4.11.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 407/96


P8_TA(2015)0234

Antrag auf Aufhebung der Immunität von Sotirios Zarianopoulos

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 24. Juni 2015 über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Sotirios Zarianopoulos (2015/2015(IMM))

(2016/C 407/14)

Das Europäische Parlament,

befasst mit einem im Rahmen des vor dem dritten Einzelrichter in Strafsachen von Thessaloniki anhängigen Verfahrens (Aktenzeichen: G2010-1744) vom stellvertretenden Staatsanwalt beim Obersten Gericht von Griechenland am 8. Dezember 2014 übermittelten und am 13. Januar 2015 im Plenum bekannt gegebenen Antrag auf Aufhebung der Immunität von Sotirios Zarianopoulos,

nach Anhörung von Sotirios Zarianopoulos gemäß Artikel 9 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

gestützt auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Mai 1964, 10. Juli 1986, 15. und 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011 und 17. Januar 2013 (1),

unter Hinweis auf Artikel 62 der Verfassung der Hellenischen Republik,

gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A8-0191/2015),

A.

in der Erwägung, dass der stellvertretende Staatsanwalt beim Obersten Gericht von Griechenland zur Durchführung von Ermittlungen im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Straftat die Aufhebung der Immunität von Sotirios Zarianopoulos, Mitglied des Europäischen Parlaments, beantragt hat;

B.

in der Erwägung, dass gemäß Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern ihres Landes zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

C.

in der Erwägung, dass nach Artikel 62 der Verfassung der Hellenischen Republik im Laufe der Legislaturperiode gegen einen Abgeordneten nicht ohne vorherige Zustimmung des Parlaments ein Strafverfahren eröffnet werden und er nicht festgenommen oder inhaftiert werden kann und auch keine anderen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegen ihn ergriffen werden können;

D.

in der Erwägung, dass Sotirios Zarianopoulos beschuldigt wird, am 4. März 2010 unter Androhung physischer Gewalt rechtswidrig in das Studio des öffentlichen griechischen Fernsehsenders ERT-3 eingedrungen zu sein, um die Mittagsnachrichten zu unterbrechen und eine Mitteilung zu verlesen;

E.

in der Erwägung, dass die mutmaßliche Straftat offensichtlich in keinerlei Zusammenhang mit dem Amt von Sotirios Zarianopoulos als Mitglied des Europäischen Parlaments steht, da die mutmaßliche Straftat mit einer Aktion der griechischen Gewerkschaft PAME in Verbindung steht und da Sotirios Zarianopoulos zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht Mitglied des Europäischen Parlaments war;

F.

in der Erwägung, dass nach Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine in Ausübung des Amtes eines Mitglieds des Europäischen Parlaments erfolgte Äußerung als subjektive Beurteilung definiert ist, die in einem unmittelbaren und offenkundigen Zusammenhang mit der Ausübung des parlamentarischen Amtes steht, dass das mutmaßliche Handeln von Sotirios Zarianopoulos jedoch nicht so eingestuft werden kann;

G.

in der Erwägung, dass das Strafverfahren demnach keine in Ausübung des Amtes eines Mitglieds des Europäischen Parlaments erfolgte Äußerung oder Abstimmung gemäß Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union betrifft;

H.

in der Erwägung, dass sich der Rechtsausschuss gemäß Artikel 9 Absatz 7 der Geschäftsordnung des Parlaments in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten äußert, selbst wenn er durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt;

I.

in der Erwägung, dass der Ausschuss — da Sotirios Zarianopoulos der Ansicht ist, die Anschuldigungen gegen ihn seien politisch motiviert — nach Anhörung des Mitglieds und Prüfung der von ihm vorgelegten Dokumente auch die 2010 von Zeugen vor den Ermittlungsbehörden abgegebenen Erklärungen geprüft hat, auf die sich die Anklage stützt;

J.

in der Erwägung, dass diese Erklärungen im Rahmen des Gerichtsverfahrens gegen Sotirios Zarianopoulos abgegeben wurden und dass es wiederum weder Sache dieses Ausschusses ist, eine inhaltliche Untersuchung des Sachverhalts vorzunehmen noch über die Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds eines Europäischen Parlaments zu befinden, gegen das ein Gerichtsverfahren eingeleitet wurde;

K.

in der Erwägung, dass auf der Grundlage der dem Ausschuss vorliegenden Informationen somit kein Grund zur Annahme besteht, dass das Verfahren von der Absicht getragen ist, die politische Tätigkeit des Mitglieds zu beeinträchtigen (fumus persecutionis), da das Strafverfahren mehrere Jahre vor Beginn des Mandats des Abgeordneten eingeleitet wurde;

1.

beschließt, die Immunität von Sotirios Zarianopoulos aufzuheben;

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gericht von Griechenland und Sotirios Zarianopoulos zu übermitteln.


(1)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Mai 1964, Wagner/Fohrmann und Krier, 101/63, ECLI:EU:C:1964:28; Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Wybot/Faure und andere, 149/85, ECLI:EU:C:1986:310; Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T-345/05, ECLI:EU:T:2008:440; Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra/De Gregorio und Clemente, C-200/07 und C-201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T-42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C-163/10, ECLI: EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T-346/11 und T-347/11, ECLI:EU:T:2013:23.