52015DC0100

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zur Strategie 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum /* COM/2015/0100 final */


Einleitung

Die Strategie Europa 2020 wurde 2010 als integrierte langfristige Strategie der EU für Beschäftigung und Wachstum auf den Weg gebracht. Mit der Strategie soll ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum für Europa erreicht werden. Sie beruht auf fünf Kernzielen in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Klima und Energie, Bildung sowie Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Jeder Mitgliedstaat setzt diese Kernziele in nationale Ziele um. Die Strategie wird im Rahmen des Europäischen Semesters umgesetzt und überwacht. Sie ist zudem der übergeordnete Rahmen für eine Reihe von Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene und diente als wichtige Orientierungshilfe für die Gestaltung und Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds im Zeitraum 2014-2020.

Nach den ersten Jahren der Umsetzung hat die Kommission zur Halbzeit der bis 2020 laufenden Strategie eine öffentliche Konsultation eingeleitet, um Bilanz aus der bisherigen Verwirklichung der mit der Strategie verfolgten Ziele zu ziehen. Die ersten Jahre der Strategie Europa 2020 fielen mit einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise zusammen, was die Verwirklichung der angestrebten Ziele erheblich beeinträchtigte. Die Krise bewirkte ferner, dass kurzfristige politische Erwägungen in vielen Fällen unweigerlich den Vorrang gegenüber längerfristigen Konzepten erhielten. Die Ergebnisse der letzten Eurobarometer-Umfrage zur Strategie Europa 2020[1] lassen erkennen, dass die EU-Bürgerinnen und -Bürger die allgemeine Reaktion der EU auf die Krise unterstützen. So liegt die Zahl der Befragten, die der Auffassung sind, die EU sei bei ihren Bemühungen zur Überwindung der Krise und zur Bewältigung der sich stellenden Herausforderungen auf dem richtigen Weg, nahezu doppelt so hoch wie die Zahl der Teilnehmer, die diese Auffassung nicht vertreten.

Diese Mitteilung enthält die wichtigsten Ergebnisse der öffentlichen Konsultation, die von Mai bis Oktober 2014 durchgeführt wurde, um die Ansichten der Interessenträger zu Gestaltung und Ergebnissen der Strategie Europa 2020 einzuholen. Sie wird ergänzt durch eine aktuelle Bestandsaufnahme zu den Europa-2020-Zielen[2].

Zusammenfassung

Die öffentliche Konsultation zur Strategie Europa 2020 lief vom 5. Mai 2014 bis zum 31. Oktober 2014. Das Ziel bestand darin, die Erfahrungen der Interessenträger zusammenzutragen, um so aus den ersten Jahren der Umsetzung der Strategie Schlussfolgerungen zu ziehen und die Erfahrungen in die Überprüfung einfließen zu lassen.

Insgesamt gingen 755 Beiträge aus 29 Ländern ein. Die am stärksten vertretene Teilnehmerkategorie sind Sozialpartner, Interessengruppen und Nichtregierungsorganisationen, gefolgt von Regierungen und nationalen Behörden, einzelnen Bürgern, Reflexionsgruppen, Universitäten und Stiftungen sowie Unternehmen.

Die wichtigsten Ergebnisse der öffentlichen Konsultation:

- Europa 2020 wird als wichtiger übergeordneter Rahmen für die Beschäftigungs- und Wachstumsförderung auf europäischer und nationaler Ebene betrachtet. Die Ziele und Prioritäten der Strategie sind angesichts der gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen sinnvoll.

- Die fünf Kernziele sind wichtige Katalysatoren für Beschäftigung und Wachstum und tragen zu einer zielgerichteten Durchführung der Strategie bei.

- Die meisten Leitinitiativen haben ihren Zweck erfüllt, aber ihre Sichtbarkeit bleibt unzureichend.

- Die Ergebnisse der Strategie können und sollten durch eine verstärkte Eigenverantwortung und ein stärkeres Engagement vor Ort verbessert werden.

1. Hintergrund der öffentlichen Konsultation zur Strategie Europa 2020

Im März 2014 hat die Europäische Kommission die Mitteilung „Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“[3] veröffentlicht. In dieser Mitteilung sollte festgestellt werden, welche Fortschritte die EU und ihre Mitgliedstaaten vier Jahre nach Beginn der Strategie bei deren Umsetzung erzielt haben. Zudem sollte der Weg für die Überprüfung der Strategie geebnet werden.

Zur Halbzeit der bis 2020 laufenden Strategie ist die Bilanz hinsichtlich der Verwirklichung der Ziele in den Bereichen Beschäftigung und Wachstum, insbesondere aufgrund der Auswirkungen der Krise, gemischt. Die Folgen der Krise sind nach wie vor deutlich spürbar, besonders auf dem Arbeitsmarkt. So ist die Arbeitslosenquote auf EU-Ebene weiterhin sehr hoch, wobei die Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aussieht. Anlass zur Besorgnis geben vor allem die weiterhin hohe Jugendarbeitslosigkeit in mehreren Mitgliedstaaten sowie die zunehmende Langzeitarbeitslosigkeit. Im sozialen Bereich hat die Krise die Gefahr von Armut und sozialer Ausgrenzung verstärkt und eine Zunahme der Ungleichheiten bewirkt. Besonders schwierig ist die Lage in bestimmten Mitgliedstaaten, in denen die Anzahl der Menschen in besonders schwerer materieller Armut und der Anteil der Arbeitslosenhaushalte gestiegen sind. Auf dem Höhepunkt der Krise wurden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in einer Reihe von Mitgliedstaaten im Zuge der notwendigen Eindämmung der öffentlichen Ausgaben begrenzt. Nun, da sich der Schwerpunkt allmählich von der Bewältigung krisenbedingter Notsituationen auf den Aufbau eines solides Fundaments für Beschäftigung und Wachstum verlagert, ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten wachstumsfördernden Ausgaben wie z. B. Investitionen in Forschung und Entwicklung den Vorrang einräumen. Auch eine Reihe langfristiger Trends wirken sich weiterhin negativ auf das Wachstum aus, z. B. die demografischen Entwicklungen, die Globalisierung und der Wettbewerb seitens internationaler Partner, die Herausforderung hinsichtlich Produktivität und Digitalisierung sowie die Belastung der Ressourcen und der Umwelt.

Die Krise hat auch die Verwirklichung der Kernziele der Strategie Europa 2020 beeinträchtigt. So hat sie sich eindeutig negativ auf die Arbeitslosenquote und das Ausmaß der Armut ausgewirkt. Auch bei der Verwirklichung anderer Ziele ist die EU infolge der Krise langsamer vorangekommen. Eine Ausnahme bildet die Auswirkung auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen. Als weitere positivere strukturelle Trends trotz Krise sind die Steigerung des Bildungsniveaus, die Entwicklung eines nachhaltigeren Energiemixes und der Rückgang der Kohlenstoffintensität der Wirtschaft zu nennen. Insgesamt ist die EU somit auf dem richtigen Weg, ihre Ziele in den Bereichen Bildung, Klima und Energie zu erreichen bzw. annähernd zu erreichen. Nicht der Fall ist dies in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Entwicklung sowie Armutsbekämpfung, in denen sich die Krise besonders akut ausgewirkt hat. In allen Bereichen bedarf es weiterhin nachhaltiger Anstrengungen, um die bisherigen positiven Ergebnisse zu konsolidieren und um weitere Verbesserungen zu erzielen.

Die Ziele der Strategie Europa 2020 sind politische Verpflichtungen[4]. Der politische Charakter der Zielvorgaben ist ein wichtiges Merkmal der Strategie und zeugt von der wesentlichen Rolle, die die nationalen Regierungen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip bei der Umsetzung der Strategie einnehmen sollten. In den meisten Bereichen sind die nationalen Ziele jedoch nicht hoch genug angesetzt, als dass sie zusammen genommen das jeweilige EU-Ziel erreichen könnten. Wenn zum Beispiel alle Mitgliedstaaten ihre einschlägigen nationalen Ziele erreichten, würden sich die aggregierten Investitionen in Forschung und Entwicklung auf EU-Ebene im Jahr 2020 auf 2,6 % des BIP belaufen und damit hinter dem von der EU festgesetzten Zielwert von 3 % zurückbleiben. Das unterschiedliche Engagement spiegelt sich auch in dem unterschiedlichen Ausmaß wider, mit dem die Ziele in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU in Politik umgesetzt wurden sowie im unterschiedlichen politischen Ehrgeiz für die Ziele.

Der unterschiedliche Fortschritt bei der Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 erklärt sich auch durch die zeitliche Verzögerung, mit der strukturelle Reformen ihre volle Wirkung auf die Wirtschaft entfalten. Auch wenn Tempo und Qualität der Strukturreformen je nach Mitgliedstaat variieren, so haben die meisten Mitgliedstaaten doch wichtige Strukturreformen eingeleitet, um ihre Arbeitsmärkte krisenfester zu machen, das Funktionieren der Produkt- und Dienstleistungsmärkte zu verbessern und für eine effiziente Ressourcenzuweisung zu sorgen und die Effizienz der öffentlichen Verwaltung zu stärken. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis diese Reformen konkrete Ergebnisse zeigen. Umso wichtiger ist es, dass die Reformen zügig und vollumfänglich durchgesetzt werden.

Zunehmende Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten und häufig auch innerhalb der Mitgliedstaaten haben die Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 gehemmt. Die Krise hat anstelle der angestrebten Konvergenz unserer Volkswirtschaften die Kluft zwischen den erfolgreichsten und den am wenigsten erfolgreichen Mitgliedstaaten vertieft. Auch das Gefälle zwischen einzelnen Regionen innerhalb eines Landes und über Ländergrenzen hinweg hat zugenommen. Im Jahr 2013 zum Beispiel betrug das Gefälle zwischen der besten und der schwächsten Leistung in Bezug auf den Beschäftigungsgrad der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren 26,9 Prozentpunkte, wobei die Beschäftigungsgrade zwischen 52,9 % (Griechenland) und 79,8 % (Schweden) lagen. Dies ist mit der Situation im Jahr 2000 vergleichbar, als zwischen der besten Leistung (78,0 %, Dänemark) und der schwächsten Leistung (55,3 %, Bulgarien) 22,7 Prozentpunkte lagen.

ZIELE DER STRATEGIE EUROPA 2020 AUF EU-EBENE || JÜNGSTE DATEN

Erhöhung des Beschäftigungsgrades der 20 bis 64-jährigen auf mindestens 75 %, || 68,4 % (2013)

Steigerung der Investitionen in FuE auf 3 % des BIP || 2,02 % (2013)

Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % gegenüber 1990 || Verringerung um 17,9 % (2012)

Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Energieendverbrauch auf 20 % || 14,1 % (2012)

Steigerung der Energieeffizienz um 20 % (gemessen am Primär- und am Endenergieverbrauch || Primärenergieverbrauch: Steigerung der Energieeffizienz um 11,9 % (2013) Endenergieverbrauch: Steigerung der Energieeffizienz um 12,8 % (2013)

Verringerung des Anteils frühzeitiger Schulabgänger (allgemeine und berufliche Bildung) auf unter 10 % || 12,0 % (2013)

Erhöhung des Anteils der 30 bis 34-jährigen mit Hochschulabschluss auf mindestens 40 % || 36,9 % (2013)

Verringerung der Zahl von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohter Personen um mindestens 20 Millionen (entspricht einem Ziel von 96,6 Millionen) || 121,6 Millionen Menschen (2013) sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht[5]

Quelle: Europäische Kommission

Vor diesem Hintergrund bestand eines der Ziele der öffentlichen Konsultation zur Strategie Europa 2020 darin, umfassendere Kenntnisse über die Verwirklichung der Strategie vor Ort zu gewinnen. Da es sich bei der Strategie um eine Partnerschaft zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten handelt, hängt ihr Erfolg ganz wesentlich vom Engagement und von der Einbeziehung der nationalen Regierungen, der Parlamente, der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, der Sozialpartner, anderer Interessenträger und der Zivilgesellschaft ab. Daher war es wichtig, die Ansichten aller an der Umsetzung der Strategie Beteiligten einzuholen und aus ihren Erfahrungen und bewährten Praktiken zu lernen.

2. Schlüsselzahlen der öffentlichen Konsultation zur Strategie Europa 2020

Die öffentliche Konsultation zur Strategie Europa 2020 lief vom 5. Mai 2014 bis zum 31. Oktober 2014. Die Sichtbarkeit der Konsultation und die Beteiligung wurden durch eine Reihe von Instrumenten gefördert. Neben der Veröffentlichung der öffentlichen Konsultation auf der Website „Ihre Stimme in Europa“ bestand die Möglichkeit, auf einer eigens eingerichteten Website[6] einen Fragebogen auszufüllen oder ein Positionspapier zu übermitteln. Diese Website umfasst Links zu den wichtigsten Dokumenten zur Strategie Europa 2020. Die Kommission hat den Fragebogen entworfen, um Meinungen zu den ersten Jahren der Strategie einzuholen und Ideen für ihre weitere Entwicklung zu sammeln. Auf der Website sind auch die eingegangenen Beiträge veröffentlicht[7].

Bei der öffentlichen Konsultation wurden 755 Teilnehmer registriert. Die Aufschlüsselung nach Ländern zeigt ein Übergewicht von Antworten aus Belgien, wo auf europäischer Ebene tätige Interessengruppen ansässig sind. In den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten war die Beteiligung hingegen sehr gering. Aus Drittländern gingen Stellungnahmen aus Norwegen, der Schweiz, Kanada und den Vereinigten Staaten ein. Die Teilnehmer spiegeln die große Bandbreite der Interessenträger der Strategie Europa 2020 wider. Die am stärksten vertretene Kategorie sind Sozialpartner, Interessengruppen und Nichtregierungsorganisationen (41 %), gefolgt von Regierungen und Behörden der Mitgliedstaaten einschließlich lokaler und regionaler Behörden (20 %), einzelnen Bürgerinnen und Bürger (19 %) sowie Reflexionsgruppen, Universitäten und Stiftungen (14 %). 6 % der Teilnehmer sind Unternehmen; dieser vergleichsweise geringe Wert wird durch die höhere Beteiligung der sie vertretenden Interessengruppen ausgeglichen.

Aufschlüsselung der Teilnehmer nach Kategorie

Quelle: Europäische Kommission

Die Verteilung nach abgedeckten Bereichen spiegelt den inklusiven Charakter der Strategie Europa 2020 wider. Die Mehrheit der Teilnehmer deckte in ihren Antworten alle Bereiche der Strategie ab; dazu zählen Wirtschaft und Finanzen, Wettbewerbsfähigkeit, Industrie, Binnenmarkt, Beschäftigung, Forschung, Entwicklung und Innovation, digitale Wirtschaft, Klimaschutz, Energie- und Ressourceneffizienz, allgemeine und berufliche Bildung sowie Armut und soziale Ausgrenzung. Bei den Beiträgen, die sich auf einen bestimmten Aspekt bezogen, ist die Verteilung insgesamt ausgewogen.

Über die offiziellen Antworten auf die öffentliche Anhörung hinaus haben auch die europäischen und nationalen Institutionen einen Beitrag zur Diskussion über die Überprüfung der Strategie geleistet. Auf Initiative des italienischen Ratsvorsitzes wurde die Prüfung in den meisten fachspezifischen Ratsformationen erörtert. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Beratungen hat der Vorsitz auf der Tagung des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) im Dezember 2014 eine Zusammenfassung vorgelegt[8]. Das Europäische Parlament hat seit Einführung der Strategie eine wichtige Rolle eingenommen, die unter anderem darin besteht, die nationalen Parlamente darin zu bestärken, ihren Beitrag zur Diskussion zu leisten. In den letzten Monaten wurden mit den nationalen Parlamenten eine Reihe von Diskussionen über die Strategie Europa 2020 und ihre weitere Entwicklung geführt.

Die Reflexionen zur Überprüfung der Strategie Europa 2020 sind auf großes Interesse gestoßen und haben die an der Umsetzung der Strategie beteiligten Interessenträger mobilisiert. Der Ausschuss der Regionen – über seine Monitoring-Plattform – und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss waren besonders aktiv und haben Veranstaltungen zwecks Meinungsaustausch und Diskussion zu den Themen der Strategie Europa 2020 durchgeführt. Außerdem wurde in den Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit den Beauftragten der Europäischen Kommission für das Europäische Semester eine Reihe von Veranstaltungen über die Strategie als Ganzes oder bestimmte Merkmale der Strategie ausgerichtet. Diese Veranstaltungen haben den Dialog mit allen Beteiligten bereichert und Verbindungen zwischen den verschiedenen Netzen der Interessenträger geschaffen. Darüber hinaus konnten vor Ort Erfahrungen und bewährte Praktiken erfasst werden, die in die Überprüfung der Strategie einfließen werden.

3. Die wichtigsten Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zur Strategie Europa 2020

3.1 Der Umfang und die Ziele der Strategie Europa 2020 sind nach wie vor relevant

Eine EU-Strategie zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum wird nachdrücklich befürwortet. Die große Mehrheit der Teilnehmer (86 %) ist der Auffassung, dass Europa für die nächsten Jahre eine umfassende und übergeordnete mittelfristige Strategie für Beschäftigung und Wachstum benötigt, während nur wenige (14 %) diese Ansicht lediglich eingeschränkt bzw. überhaupt nicht teilen. Letztere, bei denen es sich vorrangig um einzelne Bürger handelt, meinen entweder, dass die EU sich auf die Umsetzung der bestehenden Instrumente konzentrieren sollte oder dass die Entwicklung des sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Umfeldes wichtiger sei als das Wachstum per se oder dass die Entscheidungsträger sich von der Vorstellung eines unendlichen Wachstums trennen sollten. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer bringt die Strategie mit ihrem eigenen Wirkungsbereich in Verbindung und begrüßt ihren übergeordneten Charakter. Das „intelligente, nachhaltige und integrative Wachstum“ wird als relevant befürwortet.

Die Strategie Europa 2020 geht die aktuellen und künftigen Herausforderungen an. Die Beiträge zur öffentlichen Konsultation zeigen eine starke Korrelation zwischen den von den Teilnehmern als besonders wichtig bezeichneten Bereichen und den in der Strategie Europa 2020 enthaltenen Bereichen.

3.2 Die derzeitigen fünf Kernziele sind wichtig und stärken einander

Die Teilnehmer begrüßen die Ziele mit großer Mehrheit als nützliches Instrument für die Verwirklichung der Strategie. Die meisten (87 %) betrachten die Ziele als nützliches Mittel für die Umsetzung und Überwachung der Strategie Europa 2020, da sie als Benchmarks fungieren, die helfen, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Schlüsselbereiche zu konzentrieren. In einigen Beiträgen (10 %) zeigen die Teilnehmer zwar Verbesserungsansätze auf, bestätigen aber auch, dass die Ziele ein wertvolles Instrument darstellen. In einer Reihe von Beiträgen wird betont, es sei wichtig, nicht zu viele Ziele zu verfolgen, damit ein zielgerichteter Ansatz gewahrt werden kann. Nur wenige Teilnehmer halten die Ziele für nicht sinnvoll (3 %). Die quantitative Bewertung der Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele sollte nach Ansicht einiger Teilnehmer durch eine qualitative Analyse ergänzt werden. Auch die Kommission hält eine qualitative Analyse und Evaluierung für wichtig und führt sie insbesondere im Rahmen des Europäischen Semesters auch durch.

Ein großer Teil der Teilnehmer spricht sich dafür aus, die derzeitigen fünf Kernziele unverändert beizubehalten. Die große Mehrheit der Teilnehmer (78 %) hält die derzeitigen Ziele für ausreichend. Einige schlagen die Aufnahme neuer Ziele vor, während andere die Relevanz des Ziels zur Hochschulbildung in Frage stellen und die Bedeutung der Anpassung der Kompetenzen an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes betonen, um Missverhältnisse zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage zu vermeiden. Es sollte an dieser Stelle daran erinnert werden, dass die Ziele nicht die Gesamtheit der Strategien und Ambitionen der EU abdecken sollen. Sie sind vielmehr repräsentative Indikatoren der mit der Strategie Europa 2020 angestrebten Änderungen. Einige der von den Teilnehmern vorgeschlagenen Ziele wie Richtziele für die Ressourceneffizienz und den Anteil der Industrie am BIP sind bereits in andere Politikbereiche der Union eingeflossen. Aus der öffentlichen Konsultation ergibt sich keine eindeutige Zielhierarchie. Etwa die Hälfte der Teilnehmer vertritt die Auffassung, dass die Ziele gleich wichtig und miteinander verknüpft sind, dass sie einander stärken und dass sie zusammengenommen zu Beschäftigung und Wachstum beitragen.

3.3 Die Leitinitiativen haben ihren Zweck erfüllt

Die Leitinitiativen haben ihren Zweck im Großen und Ganzen erfüllt; Maßnahmen in den jeweiligen Bereichen müssen in anderer Form weitergeführt werden. Ziel der Leitinitiativen ist es nach Auffassung der Teilnehmer, die Leistungsfähigkeit der EU im Hinblick auf die Verwirklichung der Europa-2020-Ziele zu steigern. Eine erhebliche Zahl von Teilnehmern (32 %), darunter auch Regierungen und repräsentative Organisationen, zieht jedoch eine gemischte Bilanz: Die Leitinitiativen hätten ihren Zweck erfüllt, da sie einer Reihe vorrangiger Maßnahmen Impulse gegeben hätten. Ihr zusätzlicher Nutzen sei jedoch geschmälert worden durch eine nicht ausreichende Sensibilisierung und durch Überschneidungen bei politischen Maßnahmen, die sie redundant werden ließen. Einige Teilnehmer gaben an, dass die Leitinitiativen von ihren jeweiligen umfassenderen Politikbereichen abgekoppelt seien, während andere aufgrund von Überschneidungen und einer mangelnden Priorisierung der Leitinitiativen eine mangelnde Abgrenzung beklagen. Daher setzen sie sich dafür ein, dass die Leitinitiativen durch kohärent gestaltete übergeordnete politische Programme ersetzt werden sollten.

3.4 Eine Verbesserung der Verwirklichung und Umsetzung der Strategie wäre wichtig und wünschenswert

Die Verwirklichung der Strategie Europa 2020 könnte verbessert werden. Die Frage, ob Europa 2020 etwas bewirkt hat, beantwortet die Mehrheit (60 %) mit „ja“; viele Teilnehmer (40 %) verneinen die Frage jedoch und verweisen auf Lücken bei der Umsetzung sowie auf Wege, diese Lücken anzugehen.

Die erfolgreiche Umsetzung der Strategie wurde durch Mängel bei der Sensibilisierung, Einbeziehung und Durchsetzung beeinträchtigt. Erstens geht aus den Beiträgen zur öffentlichen Konsultation eine mangelnde Sensibilisierung hinsichtlich der Strategie hervor, und zwar sowohl explizit, wenn die Teilnehmer angeben, bestimmte Fragen nicht beantworten zu können, als auch implizit, wenn aus den Antworten hervorgeht, dass Inhalt oder Ziel der Strategie falsch verstanden wurden. Zweitens gibt weniger als die Hälfte der Befragten (46 %) an, in die Strategie eingebunden zu sein, und drei Viertel (77 %) bringen zum Ausdruck, dass sie sich gerne stärker an der Strategie beteiligen würden. Die Beiträge enthalten einige Beispiele für nützliche bewährte Praktiken, wie etwa der von der dänischen Regierung eingesetzte Ausschuss der Interessenträger, dem rund 30 Organisationen von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften bis hin zu Kommunalverwaltungen und Nichtregierungsorganisationen angehören. Die Teilnehmer befürworten einen verstärkten Durchsetzungsrahmen, mit dem sichergestellt werden könnte, dass die Strategie mit Hilfe angemessen hoch angesetzter Ziele und geeigneter Durchsetzungsinstrumente konkrete Ergebnisse liefert. Während mehr als die Hälfte der Befragten (58 %) die Ansicht vertritt, dass die Festsetzung nationaler Ziele wichtig und sinnvoll ist, betont nahezu ein Drittel (28 %), dass diese Ziele angemessen hoch angesetzt sein sollten und dass die EU das Engagement der Mitgliedstaaten durch Stärkung ihres Überwachungsverfahrens stärken sollte.

Die Teilnehmer zeigen Ansätze für eine verbesserte Ausführung der Strategie Europa 2020 auf. Wichtigste Optionen sind nach Auffassung der Teilnehmer eine gezieltere Kommunikation und Information, ein verstärkter Austausch von Erfahrungen und bewährten Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten, die Einbeziehung aller relevanten Ebenen der Interessenträger, eine enge Überwachung der Fortschritte und die Einführung von Anreizen zur Förderung des Engagements für die Ziele der Strategie.

3.5 Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse

Auf der Grundlage der eingegangenen Beiträge stellt die Kommission in Bezug auf die Strategie Europa 2020 die folgenden Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren fest:

STÄRKEN • nachdrückliche Befürwortung einer EU-weiten Strategie für Beschäftigung und Wachstum • Übereinstimmung der von der Strategie Europa 2020 abgedeckten Bereiche mit den sich stellenden Herausforderungen • relevante und sich gegenseitig verstärkende Ziele • einige bereits spürbare Fortschritte: die EU ist auf dem richtigen Weg, ihre Ziele in den Bereichen Bildung, Klima und Energie zu erreichen bzw. annähernd zu erreichen || SCHWÄCHEN • mangelnde Sichtbarkeit der Leitinitiativen • Verwirklichung und Umsetzung der Strategie bedürfen einer Verbesserung • unzureichende Einbeziehung der Interessenträger • Ziele in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Entwicklung sowie Armutsbekämpfung mit Abstand nicht erreicht

CHANCEN • Akteure sind bereit, eine aktive Rolle bei der Strategie zu übernehmen • enge Überwachung der Strategie im Rahmen des Europäischen Semesters • Abstimmung der Strategie Europa 2020 auf die Prioritäten der Kommission (Beschäftigung, Wachstum und Investitionen) || GEFAHREN •  Die Krise hat die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und innerhalb der Mitgliedstaaten verstärkt •  politischer Charakter der Zielvorgaben und mangelnder Ehrgeiz der Mitgliedstaaten

Schlussfolgerung

Die Kommission wird die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation in die weiteren Überlegungen darüber, wie die Strategie Europa 2020 vorangebracht werden sollte, einbeziehen. Neben den Ergebnissen der öffentlichen Konsultation wird die Kommission auch den Beiträgen des Europäischen Parlaments, des Rates, der nationalen Parlamente, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und des Ausschusses der Regionen Rechnung tragen. Sie wird ferner gewährleisten, dass etwaige Vorschläge mit den laufenden Arbeiten zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion im Einklang stehen.

Wie im Arbeitsprogramm der Kommission für 2015 vorgesehen, wird die Kommission bis Ende des Jahres Vorschläge für die Überprüfung der Strategie Europa 2020 vorlegen.

[1]  Standard-Eurobarometer 81, Frühjahr 2014 – Europa-2020-Bericht.

[2] Eurostat, „Smarter, greener, more inclusive? Indicators to support the Europe 2020 strategy“, Ausgabe 2015.

[3] COM(2014) 130 final.

[4] Dies gilt nicht für die Zielvorgaben in Bezug auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen und den Anteil erneuerbarer Energien, die durch rechtsverbindliche Rahmenvorschriften auf EU-Ebene unterlegt werden, die auch auf nationaler Ebene zu erreichende Zielvorgaben umfassen.

[5] Das Ziel wird für die EU-27 angegeben, da für 2008, d.h. das Bezugsjahr für die Berechnung des Ziels, keine Daten für Kroatien vorliegen.

[6] http://ec.europa.eu/europe2020/public-consultation/index_de.htm, gehostet von der allgemeinen Website der Europa-2020-Strategie.

[7] http://ec.europa.eu/europe2020/public-consultation/contributions/index_de.htm

[8] http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-16559-2014-INIT/de/pdf