52015DC0114

BERICHT DER KOMMISSION Finnland Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags /* COM/2015/0114 final */


BERICHT DER KOMMISSION

Finnland Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags

1. Hintergrund

In Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist ein Verfahren bei einem übermäßigen Defizit („Defizitverfahren“) vorgesehen. Dessen Einzelheiten regelt die zum Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) gehörende Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit[1]. Besondere Vorschriften für die dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten, die Gegenstand eines Defizitverfahrens sind, sind in der Verordnung (EU) Nr. 473/2013[2] festgelegt.

Nach Artikel 126 Absatz 2 AEUV prüft die Kommission die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand von zwei Kriterien, nämlich daran, a) ob das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) den Referenzwert von 3 % überschreitet (es sei denn, dass entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt); und b) ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP den Referenzwert von 60 % überschreitet (es sei denn, das Verhältnis ist hinreichend rückläufig und nähert sich rasch genug dem Referenzwert).

Laut Artikel 126 Absatz 3 AEUV erstellt die Kommission einen Bericht, falls ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien erfüllt. Die Kommission kann ferner einen Bericht erstellen, wenn sie ungeachtet der Erfüllung der Kriterien der Auffassung ist, dass die Gefahr eines übermäßigen Defizits im Sinne des Artikels 126 Absatz 2 AEUV besteht. In diesem Bericht wird auch „berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats“.

In diesem Bericht, der die erste Stufe des Defizitverfahrens darstellt, wird analysiert, ob Finnland das im Vertrag vorgesehene Schuldenstandskriterium erfüllt. Den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und allen sonstigen einschlägigen Faktoren wird dabei gebührend Rechnung getragen, bevor eine endgültige Entscheidung über diese Frage gefällt wird.

Im Zuge der im Jahr 2011 am SWP vorgenommenen Änderungen wurden die Anforderungen in Bezug auf den Schuldenstand den Anforderungen in Bezug auf das Defizit gleichgestellt, damit gewährleistet ist, dass die Schuldenquote in Ländern, in denen sie den Referenzwert von 60 % überschreitet, unter diesen Wert zurückgeführt wird (oder hinreichend rückläufig ist und sich diesem Wert nähert).

Am 13. Januar 2015 stellte die Kommission eine Mitteilung zur Flexibilität vor, die neue Leitlinien zur Anwendung der geltenden Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakts enthält, mit denen die wirksame Durchführung von Strukturreformen, Investitionen und verantwortungsvolle Haushaltspolitik enger miteinander verknüpft werden sollen, um Beschäftigung und Wachstum zu fördern. Mit der Mitteilung werden die Bestimmungen des Pakts nicht geändert; vielmehr sollen Wirksamkeit und Verständnis seiner Vorschriften gefördert und ein wachstumsfreundlicherer haushaltspolitischer Kurs im Euro-Währungsgebiet entwickelt werden, indem sichergestellt wird, dass die im Pakt vorgesehene Flexibilität so gut wie möglich genutzt und gleichzeitig seine Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit zur Wahrung einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik gewährleistet wird. Insbesondere hat die Kommission in ihrer Mitteilung klargestellt, dass sie – in Übereinstimmung mit Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates – bei der Prüfung, ob ein Defizitverfahren eingeleitet werden muss (im Rahmen eines Berichts gemäß Artikel 126 Absatz 3 AEUV), sorgfältig alle relevanten mittelfristigen Entwicklungen bei der Wirtschafts- und Haushaltslage sowie beim Schuldenstand prüft. Die Kommission hat außerdem klargestellt, dass die Umsetzung von Strukturreformen im Rahmen das Europäische Semester zu den einschlägigen Faktoren zählt.[3]

In Finnlands Übersicht über die Haushaltsplanung 2015, die der Kommission am 2. Oktober 2014 vorgelegt wurde, wurde das gesamtstaatliche Defizit für das Jahr 2015 auf 2,4 % des BIP veranschlagt, während für Ende 2015 von einer Bruttoschuldenquote von 61,2 % und damit über dem Referenzwert von 60 % ausgegangen wird. Der Winterprognose 2015 der Kommission zufolge wird das gesamtstaatliche Defizit 2015 bei 2,5 % des BIP liegen; die Projektionen bezüglich der Schuldenquote entsprechen dagegen den von den Behörden in der Übersicht über die Haushaltsplanung angenommenen Werten.

Sowohl der in der Kommissionsprognose als auch der in der Übersicht über die Haushaltsplanung erwartete Wert belegt, dass vor Berücksichtigung der weiter unten dargelegten einschlägigen Faktoren allem Anschein nach die Gefahr eines übermäßigen Defizits auf der Grundlage des Schuldenstandskriteriums im Sinne des SWP besteht.

Mit diesem Bericht wird daher die vorherige Kommissionsbewertung der den Referenzwert überschreitenden Schuldenquote vom 2. Juni 2014[4] aktualisiert, damit überprüft werden kann, ob die Einleitung eines Defizitverfahrens unter Berücksichtigung aller einschlägigen Faktoren erforderlich ist.

In Abschnitt 2 wird das Defizitkriterium und in Abschnitt 3 das Schuldenstandskriterium untersucht; Abschnitt 4 befasst sich mit den für die Entwicklung des Schuldenstands relevanten Faktoren. In dem Bericht wird auch die am 5. Februar 2015 veröffentlichte Winterprognose 2015 der Kommission berücksichtigt. Aufgrund der ungünstigeren Wachstumsaussichten werden für 2014 und 2015 höhere Defizite prognostiziert als in dem Bericht vom 2. Juni 2014. Für Zinszahlungen werden dagegen geringere Ausgaben angenommen. Der vorliegende Bericht beruht auf Daten gemäß ESVG 2010. Durch den Wechsel zu ESVG 2010 verringert sich die Schuldenquote (für das letzte statistische Jahr – 2013 – von 57,0 % nach ESVG 95 auf 56,0 %).

2. Defizitkriterium

Sowohl nach der Übersicht über die Haushaltsplanung als auch nach der Winterprognose 2015 der Kommission wird Finnlands gesamtstaatliches Defizit im Zeitraum von 2014 bis 2016 unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert bleiben. Gemäß Kommissionsprognose dürfte das Defizit 2014 2,7 % des BIP erreicht haben; den Projektionen zufolge wird es, unter der Annahme einer unveränderten Politik, im Jahr 2015 auf 2,5 % des BIP und 2016 auf 2,2 % des BIP zurückgehen. Der Übersicht über die Haushaltsplanung nach sollte das Defizit 2014 2,7 % des BIP betragen und 2015 auf 2,4 % des BIP zurückgehen. Das Defizitkriterium des Vertrags ist somit erfüllt.

3. Schuldenstandskriterium

Die gesamtstaatliche Bruttoschuldenquote hat in den letzten Jahren rasch zugenommen, und zwar von ihrem tiefsten Stand von 32,7 % des BIP im Jahr 2008 auf 56,0 % im Jahr 2013. Nach der Winterprognose 2015 der Kommission dürfte der Schuldenstand 2014 auf 58,9 % des BIP angewachsen sein und 2015 und 2016 weiter auf 61,2 % bzw. 62,6 % des BIP ansteigen. In Finnlands Übersicht über die Haushaltsplanung wurde für das Jahr 2014 von einem Anstieg der Schuldenquote auf 59,6 % des BIP ausgegangen; für 2015 wurde ein Anstieg auf 61,2 % des BIP prognostiziert. Bei dem in der Winterprognose der Kommission für 2014 veranschlagten Schuldenstand wurde ein langsameres Wachstum der Schulden des Zentralstaats in der zweiten Jahreshälfte berücksichtigt.

Tabelle 1: Schuldendynamik

4. Einschlägige Faktoren

Nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV wird im Bericht der Kommission „berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats“. Diese Faktoren werden in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates weiter erläutert, dem zufolge „die Kommission […] allen sonstigen Faktoren gebührende Beachtung [schenkt], die aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaats von Bedeutung sind, um die Einhaltung der Defizit- und Schuldenkriterien in umfassender Weise zu beurteilen, und die der Mitgliedstaat dem Rat und der Kommission vorgelegt hat“.

Angesichts der vorgenannten Bestimmungen werden in den folgenden Abschnitten folgende Faktoren bewertet: 1) die mittelfristige Wirtschaftslage; 2) die mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Haushalte (einschließlich öffentlicher Investitionen), 3) die mittelfristige Entwicklung der Schuldenstandsquote, ihre Dynamik und Tragfähigkeit, 4) sonstige Faktoren, die aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaats von Bedeutung sind, und 5) andere Faktoren, die aus Sicht der Kommission von Bedeutung sind.

4.1. Mittelfristige Wirtschaftsentwicklung

Konjunkturlage und Potenzialwachstum

Nachdem das reale finnische BIP im Jahr 2009 um 8,3 % eingebrochen war, erholte sich das Land in den Jahren 2010 und 2011 schrittweise, geriet in den Jahren 2012-2013 aber erneut in die Rezession. Im Vergleich zum Vorjahr dürfte sich Finnlands Wirtschaftsleistung 2014 kaum verändert haben. Das geringe Produktivitätswachstum und der Verlust von Exportmarktanteilen der jüngsten Zeit spiegeln die anhaltende Umstrukturierung der Wirtschaft wider. Die Krise hat das Potenzialwachstum Finnlands beeinträchtigt. Auf der Grundlage der Winterprognose kann angenommen werden, dass das Potenzialwachstum von 2,2 % im Jahr 2007 gesunken ist und 2014 fast zu einem Stillstand kam. Für 2015 wird von einer nur leichten Verbesserung des Potenzialwachstums ausgegangen, die auf Kapitalbildung und Arbeitsstunden beruht; ein positiver Beitrag der Gesamtfaktorproduktivität wird nicht erwartet. Der drastische Rückgang des Potenzialwachstums hat negative Auswirkungen auf die Schuldentragfähigkeit.

Da das reale BIP in den Jahren 2012 und 2013 geschrumpft ist, hat sich die Produktionslücke 2013 auf -3,1 des BIP-Potenzials erweitert; auf diesem Stand dürfte sie sich auch 2014 halten, da von einem unveränderten BIP ausgegangen wird. Im Jahr 2015 wird das Wachstum den Prognosen zufolge über dem Potenzialwachstum liegen, wodurch die Produktionslücke leicht auf -2,6 % des BIP-Potenzials zurückgehen dürfte.

Tabelle 2: Makroökonomische und budgetäre Entwicklungen a

Diese negativen konjunkturellen Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Schuldenquote gehabt. Kommission und nationale Behörden stellten übereinstimmend fest, dass die Schuldenquote im Jahr 2015 bei einer Konjunkturbereinigung für die letzten drei Jahre unterhalb des im Vertrag festgesetzten Referenzwerts bleiben würde. Der Winterprognose der Kommission zufolge dürfte der konjunkturbereinigte Schuldenstand 2015 bei 55,8 % des BIP liegen. Die nationalen Behörden stimmen dieser Berechnung zu.

Tabelle 3. Defizit und Schuldenstand des Gesamtstaats (in % des BIP)[5]

5

Jüngste Strukturreformen

Im Jahr 2013 hat Finnland ein breit angelegtes strukturpolitisches Programm zur Verbesserung der Wachstumsbedingungen und zur Reduzierung der Tragfähigkeitslücke auf den Weg gebracht.[6] Die Regierung plant Maßnahmen, mit denen Folgendes erreicht werden soll: ausgeglichener Haushalt auf kommunaler Ebene, Steigerung der Effizienz des öffentlichen Sektors, Verlängerung des Erwerbslebens um zwei Jahre und Verbesserung von Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit. Konkretere Schritte wurden im Rahmen der jüngsten Entscheidung über die Ausgabenobergrenze von März 2014[7] angekündigt und im nationalen Reformprogramm 2014[8] erläutert. Im August 2014 wurden weitere Durchführungsbeschlüsse gefasst[9], die derzeit von der Regierung umgesetzt werden.

Die Reformmaßnahmen, die Finnland aufgrund der Empfehlungen durchgeführt hat, welche der Rat im Juli 2013 und im Juli 2014 im Rahmen des Europäischen Semesters abgegeben hatte, werden von der Kommission insgesamt positiv bewertet. Im Länderbericht 2015 heißt es, dass Finnland einige Fortschritte bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen von 2014 macht. So werden umfassende Reformen zur Vergrößerung der Gemeinden und zur Verbesserung des Gesundheits- und Sozialwesens vorbereitet, die Jugendgarantie wurde erweitert, die Vorruhestandsregelungen werden eingeschränkt und die nationale Wettbewerbsbehörde wurde reformiert. 2014 ist eine Reform des Körperschaftsteuersystems in Kraft getreten, durch die die Körperschaftsteuer verringert und die Besteuerung von Dividenden erhöht wird. Sie soll das Steuersystem wachstumsfreundlicher machen.

Ende September 2014 haben sich die Sozialpartner auf eine Rentenreform verständigt. Durch die Reform wird, wie vom Rat im Juli 2014 empfohlen, das Rentenalter an die Lebenserwartung geknüpft. Die Reform soll ab 2017 umgesetzt werden. Nach Aussage der nationalen Behörden wird sich durch die Reform die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen um rund 1 % des BIP verbessern.

Die politischen Parteien haben sich auf die Ausrichtung der Gesundheits- und Sozialreform verständigt. Wichtigster Punkt der Reform ist dem nationalen Reformprogramm 2014 nach die integrierte Erbringung sämtlicher Sozial- und Gesundheitsleistungen durch fünf regionale Anbieter. Die Gemeinden sind weiterhin an der Leistungserbringung beteiligt, allerdings wird ein bedeutender Teil ihrer Zuständigkeiten auf die genannten fünf Regionen übertragen. Lokale Dienste, wie Gesundheitsleistungen, häusliche Betreuung und Pflege für ältere Menschen sowie Sozialleistungen können nach wie vor wohnortnah erbracht werden. Ende 2014 wurden im Parlament Gesetzesvorschläge zu dieser Reform eingebracht, und es wird davon ausgegangen, dass die neuen Strukturen ab 2017 operativ sein werden.

Die Kommunalreform beruht auf freiwilligen Zusammenschlüssen von Gemeinden; diese führen derzeit detaillierte Untersuchungen über die positiven Auswirkungen solcher Fusionen durch. Gemeinden, die sich innerhalb der Frist für einen Zusammenschluss entscheiden, haben Anspruch auf Finanzhilfen und Ausgleichszahlungen. Laut nationalem Reformprogramm hat die Regierung beschlossen, Berichterstatter für die 12 größeren Ballungsräume zu benennen, um mögliche Zusammenschlüsse zu untersuchen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich noch keine sicheren Aussagen über die Ergebnisse der freiwilligen Zusammenschlüsse treffen. Zwar sollen solchen Zusammenschlüsse nicht erzwungen werden, die Regierung hat jedoch Ziele für den Abbau sich überschneidender Tätigkeiten zwecks Effizienzsteigerung festgelegt. Gleichzeitig wird von den Gemeinden erwartet, dass sie Produktivität und Steuereinnahmen erhöhen und so dem derzeitigen Defizit der lokalen Gebietskörperschaften (1 % des BIP) entgegenwirken.

Je nach Einzelheiten der Umsetzung, die noch zu beschließen sind, könnten sich diese Maßnahmen mittelfristig deutlich positiv auf die öffentlichen Finanzen auswirken, da sie das Wachstum ankurbeln und die Ausgaben senken.

4.2. Mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Haushalte

Strukturelles Defizit und Haushaltskonsolidierung

Finnlands Gesamtdefizit liegt unter 3 % des BIP; dies dürfte auch bis 2016 weiter der Fall sein. Im Zuge der Erholung von 2010-2011 verbesserte sich der strukturelle Haushaltssaldo Finnlands deutlich und erreichte Ende 2011 einen Wert von -0,8 % des BIP. 2012 verschlechterte sich der strukturelle Haushaltssaldo auf -1,0 % des BIP. Finnland hatte ein mittelfristiges Haushaltsziel von +0,5 % des BIP bis zum Jahr 2013, als eine Anpassung auf -0,5 % des BIP vorgenommen wurde. Nach der Winterprognose 2015 der Kommission hat Finnland das mittelfristige Haushaltsziel im Jahr 2013 erreicht, da der strukturelle Haushaltssaldo mit -0,6 % nahe genug am mittelfristigen Haushaltsziel lag.

Sowohl die nationalen als auch die Kommissionprognosen gehen davon aus, dass Finnland 2014 von dem mittelfristigen Haushaltsziel abgewichen ist. Da für 2015 wieder mit Wachstum gerechnet wird, wäre zu erwarten, dass Finnlands struktureller Haushaltssaldo sich um 0,1 % des BIP verbessern wird. Die Übersicht über die Haushaltsplanung geht jedoch für 2015 von einer weiteren Verschlechterung des strukturellen Saldos aus; in der Winterprognose wird angenommen, dass sich der strukturelle Haushaltssaldo 2015 nicht verändert. Obgleich die Kommission derzeit noch nicht von einer signifikanten Abweichung vom mittelfristigen Haushaltsziel im Jahr 2014 und/oder 2015 ausgeht, kann aufgrund der Prognosen mit einer geringfügigen Abweichung gerechnet werden, die – sollte sie sich im Laufe der Zeit wiederholen – in der Zukunft zu einer signifikanten Abweichung werden könnte.

Die gesamtstaatliche Ausgabenquote ist im Steigen begriffen. Während sie im Zeitraum 2006-2010 durchschnittlich 50,6 % betrug, erreichte sie 2013 57,8 % und wird der Winterprognose 2015 der Kommission nach weiterhin hoch bleiben; sie gehört damit zu den höchsten Quoten in der EU.

4.3. Mittelfristige Entwicklung der Schuldenstandsquote

Langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen

Bewertungen zufolge dürfte Finnland kurzfristig nicht unter finanziellen Druck geraten; mittelfristig besteht jedoch ein mittleres und langfristig ein hohes Tragfähigkeitsrisiko aufgrund der budgetären Auswirkungen der Kosten der Bevölkerungsalterung. Der Schwerpunkt sollte daher auf der weiteren Eindämmung alterungsbedingter Ausgabensteigerungen liegen, um so zur mittel- und langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beizutragen. Die jüngste Rentenreform ist in diesen Bewertungen jedoch noch nicht berücksichtigt.

Den derzeitigen Projektionen zufolge würde der Schuldenstand auch nach 2016 weiter steigen. Nach dem Basisszenario (gestützt auf Kommissionsprognosen, langfristige Konvergenzannahmen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik für die zugrunde liegenden makroökonomischen Variablen (realer Zinssatz, reales BIP, Wachstum, Inflation) und die Annahme einer konstanten Finanzpolitik über den Prognosezeitraum hinaus) würde der Schuldenstand bis 2019-2020 relativ stabil bleiben und danach weiter steigen, wofür die Kosten der Bevölkerungsalterung verantwortlich wäre.

Bestandsanpassungen

Die Bestandsanpassungen haben großen Einfluss auf die Schuldenentwicklung des finnischen Gesamtstaats. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das im gesamtstaatlichen Sektor enthaltene einkommensbezogene Rentensystem teilweise kapitalgedeckt ist und Überschüsse aufweist. Der Überschuss lag 2013 bei 1,9 % des BIP und wird von den finnischen Behörden für 2014 auf 1,5 % geschätzt. Für 2015 wird ein Rückgang des Überschusses auf 1,3 % des BIP projiziert, danach wird von einem erneuten Anstieg ausgegangen. Der Überschuss ist Teil des gesamtstaatlichen Haushaltssaldos, wird aber nicht verwendet, um den gesamtstaatlichen Schuldenstand abzubauen. In den Bestandsanpassungen werden diese Mittel als Nettovermögensbildung ausgewiesen. Daher wird für Finnland im Jahr 2014 von einem gesamtstaatlichen Nettovermögen von 56,5 % des BIP ausgegangen.[10] Unter den OECD-Ländern zählt Finnland damit zu den Ländern mit dem höchsten positiven Nettovermögen.

Verkauf von Vermögenswerten

Die Regierung hat beschlossen, zur Senkung der Schulden staatseigene Vermögenswerte zu veräußern. Das Bilanzmanagement der staatlichen Unternehmensbeteiligungen soll durch Verbreiterung der Eigentümerbasis staatlicher nicht börsennotierter Unternehmen und gegebenenfalls durch den Rückzug aus Unternehmensbeteiligungen verbessert werden. Darüber hinaus werden Anteile staatseigener börsennotierter Unternehmen verkauft und weitere Maßnahmen durchgeführt, um die Regierungseinnahmen zu steigern. Der Gesamtbetrag der Dividenden nicht börsennotierter Unternehmen soll erhöht werden. Die zusätzliche Aktivierung von Einnahmen aus diesen Maßnahmen wird sich im Vergleich zu den bereits beschriebenen auf rund 1,9 Mrd. EUR im Zeitraum 2014-2015 belaufen. Das Gros der Einnahmen wird in die Begleichung der Schulden des Zentralstaats fließen; 0,6 Mrd. EUR sind jedoch für Investitionen in den Jahren 2014 und 2015 vorgesehen.[11]

Gesamtbestand der staatlich garantierten Schulden

Die Garantien des finnischen Zentralstaats beliefen sich im Jahr 2013 auf 16,5 % des BIP. Garantien, bei denen eine Verbindung zum Finanzsektor bestand, entsprachen 2013 0,5 % des BIP. Daher sind die Risiken im Zusammenhang mit Eventualverbindlichkeiten, Garantien, finanziellen Rettungsmaßnahmen und Schuldenübernahmen begrenzt.

4.4. Sonstige Faktoren, die aus Sicht der Kommission von Bedeutung sind

Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzen

Unter den sonstigen Faktoren, die aus Sicht der Kommission von Bedeutung sind, kommt den folgenden besondere Bedeutung zu: den finanziellen Beiträgen zur Förderung der internationalen Solidarität und zur Verwirklichung der politischen Ziele der Union, den Schulden infolge der bilateralen und multilateralen Unterstützung zwischen Mitgliedstaaten im Rahmen der Wahrung der Finanzstabilität und den Schulden im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzen bei größeren finanziellen Störungen (Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97).

Bei der Beurteilung der Einhaltung des Schuldenstandskriteriums muss dem finanziellen Beistand für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, der eine Erhöhung des Schuldenstands bewirkt, Rechnung getragen werden. Der Winterprognose 2015 der Kommission zufolge werden die kumulierten Auswirkungen dieses Beistands im Jahr 2015 2,9 % des BIP erreichen. Blieben Schulden im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzen unberücksichtigt, würde der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand Finnlands im Jahr 2015 demnach bei 58,3 % des BIP und damit unter dem im Vertrag festgelegten Referenzwert liegen.

4.5. Sonstige Faktoren, die aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaats von Bedeutung sind

In dem Schreiben, das am 13. Februar 2015 bei der Kommission einging, betonte Finnland die Bedeutung der Konjunkturphase und der Solidaritätsmaßnahmen für den Schuldenanstieg. Finnland verwies außerdem auf das im August 2013 vereinbarte strukturpolitische Programm der Regierung, für 2015 und darüber hinaus beschlossene Konsolidierungsmaßnahmen sowie den Verkauf staatliche Vermögenswerte, um Schulden abzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln. Die Auswirkungen von Solidaritätsmaßnahmen werden in Abschnitt 4.4 des vorliegenden Berichts behandelt. Abschnitt 4.1 befasst sich mit den jüngsten Strukturreformen, einschließlich des strukturpolitischen Programms. Konsolidierungsmaßnahmen werden in Abschnitt 4.2 und der Verkauf von Vermögenswerten in Abschnitt 4.3 behandelt.

Nach Berechnungen des Finanzministeriums (beruhend auf der Winterprognose 2015 der Kommission) würde der um konjunkturelle Effekte bereinigte Schuldenstand im Jahr 2015 55,8 % des BIP und im Jahr 2016 59,7 % des BIP betragen.

5. Schlussfolgerungen

Der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand wird im Jahr 2015 voraussichtlich 61,2 % des BIP erreichen und damit über dem Referenzwert von 60 % des BIP liegen. Das Risiko eines Überschreitens des Referenzwerts wird in der Winterprognose 2015 der Kommission, in der ebenfalls von einem Bruttoschuldenstand von 61,2 % des BIP ausgegangen wird, bestätigt. Wie jedoch aus diesem Bericht hervorgeht, erklärt sich die geplante Überschreitung des Referenzwerts vollumfänglich durch Finnlands finanziellen Beitrag zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets, ohne den die Staatsverschuldung unter 60 % des BIP läge. Außerdem wurde der Schuldenstand durch umfangreiche Ankäufe von Vermögenswerten durch die Sozialversicherungsfonds beeinflusst, was zum Aufbau von Vermögenswerten bei gleichzeitigem Anstieg der Schulden führte. Schließlich ist anzumerken, dass die Schuldenquote die Auswirkungen von Finnlands derzeitiger Konjunkturphase widerspiegelt.

Insgesamt ergibt die in diesem Bericht enthaltene Analyse unter Berücksichtigung aller einschlägigen Faktoren, dass das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 als derzeit erfüllt gelten sollte.

[1]               ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6. Im Bericht wird auch den „Spezifikationen für die Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts“ sowie den „Leitlinien zu Inhalt und Form der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme“ Rechnung getragen, die am 3. September 2012 vom Rat „Wirtschaft und Finanzen“ gebilligt wurden und unter folgender Webadresse einzusehen sind:

http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/legal_texts/index_de.htm .

[2]               Verordnung (EU) Nr. 473/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet (ABl. L 140 vom 27.5.2013, S. 11).

[3]               Gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 „spiegelt [der Bericht] Folgendes in angemessener Weise wider: … die Umsetzung von politischen Maßnahmen im Rahmen der Vorbeugung und Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte, die Umsetzung politischer Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Wachstumsstrategie der Union …“.

[4]               COM(2014) 432 final.

[5]               Der konjunkturbereinigte Schuldenstand berechnet sich wie folgt:             Dabei steht Bt für den Schuldenstand, Yt für das BIP zu jeweiligen Preisen, ypot für das Potenzialwachstum, pt für den BIP-Preisdeflator, Ct für den zyklischen Teil des Haushaltssaldos. Die zyklischen Komponenten und das Potenzialwachstum werden auf der Grundlage gemeinsam vereinbarter Methoden berechnet.

[6]               Strukturpolitisches Programm zur Verbesserung der Wachstumsbedingungen und Schließung der Tragfähigkeitslücke in den öffentlichen Finanzen, abrufbar unter:           http://valtioneuvosto.fi/etusivu/rakenneuudistus395285/tiedostot/rakennepoliittinen-ohjelma-29082013/fi.pdf

[7]               Hallituksen päätös rakennepoliittisen ohjelman toimeenpanosta osana julkisen talouden suunnitelmaa http://valtioneuvosto.fi/tiedostot/julkinen/kehysneuvottelut-2014/paatos/fi.pdf

[8]  http://www.vm.fi/vm/en/04_publications_and_documents/01_publications/02_economic_surveys/20140415Europe/Europa_2020_Spring_2014_NETTI.pdf

[9]               Regierungsbeschluss zur besseren Durchführung des strukturpolitischen Programms       http://valtioneuvosto.fi/tiedostot/julkinen/pdf/2014/budjettineuvottelut-2014/rakennepoliittinen-ohjelma/government-decision-280814.pdf

[10]             OECD-Wirtschaftsausblick Nr. 93 (Anhang, Tabelle 33).

[11]             Gesamtstaatliche Finanzplanung für die Jahre 2015 bis 2018.