, so ist sie für diejenigen Vertragsparteien bindend, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch sie gebunden zu sein.

5.           Bei Ratifikation, Annahme oder Genehmigung einer bereits in Kraft getretenen Änderung durch einen Staat oder eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration tritt die Änderung für diesen Staat oder diese Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration sechs Monate nach Hinterlegung der betreffenden Ratifikations‑, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.

6.           Jeder Staat oder jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der beziehungsweise die nach dem Inkrafttreten der Änderung Vertragspartei des Übereinkommens wird, gilt als Vertragspartei des geänderten Übereinkommens.

Kündigung dieses Übereinkommens

Artikel 11

1.           Eine Vertragspartei kann dieses Übereinkommen jederzeit durch eine an den Verwahrer gerichtete förmliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird zwölf Monate nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam.

2.           Dieses Übereinkommen findet auf Investor-Staat-Schiedsverfahren, die vor dem Wirksamwerden der Kündigung eingeleitet worden sind, weiterhin Anwendung.

Geschehen in einer Urschrift, wobei der arabische, chinesische, englische, französische, russische und spanische Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.

Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, hierzu von ihren Regierungen gehörig befugten Bevollmächtigten dieses Übereinkommen unterschrieben.