18.11.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 410/12


Veröffentlichung eines Eintragungsantrags gemäß Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel

2014/C 410/07

Diese Veröffentlichung eröffnet die Möglichkeit, gemäß Artikel 51 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) Einspruch gegen den Antrag zu erheben.

EINZIGES DOKUMENT

VERORDNUNG (EG) Nr. 510/2006 DES RATES

zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel  (2)

„FRÄNKISCHER GRÜNKERN“

EG-Nr.: DE-PDO-0005-01144 - 7.8.2013

g.g.A. ( ) g.U. ( X )

1.   Name

„Fränkischer Grünkern“

2.   Mitgliedstaat oder Drittland

Deutschland

3.   Beschreibung des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels

3.1.   Erzeugnisart

Klasse 1.6 — Obst, Gemüse, und Getreide, unverarbeitet und verarbeitet

3.2.   Beschreibung des Erzeugnisses, für das der unter Punkt 1 aufgeführte Name gilt

Fränkischer Grünkern ist das unreif geerntete und gedarrte Korn des Dinkels (Triticum spelta), einer Weizenart. Der Dinkel wird in der beginnenden Teigreife geerntet. Durch anschließendes Darren, traditionell über einem Buchenfeuer, wird Fränkischer Grünkern haltbar und erhält sein typisches Aroma. Jede Grünkernpartie wird in eine von drei möglichen Qualitätsklassen eingestuft. Sorte I mit mindestens 80 %, Sorte II mit mindestens 70 % und Sorte III mit mindestens 60 % olivgrünen Körnern. Qualitätskriterien sind neben dem Geschmack, eine olivgrüne Farbe, die Kornstruktur sowie keine Verunreinigung mit anderen Getreidearten, Flughafer oder Unkrautsamen. Der Wassergehalt beträgt max. 13 %.

3.3.   Rohstoffe (nur für Verarbeitungserzeugnisse)

Für die Erzeugung des Fränkischen Grünkerns darf ausschließlich Dinkel der Sorte „Bauländer Spelz“ verwendet werden.

3.4.   Futter (nur für Erzeugnisse tierischen Ursprungs)

3.5.   Besondere Erzeugungsschritte, die in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen müssen

Der gesamte Herstellungsprozess, von der Erzeugung, Herstellung und Verarbeitung von Fränkischem Grünkern — also Aussaat, Ernte und Darre — müssen im abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen.

3.6.   Besondere Vorschriften für Vorgänge wie Schneiden, Reiben, Verpacken usw.

3.7.   Besondere Vorschriften für die Etikettierung

Fränkischer Grünkern ist in allen Vermarktungsstufen zusammen mit dem entsprechenden Unionszeichen als „Fränkischer Grünkern“ zu kennzeichnen. Ferner trägt das Etikett Name und Anschrift des Herstellers. Optional kann die Registernummer in der Schutzgemeinschaft angegeben werden.

4.   Kurzbeschreibung der Abgrenzung des geografischen Gebiets

Das geografische Gebiet umfasst in Baden-Württemberg die Landkreise Hohenlohekreis, Main-Tauber-Kreis und Neckar-Odenwald-Kreis sowie die Landkreise Miltenberg und den Landkreis Würzburg in Bayern.

5.   Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet

5.1.   Besonderheit des geografischen Gebiets

Große Teile des Anbaugebietes erstrecken sich auf ein Trockengebiet im Regenschatten des Odenwaldes, bevorzugt in Hanglagen und noch nicht weizenfähigen flachgründigen Ackergrundstücke mit Wertezahlen ab 20/25, welche zum Teil als „von der Natur benachteiligtes Gebiet“ anzusprechen sind. Im geografischen Gebiet sind überwiegend Muschelkalkverwitterungsböden anzutreffen. Die Jahresmitteltemperatur im geografischen Gebiet liegt bei 8,4 °C, die Jahresniederschläge bei 770 mm. Die Bauern pflegen hier auf den weniger tiefgründigen, steinigen Böden, wo der Anbau von Winterweizen nicht mehr recht gedeihen will, seit alters her den Dinkelanbau. Das den Kern des geografischen Gebiets bildende badische „Bauland“ ist das weltweit bedeutendste traditionelle Anbaugebiet von Grünkern. Nirgendwo sonst erfolgt seit Jahrhunderten ein kontinuierlicher Dinkelanbau zum Zwecke der Grünkernherstellung und hat sich bis zum heutigen Tage erhalten. Seit Generationen ernten die Landwirte im geografischen Gebiet den durch ungünstige Witterung besonders gefährdeten Dinkel unter den Bäumen und an der Ackergrenze und an den Wegrainen entlang im milchreifen Zustand und darren diesen anschließend.

Die Gewinnung des Fränkischen Grünkerns aus dem milchreifen Dinkel ist mit viel Mühe und Arbeit verbunden. Sie erfordert große Sachkenntnis, sehr viel Handarbeit und peinlichste Sorgfalt und gelingt daher nur im bäuerlichen Kleinbetrieb in altüberlieferter Zusammenarbeit. Das traditionelle Darren über einem Buchenfeuer hat sich bis heute erhalten. Die Trocknungsluft wird bei etwa 120 °C bis 150 °C durch das zu trocknende Erntegut geschickt. Dabei ist wichtig, dass der Rauch des Hartholzes, das Grünkerngut vollständig durchströmt und ihm somit seinen traditionellen Geschmack gibt. Die traditionelle Darre mit Lochblech und Handarbeit wird nur noch sehr vereinzelt praktiziert. Das denkmalgeschützte Ensemble der Fränkischen Grünkerndarren entlang eines Feldweges am südlichen Ortsrand in Walldürn — Altheim (Neckar-Odenwald-Kreis) belegt die Bedeutung die dem Fränkischen Grünkern für die örtliche Bevölkerung in der Vergangenheit zukam. Bis heute erfolgt der Darrprozess nicht einfach nach temperaturmäßigen Gesichtspunkten, sondern erfordert ein gewisses Fingerspitzengefühl und ausreichend Erfahrung. Das technische Wissen der dort lebenden Menschen über den Anbau und die Herstellung von Fränkischem Grünkern wurde von einer Generation zur nächsten weitergegeben.

Zugleich stellt Süddeutschland das traditionelle Absatzgebiet von Fränkischem Grünkern dar. Früheste historische Erwähnungen des Fränkischen Grünkerns datieren bis ins 17. Jahrhundert und sind in Kellereirechnungen oder in dörflichen und kleinstädtischen Zins- und Gültbüchern verzeichnet. Bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Fränkischer Grünkern im geografischen Gebiet angebaut und als „gröner Kern“ gehandelt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts fand zunehmend ein gewerblicher Handel von Fränkischem Grünkern statt. Begünstigend hierfür erwies sich, neben der Förderung der Fränkischen Grünkerngewinnung durch jüdische Kaufleute in der Region, das Vorhandensein von wichtigen Absatzmärkten. Eine wichtige Voraussetzung für den Aufschwung der Grünkernwirtschaft begründeten regionale Abnehmer wie z. B. die im benachbarten Heilbronn gegründete Firma Knorr, die schon seit den 1870er Jahren Fränkisches Grünkernmehl verwendet.

5.2.   Besonderheit des Erzeugnisses

Fränkischer Grünkern zeichnet sich durch eine gleichmäßig glasige Struktur und Farbe sowie einen kräftigen, würzigen buchenholzigen Geschmack und ein nussiges Aroma aus. Das schmale schlanke Korn des Fränkischen Grünkerns weist sogenannte harte Klebereigenschaften auf, die beim Darren das nussige Aroma ergeben. Die Sorte Bauländer Spelz wurde verbindlich im Jahr 1960 für Mitglieder der Vereinigung fränkischer Grünkernerzeuger e.V. vorgeschrieben, da sie das beste Aroma und die höchste Glasigkeit aufweist. Bauländer Spelz ist seit 1958 zugelassen und gehört damit zu den ältesten zugelassenen Dinkelsorten. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen liegt die besondere Eignung der im geografischen Gebiet beheimateten und verbreiteten Sorte für die Fränkische Grünkernerzeugung in der Ausbildung von festen Spelzen und Körnern, die in der Phase der empfindlichen Teigreife beim Darrprozess von Vorteil sind. Die robuste und genügsame Sorte ist vorzüglich an die besonderen Standort- und Klimabedingungen angepasst und liefert im agronomisch benachteiligten geografischen Gebiet auch ohne aufwendige pflanzenbauliche Maßnahmen noch mittlere Erträge. Wissenschaftliche Untersuchungen des nationalen Getreideforschungsinstituts zum Einfluss von Sorte, Erntezeitpunkt und Darre auf die Qualitätseigenschaften von Fränkischem Grünkern weisen der Sorte Bauländer Spelz zur Erzeugung von Fränkischem Grünkern aus dem abgegrenzten geografischen Gebiet sowohl im Hinblick auf den Darrprozess zur Erlangung einer gleichmäßig glasigen Struktur und Farbe, wie auch hinsichtlich der aromatischen Geschmacksausprägung und der Fränkischen Grünkernausbeute eine Vorzüglichkeit anderen Sorten gegenüber nach (Zwingelberg & Münzing, „Grünkern — Einfluss von Sorte, Erntezeitpunkt und Darre auf die Qualitätseigenschaften“, 1991, S. 21). Außerdem liefert die indigene Sorte ein sehr kompaktes Korn bei einem tendenziell unterdurchschnittlichen Tausendkorngewicht, welches für einen gleichmäßigen Darrprozess zur Erlangung einer gleichmäßig glasigen Struktur und Farbe von Vorteil ist und sich wegen der guten Ausbeute insbesondere für die Erzeugung von Fränkischem Grünkern bewährt hat.

5.3.   Ursächlicher Zusammenhang zwischen dem geografischen Gebiet und der Qualität oder den Merkmalen des Erzeugnisses (im Falle einer g.U.) bzw. einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder sonstigen Eigenschaften des Erzeugnisses (im Falle einer g.g.A.)

Fränkischer Grünkern verdankt seine Güte und seine charakteristischen Eigenschaften überwiegend den geografischen Verhältnissen, einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse, im Ursprungsgebiet. Die Besonderheiten im Zusammenwirken von Bodenverhältnissen und klimatischen Bedingungen in dem geografischen Gebiet in Verbindung mit der Sorte Bauländer Spelz bedingen die besonderen erzeugnisspezifischen Merkmale.

Das lokale Wissen, die jahrhundertealte Tradition in der Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung von Fränkischem Grünkern, insbesondere das Geschick bei der Ernte sowie bei der bäuerlichen Verarbeitung tragen zur Ausprägung der dem Fränkischen Grünkern eigenen und anerkannten organoleptischen Merkmale bei. Um das kulinarische Kulturgut der Bauländer Bauern zu bewahren, hat die Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt den Fränkischen Grünkern 2010 in die internationale Presidio-Gemeinschaft aufgenommen.

Fränkischer Grünkern wird in der Region und darüber hinaus von der gehobenen Gastronomie angeboten. Zahlreiche durch Generationen weitergegebene Rezepte mit Fränkischem Grünkern, das älteste aus dem Jahr 1821, belegen die Bedeutung für die Fränkische Küche. Aktivitäten rund um das „Gold des Baulandes“, wie z. B. das seit 1978 bestehende Fränkische Grünkernfest in Kupprichhausen oder der ca. 100 km lange Fränkische Grünkern-Radweg, bereichern das kulturelle Leben der Region.

Sowohl natürliche Gegebenheiten als auch vom Menschen beeinflusste Faktoren, wie der Erntezeitpunkt und der Darrprozess, beeinflussen die Eigenschaften des Produktes so, wie es in anderen Regionen nicht möglich wäre. So ermöglichen die besonderen Klima- und Bodenbedingungen des geografischen Gebiets in Verbindung mit der im geografischen Gebiet beheimateten Sorte Bauländer Spelz und der im geografischen Gebiet entstandenen Technik des Darrens von Fränkischem Grünkern, die Herstellung eines hochwertigen Produktes, um an ansonsten von der Natur benachteiligten Standorten ein tragfähiges Geschäft aufzubauen und durch menschliches Können an geografische Gegebenheiten anzupassen.

Hinweis auf die Veröffentlichung der Spezifikation

(Artikel 5 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 (3))

https://register.dpma.de/DPMAregister/geo/detail.pdfdownload/40685


(1)  ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 1.

(2)  ABl. L 93 vom 31.3.2006, S. 12. Ersetzt durch die Verordnung (EU) Nr. 1151/2012.

(3)  Siehe Fußnote 2.