4.11.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 365/20


Begründung des Rates: Standpunkt (EU) Nr. 14/2015 des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union

(2015/C 365/02)

I.   EINLEITUNG

1.

Die Kommission hat ihren Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents (TSM-Vorschlag) am 11. September 2013 auf der Grundlage von Artikel 114 AEUV angenommen. Der TSM-Vorschlag umfasst im Wesentlichen Bestimmungen, die Folgendes betreffen: eine EU-weite Genehmigung für Anbieter elektronischer Kommunikation, die Voraussetzungen auf europäischer Ebene (einschließlich Koordinierung der Nutzung von Funkfrequenzen und europäische virtuelle Zugangsprodukte), harmonisierte Rechte der Endnutzer, Netzneutralität, die Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden, Roaming und das GEREK.

2.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat am 21. Januar 2014 seine Stellungnahme abgegeben, der Ausschuss der Regionen am 30./31. Januar 2014.

3.

Das Europäische Parlament hat am 3. April 2014 im Rahmen seiner legislativen Entschließung (1) seinen Standpunkt in erster Lesung festgelegt und dabei 233 Abänderungen angenommen. Die meisten Elemente des TSM-Vorschlags wurden beibehalten, Das Europäische Parlament hat die Roaming-Bestimmungen geändert, um die Roamingaufschläge — vorbehaltlich einer „Fair-Use-Klausel“ — bis Dezember 2015 abzuschaffen. Die Bestimmungen über die Netzneutralität wurden insbesondere dahingehend geändert, dass eine Begriffsbestimmung für „Netzneutralität“ aufgenommen und die Möglichkeit für die Betreiber, Spezialdienste anzubieten, eingeschränkt wurde, und zwar durch eine Vorschrift, die besagt, dass die Netzkapazität ausreichen muss, um diese Spezialdienste zusätzlich zu den Internetzugangsdiensten bereitzustellen. Die Harmonisierung der europäischen Vorleistungs-Breitbandzugangsprodukte wurde nicht beibehalten, und die Form der Verbraucherschutzelemente wurde geändert.

Der Rat und das Europäische Parlament haben Verhandlungen aufgenommen, um rasch eine Einigung in zweiter Lesung zu erzielen. Nach einer eingehenden Prüfung des TSM-Vorschlags wurde vereinbart, sich bei den Beratungen auf zwei zentrale Fragen zu beschränken: Roaming und Netzneutralität, einschließlich der damit verbundenen Verbraucherrechte. Die Bestimmungen über eine EU-weite Genehmigung, die Voraussetzungen auf europäischer Ebene (einschließlich Koordinierung der Funkfrequenzen und europäische virtuelle Zugangsprodukte) sowie das GEREK wurden ausgeklammert.

4.

Die Verhandlungen wurden am 30. Juni 2015 erfolgreich abgeschlossen, indem das Europäische Parlament und der Rat eine vorläufige Einigung über einen Kompromisstext erzielten.

5.

Am 8. Juli 2015 hat der Ausschuss der Ständigen Vertreter den Kompromisstext des TSM-Vorschlags in der von den beiden Organen vereinbarten Fassung bestätigt.

6.

Am 16. Juli 2015 hat der Vorsitzende des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Europäischen Parlaments dem Vorsitz in einem Schreiben mitgeteilt, dass er — sollte der Rat dem Europäischen Parlament wie vereinbart, vorbehaltlich der Überarbeitung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen, seinen Standpunkt förmlich übermitteln — gemeinsam mit dem Berichterstatter dem Plenum empfehlen werde, den Standpunkt des Rates ohne Abänderungen in zweiter Lesung des Parlaments zu billigen.

II.   ZIEL

7.

Wie aus dem Verhandlungsergebnis hervorgeht, sollen mit der Verordnung gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten festgelegt und zudem die Rechte der Endnutzer gewahrt werden.

8.

Im Bereich des Roamings wird mit dieser Verordnung ein neuer Mechanismus für die Endkundenpreise für unionsweite regulierte Roamingdienste festgelegt, um Roamingaufschläge auf Endkundenebene abzuschaffen, ohne die inländischen und die besuchten Märkte zu verfälschen.

III.   ANALYSE DES STANDPUNKTS DES RATES IN ERSTER LESUNG

A.   Allgemeines

9.

Im Anschluss an die Abstimmung im Plenum haben das Europäische Parlament und der Rat Verhandlungen geführt, um in zweiter Lesung auf der Grundlage eines Standpunkts des Rates in erster Lesung, den das Parlament unverändert billigen könnte, eine Einigung zu erreichen. Der Wortlaut des Standpunkts des Rates in erster Lesung spiegelt den zwischen den Gesetzgebern erzielten Kompromiss voll und ganz wider.

B.   Wichtigste Fragen

10.

Die wichtigsten Bestandteile des mit dem Europäischen Parlament erzielten Kompromisses sind im Folgenden beschrieben:

a)   Roaming

11.

Gemäß dem Kompromiss werden die Roamingaufschläge auf Endkundenebene in der Europäischen Union ab dem 15. Juni 2017 abgeschafft. In dem Kompromiss werden jedoch zwei Situationen definiert, in denen die Anwendung von Aufschlägen weiterhin zulässig ist, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind.

12.

Erstens dürfen Roaminganbieter eine Regelung der angemessenen Nutzung („Fair Use“) anwenden, um eine zweckwidrige oder missbräuchliche Nutzung regulierter Roamingdienste auf Endkundenebene zu vermeiden. Sobald diese angemessene Nutzung überschritten wird, kann ein Aufschlag angewandt werden. Der Aufschlag darf nicht höher als die maximalen Großkundenentgelte sein. Die detaillierten Vorschriften über die Anwendung der Regelung der angemessenen Nutzung werden in einem Durchführungsrechtsakt festgelegt, den die Kommission bis zum 15. Dezember 2016 erlassen wird.

13.

Zweitens dürfen Roaminganbieter bei Vorliegen bestimmter außergewöhnlicher Umstände, wenn sie ihre gesamten Kosten der Bereitstellung regulierter Roamingdienste nicht aus ihren gesamten Einnahmen aus der Bereitstellung dieser Dienste decken können, vorbehaltlich der Genehmigung durch die nationale Regulierungsbehörde, im Hinblick auf die Gewährleistung der Tragfähigkeit des inländischen Entgeltmodells einen Aufschlag erheben, jedoch nur in dem Umfang, der erforderlich ist, um diese Kosten zu decken.

14.

Voraussetzung für die Abschaffung der Roamingaufschläge bis zum 15. Juni 2017 ist, dass bis zu diesem Zeitpunkt ein Gesetzgebungsvorschlag angenommen wurde, mit dem die derzeit durch die Verordnung (EU) Nr. 531/2012 regulierten maximalen Großkundenentgelte geändert werden oder der eine andere Lösung für die auf Großkundenebene festgestellten Probleme bietet. Die Kommission muss vor der Vorlage eines solchen Gesetzgebungsvorschlags eine Überprüfung des Großkunden-Roamingmarkts durchführen, um abzuschätzen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Abschaffung der Endkunden-Roamingaufschläge zu ermöglichen.

15.

Damit der Übergang zur Abschaffung der Roamingaufschläge reibungslos verläuft, ist in dem Kompromiss eine Übergangsfrist vorgesehen, die am 30. April 2016 beginnt. Ab diesem Datum werden die Roamingaufschläge wesentlich verringert. Der Höchstaufschlag wird dann auf die in der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 festgelegten geltenden maximalen Großkundenentgelte beschränkt. Für eingehende Anrufe entspricht der höchste Aufschlag dem gewichteten Durchschnitt der Obergrenze für Mobilfunkzustellungsentgelte in der gesamten EU, die von der Kommission bis Ende 2015 mittels eines Durchführungsrechtsakts zu bestimmen ist.

b)   Netz-Neutralität

16.

Nach den neuen EU-weiten Vorschriften zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten sind die Anbieter verpflichtet, bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten den gesamten Verkehr gleich, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, unabhängig von Sender und Empfänger, den abgerufenen oder verbreiteten Inhalten, den genutzten oder bereitgestellten Anwendungen oder Diensten zu behandeln. Sie dürfen angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen anwenden; diese Maßnahmen müssen jedoch transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein und dürfen nicht auf kommerziellen Erwägungen beruhen. Die Verkehrsmanagementmaßnahmen dürfen nicht der Überwachung des konkreten Inhalts dienen und dürfen nicht länger als notwendig aufrechterhalten werden. Maßnahmen, die über solche angemessenen Verkehrsmanagementmaßnahmen hinausgehen (z. B. Blockieren oder Drosselung), sind verboten, außer in einer begrenzten Anzahl von Fällen, die in der Verordnung definiert sind.

17.

Vereinbarungen über Dienste, die ein spezifisches Qualitätsniveau erfordern, sind zulässig, vorausgesetzt diese Dienste werden nicht als Ersatz für Internetzugangsdienste angeboten oder genutzt und sie führen nicht zu Nachteilen in Bezug auf das Vorhandensein oder die allgemeine Qualität der Internetzugangsdienste für Endnutzer.

c)   Rechte der Endnutzer

18.

Die Bestimmungen über die Gewährleistung eines offenen Internetzugangs und über Roaming werden durch Bestimmungen betreffend die Endnutzer ergänzt, die es diesen insbesondere ermöglichen, sachkundige Entscheidungen zu treffen. So sollten beispielsweise im Zusammenhang mit der Netzneutralität die Anbieter von Internetzugangsdiensten die Endnutzer klar darüber informieren, wie die Verkehrsmanagementpraktiken und andere Dienste als Internetzugangsdienste sich auf die Qualität des Internetzugangsdienstes auswirken können. Die Anbieter sollten die Endnutzer ebenfalls über die normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit informieren und darüber, welche Rechtsmittel im Falle der Nichterfüllung zur Verfügung stehen.

19.

Im Bereich des Roamings werden mit der Verordnung zur Stärkung der Rechte von Roamingkunden Transparenzanforderungen bezüglich der spezifischen Tarif- und Volumenbedingungen festgelegt, die gelten sollen, sobald die Endkunden-Roamingaufschläge abgeschafft sind. Insbesondere müssen die Kunden über die geltende Regelung der angemessenen Nutzung informiert werden oder eine Benachrichtigung erhalten, wenn die Nutzungsschwelle erreicht ist.

IV.   FAZIT

Der Standpunkt des Rates spiegelt den im Rahmen der Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat mit Einverständnis der Kommission erzielten Kompromiss voll und ganz wider. Der Kompromiss wird mit dem Schreiben des Vorsitzenden des ITRE-Ausschusses vom 16. Juli 2015 an den Präsidenten des Ausschusses der Ständigen Vertreter bestätigt.


(1)  Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. April 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents und zur Änderung der Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/22/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1211/2009 und (EU) Nr. 531/2012 (COM(2013) 627 — C7-0267/2013 — 2013/0309(COD)).