EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 4.9.2015
COM(2015) 421 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung
Bericht der Kommission über die Anwendung der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung
Die Richtlinie 2011/24/EU (im Folgenden „Richtlinie“) über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung ist am 24. April 2011 in Kraft getreten. Sie war von den Mitgliedstaaten bis zum 25. Oktober 2013 umzusetzen. In der Richtlinie sind die Rechte von Patienten auf Erstattung der Kosten für Gesundheitsdienstleistungen geregelt, die in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wurden.
Gemäß Artikel 20 Absatz 1 der Richtlinie erstellt die Kommission „bis zum 25. Oktober 2015 und anschließend alle drei Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie und legt diesen dem Europäischen Parlament und dem Rat vor“. Der Bericht musste insbesondere Informationen über Patientenströme, die finanziellen Aspekte der Patientenmobilität, die Durchführung von Artikel 7 Absatz 9 und Artikel 8 sowie das Funktionieren der Europäischen Referenznetzwerke und der nationalen Kontaktstellen enthalten.
Dieser Bericht beschreibt den derzeitigen Stand der Umsetzung im Hinblick auf die wichtigsten Bestimmungen, darunter die Nutzung der Vorabgenehmigung, den Grad der Patientenmobilität, die Verfahren der Kostenerstattung, Informationen für Patienten und die Zusammenarbeit im Rahmen der Richtlinie. Außerdem wird die Ausübung der übertragenen Befugnisse gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Richtlinie thematisiert, wonach die Kommission bis zum 24. Oktober 2015 diesbezüglich Bericht erstatten muss.
Kapitel 1: Stand der Umsetzung
Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie ist am 25. Oktober 2013 abgelaufen. Gegen 26 Mitgliedstaaten wurden Vertragsverletzungsverfahren wegen verspäteter oder unvollständiger Mitteilung über diesbezügliche Maßnahmen eingeleitet.
Am 1. Juli 2015 waren vier Vertragsverletzungsverfahren noch nicht abgeschlossen, und alle vier betroffenen Mitgliedstaaten hatten eindeutig zugesagt, die noch offenen Fragen zu klären.
Diese Vertragsverletzungen betreffen ausschließlich die Vollständigkeit der Umsetzungsmaßnahmen. In einem nächsten Schritt obliegt es der Kommission zu beurteilen, ob die Mitgliedstaaten die Richtlinie korrekt umgesetzt haben.
Kapitel 2: Patientenmobilität
2.1 Vorabgenehmigung: Hintergrund
Gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie können die Mitgliedstaaten ein System der Vorabgenehmigung für eine Gesundheitsversorgung verwenden, bei der Planungsbedarf besteht, wenn sie eine Übernachtung im Krankenhaus oder den Einsatz einer hoch spezialisierten und kostenintensiven medizinischen Infrastruktur oder medizinischen Ausrüstung erfordert. Nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstaben b und c können die Mitgliedstaaten außerdem eine Vorabgenehmigung für Behandlungen anfordern, die mit einem besonderen Risiko für den Patienten oder die Bevölkerung verbunden sind, oder für eine Versorgung, die von einem Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen erbracht wird, der zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Qualität oder Sicherheit der Versorgung Anlass geben könnte. In der Praxis beruhen die Systeme der Vorabgenehmigung jedoch nahezu ausschließlich auf Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a, der in diesem Bericht daher schwerpunktmäßig behandelt wird.
Systeme der Vorabgenehmigung müssen notwendig und dem angestrebten Ziel angemessen sein und dürfen keine Form der willkürlichen Diskriminierung und kein ungerechtfertigtes Hindernis für die Freizügigkeit von Patienten darstellen.
Gemäß Artikel 8 Absatz 7 der Richtlinie machen die Mitgliedstaaten „öffentlich zugänglich, welche Gesundheitsdienstleistungen einer Vorabgenehmigung im Sinne dieser Richtlinie unterliegen“.
Die Mitgliedstaaten haben folgende Systeme der Vorabgenehmigung eingeführt:
14 Länder verwenden sowohl das Versorgungskriterium „Übernachtung“ als auch „hoch spezialisiert“ als Erfordernis für die Vorabgenehmigung.
In keinem der 14 Länder, die das Kriterium „Übernachtung“ verwendeten, wurde festgelegt, welche Behandlungen unter dieses Kriterium fallen.
Mehrere Mitgliedstaaten verlangen eine Vorabgenehmigung für den Fall, dass die Gesundheitsdienstleistung eine Übernachtung im Behandlungsmitgliedstaat erfordert. Es ist fraglich, ob dies im Einklang mit dem Kriterium gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a steht, das sich auf die Einzelheiten der Durchführung der Behandlung im Versicherungsmitgliedstaat anstatt im Behandlungsmitgliedstaat bezieht.
Neun dieser 14 Mitgliedstaaten haben festgelegt, welche Behandlungen das Kriterium „hoch spezialisiert“ erfüllen; in den übrigen fünf Mitgliedstaaten ist dies nicht der Fall.
In diesen 14 Mitgliedstaaten bleibt es für Patienten daher unklar, welche Behandlungen an eine Vorabgenehmigung gebunden sind, da die Anwendung mindestens eines dieser Kriterien – und manchmal beider – von den nationalen Behörden nicht erläutert wurde.
Bei Gesprächen mit 20 Krankenkassen im Rahmen einer Evaluierungsstudie im Auftrag der Kommission äußerten 15 Kassen die Ansicht, die Patienten in ihrem Land wüssten nicht, ob eine Behandlung an eine Vorabgenehmigung gebunden ist oder nicht, und beantragten daher häufig eine Vorabgenehmigung, wenn dies gar nicht erforderlich sei.
Gemäß Erwägungsgrund 43 der Richtlinie müssen die Kriterien für die Erteilung einer Vorabgenehmigung auf zwingenden Gründen beruhen. Die von den Mitgliedstaaten gelieferten Daten deuten im Allgemeinen nicht darauf hin, dass umfassende Systeme der Vorabgenehmigung gerechtfertigt sind: Die Anzahl der Personen, die eine Genehmigung beantragen, ist einfach zu gering. Es kann wohl nur schwerlich argumentiert werden, dass beispielsweise eine Behandlung an eine Vorabgenehmigung gebunden sein sollte, wenn in diesem Jahr keine einzige Person die Genehmigung dieser Behandlung beantragt hat (davon ausgenommen können natürlich sehr spezielle und teure Behandlungen sein, bei denen selbst eine sehr geringe Zahl von Erstattungsanträgen erhebliche Auswirkungen haben könnte). Den Daten in Anhang A ist zu entnehmen, dass einige Mitgliedstaaten, in denen es Systeme für Vorabgenehmigungen gibt, überhaupt keine Genehmigungsanträge erhalten haben (und viele andere nur sehr wenige).
2.2 Kostenerstattung und Verwaltung
Gemäß Artikel 7 Absatz 9 können die Mitgliedstaaten die Anwendung der Vorschriften für die Kostenerstattung bei grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beschränken. Allerdings müssen solche Beschränkungen gemäß Artikel 7 Absatz 11 notwendig und verhältnismäßig sein und dürfen keine Form der willkürlichen Diskriminierung und kein ungerechtfertigtes Hindernis für die Freizügigkeit darstellen. Ferner müssen die Mitgliedstaaten der Kommission jede Entscheidung über die gemäß Artikel 7 Absatz 9 eingeführten Beschränkungen mitteilen.
Zwar hat die Kommission keine diesbezüglichen Mitteilungen erhalten, einige der Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten die Richtlinie umgesetzt haben, könnten jedoch als Beschränkung der Erstattungen angesehen werden.
Gemäß Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie sollte als Referenzwert für die Kostenerstattung bei grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung der zu Lasten des Systems gehende Betrag gelten, wenn die betreffende Leistung von einem öffentlichen oder vertraglichen Gesundheitsdienstleister (je nachdem, wie das jeweilige Gesundheitssystem organisiert ist) im Versicherungsmitgliedstaat erbracht wird.
Mindestens drei Mitgliedstaaten haben Erstattungsverfahren für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung eingeführt, wonach der Erstattungstarif für Patienten auf Basis der Kosten berechnet wird, die vom Versicherungsmitgliedstaat für die von einem privaten oder nicht vertraglichen Dienstleistungserbringer erbrachte Versorgung übernommen würden (ein erheblich niedrigerer Tarif als der Tarif für öffentliche oder vertragliche Leistungserbringer), wäre die betreffende Gesundheitsdienstleistung in seinem Hoheitsgebiet erbracht worden.
In drei Mitgliedstaaten müssen Patienten, die eine Kostenerstattung für grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung beantragen, offenbar darlegen, warum es medizinisch notwendig war, die jeweilige Gesundheitsversorgung in einem anderen Land in Anspruch zu nehmen. Es ist fraglich, ob dies im Einklang mit dem Grundsatz des freien Verkehrs von Patienten und mit den Kriterien gemäß Artikel 7 Absätze 9 und 11 steht.
Nach Artikel 7 Absatz 7 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten Patienten, die eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen möchten, dieselben Voraussetzungen und Formalitäten vorschreiben, die sie für die gleiche Gesundheitsversorgung im eigenen Hoheitsgebiet heranziehen würden, sofern diese weder diskriminierend sind noch ein Hindernis für den freien Verkehr darstellen.
Zwölf Mitgliedstaaten haben diese Bestimmung im Rahmen ihrer „Gatekeeper“-Struktur angewendet – ein System, bei dem der Patient eine Überweisung durch einen Allgemeinmediziner oder Hausarzt benötigt, um Facharztbehandlungen in Anspruch nehmen zu können. Patienten benötigen solche Überweisungen daher auch für Kostenerstattungen im Rahmen einer Facharztbehandlung in einem anderen Mitgliedstaat. Gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifikationen sind die Mitgliedstaaten jedoch gehalten, Entscheidungen über klinische Notwendigkeit und Angemessenheit, die eine Fachperson mit vergleichbarer Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat getroffen hat, anzuerkennen. Fünf dieser zwölf Mitgliedstaaten bestehen jedoch ausdrücklich darauf, dass die Überweisung von einem Arzt in ihrem Land ausgestellt werden muss.
In mindestens vier Mitgliedstaaten müssen Patienten eine beglaubigte Übersetzung der Rechnungen vorlegen (in einem Mitgliedstaat müssen die Patienten sogar alle Dokumente von ihrem Konsul in dem Land der Behandlung beglaubigen lassen). Gemäß Artikel 10 der Richtlinie sind die nationalen Kontaktstellen jedoch verpflichtet, sich bezüglich des Verstehens der Rechnungen gegenseitig zu unterstützen. Diese Anforderung muss daher im Rahmen der Bedingungen des Artikels 7 Absatz 7 geprüft werden.
Die Anwendung der Richtlinie auf „Telemedizin“ (d. h. aus der Ferne erbrachte Gesundheitsdienstleistungen) hat zu einem gewissen Mangel an Klarheit geführt. So genehmigen beispielsweise manche Mitgliedstaaten Kostenerstattungen für oder bieten Konsultationen mit Allgemeinmedizinern aus der Ferne an, andere dagegen nicht. Für den Fall, dass ein Patient aus einem Mitgliedstaat, in dem solche Konsultationen nicht angeboten oder erstattet werden, via Telemedizin einen Allgemeinmediziner in einem Mitgliedstaat konsultiert, in dem solche Konsultationen vorgesehen sind, ist nicht klar geregelt, ob der Versicherungsmitgliedstaat die Erstattung ablehnen darf. Einerseits müssen die Kosten, die für eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung entstanden sind, erstattet werden, sofern die betreffende Gesundheitsdienstleistung zu den Leistungen gehört, auf die der Versicherte im Versicherungsmitgliedstaat Anspruch hat (Artikel 7 Absatz 1), und der Versicherungsmitgliedstaat kann, auch im Falle einer Behandlung durch Telemedizin, die gleichen Bedingungen und Auswahlkriterien anwenden, die für die Gesundheitsversorgung in seinem Hoheitsgebiet gelten. Andererseits sieht Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a vor, dass Gesundheitsdienstleistungen im Einklang mit den Rechtsvorschriften des Behandlungsmitgliedstaats erbracht werden und dass, im Fall der Telemedizin, die Gesundheitsversorgung als in dem Mitgliedstaat erbracht gilt, in dem der Gesundheitsdienstleister ansässig ist (Artikel 3 Buchstabe d). Dabei gilt es insbesondere zu berücksichtigen, wie das „Leistungsspektrum“, d. h. die Gesundheitsdienstleistungen, auf die der Patient Anspruch hat, definiert ist.
2.3 Patientenströme
Für diesen Bericht hat die Kommission die Mitgliedstaaten um Teilnahme an einer Datenerhebung gebeten. 26 Mitgliedstaaten übermittelten Antworten, die sich auf das Kalenderjahr 2014 beziehen.
Die Patientenströme für Gesundheitsdienstleistungen im Ausland im Rahmen der Richtlinie sind gering. Von den 21 Mitgliedstaaten, die ein System der Vorabgenehmigung eingeführt haben, waren 17 in der Lage, Daten über die Anzahl der Anträge auf eine Genehmigung speziell im Rahmen der Richtlinie vorzulegen. In diesen Mitgliedstaaten gab es insgesamt nur 560 Genehmigungsanträge (von denen 360 stattgegeben wurde). Zwei dieser Mitgliedstaaten meldeten, dass sie keinen einzigen Antrag befürwortet oder abgelehnt hatten, zwei weitere meldeten jeweils nur einen Antrag, und in lediglich zwei Ländern gingen mehr als 100 Anträge ein. Zusätzlich zu diesen 17 Mitgliedstaaten meldete Frankreich die Erteilung von 57 000 Genehmigungen; dies ist jedoch ein Gesamtwert, der Genehmigungen im Rahmen der Verordnungen über die soziale Sicherheit sowie im Rahmen der Richtlinie umfasst.
Für Behandlungen, die nicht an eine Vorabgenehmigung gebunden sind, verzeichneten Finnland, Frankreich und Luxemburg umfangreiche Aktivitäten mit jeweils 17142, 422680 bzw. 117962 Erstattungen. Auch dies sind jedoch Gesamtwerte für Daten, die sowohl die Verordnungen über die soziale Sicherheit als auch die Richtlinie abdecken.
20 Mitgliedstaaten legten Daten über Erstattungen vor, die ausschließlich im Rahmen der Richtlinie getätigt wurden. In diesen Ländern gab es insgesamt 39 826 Erstattungen, von denen Dänemark allein 31 032 meldete. Insgesamt meldeten nur vier dieser Mitgliedstaaten mehr als 1 000 Erstattungen. Am anderen Ende der Skala hatten 14 Mitgliedstaaten weniger als 100 Erstattungen getätigt (sechs davon gar keine). Dies scheint vielmehr auf die niedrige Zahl der Anträge zurückführen zu sein als auf eine große Anzahl von Ablehnungen: Aus den Daten geht hervor, dass etwa 85 % der Erstattungsanträge genehmigt wurden.
Dieser allgemein geringe Umfang der Patientenmobilität für geplante Behandlungen ist offenbar auch bei Gesundheitsdienstleistungen im Rahmen der Verordnungen zur sozialen Sicherheit festzustellen. Im Jahr 2013 wurden 1,6 Millionen Anträge auf Kostenerstattung für ungeplante Gesundheitsleistungen eingereicht, aber nur 30 172 Anträge für geplante Gesundheitsleistungen im Ausland im Rahmen der Verordnungen (über das in solchen Fällen zu verwendende Formular S 2). Von den Anträgen für geplante Gesundheitsleistungen wurden 29 115 genehmigt – 17 358 allein in Luxemburg.
Eine detaillierte Aufschlüsselung der Daten ist Anhang A zu entnehmen, wo auch die für die Datenerhebung berücksichtigten Qualifikationen aufgeführt sind; dabei ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten zu verschiedenen Zeitpunkten umgesetzt wurde und die Daten daher möglicherweise nicht das gesamte Jahr 2014 abdecken.
In dem Bericht gemäß Artikel 20 Absatz 3 der Richtlinie 2011/24/EU, den die Kommission Anfang 2014 verabschiedete, wird darauf hingewiesen, dass sich die Durchführung der Richtlinie nachteilig auf die Anwendung der Verordnungen über die soziale Sicherheit auswirken könnte. In diesem Bericht ist ausführlich dargelegt, welche Daten erforderlich wären, um zu beurteilen, ob dies tatsächlich eingetreten ist. Diese Daten sind derzeit nicht verfügbar, und die Kommission kann daher zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Analysen vornehmen.
Kapitel 3: Nationale Kontaktstellen und Informationen für Patienten
In einigen Mitgliedstaaten gibt es verschiedene nationale Kontaktstellen (NKS) für „einreisende“ und „ausreisende“ Patienten. Andere verfügen über regionale NKS, die einer „Dach“-NKS zugeordnet sind. Einige NKS sind im Ministerium für Gesundheit, andere beim Krankenversicherungsträger und wieder andere bei unabhängigen Stellen angesiedelt.
Ferner nutzen die NKS unterschiedliche Kommunikationskanäle, wie aus der nachstehenden Tabelle (die alle 28 Mitgliedstaaten sowie die gesonderten Kontaktstellen für England, Schottland, Wales, Nordirland und Gibraltar umfasst) hervorgeht.
Diese Daten wurden im Rahmen der Evaluierungsstudie erhoben, in der außerdem erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Tätigkeiten der NKS festgestellt wurden. Drei der neun untersuchten NKS erhielten weniger als 10 Informationsanfragen pro Monat, vier NKS erhielten zwischen 10 und 100 solcher Anfragen, und bei lediglich zwei NKS gingen mehr als 100 Anfragen pro Monat ein. Diese Feststellungen stimmen mit den von den Mitgliedstaaten gemeldeten Daten über Informationsanfragen überein (siehe Anhang A)
Dies ist angesichts der offenbar geringen Kenntnisse der EU-Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte und die Existenz der NKS nicht verwunderlich. Eine kürzlich durchgeführte Eurobarometer-Umfrage ergab, dass weniger als zwei von zehn Bürgern das Gefühl haben, sie seien über ihre Rechte im Bereich der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung informiert:
Nur jeder zehnte Befragte wusste von der Existenz der nationalen Kontaktstellen:
Anlässlich einer Konferenzreihe, die das Europäische Patientenforum im Namen der Kommission veranstaltete, äußerten Patientenorganisationen ihre Besorgnis darüber, dass die Patienten einem Labyrinth verwirrender, bisweilen unzureichender oder aber allzu detaillierter Informationen über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung gegenüberstehen. Ihrer Ansicht nach spielen die nationalen Kontaktstellen eine entscheidende Rolle für den Erfolg bzw. den Misserfolg der Richtlinie, und sie schlagen daher vor, die nationalen Kontaktstellen könnten Personen, die eine geplante Behandlung im Ausland erwägen, „Checklisten“ sowie detailliertere, auf die Einzelperson abgestimmte Aufstellungen über Verfahren, Kosten und Erstattungssätze zur Verfügung stellen. Sie betonten, dass die Förderung der „Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit der Informationen, die Patienten hinsichtlich Qualität und Sicherheit in den einzelnen Einrichtungen und Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden“ wünschenswert sei.
„Patienten haben große Erwartungen.... – Wir sind allgemein der Ansicht, dass die NKS ein Tor zu Gesundheitsleistungen sein sollten und kein Wächter, der den Zugang versperrt.“ — Patientenorganisation
Gemäß der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Informationen über ihre Qualitäts- und Sicherheitssysteme bereitzustellen. Einige Mitgliedstaaten stellen Links zu verschiedenen Rechtsdokumenten zur Verfügung; manche bieten eine allgemeine Beschreibung der Strategien für die Qualitätssicherung; einige wenige stellen detaillierte Informationen (einschließlich Links zu Krankenhausbewertungssystemen mit typischen Sicherheitsparametern, z. B. Sterblichkeit, Zahl der behandelten Fälle mit Komplikationen) zur Verfügung; andere leiten ihre Bürgerinnen und Bürger zu spezifischen Quellen weiter – Websites oder namentlich genannten Personen. Wieder andere gehen gar nicht auf Sicherheit und Qualität ein.
Eine Reihe von Mitgliedstaaten zeigt sich weiterhin besorgt darüber, wie die Komplexität der derzeitigen Rechtslage vermittelt werden kann – nämlich die Regelung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung durch zwei unterschiedliche Arten von EU-Rechtsvorschriften (die Richtlinie und die Verordnungen über die soziale Sicherheit) – selbst wenn in Artikel 2 Buchstabe m der Richtlinie festgelegt ist, dass diese unbeschadet der Verordnungen über soziale Sicherheit gilt (vgl. auch Erwägungsgründe 28-31 der Richtlinie).
Kapitel 4: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
4.1 Anerkennung von Verschreibungen
In Artikel 11 der Richtlinie ist der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ärztlicher Verschreibungen zwischen Mitgliedstaaten festgelegt, und die Kommission wird ermächtigt, praktische Maßnahmen zur Unterstützung dieser Anerkennung zu erlassen.
Die meisten dieser Maßnahmen sind Gegenstand der Durchführungsrichtlinie 2012/52/EU. Diese Richtlinie enthält eine Liste mit gemeinsamen Elementen, die in grenzüberschreitende Verschreibungen aufzunehmen sind. Diese Liste enthält, neben anderen Elementen und mit begrenzten Ausnahmen, die „gebräuchliche Bezeichnung“ des Erzeugnisses (was in der Praxis für die große Mehrheit der Erzeugnisse dem internationalen Freinamen gleichkommt).
Das Fristende für die Umsetzung dieser Richtlinie entsprach dem für die Umsetzung der Richtlinie 2011/24/EU, d. h. 25. Oktober 2013. 21 Mitgliedstaaten haben diese Frist entweder nicht eingehalten oder die Durchführungsrichtlinie nicht vollständig umgesetzt, was zu Vertragsverletzungsverfahren führte. Zwei dieser Verfahren liefen am 1. Juli 2015 noch, die anderen waren aufgrund der nachfolgenden Umsetzung der Richtlinie durch die betroffenen Mitgliedstaaten eingestellt worden. Was die beiden noch anhängigen Rechtssachen anbelangt, so haben sich die betreffenden Mitgliedstaaten zur Bearbeitung der noch offenen Bereiche verpflichtet.
4.2 Europäische Referenznetzwerke (ERN)
Gemäß Artikel 12 der Richtlinie muss die Kommission die Mitgliedstaaten beim Aufbau Europäischer Referenznetzwerke zwischen Gesundheitsdienstleistern und Fachzentren in den Mitgliedstaaten unterstützen, insbesondere im Bereich seltener Krankheiten. Dies erfolgt durch: Festlegung von Kriterien und Bedingungen, die solche Netzwerke sowie die Gesundheitsdienstleister, die sich den Europäischen Referenznetzwerken anschließen möchten, erfüllen müssen; Ausarbeitung von Kriterien zur Einrichtung und Bewertung solcher Netzwerke; Erleichterung des Austauschs von Informationen und Fachwissen in Bezug auf die Netzwerke. Im März 2014 wurde der Rechtsrahmen für den Aufbau und die Bewertung der Netzwerke (ein delegierter Beschluss und ein Durchführungsbeschluss) erlassen, und zwar mit einstimmiger Unterstützung der Mitgliedstaaten.
Die Kommission hat den Aufbau der ERN bereits eingeleitet, einschließlich der Einrichtung des Gremiums der Mitgliedstaaten, deren Aufgabe es sein wird, die Vorschläge für ERN zu genehmigen. Die erste Ausschreibung für Netzwerke wird Anfang 2016 stattfinden, und im Laufe dieses Jahres sollen bereits die ersten Netzwerke genehmigt werden.
Die Kommission arbeitet mit Dienstleistern und Behörden des Gesundheitsbereichs zusammen, um für die von den ERN gebotenen Möglichkeiten zu sensibilisieren und Unterstützung für potenzielle Netzwerke oder Mitglieder von Netzwerken einzuholen.
4.3 Elektronische Gesundheitsdienste
Am 22. Dezember 2011 erließ die Kommission den Durchführungsbeschluss 2011/890/EU über das Gesundheitstelematiknetz. Das Gesundheitstelematiknetz soll die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden unterstützen. Die Mitglieder des Netzes kommen zweimal jährlich zusammen; operationelle Unterstützung erfährt das Netz durch eine gemeinsame Aktion im Rahmen des Gesundheitsprogramms, die mit der Verordnung (EU) Nr. 282/2014 eingeführt wurde. Die Arbeit des Gesundheitstelematiknetzes wird durch eine Reihe von Aktivitäten im Rahmen des Aktionsplans für elektronische Gesundheitsdienste 2012-2020 unterstützt: Innovative Gesundheitsfürsorge im 21. Jahrhundert.
Seit seiner Einrichtung wurden im Rahmen des Gesundheitstelematiknetzes Leitlinien zu Patientendossiers und zu elektronischen Verschreibungen sowie Positionspapiere zu folgenden Bereichen verabschiedet: elektronischer Identitätsnachweis, Interoperabilität, vorgeschlagene Verordnung über den Schutz personenbezogener Daten und im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF) zu fördernde Investitionen in elektronische Gesundheitsdienste. Derzeit arbeitet das Netz an Leitlinien über wirksame Verfahren, mit denen medizinische Informationen für die öffentliche Gesundheit und die Forschung genutzt werden können. Im Arbeitsplan 2015 der Fazilität „Connecting Europe“ wurden EU-Mittel für die Bereiche Austausch von Patientendossiers und elektronische Verschreibungen bereitgestellt. Das Gesundheitstelematiknetz wird die Leitlinien im Zeitraum 2015-2016 im Lichte der Erfahrungen mit der Fazilität „Connecting Europe“ überprüfen und erforderlichenfalls überarbeiten.
4.4 Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment, HTA)
Die Vorschriften über das HTA-Netzwerk, dessen Einrichtung gemäß Artikel 15 der Richtlinie vorgesehen ist, sind im Durchführungsbeschluss 2013/329/EU der Kommission festgelegt. Das HTA-Netzwerk soll die Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden unterstützen, auch im Hinblick auf die relative sowie auf die kurz- und langfristige Wirksamkeit von Gesundheitstechnologien. Die Sitzungen des Netzwerks finden zweimal jährlich statt; Unterstützung in wissenschaftlichen und technischen Fragen erfolgte durch eine gemeinsame Aktion im Rahmen des Gesundheitsprogramms (EUnetHTA).
Das Netzwerk hat im Oktober 2014 eine Strategie für die europäische Zusammenarbeit bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien sowie im April 2015 ein Diskussionspapier über die Wiederverwertung gemeinsamer HTA-Arbeit für Tätigkeiten auf nationaler Ebene angenommen.
Das HTA-Netzwerk wird auch weiterhin eine strategische Rolle übernehmen, eine starke und effiziente wissenschaftliche Zusammenarbeit wird jedoch von grundlegender Bedeutung sein. Die Mitgliedstaaten haben die Kommission aufgefordert, Maßnahmen vorzuschlagen, um eine langfristige Tragfähigkeit zu gewährleisten.
4.5 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Gemäß der Richtlinie ist die Kommission verpflichtet, die Mitgliedstaaten dazu zu ermutigen, in Grenzregionen bei der Erbringung grenzüberschreitender Gesundheitsdienstleistungen zusammenzuarbeiten. Ersten Analysen der Kommission zufolge gibt es nur eine begrenzte Anzahl grenzüberschreitender Projekte, die möglicherweise wertvolle Erkenntnisse für künftige Partner liefern können. Ferner hat die Kommission bestimmte Bereiche ermittelt, in denen durch eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit erhebliche Verbesserungen bei den Behandlungsergebnissen erzielt werden könnten, so z. B. beim Zugang zu Intensivpflege bei Myokardinfarkten.
Eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit erfordert eine umfangreiche Beteiligung lokaler Akteure, mit Unterstützung der nationalen Behörden. In einem nächsten Schritt müssen die Aktivitäten und bewährten Verfahren der EU ermittelt werden, die zur Umsetzung einer echten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit – und einem damit verbundenen Mehrwert – beitragen werden. Außerdem gilt es, die geografischen Gebiete, die von einer solchen Zusammenarbeit profitieren könnten, zu ermitteln.
Kapitel 5: Schlussfolgerungen
Die Patientenmobilität bei geplanten Behandlungen ist – sowohl im Rahmen der Richtlinie als auch der Verordnungen über die soziale Sicherheit – nach wie vor gering, während die Patientenmobilität in Bezug auf ungeplante Gesundheitsleistungen beträchtlich höher zu sein scheint. Auf Frankreich und Luxemburg sowie möglicherweise Finnland und Dänemark trifft diese allgemeine Feststellung offenbar nicht zu. Die tatsächliche Nutzung geplanter Gesundheitsleistungen in anderen Ländern bleibt weit hinter dem Potenzial zurück, auf das die Zahl der Personen schließen lässt, die in der Eurobarometer-Erhebung angeben, sie würden die Inanspruchnahme grenzüberschreitender Gesundheitsleistungen in Erwägung ziehen.
Dafür gibt es eine Reihe möglicher Gründe. Zunächst wurde die Richtlinie in mehreren Mitgliedstaaten verspätet umgesetzt, so dass sie von einer geringeren Anzahl von Personen während des Jahres 2014 angewendet werden konnte.
Außerdem haben – wie ebenfalls der Eurobarometer-Erhebung zu entnehmen ist – nur sehr wenige Bürgerinnen und Bürger Kenntnis von ihrem allgemeinen Anspruch auf Kostenerstattung. Selbst wenn die Bürger ihre Rechte kennen, ist es in einer Reihe von Mitgliedstaaten schwierig für Patienten, mehr darüber zu erfahren, wie sie diese Rechte in der Praxis ausüben können. Die zuvor genannte Evaluierungsstudie weist auf erhebliche Unterschiede bei der Leistung der nationalen Kontaktstellen in diesem Zusammenhang hin.
Ferner gibt es – während einige Mitgliedstaaten die Richtlinie vollständig umgesetzt haben und erhebliche Anstrengungen zur Förderung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung unternehmen – eine beträchtliche Zahl von Mitgliedstaaten, in denen die Patienten durch die Gesundheitssysteme vor große Hürden gestellt werden, was, zumindest in einigen Fällen, das Ergebnis bewusst getroffener politischer Entscheidungen zu sein scheint: einige Systeme der Vorabgenehmigung sind komplizierter, als dies durch die derzeitige Zahl der Anträge gerechtfertigt scheint; in vielen Fällen ist nicht klar, welche Behandlungen genau eine Vorabgenehmigung erfordern; niedrigere Erstattungssätze als im Herkunftsmitgliedstaat wirken eindeutig abschreckend; es gibt eine Reihe aufwändiger Verwaltungsauflagen, die Patienten von der Inanspruchnahme solcher Leistungen abhalten könnten.
Die natürliche Nachfrage nach grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung könnte auch aus folgenden Gründen relativ niedrig sein: fehlende Bereitschaft der Patienten zu reisen (z. B. wegen der Nähe zur Familie oder Vertrautheit mit dem nationalen System); Sprachbarrieren; Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten; annehmbare Wartezeiten für eine Behandlung im Versicherungsmitgliedstaat. Es sei auch darauf hingewiesen, dass die vorhandene Nachfrage teilweise durch lokale bilaterale Vereinbarungen, die es in einigen Mitgliedstaaten gibt, gedeckt werden kann. Angesichts der oben dargestellten Faktoren lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass die Nutzung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung der potenziellen Nachfrage entspricht.
Die Auswirkungen der Richtlinie sollten allerdings anhand breiterer Kriterien geprüft werden als nur der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Die Richtlinie hat zu einer Reihe wichtiger Diskussionen beigetragen, die derzeit in vielen Mitgliedstaaten zur Reform des Gesundheitswesens geführt werden.
Vor allem enthält die Richtlinie eine erhebliche Anzahl von Bestimmungen zur Transparenz der Rechte für Patienten sowie zur Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung. Die Frage, welche Informationen Patienten benötigen und wie diese Informationen bereitgestellt werden können, dürfte für einige Zeit auf der Tagesordnung stehen. Dies ist nicht auf die Richtlinie an sich zurückzuführen, sondern spiegelt umfassendere technische und gesellschaftliche Veränderungen wider: Die aktuellen Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger unterscheiden sich ganz wesentlich von den Erwartungen, die noch vor wenigen Jahren vorherrschten (wobei Gesundheitsdienste sicher auch nicht immun gegen die Auswirkungen von z. B. nutzergenerierten Bewertungen sind). Die Richtlinie bietet jedoch Raum (sowie durch das Netz der NKS ein Forum für regelmäßige Treffen) für die Kommission und die Mitgliedstaaten, ihre Ansichten darüber auszutauschen, wie diese Herausforderung bewältigt werden könnte.
Es ist bereits deutlich geworden, dass es zwischen den NKS große Unterschiede hinsichtlich Funktionsweise und Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen gibt. Es könnte von großem Nutzen sein, im Rahmen künftiger Gespräche gemeinsame Konzepte oder Leitlinien für die Arbeit der NKS zu erörtern.
Darüber hinaus erzeugt der Druck auf die Gesundheitssysteme ein wachsendes Interesse an einer besseren Nutzung der Ressourcen durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Aus den von der Kommission unternommenen ersten Arbeiten gingen einige Vorschläge für Maßnahmen auf EU-Ebene hervor (z. B. Austausch bewährter Verfahren aus erfolgreichen Projekten; Ausarbeitung von Checklisten für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit), die aber nur mit der Unterstützung nationaler oder lokaler Aktivitäten zum Erfolg geführt werden können.
Mit dem Kapitel der Richtlinie über die Kooperation zwischen Gesundheitssystemen wurde ein neuer Rahmen für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten geschaffen. Daraus könnte ein greifbarer Nutzen für die Gesundheitssysteme in der gesamten EU entstehen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Europäischen Referenznetzwerke könnten den Zugang zu Gesundheitsversorgung bei seltenen und komplexen Erkrankungen (mit geringer Prävalenz), für deren Behandlung nur wenige Fachleute zur Verfügung stehen, erheblich verbessern. Um dieses Potenzial ausschöpfen zu können, werden eine ständige Unterstützung und permanentes Engagement von allen Seiten erforderlich sein.
Die durch das HTA-Netzwerk angenommene HTA-Strategie hat gezeigt, dass seitens der Mitgliedstaaten Interesse an gemeinsamer Arbeit besteht, aber auch, dass dauerhafte und fundierte Regelungen benötigt werden. Solche Regelungen müssten eine gemeinsame Arbeit erleichtern, so dass die Mitgliedstaaten und andere Beteiligte in vollem Umfang davon profitieren können.
Schließlich dürften telemedizinische Dienstleistungen (einschließlich Online-Apotheken) aufgrund des technologischen Fortschritts in unmittelbarer Zukunft gängiger und relevanter werden. Daher könnte es sich als nützlich erweisen zu prüfen, ob und wie die geltenden Bestimmungen (z. B. über die anzuwendenden Rechtsvorschriften sowie den Zugang zu und die Erstattung von Behandlungen) weiterentwickelt und präzisiert werden müssen.
Kapitel 6: Ausübung der Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte, die der Kommission mit Artikel 17 der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung übertragen wurde
6.1 Einleitung
In Artikel 11 der Richtlinie 2011/24/EU ist die gegenseitige Anerkennung von Verschreibungen zwischen Mitgliedstaaten geregelt. Nach Artikel 11 Absatz 5 kann die Kommission durch delegierte Rechtsakte Maßnahmen zum Ausschluss spezifischer Kategorien von Arzneimitteln oder Medizinprodukten aus der Anerkennung der Verschreibungen erlassen, soweit dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist.
Artikel 12 der Richtlinie 2011/24/EU betrifft den Aufbau Europäischer Referenznetzwerke. Gemäß Artikel 12 Absatz 5 in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 4 Buchstabe a wird der Kommission die Befugnis übertragen, durch delegierte Rechtsakte eine Liste spezifischer Kriterien und Bedingungen, die die Europäischen Referenznetze erfüllen müssen, anzunehmen sowie die Bedingungen und Kriterien für Gesundheitsdienstleister festzulegen, die sich den Europäischen Referenznetzwerken anschließen möchten, wie in Artikel 12 Absatz 4 Buchstabe a vorgesehen.
Mit Artikel 17 der Richtlinie 2011/24/EU werden der Kommission die delegierten Befugnisse für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 24. April 2011 übertragen. Gemäß diesem Artikel muss die Kommission spätestens sechs Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die übertragene Befugnis vorlegen. Die Befugnisübertragung verlängert sich automatisch um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widerrufen sie gemäß Artikel 18.
6.2 Ausübung der Befugnisübertragung
Was Artikel 11 Absatz 5 betrifft, so wurde am 14. Februar 2012 eine Sitzung von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten einberufen, um die Notwendigkeit zu erörtern, spezifische Kategorien von Arzneimitteln oder Medizinprodukten von der Anerkennung der Verschreibungen auszuschließen. Bei dieser Sitzung (sowie in der durchgeführten Begleitstudie) wurde der Schluss gezogen, dass zu diesem Zeitpunkt kein Ausschluss erforderlich war. Die Kommission hat daher die übertragene Befugnis noch nicht ausgeübt.
Was Artikel 12 Absatz 5 anbelangt, so arbeitete die Kommission bezüglich des Inhalts des delegierten Rechtsakts eng mit den Mitgliedstaaten zusammen, bevor dieser am 10. März 2014 (siehe vorstehende Nummer 4.2) erlassen wurde. Der Rechtsakt trat am 27. Mai 2014 in Kraft.
6.3 Schlussfolgerung
Die Kommission ist der Auffassung, dass die ihr durch die Richtlinie 2011/24/EU übertragenen Befugnisse zum Erlass delegierter Rechtsakte in Kraft bleiben sollten.
Im Bereich der Arzneimittel und Medizinprodukte kann es zu raschen Veränderungen kommen. Auch wenn derzeit keine Ausnahmen vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Verschreibungen erforderlich sind, kann in der Zukunft eine solche Notwendigkeit entstehen und müsste zügig im Rahmen eines delegierten Rechtsakts behandelt werden, um die öffentliche Gesundheit zu schützen.
Was die Europäischen Referenznetzwerke anbelangt, so werden im Jahr 2016 die ersten Netzwerke eingerichtet; diese müssen anschließend bewertet werden. Diese Bewertung wird wahrscheinlich zu dem Schluss führen, dass eine künftige Anpassung des Inhalts des geltenden delegierten Rechtsakts erstrebenswert sei.
ANHANG A
Daten aus den Mitgliedstaaten über die Durchführung der Richtlinie
Allen Mitgliedstaaten wurde im Januar 2015 ein Fragebogen übermittelt. Die Antworten waren spätestens am 30. April 2015 vorzulegen. Die Erhebung bezog sich auf das Kalenderjahr 2014.
Insgesamt 26 der 28 Mitgliedstaaten übermittelten Daten (nicht geantwortet haben Lettland und Malta).
Eine Auswahl der von den Mitgliedstaaten gemeldeten Daten ist nachstehend dargestellt. Dabei ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Richtlinie 2011/24/EU wurde in den Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten umgesetzt, und in vielen Fällen decken die vorgelegten Daten nur einen Teil des Jahres 2014 ab. Einige Mitgliedstaaten haben Schwierigkeiten, ihre Daten nach der Richtlinie 2011/24/EU und den Verordnungen über die soziale Sicherheit (Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und (EG) Nr. 987/2009) zuzuordnen, insbesondere bei Erstattungsanträgen für Gesundheitsdienstleistungen, die nicht an eine Vorabgenehmigung gebunden sind.
Es hat sich für viele Mitgliedstaaten als schwierig erwiesen, nach Medium und Thema aufgeschlüsselte Daten zu den Informationsanfragen bei den NKS vorzulegen. Außerdem ist davon auszugehen, dass bisweilen auch Anfragen zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/24/EU fallen, mit eingerechnet wurden, z. B. Fragen im Zusammenhang mit der Europäischen Krankenversicherungskarte (EKVK).
Einige Mitgliedstaaten – vor allem diejenigen mit Systemen auf Versicherungsbasis – taten sich schwer, Daten aus den einzelnen Komponenten ihres Systems zusammenzutragen.
Da dieser Fragebogen zum ersten Mal zum Einsatz kam, traten einige praktische und semantische Probleme auf (die sich aus der Verschiedenartigkeit der nationalen Gegebenheiten und Verfahren ergeben). Diese Probleme sind bei künftigen Erhebungen zu berücksichtigen, da sie die Vergleichbarkeit der Daten beeinträchtigen.
Der Datenvergleich zwischen den Mitgliedstaaten gestaltet sich somit schwierig, weshalb die Beispiele in diesem Anhang lediglich der Veranschaulichung dienen.
Informationsanfragen bei nationalen Kontaktstellen
Von den 26 Mitgliedstaaten, die den Fragebogen beantwortet haben, konnten alle außer Luxemburg und Schweden Daten über die Gesamtzahl der einzelnen Anfragen vorlegen. 2014 wurden insgesamt 109 223 solcher Anfragen verzeichnet. Fünf Mitgliedstaaten erhielten weniger als 100 Informationsanfragen (Portugal beispielsweise verzeichnete lediglich 6). Zehn Mitgliedstaaten verzeichneten mehr als 1 000 Informationsanfragen. 75 % der erfassten Anfragen kamen allein aus drei Mitgliedstaaten: Deutschland (36 602), Finnland (25 207) und Österreich (15 536). Die viel höheren Zahlen sind wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass diese drei Mitgliedstaaten Webseitenaufrufe als Informationsanfragen verbuchten.
Einige Mitgliedstaaten waren in der Lage, ihre Informationsanfragen nach Medium einzuordnen. In diesen Fällen zeigen die Daten folgende Verteilung: 74 050 über die Website (siehe vorstehende Nummer), 15 461 per Telefon, 5 436 per E-Mail und 2 179 über persönliche Kontakte.
Nutzung der Vorabgenehmigung
21 Mitgliedstaaten haben ein System der Vorabgenehmigung eingeführt (in Österreich, der Tschechischen Republik, Estland, Finnland, Litauen, den Niederlanden und Schweden ist dies nicht der Fall; einige dieser Länder verabschiedeten jedoch Rechtsvorschriften, die es ihnen ermöglichen, ein solches System zu einem späteren Zeitpunkt einzuführen, sofern sie dies wünschen). Von diesen 21 Ländern übermittelten Lettland und Malta keine Daten. Deutschland übermittelte Daten, konnte jedoch keine Informationen zur Nutzung der Vorabgenehmigung vorlegen.
Von den 18 Mitgliedstaaten, die Daten vorgelegt haben, war Frankreich eindeutig ein Sonderfall mit 57 000 erteilten Genehmigungen; dies ist jedoch ein Gesamtwert für Genehmigungen, die sowohl im Rahmen der Verordnungen über die soziale Sicherheit als auch der Richtlinie erteilt wurden. Die Anzahl der ausdrücklich im Rahmen der Richtlinie gestellten Anträge auf Vorabgenehmigung, die in den übrigen 17 Mitgliedstaaten entweder genehmigt oder abgelehnt wurden, beträgt 560; davon wurden 360 genehmigt. Zwei Mitgliedstaaten (Polen und Griechenland) berichteten, sie hätten 2014 keine Anträge auf Vorabgenehmigung genehmigt oder abgelehnt, und in zwei Ländern (Kroatien und Portugal) ist jeweils nur ein Antrag eingegangen. Am anderen Ende der Skala stehen Italien mit 177 Anträgen (103 genehmigt) und die Slowakei mit 139 Anträgen (121 genehmigt).
Kostenerstattung für Behandlungen, für die keine Vorabgenehmigung erforderlich ist
Von den 26 Mitgliedstaaten, die geantwortet haben, waren nur 23 in der Lage, vollständige Daten über die Erstattungen für Behandlungen vorlegen, die nicht an eine Vorabgenehmigung gebunden sind (Deutschland und die Niederlande konnten keine Daten vorlegen; Belgien konnte keine vollständigen Daten vorlegen). Von diesen 23 übermittelten Finnland, Frankreich und Luxemburg Gesamtwerte für die Richtlinie und die Verordnungen über die soziale Sicherheit. Finnland meldete 17 142 Erstattungsanträge, Frankreich 422 680 und Luxemburg 117 962.
In den übrigen 20 Mitgliedstaaten wurden insgesamt 39 826 Erstattungen ausdrücklich im Rahmen der Richtlinie getätigt; davon entfallen 31 032 allein auf Dänemark. Vier Mitgliedstaaten leisteten mehr als 1 000 Erstattungen. Vierzehn Mitgliedstaaten leisteten weniger als 100 Erstattungen, von denen sechs (Österreich, Bulgarien, Zypern, Estland, Griechenland und Portugal) keine Erstattungen gemäß der Richtlinie vornahmen.
Bearbeitungszeiten
Von den 16 antwortenden Mitgliedstaaten, die über ein System der Vorabgenehmigung verfügen und in denen Anträge auf Vorabgenehmigung eingegangen waren, gaben neun (Bulgarien, Kroatien, Dänemark, Irland, Frankreich, Luxemburg, die Slowakei, Spanien und das Vereinigte Königreich) eine durchschnittliche Bearbeitungszeit für die Anträge von 20 Tagen oder weniger an. In nur drei Ländern betrug die durchschnittliche Bearbeitungszeit 30 Tage oder mehr: Ungarn (30 Tage), Zypern (40) und Slowenien (69).
Von den 19 antwortenden Mitgliedstaaten, bei denen Erstattungsanträge für Behandlungen, für die keine Vorabgenehmigung erforderlich ist, eingegangen waren (und die die gewünschten Daten liefern konnten), waren 15 in der Lage, Daten über die für die Bearbeitung von Anträgen durchschnittlich benötigte Zeitspanne vorzulegen (Belgien, Litauen, Griechenland und Rumänien konnte solche Daten nicht liefern). Von diesen Ländern benötigten vier durchschnittlich weniger als 20 Tage (Dänemark, Ungarn, Luxemburg und das Vereinigte Königreich), und bei drei Ländern lag die durchschnittlich benötigte Zeitspanne bei über 80 Tagen: Finnland (82), Slowakei (84,3) und Schweden (150) (Anmerkung: die Zahl für Finnland bezieht sich sowohl auf die Verordnungen als auch die Richtlinie).
ANHANG B
Evaluierungsstudie zur Richtlinie über grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung
Diese Studie befasst sich mit den Auswirkungen der Richtlinie 2011/24/EU. Übergeordnetes Ziel der Studie ist es, auf der Grundlage der verfügbaren Quellen über den Stand der Durchführung zu berichten sowie Lücken und Bereiche mit Verbesserungspotenzial festzustellen, wie dies in Artikel 20 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehen ist. Sie stützt sich auf die Lage vor Ort und andere wertvolle externe Quellen (frühere Studien, Fachliteratur, Beiträge von Interessenträgern usw.).
Methodik
Zusätzlich zur Sekundärforschung und Auswertung der Fachliteratur wurden Websites detailliert ausgewertet und gängige partizipative Forschungsmethoden genutzt.
Aufbauend auf früheren Forschungsarbeiten wurden die Websites aller 32 nationalen Kontaktstellen (32 Länder bzw. Gebiete; für das Vereinigte Königreich wurden England, Wales, Schottland, Nordirland und Gibraltar untersucht) einer Analyse unterzogen. Die Analyse wurde zwischen dem 6. Oktober und dem 6. November 2014 durchgeführt.
Die „Pseudopatienten“-Forschungsmethode wurde eingesetzt, um die „Endnutzer“-Perspektive einzuholen. Die NKS in 12 EU-Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Litauen, Malta, die Niederlande, Slowenien, Spanien und Schweden) wurden im November 2014 sowohl per E-Mail als auch telefonisch kontaktiert und zu drei verschiedenen vorentworfenen Szenarien befragt. Diese „Schwerpunktländer“ stellen eine repräsentative Stichprobe dar, auf der Grundlage einer Reihe im Bericht aufgeführter Kriterien.
Des Weiteren wurden in den Schwerpunktländern und auf europäischer Ebene anhand von über 59 Befragungen von Interessenträgern und einer Online-Umfrage bei den 12 NKS in den Schwerpunktländern subjektive, meinungsgestützte Daten erhoben. Etwa 50 % der kontaktierten Akteure erklärten sich zu einer Befragung innerhalb des Zeitraums von vier Wochen bereit. Zu diesen Akteuren zählten Krankenkassen, Gesundheitsdienstleister, Patientenbeauftragte, nationale und regionale Behörden, Patientenvereinigungen, Prüfstellen, Gewerkschaften und einschlägige Berufsverbände. Alle NKS beantworteten zumindest einen Teil der Online-Umfrage.
Die Schlussfolgerungen der Studie wurden durch eine SWOT-Analyse mit Schwerpunkt auf den für Patienten erbrachten Dienstleistungen ergänzt.
Einschränkungen
Die Studie stellt keine formelle Bewertung dar. Beschwerden, Verstöße und Umsetzungsmaßnahmen waren nicht Gegenstand. Da die Richtlinie erst vor kurzem verabschiedet wurde und es an leicht zugänglichen Daten über die Patientenmobilität mangelt, wäre eine formelle Bewertung der Richtlinie verfrüht gewesen. Die Evaluierungsstudie liefert jedoch einen wichtigen, wenn auch qualitativen Beitrag für eine grundlegende Bewertung und künftige Evaluierungen, im Einklang mit dem Prinzip „zuerst evaluieren“.