29.3.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 92/1


MITTEILUNG DER KOMMISSION

über die Auslegungsleitlinien zu der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße

2014/C 92/01

1.   EINLEITUNG

Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (1) wurde am 23. Oktober 2007 erlassen. Mit dieser Verordnung, die am 3. Dezember 2009 in Kraft trat, soll ein Binnenmarkt für die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste geschaffen werden. Dies geschieht durch die Ergänzung der allgemeinen Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Darüber hinaus wird in der Verordnung festgelegt, unter welchen Bedingungen Ausgleichszahlungen, die in Verträgen und Konzessionen für öffentliche Personenverkehrsdienste festgelegt sind, als mit dem Binnenmarkt vereinbar gelten und von der vorherigen Anmeldung staatlicher Beihilfen bei der Kommission ausgenommen sind.

Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist von großer Bedeutung für die Organisation und Finanzierung öffentlicher Verkehrsdienste mit Bus, Straßenbahn, Untergrundbahn und Eisenbahn in den Mitgliedstaaten. Eine kohärente und korrekte Anwendung der Bestimmungen ist wirtschaftlich und politisch von Bedeutung, da die Wertschöpfung und die Beschäftigung im öffentlichen Verkehrswesen jeweils etwa 1 % des BIP beziehungsweise der Gesamtbeschäftigung der Europäischen Union ausmachen. Ein leistungsfähiges öffentliches Verkehrswesen bildet einen Eckpfeiler einer effizienten Sozial-, Wirtschafts- und Umweltpolitik.

Sowohl in einer von einem externen Berater durchgeführten Ex-post-Bewertung der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (2) als auch von Vertretern europäischer Verbände sowie der Mitgliedstaaten, die sich auf einer EU-weiten, am 14. November 2011 von der Kommission veranstalteten Konferenz der Interessenträger zum Thema der Umsetzung der Verordnung (3) äußerten, wurde die Kommission aufgefordert, einige Bestimmungen der Verordnung näher zu erläutern. Unterschiedliche Auslegungen von Bestimmungen zur Festlegung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, dem Anwendungsbereich von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, der Vergabe solcher Verträge und den Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen können der Schaffung eines Binnenmarkts für öffentliche Verkehrsdienste im Wege stehen und zu unerwünschten Marktverzerrungen führen.

Vor Verabschiedung dieser Mitteilung konsultierte die Kommission Mitgliedstaaten und Interessenträger als Vertreter betroffener Parteien, wie europäische Vereinigungen im öffentlichen Verkehrswesen, einschließlich Beschäftigten im Verkehrswesen und Fahrgastvereinigungen.

In vorliegender Mitteilung erläutert die Kommission ihr Verständnis einiger Bestimmungen der Verordnung, die auf bewährten Verfahren beruhen, um die Mitgliedstaaten darin zu unterstützen, den größtmöglichen Nutzen aus dem Binnenmarkt zu ziehen. Diese Mitteilung erhebt weder den Anspruch, alle Bestimmungen erschöpfend abzudecken, noch werden hierdurch neue Rechtsvorschriften geschaffen. Die Auslegung des EU-Rechts bleibt in jedem Fall Sache des Gerichtshofs der Europäischen Union.

Am 30. Januar 2013 hat die Kommission im Vorgriff auf die Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verabschiedet (4). Einige der Bestimmungen der Verordnung, deren Änderung die Kommission vorgeschlagen hat, wie die Bestimmungen zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungen im Schienenverkehr, werden in vorliegender Mitteilung ausgelegt. Die in vorliegendem Dokument enthaltenen Erläuterungen zu diesen Bestimmungen sollten solange als gültig betrachtet werden, bis eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 in Kraft tritt.

2.   AUSLEGUNG DER VERORDNUNG (EG) Nr. 1370/2007 DURCH DIE KOMMISSION

2.1.   Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007

Dieser Abschnitt zum Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 enthält Auslegungshinweise bezüglich des Zusammenhangs zwischen dieser Verordnung und den folgenden Richtlinien: Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Verordnung 2004/18/EG (5) (nachstehend „Richtlinie 2014/24/EU“), Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (6) (nachstehend „Richtlinie 2014/25/EU“) und Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe (7) (nachstehend „Richtlinie 2014/23/EU“). In diesem Abschnitt werden zudem die Modalitäten für die Anwendung der Verordnung auf Binnenschifffahrtswege und Meere innerhalb der Hoheitsgewässer erläutert und die Anwendbarkeit auf Güterbeförderungsverträge bis 2. Dezember 2012 geklärt.

2.1.1.   Artikel 1 Absatz 3 und Artikel 5 Absatz 1 Zusammenhang zwischen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und den Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen

Mit der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wird die Vergabe von in Artikel 2 Buchstabe i der Verordnung definierten öffentlichen Dienstleistungsaufträgen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auf Schiene und Straße geregelt. Diese öffentlichen Dienstleistungsaufträge können jedoch auch in den Anwendungsbereich der Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Richtlinie 2014/24/EU und Richtlinie 2014/25/EU) fallen. Da die in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 genannten Richtlinien (Richtlinie 2004/17/EG und Richtlinie 2004/18/EG) aufgehoben und durch die vorstehend genannten Richtlinien ersetzt wurden, sind die Verweise in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als Verweise auf die neuen Richtlinien zu verstehen.

In Artikel 1 Absatz 3 ist festgelegt, dass die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nicht für öffentliche Baukonzessionen im Sinne von Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2004/17/EG oder im Sinne von Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 2004/18/EG gilt. Nach Inkrafttreten der Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe gilt die Begriffsbestimmung für „Baukonzessionen“ gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der genannten Richtlinie. Deshalb fallen Baukonzessionen für öffentliche Personenverkehrsdienste mit der Eisenbahn und anderen schienengebundenen Verkehrsträgern sowie auf der Straße ausschließlich unter die Richtlinie 2014/23/EU.

Bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und den Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie der Richtlinie 2014/23/EU ist zwischen Dienstleistungsaufträgen und Dienstleistungskonzessionen zu unterscheiden.

In Artikel 2 Nummern 1, 2 und 5 der Richtlinie 2014/25/EU werden „Dienstleistungsaufträge“ als zwischen einem oder mehreren Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern geschlossene entgeltliche schriftliche Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen definiert. Sind öffentliche Auftraggeber im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2014/24/EU beteiligt, so gelten diese Verträge als „öffentliche Dienstleistungsaufträge“ gemäß Artikel 2 Absatz 1 Nummern 6 und 9 der Richtlinie 2014/24/EU.

Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe definiert eine „Dienstleistungskonzession“ als „einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen nach Buchstabe a bestehen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht“. In Artikel 5 Absatz 1 heißt es weiter: „Mit der Vergabe einer Bau- oder Dienstleistungskonzession geht auf den Konzessionsnehmer das Betriebsrisiko für die Nutzung des entsprechenden Bauwerks beziehungsweise für die Verwertung der Dienstleistungen über, wobei es sich um ein Nachfrage- und/oder ein Angebotsrisiko handeln kann. Das Betriebsrisiko gilt als vom Konzessionsnehmer getragen, wenn unter normalen Betriebsbedingungen nicht garantiert ist, dass die Investitionsaufwendungen oder die Kosten für den Betrieb des Bauwerks oder die Erbringung der Dienstleistungen, die Gegenstand der Konzession sind, wieder erwirtschaftet werden können. Der Teil des auf den Konzessionsnehmer übergegangenen Risikos umfasst es, den Unwägbarkeiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt zu sein, so dass potenzielle geschätzte Verluste des Konzessionsnehmers nicht rein nominell oder vernachlässigbar sind“.

Diese Unterscheidung zwischen (öffentlichen) Dienstleistungsaufträgen und Dienstleistungskonzessionen ist von Bedeutung, da gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU diese Richtlinie nicht für Konzessionen für öffentliche Personenverkehrsdienste im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 gilt. Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen für diese öffentlichen Personenverkehrsdienste unterliegt ausschließlich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007.

In Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist festgelegt, dass die Vergabe (öffentlicher) Dienstleistungsaufträge für Verkehrsdienste mit Bussen oder Straßenbahnen in den Richtlinien 2004/17/EG (8) und 2004/18/EG (9) geregelt ist, es sei denn, diese Aufträge nehmen die Form von Dienstleistungskonzessionen an. Die Vergabe von (öffentlichen) Dienstleistungskonzessionen für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen oder Straßenbahnen unterliegt somit ausschließlich den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU.

Die Vergabe von (öffentlichen) Dienstleistungsaufträgen für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Eisenbahn und Untergrundbahnen ist durch die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 geregelt und gemäß dem Erwägungsgrund 27 und Artikel 10 Buchstabe i der Richtlinie 2014/24/EU aus deren Anwendungsbereich sowie gemäß dem Erwägungsgrund 35 und Artikel 21 Buchstabe g der Richtlinie 2014/25/EU aus deren Anwendungsbereich ausgeschlossen.

Tabelle

Übersicht über die für die Auftragsvergabe geltenden Rechtsgrundlagen, je nach Art der vertraglichen Vereinbarung und Beförderungsart

Öffentliche Personenver-kehrsdienste mit

(Öffentliche) Dienstleistungsaufträge gemäß den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU

Dienstleistungskonzessionen gemäß der Richtlinie 2014/23/EU

Bus und Straßenbahn

Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU

Verordnung (EG) Nr. 1370/2007

Eisenbahn und Untergrundbahn

Verordnung (EG) Nr. 1370/2007

Verordnung (EG) Nr. 1370/2007

2.1.2.   Artikel 1 Absatz 2. Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf Binnenschifffahrtswege und nationale Meere

In Artikel 1 Absatz 2 ist geregelt, dass die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn, mit anderen Arten des Schienenverkehrs sowie auf der Straße gilt und dass die Mitgliedstaaten diese Verordnung auf den öffentlichen Personenverkehr auf Binnenschifffahrtswegen anwenden können. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die Entscheidung eines Mitgliedstaats, die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf den öffentlichen Personenverkehr auf Binnenschifffahrtswegen anzuwenden, in transparenter Weise und durch einen verbindlichen Rechtsakt getroffen werden. Die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf Personenverkehrsdienstleistungen auf Binnenschifffahrtswegen könnte insbesondere dann sinnvoll sein, wenn diese Dienste in ein weiter gefasstes Stadt-, Vorort- oder Regionalnetz des öffentlichen Personenverkehrs eingebunden sind.

Wird keine Entscheidung für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf Personenverkehrsdienstleistungen auf Binnenschifffahrtswegen getroffen, so unterliegen diese Dienstleistungen unmittelbar Artikel 93 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Bestimmte Aspekte des Personenverkehrs auf Binnenschifffahrtswegen sind zudem durch die Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats (10) sowie die Verordnung (EG) Nr. 1356/96 des Rates vom 8. Juli 1996 über gemeinsame Regeln zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr zwischen Mitgliedstaaten (11) geregelt.

In Artikel 1 Absatz 2 ist zudem festgeschrieben, dass die Mitgliedstaaten die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nur unbeschadet der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (12) auf Verkehrsdienste auf dem Meer innerhalb der Hoheitsgewässer anwenden dürfen. Einige der wichtigsten Bestimmungen dieser Verordnung stimmen nicht vollständig mit den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 überein (z. B. die Bestimmungen zur Anwendung auf die Güterbeförderung, zu Vertragslaufzeiten, zu ausschließlichen Rechten und zu Höchstwerten für die Direktvergabe von kleinen Aufträgen). Die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf nationale Hoheitsgewässer bringt eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich. In einer Mitteilung (13) stellt die Kommission Leitlinien zur Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 bereit, in denen auf diese Schwierigkeiten eingegangen wird.

2.1.3.   Artikel 10 Absatz 1. Anwendbarkeit der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 auf Güterbeförderungsverträge bis 2. Dezember 2012

In der Vergangenheit konnten bestimmte Leistungen im Schienengüterverkehr gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (14) unterliegen. Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, mit der die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 aufgehoben wird, gilt jedoch nicht für Güterbeförderungsdienste. Um eine schrittweise Einstellung der von der Kommission nicht genehmigten Ausgleichsleistungen im Einklang mit den Artikeln 93, 107 und 108 AEUV zu erleichtern, ist in Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 festgelegt, dass die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 während eines Zeitraums von drei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (d. h. bis 2. Dezember 2012) weiterhin für Güterbeförderungsdienste gilt. Diese können nur dann als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft werden, wenn der betreffende Mitgliedstaat festlegt, dass sie im Vergleich zu kommerziellen Güterbeförderungsdiensten spezifische Merkmale aufweisen (15). Wenn Mitgliedstaaten bestehende staatliche Beihilferegelungen für Leistungen im Schienengüterverkehr beibehalten wollen, die nicht den besonderen Bedingungen gemäß dem Altmark-Urteil (16) genügen, müssen sie die Kommission über diese Regelungen unterrichten, damit sie vorab genehmigt werden können. Diese Beihilferegelungen werden unmittelbar auf der Grundlage von Artikel 93 AEUV bewertet. Werden diese Regelungen nicht vorher gemeldet, handelt es sich um neue und rechtswidrige Beihilfen, da sie nicht mehr von der Meldepflicht für staatliche Beihilfen ausgenommen sind.

2.2.   Definition gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen und allgemeiner Vorschriften/Inhalte öffentlicher Dienstleistungsaufträge

Dieser Abschnitt enthält Auslegungshinweise zu den konstitutiven Merkmalen öffentlicher Dienstleistungsaufträge, den wichtigsten Eigenschaften allgemeiner Vorschriften und der Art und Weise, wie die zuständigen Behörden Art und Umfang gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen sowie ausschließlicher Rechte im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 festlegen. Darüber hinaus wird darauf eingegangen, unter welchen Bedingungen die Laufzeiten von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen verlängert werden können, und unter welchen Voraussetzungen eine Vergabe von Unteraufträgen, auch an interne Betreiber, möglich ist.

2.2.1.   Artikel 2 Buchstabe i. Konstitutive Merkmale eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags

Gemäß Artikel 2 Buchstabe i besteht ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag aus „einem oder mehreren rechtsverbindlichen Akten, die die Übereinkunft zwischen einer zuständigen Behörde und einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes bekunden, diesen Betreiber eines öffentlichen Dienstes mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten zu betrauen, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen“. Der Auftrag kann auch in einer Entscheidung der zuständigen Behörde bestehen, die die Form eines Gesetzes oder einer Verwaltungsregelung für den Einzelfall haben kann oder die Bedingungen enthält, unter denen die zuständige Behörde diese Dienstleistungen selbst erbringt oder einen internen Betreiber mit der Erbringung dieser Dienstleistungen betraut. Der Begriff „öffentlicher Dienstleistungsauftrag“, wie er in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 definiert ist, umfasst auch öffentliche Dienstleistungskonzessionen.

Um den unterschiedlichen Rechtssystemen und Traditionen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sind öffentliche Dienstleistungsaufträge in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sehr breit definiert und schließen verschiedene Arten von rechtsverbindlichen Akten ein. Dadurch wird sichergestellt, dass der Anwendungsbereich dieser Verordnung jede Rechtslage erfasst, auch wenn das Verhältnis zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber nicht formell und präzise in Form eines Vertrags im engsten Sinne festgeschrieben ist. Aus diesem Grund schließt die Begriffsbestimmung auch öffentliche Dienstleistungsaufträge in Form einer Entscheidung ein, die die Form eines Gesetzes oder einer Verwaltungsregelung für den Einzelfall hat. Eine Kombination aus einem allgemeinen Rechtsakt, mit dem einem Betreiber die Erbringung von Dienstleistungen übertragen wird, und einem Verwaltungsakt, in dem die detaillierte Leistungsbeschreibung für die zu erbringenden Dienstleistungen sowie die für die Ausgleichsberechnung anzuwendende Methode enthalten sind, kann ebenfalls ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag sein. Die Begriffsbestimmung schließt zudem Entscheidungen der zuständigen Behörde ein, die Bedingungen enthalten, unter denen die Behörde diese Dienstleistungen selbst erbringt oder einen internen Betreiber damit betraut.

2.2.2.   Artikel 2 Buchstabe l. Eigenschaften allgemeiner Vorschriften und Verfahren zu deren Erlassung

Allgemeine Vorschriften sind in Artikel 2 Buchstabe l als Maßnahmen definiert, die „diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimmten geografischen Gebiet, das im Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde liegt“, gelten. Bei allgemeinen Vorschriften handelt es sich somit um Maßnahmen für eine oder mehrere Arten von öffentlichen Verkehrsdiensten auf Straße oder Schiene, die Betreibern öffentlicher Dienste einseitig und in nichtdiskriminierender Weise von staatlichen Behörden auferlegt oder in Verträge zwischen den zuständigen Behörden und den Betreibern öffentlicher Dienste aufgenommen werden können. Die Maßnahme ist auf das geografische Gebiet beschränkt, das im Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde liegt, muss aber nicht zwangsläufig das gesamte geografische Gebiet abdecken. Eine allgemeine Vorschrift kann auch ein regionales oder nationales Gesetz sein, das für alle bestehenden oder potenziellen Verkehrsunternehmen einer Region oder eines Mitgliedstaats gilt. Sie wird demzufolge in der Regel nicht mit einzelnen Betreibern öffentlicher Dienste ausgehandelt. Auch wenn die allgemeine Vorschrift durch einen einseitigen Rechtsakt erlassen wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass Betreiber öffentlicher Dienste im Vorfeld auf transparente und nichtdiskriminierende Weise konsultiert werden.

2.2.3.   Artikel 3 Absätze 2 und 3. Aufstellung allgemeiner Vorschriften innerhalb und außerhalb eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags. Anwendungsbereich allgemeiner Vorschriften

In Erwägungsgrund 17 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 heißt es: „Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip steht es den zuständigen Behörden frei, soziale Kriterien und Qualitätskriterien festzulegen, um Qualitätsstandards für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufrechtzuerhalten und zu erhöhen, beispielsweise bezüglich der Mindestarbeitsbedingungen, der Fahrgastrechte, der Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität, des Umweltschutzes, der Sicherheit von Fahrgästen und Angestellten sowie bezüglich der sich aus Kollektivvereinbarungen ergebenden Verpflichtungen und anderen Vorschriften und Vereinbarungen in Bezug auf den Arbeitsplatz und den Sozialschutz an dem Ort, an dem der Dienst erbracht wird. Zur Gewährleistung transparenter und vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen zwischen den Betreibern und um das Risiko des Sozialdumpings zu verhindern, sollten die zuständigen Behörden besondere soziale Normen und Dienstleistungsqualitätsnormen vorschreiben können.“

Die Mitgliedstaaten und/oder die zuständigen Behörden können öffentliche Verkehrsdienste durch allgemeine Vorschriften, wie Gesetze, Erlasse oder Regulierungsmaßnahmen, regeln. Enthalten diese allgemeinen Vorschriften jedoch eine Ausgleichsleistung oder ein ausschließliches Recht, so besteht eine zusätzliche Verpflichtung, gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu vergeben. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn durch allgemeine Vorschriften gemäß Artikel 3 Absatz 2 der genannten Verordnung Höchsttarife für alle Fahrgäste oder bestimmte Gruppen von Fahrgästen festgesetzt wurden. In diesem Fall ist die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags nicht vorgeschrieben, und der Ausgleichsmechanismus kann nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Allgemeingültigkeit festgelegt werden.

Eine zuständige Behörde kann beschließen, allgemeine Vorschriften anzuwenden, um Sozial- oder Qualitätsstandards im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung einzuführen. Sehen die allgemeinen Vorschriften Ausgleichsleistungen vor oder ist die zuständige Behörde der Auffassung, dass die Umsetzung der allgemeinen Vorschriften Ausgleichsleistungen erforderlich macht, sind gemäß den Artikeln 4 und 6 sowie gemäß dem Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auch ein oder mehrere öffentliche Dienstleistungsaufträge zu vergeben, in denen die Verpflichtungen und die Parameter der Ausgleichsleistung für die finanziellen Auswirkungen festgelegt sind.

2.2.4.   Artikel 3 Absatz 3. Anmeldung gemäß den EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen von Höchsttarifen für die Beförderung von Schülern, Studenten, Auszubildenden und Personen mit eingeschränkter Mobilität, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 fallen

Gemäß Artikel 3 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten allgemeine Vorschriften über die finanzielle Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die dazu dienen, Höchsttarife für Schüler, Studenten, Auszubildende und Personen mit eingeschränkter Mobilität festzulegen, aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ausnehmen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat dazu, müssen die nationalen Behörden stattdessen die Vorschriften zu Ausgleichsleistungen gemäß den Bestimmungen des Vertrags, insbesondere den Bestimmungen über staatliche Beihilfen, bewerten. Wenn diese allgemeinen Vorschriften eine staatliche Beihilfe darstellen, muss der Mitgliedstaat diese Vorschriften der Kommission gemäß Artikel 108 AEUV melden.

2.2.5.   Artikel 2 Buchstabe e und Artikel 4 Absatz 1. Festlegung von Art und Umfang gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen sowie des Anwendungsbereichs öffentlicher Dienstleistungsaufträge durch die zuständigen Behörden

In Artikel 14 AEUV sowie im Protokoll Nr. 26 über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Anhang zum AEUV sind die allgemeinen Grundsätze dargelegt, nach denen die Mitgliedstaaten Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse festlegen und erbringen. Gemäß Artikel 14 AEUV „tragen die Union und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich der Verträge dafür Sorge, dass die Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene wirtschaftlicher und finanzieller Art, für das Funktionieren dieser Dienste (von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse) so gestaltet sind, dass diese ihren Aufgaben nachkommen können“. Gemäß dem Protokoll Nr. 26 spielen die nationalen, regionalen und lokalen Behörden eine entscheidende Rolle und haben weiten Ermessensspielraum in der Frage, wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse in einer den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechenden Weise zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind. Es gehört zu den gemeinsamen Werten der Europäischen Union, dass bei Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ein hohes Niveau in Bezug auf Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung und Förderung des universellen Zugangs und der Nutzerrechte angestrebt wird. Die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auf Schiene und Straße bereitzustellen, in Auftrag zu geben und durchzuführen, sind in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 geregelt. In Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 heißt es: „Zweck dieser Verordnung ist es, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des EU-Rechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte.“ Gemäß Artikel 2 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung eine Anforderung im Hinblick auf die Sicherstellung von im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die der Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte (17). Somit haben die Mitgliedstaaten innerhalb des durch die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 festgelegten Rahmens einen großen Ermessensspielraum bei der Festlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Endnutzer.

Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen können typischerweise, jedoch nicht ausschließlich, besondere Anforderungen an den Betreiber eines öffentlichen Dienstes beinhalten, wie beispielsweise die Häufigkeit und Qualität der Verkehrsdienste, die Bereitstellung der Dienste insbesondere an kleineren, wirtschaftlich eventuell nicht attraktiven Zwischenhaltestationen sowie die Bereitstellung von Zügen am frühen Morgen und am späten Abend. Ein anschauliches Kriterium ist nach Auffassung der Kommission, dass die Dienste, die als öffentliche Dienstleistungen gelten sollen, für die Bürger bestimmt sein oder im Interesse der Gesellschaft als Ganzes liegen müssen. Die zuständigen Behörden legen Art und Umfang gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Vertrags fest. Um die Ziele der Verordnung zu erreichen, d. h. sichere, kostengünstige und hochwertige Personenverkehrsdienste zu gewährleisten, müssen die zuständigen Behörden dafür sorgen, dass diese Dienstleistungen in einer wirtschaftlich und finanziell tragfähigen Weise erbracht werden. Im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 können beide Vertragsparteien die Achtung ihrer Rechte erwarten und müssen ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen. Dazu gehören auch finanzielle Rechte und Verpflichtungen. Durch den geografischen Anwendungsbereich öffentlicher Dienstleistungsaufträge sollten die zuständigen Behörden in der Lage sein, die Wirtschaftlichkeit öffentlicher Verkehrsdienste in ihrer Zuständigkeit zu verbessern und gegebenenfalls lokale, regionale und subnationale Netzeffekte einzubeziehen. Durch die Nutzung von Netzeffekten ist eine kostenwirksame Bereitstellung von öffentlichen Verkehrsdiensten möglich, da nicht kostendeckende Dienste durch profitable Dienste gegenfinanziert werden. Dies wiederum sollte es den Behörden ermöglichen, die festgelegten Ziele im Bereich der Verkehrspolitik zu erreichen und gleichzeitig, sofern zweckmäßig, die Voraussetzungen für einen effizienten und fairen Wettbewerb im Netz zu gewährleisten, z. B. möglicherweise für bestimmte Hochgeschwindigkeitsbahndienste.

2.2.6.   Artikel 2 Buchstabe f und Artikel 3 Absatz 1. Festlegung von Art und Umfang ausschließlicher Rechte, um die Einhaltung des EU-Rechts zu gewährleisten

Gemäß Artikel 3 Absatz 1 muss ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag vergeben werden, wenn eine zuständige Behörde einem Betreiber ein ausschließliches Recht und/oder eine Ausgleichsleistung für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewährt. Ein ausschließliches Recht ist gemäß Artikel 2 Buchstabe f definiert als „ein Recht, das einen Betreiber eines öffentlichen Dienstes berechtigt, bestimmte öffentliche Personenverkehrsdienste auf einer bestimmten Strecke oder in einem bestimmten Streckennetz oder Gebiet unter Ausschluss aller anderen solchen Betreiber zu erbringen“. Dieses Recht kann durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift festgeschrieben werden. Vielfach sind in dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag die Bedingungen für die Ausübung des ausschließlichen Rechts, insbesondere der geografische Anwendungsbereich und die Geltungsdauer des ausschließlichen Rechts, angegeben. Durch die Ausschließlichkeit ist das Unternehmen in einem bestimmten Marktsegment insofern vor dem Wettbewerb durch andere Betreiber geschützt, als kein anderes Unternehmen dieselbe Dienstleistung erbringen darf. Die Mitgliedstaaten können jedoch durch Rechtsvorschriften oder Verwaltungspraktiken auch Rechte gewähren, die nicht-ausschließlich erscheinen, aber andere Unternehmen de facto an einer Marktbeteiligung hindern. So können beispielsweise Verwaltungsvereinbarungen, mit denen die Genehmigung zum Betrieb öffentlicher Verkehrsdienste erteilt wird, sofern bestimmte Kriterien bezüglich des gewünschten Umfangs und der gewünschten Qualität dieser Dienste erfüllt werden, in der Praxis zu einer Beschränkung der Zahl der Betreiber auf dem Markt führen. Die Kommission ist der Auffassung, dass der in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verwendete Begriff der Ausschließlichkeit auch diesen Sachverhalt einschließt.

Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für öffentliche Verkehrsdienste sicherzustellen, sollten die zuständigen Behörden ausschließliche Rechte genau definieren als Rechte, die nicht über das hinausgehen, was für den erforderlichen wirtschaftlichen Schutz für die betreffenden Dienstleistungen nötig ist, und die, soweit möglich, Raum für andere Arten von Dienstleistungen lassen. Diesbezüglich heißt es in Erwägungsgrund 8 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007: „Personenverkehrsmärkte, die dereguliert sind und in denen keine ausschließlichen Rechte gewährt werden, sollten ihre Merkmale und ihre Funktionsweise beibehalten dürfen, soweit diese mit den Anforderungen des Vertrags vereinbar sind.“ Die Kommission möchte jedoch darauf hinweisen, dass selbst in einem deregulierten System die Einführung vertraglicher Vereinbarungen für einen besseren Zugang bestimmter Bevölkerungsgruppen zu Busverkehrsdiensten eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung darstellt. Diese Verpflichtung fällt in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (18).

Sind alle Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 erfüllt, einschließlich der Bedingung, dass ein Betreiber öffentlicher Verkehrsdienste ein ausschließliches Recht hat, kann der abzuschließende öffentliche Dienstleistungsauftrag beispielsweise im Fall eines Auftrags mit geringem Wert oder eines kleinen oder mittleren Betreibers direkt vergeben werden, wenn die Bedingungen von Artikel 5 Absatz 4 erfüllt sind.

2.2.7.   Artikel 4 Absatz 4. Bedingungen, unter denen die Laufzeit eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags um 50 % verlängert werden kann

In Artikel 4 Absatz 3 ist geregelt, dass die Laufzeit eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags „höchstens zehn Jahre für Busverkehrsdienste und höchstens 15 Jahre für Personenverkehrsdienste mit der Eisenbahn oder anderen schienengestützten Verkehrsträgern“ betragen darf. Gemäß Artikel 4 Absatz 4 kann die Laufzeit eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags unter Berücksichtigung der Amortisierungsdauer der Wirtschaftsgüter, falls erforderlich, um 50 % verlängert werden. Eine solche Verlängerung kann gewährt werden, wenn der Betreiber eines öffentlichen Dienstes einen wesentlichen Anteil der für die Erbringung der betreffenden Personenverkehrsdienste insgesamt erforderlichen Wirtschaftsgüter bereitstellt und diese vorwiegend an die Personenverkehrsdienste gebunden sind, die von dem Auftrag erfasst werden.

Wie diese beiden Bedingungen auszulegen sind, hängt von den einzelfallspezifischen Umständen ab. Wie in Erwägungsgrund 15 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 betont, können „Langzeitverträge (…) bewirken, dass der Markt länger als erforderlich geschlossen bleibt, wodurch sich die Vorteile des Wettbewerbsdrucks verringern. Um den Wettbewerb möglichst wenig zu verzerren und gleichzeitig die Qualität der Dienste sicherzustellen, sollten öffentliche Dienstleistungsaufträge befristet sein.“ Hinzu kommt, dass es bei sehr langen Vertragslaufzeiten aufgrund wachsender Unsicherheitsfaktoren schwierig wird, die Risiken richtig zwischen dem Betreiber und der Behörde aufzuteilen. Andererseits wird in Erwägungsgrund 15 erläutert, dass „die Möglichkeit, öffentliche Dienstleistungsaufträge um maximal die Hälfte ihrer ursprünglichen Laufzeit zu verlängern, … dann vorgesehen werden [sollte], wenn der Betreiber eines öffentlichen Dienstes Investitionen in Wirtschaftsgüter tätigen muss, deren Amortisierungsdauer außergewöhnlich lang ist, und — aufgrund ihrer besonderen Merkmale und Zwänge — bei den in Artikel 349 des Vertrags genannten Gebieten in äußerster Randlage“.

Jeder Entscheidung über eine Verlängerung der Laufzeit eines öffentlichen Dienstleistungs-auftrags um 50 % sollten folgende Überlegungen vorausgehen: Der öffentliche Dienstleistungsauftrag muss den Betreiber dazu verpflichten, Investitionen in Wirtschaftsgüter wie z. B. Rollmaterial, Wartungseinrichtungen oder Infrastruktur zu tätigen, deren Amortisierungsdauer außergewöhnlich lang ist

In der Regel beschließt die zuständige Behörde vor der Vergabe eines neuen Auftrags, dass die Vertragslaufzeit verlängert werden soll. Muss während der Laufzeit eines Vertrags beschlossen werden, diese zu verlängern, da beabsichtigte Investitionen in Rollmaterial nicht zu Beginn der Vertragslaufzeit, sondern beispielsweise aus technischen Gründen zu einem späteren Zeitpunkt getätigt werden, so muss diese Möglichkeit in den Ausschreibungsunterlagen deutlich angegeben und diese Option in Bezug auf die Ausgleichsleistungen angemessen widergespiegelt sein. In jedem Fall darf die gesamte Verlängerung der Vertragslaufzeit nicht mehr als 50 % der in Artikel 4 Absatz 4 festgelegten Laufzeit betragen.

2.2.8.   Artikel 4 Absatz 5. Optionen für zuständige Behörden, wenn sie im Falle eines Betreiberwechsels Maßnahmen zum Arbeitnehmerschutz für angebracht halten

In Artikel 4 Absatz 5 heißt es: „Unbeschadet des nationalen Rechts und des Gemeinschafts-rechts, einschließlich Tarifverträge zwischen den Sozialpartnern, kann die zuständige Behörde den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes verpflichten, den Arbeitnehmern, die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt wurden, die Rechte zu gewähren, auf die sie Anspruch hätten, wenn ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (19) erfolgt wäre. Verpflichtet die zuständige Behörde die Betreiber eines öffentlichen Dienstes, bestimmte Sozialstandards einzuhalten, so werden in den Unterlagen des wettbewerblichen Vergabeverfahrens und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen die betreffenden Arbeitnehmer aufgeführt und transparente Angaben zu ihren vertraglichen Rechten und zu den Bedingungen gemacht, unter denen sie als in einem Verhältnis zu den betreffenden Diensten stehend gelten.“

Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip und gemäß den Erwägungsgründen 16 und 17 haben die zuständigen Behörden im Bereich des Arbeitnehmerschutzes bei einem Betreiberwechsel grundsätzlich folgende Optionen:

i)

Sie ergreifen keine besonderen Maßnahmen. In diesem Fall müssen Arbeitnehmerrechte, wie ein Personalübergang, nur dann gewährt werden, wenn die Bedingungen für die Anwendung der Richtlinie 2001/23/EG erfüllt sind, z. B. wenn umfangreiche Sachanlagen wie Rollmaterial übertragen werden (20).

ii)

Sie fordern, dass die Arbeitnehmer, die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt wurden — unabhängig davon, ob die Richtlinie 2001/23/EG Anwendung findet — mit den Rechten übernommen werden, auf die sie Anspruch gehabt hätten, wenn ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG erfolgt wäre. In Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist erklärt, dass „diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran (hindert), die Bedingungen für die Übertragung anderer Ansprüche der Arbeitnehmer als der durch die Richtlinie 2001/23/EG abgedeckten zu wahren und dabei gegebenenfalls die durch nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder zwischen den Sozialpartnern geschlossene Tarifverträge oder Vereinbarungen festgelegten Sozialstandards zu berücksichtigen“.

iii)

Sie fordern, dass der Betreiber öffentlicher Verkehrsdienste „zur Gewährleistung transparenter und vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen zwischen den Betreibern und um das Risiko des Sozialdumpings zu verhindern“ (siehe Erwägungsgrund 17 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007), für alle an der Bereitstellung des öffentlichen Verkehrsdienstes beteiligten Arbeitnehmer bestimmte Sozialstandards einhält. Diese Standards können beispielsweise in einer Tarifvereinbarung auf Unternehmensebene oder einer Tarifvereinbarung für das betreffende Marktsegment geregelt sein.

iv)

Sie kombinieren die Optionen ii und iii.

Um transparente Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten, sind die zuständigen Behörden verpflichtet, wenn sie einen Arbeitnehmerübergang fordern oder bestimmte Sozialstandards vorschreiben, diese Verpflichtungen klar und detailliert in den Ausschreibungsunterlagen und den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen darzulegen.

2.2.9.   Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe e. Voraussetzungen für die Vergabe von Unteraufträgen bei an interne Betreiber vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen

Bei direkt an einen internen Betreiber vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen kann unter strengen Voraussetzungen eine Vergabe von Unteraufträgen erfolgen. In einem solchen Fall muss der interne Betreiber gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe e „den überwiegenden Teil“ der öffentlichen Personenverkehrsdienste selbst erbringen. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass das Konzept eines „internen Betreibers“ unter der Kontrolle der zuständigen Behörde seinen Sinn verliert, da es dem internen Betreiber ansonsten gestattet wäre, die Verkehrsdienste vollständig oder zu einem sehr großen Teil an einen Unterauftragnehmer zu vergeben. Mit Artikel 5 Absatz 2 soll somit verhindert werden, dass falsche interne Betreiber geschaffen werden. Die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste durch einen internen Betreiber bildet eine Ausnahme von dem in Artikel 5 Absatz 3 festgeschriebenen Grundsatz, wonach öffentliche Dienstleistungsaufträge „im Wege eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens“ zu vergeben sind. In Erwägungsgrund 7 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wird erläutert, dass „die Einführung des regulierten Wettbewerbs zwischen Betreibern zu einem attraktiveren und innovativeren Dienstleistungsangebot zu niedrigeren Kosten führt“. Unbeschadet einer Einzelfallbewertung kann sinnvollerweise davon ausgegangen werden, dass es für die Untervergabe von mehr als einem Drittel der öffentlichen Verkehrsdienste guter Gründe bedarf, insbesondere hinsichtlich der erläuterten Ziele von Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe e. Typischerweise werden diese Verkehrsdienste nach ihrem Wert bemessen. In jedem Fall müssen bei einer Untervergabe durch interne Betreiber die einschlägigen Rechtsvorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge eingehalten werden.

Schließlich lässt die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auch zu, dass in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag ein Mindestanteil an den nach ihrem Wert bemessenen Verkehrsdiensten festgelegt wird, den der im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags tätige Betreiber an Unterauftragnehmer vergeben muss. Dies kann im Vertrag festgeschrieben sein, sofern die Bestimmungen der Verordnung und dabei vor allem der Höchstanteil eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, der an Unterauftragnehmer vergeben werden darf, eingehalten werden.

2.3.   Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge

Dieser Abschnitt enthält Auslegungshinweise zu einer Reihe von Bestimmungen zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge. Die Erläuterungen betreffen die Bedingungen, unter denen öffentliche Dienstleistungsaufträge direkt vergeben werden können, sowie die verfahrenstechnischen Anforderungen für die wettbewerbliche Vergabe öffentlicher Aufträge.

2.3.1.   Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b. Bedingungen, unter denen ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag direkt an einen internen Betreiber vergeben werden darf

Nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 können die zuständigen örtlichen Behörden öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße selbst erbringen oder einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag direkt an einen internen Betreiber vergeben. Entscheiden sie sich für die zweite Option, so müssen sie jedoch eine Reihe strenger Vorschriften und Bedingungen einhalten, die in Artikel 5 Absatz 2 festgelegt sind. Die Kommission trifft folgende Feststellungen:

i)

In Artikel 5 Absatz 2 ist festgelegt, dass eine zuständige örtliche Behörde oder eine Gruppe solcher Behörden, die integrierte öffentliche Personenverkehrsdienste anbietet, einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag direkt an interne Betreiber vergeben kann. Dies bedeutet, dass die von einer Gruppe zuständiger örtlicher Behörden direkt vergebenen öffentlichen Personenverkehrsdienste für das Zuständigkeitsgebiet einer solchen Gruppe von Behörden geografisch, verkehrstechnisch und tariflich zusammengeführt werden müssen. Die Kommission ist auch der Auffassung, dass der geografische Anwendungsbereich solcher unter der Verantwortung einer zuständigen örtlichen Behörde oder einer Gruppe solcher Behörden erbrachten Dienste so festgelegt werden muss, dass diese örtlichen Dienste in der Regel den Bedarf eines Ballungsgebiets und/oder eines Landkreises decken.

ii)

Die in Artikel 2 Buchstabe j festgelegten und in Artikel 5 Absatz 2 näher erläuterten Vorschriften für die Kontrolle des internen Betreibers durch die zuständige Behörde müssen in jedem Fall eingehalten werden. Ein interner Betreiber muss „eine rechtlich getrennte Einheit [sein], über die eine zuständige örtliche Behörde (…) eine Kontrolle ausübt, die der Kontrolle über ihre eigenen Dienststellen entspricht“. In Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a sind eine Reihe von Kriterien genannt, die bei der Bewertung, ob eine zuständige örtliche Behörde eine effektive Kontrolle über ihren internen Betreiber ausübt, heranzuziehen sind. Diese Kriterien sind „der Umfang der Vertretung in Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremien, diesbezügliche Bestimmungen in der Satzung, Eigentumsrechte, tatsächlicher Einfluss und tatsächliche Kontrolle über strategische Entscheidungen und einzelne Managemententscheidungen“. In die Bewertung der Kontrolle müssen alle diese Kriterien, soweit anwendbar, einbezogen werden,

Was das Kriterium der Eigentumsrechte betrifft, müssen die zuständigen Behörden nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nicht 100 % des Kapitals des internen Betreibers halten. Dies könnte beispielsweise bei öffentlich-privaten Partnerschaften von Belang sein. In dieser Hinsicht ist „interner Betreiber“ in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 weiter ausgelegt als in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (21). Allerdings muss die effektive Kontrolle durch die zuständige Behörde anhand anderer Kriterien nachgewiesen werden (siehe Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a).

iii)

Um Wettbewerbsverzerrungen zu verringern, sollten gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b die Verkehrsdienstleistungen interner Betreiber und aller Einheiten, die deren Kontrolle unterliegen, geografisch auf das Zuständigkeitsgebiet der zuständigen örtlichen Behörde beschränkt sein oder von einer zuständigen örtlichen Behörde gemeinsam kontrolliert werden. Somit dürfen sich diese Betreiber oder Einheiten nicht an Ausschreibungen beteiligen, die die Bereitstellung öffentlicher Personenverkehrsdienste außerhalb des Gebiets der zuständigen Behörde betreffen. Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b wurde bewusst weit gefasst, um zu verhindern, dass Unternehmensstrukturen geschaffen werden, mit denen diese geografische Beschränkung umgangen werden soll. Unbeschadet der Bestimmungen zu abgehenden Linien gemäß Ziffer v wird die Kommission bei der Anwendung dieser Bestimmung zur geografischen Beschränkung besondere Strenge walten lassen, insbesondere wenn sowohl der interne Betreiber als auch eine andere, Verkehrsdienste erbringende Einheit von derselben zuständigen örtlichen Behörde kontrolliert werden.

iv)

Analog zu der Rechtsprechung im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen und Konzessionen, wonach die Tätigkeiten des internen Betreibers keine „Marktausrichtung“ aufweisen sollten (22), ist die Bedingung von Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b, nach der „der interne Betreiber (…) (seine) öffentlichen Personenverkehrsdienste innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde (ausführt) (…) und nicht an außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde organisierten wettbewerblichen Vergabeverfahren für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrs-diensten (teilnimmt)“, wie folgt auszulegen: Der interne Betreiber und die Einheit, auf die der interne Betreiber Einfluss ausübt, dürfen keine öffentlichen Personenverkehrsdienste betreiben, auch nicht als Unterauftragnehmer, und — innerhalb der EU sowie aufgrund möglicher indirekter Auswirkungen auf den Binnenmarkt auch weltweit — nicht an Ausschreibungen außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen Behörde teilnehmen.

v)

Gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b ist internen Betreibern der Betrieb „der abgehenden Linien oder sonstiger Teildienste, die in das Zuständigkeitsgebiet benachbarter zuständiger örtlicher Behörden führen“, gestattet. Durch diese Bestimmung ist eine gewisse Flexibilität gegeben, da hierdurch Verkehrsdienste zwischen benachbarten Regionen abgedeckt werden. Interne Betreiber können somit in einem gewissen Umfang Verkehrsdienste betreiben, die über das Zuständigkeitsgebiet ihrer zuständigen örtlichen Behörde hinausgehen. Zur Feststellung, ob die Dienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Einklang mit diesen Bestimmungen stehen, sollten folgende Kriterien herangezogen werden: Die Frage, ob die Dienste eine Verbindung zwischen dem Zuständigkeitsgebiet der betreffenden Behörde und einem benachbarten Gebiet herstellen, und die Frage, ob es sich um Teildienste und nicht um den Hauptgegenstand der öffentlichen Verkehrsdienste im Rahmen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags handelt Ob die öffentlichen Verkehrsdienste nachrangig sind, bewertet die Kommission durch Gegenüberstellung der entsprechenden Kilometerleistung mit dem Gesamtvolumen des von dem Vertrag/den Verträgen des internen Betreibers abgedeckten öffentlichen Verkehrsdienstes.

2.3.2.   Artikel 5 Absatz 3. Verfahrenstechnische Anforderungen für die wettbewerbliche Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge

Werden für die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste Dritte herangezogen, die keine internen Betreiber sind, so muss die zuständige Behörde gemäß Artikel 5 Absatz 3 öffentliche Dienstleistungsaufträge im Wege eines fairen, offenen, transparenten und nichtdiskriminierenden wettbewerblichen Vergabeverfahrens vergeben.

Artikel 5 Absatz 3 enthält kaum weitere Einzelheiten zu den Bedingungen, unter denen ein wettbewerbliches Vergabeverfahren organisiert werden sollte. Wie unter Nummer 2.4.1 ausgeführt, müssen Vergabeverfahren so konzipiert sein, dass die Voraussetzungen für einen echten Wettbewerb geschaffen werden. Aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertrags, wie den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung, ergibt sich beispielsweise, dass die Bewertungskriterien für die Auswahl der Angebote zusammen mit den Ausschreibungsunterlagen veröffentlicht werden müssen. Auch wenn sie nicht dazu verpflichtet sind, können die Mitgliedstaaten auf Wunsch auch die detaillierteren Verfahrensvorschriften im Bereich des EU-Vergaberechts, z. B. die Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU oder die Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe anwenden.

Allerdings kann die zuständige Behörde gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 im Falle besonderer oder komplexer Anforderungen nach einer Vorauswahl der Angebote auch mit den vorausgewählten Parteien Verhandlungen führen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die bietenden Betreiber technologisch innovative Verkehrslösungen erarbeiten müssen, um den in den Ausschreibungsunterlagen veröffentlichten Anforderungen gerecht zu werden. Auch bei Vorauswahl und Verhandlung müssen die Auswahl und das Vergabeverfahren alle Bedingungen von Artikel 5 Absatz 3 erfüllen.

Um potenziellen Bietern faire und gleiche Chancen einzuräumen, muss zwischen dem Ausschreibungsbeginn und der Frist zur Einreichung der Angebote sowie zwischen dem Ausschreibungsbeginn und der vorgesehenen Aufnahme der Verkehrsdienste ein angemessener Zeitraum liegen.

Um das wettbewerbliche Vergabeverfahren transparenter zu gestalten, sollten die zuständigen Behörden den potenziellen Bietern alle relevanten technischen und finanziellen Daten zur Verfügung stellen, einschließlich — sofern vorhanden — Angaben zur Aufteilung der Kosten und Erträge, um den Bietern die Angebotserstellung zu erleichtern. Diese Bereitstellung von Informationen darf jedoch den berechtigten Schutz der wirtschaftlichen Interessen Dritter nicht untergraben. Eisenbahnunternehmen, Schieneninfrastrukturbetreiber und alle anderen Beteiligten sollten den zuständigen Behörden geeignete und präzise Daten zugänglich machen, damit diese ihrer Informationspflicht nachkommen können.

2.3.3.   Artikel 5 Absatz 4. Bedingungen, unter denen eine zuständige Behörde einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Fall eines Auftrags mit geringem Wert oder eines KMU direkt vergeben kann

Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge von geringem Wert oder an kleine oder mittlere Unternehmen (Artikel 5 Absatz 4) kann die zuständige Behörde den Auftrag ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren direkt vergeben. Ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag gilt dann als von geringem Wert, wenn der Jahresdurchschnittswert weniger als 1 Mio. EUR oder die jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung weniger als 300 000 Kilometer beträgt. Ein kleines oder mittleres Unternehmen ist ein Unternehmen, das nicht mehr als 23 Fahrzeuge betreibt. In diesem Fall können die Schwellen auf einen geschätzten Jahresdurchschnittswert von weniger als 2 Mio. EUR oder eine jährliche öffentliche Personenverkehrsdienstleistung von weniger als 600 000 Kilometer erhöht werden.

Die als Zahl der „Fahrzeuge“ angegebene Schwelle für KMU deutet darauf hin, dass diese Bestimmung für die Beförderung mit Bussen, nicht jedoch für eine Beförderung mit Straßenbahn, Untergrundbahn oder Zug gilt. Die Obergrenze von 23 Fahrzeugen ist restriktiv auszulegen, um zu vermeiden, dass diese Ausnahmeregelung in Artikel 5 Absatz 4 missbraucht wird. Deshalb ist „betriebene Fahrzeuge“ auszulegen als die Gesamtzahl der von dem Betreiber öffentlicher Verkehrsdienste betriebenen Fahrzeuge und nicht als Anzahl der für die Dienste im Rahmen eines bestimmten öffentlichen Dienstleistungsauftrags eingesetzten Fahrzeuge.

Allerdings kann die jeweilige nationale Gesetzgebung vorschreiben, dass sich die zuständige Behörde in solchen Fällen an die Vorschrift halten muss, nach der öffentliche Dienstleistungsaufträge im Rahmen eines fairen, offenen, transparenten und nichtdiskriminierenden wettbewerblichen Verfahrens vergeben werden müssen.

2.3.4.   Artikel 5 Absatz 4. Möglichkeit der Mitgliedstaaten, niedrigere Schwellen für die Direktvergabe von Aufträgen von geringem Wert oder an kleine und mittlere Unternehmen anzusetzen

Ebenso wie die Mitgliedstaaten ihre zuständigen Behörden gemäß Artikel 5 Absatz 4 i) zur Einhaltung der Vorschrift verpflichten können, nach der öffentliche Dienstleistungsaufträge von geringem Wert oder an kleine und mittlere Unternehmen im Rahmen eines fairen, offenen, transparenten und nichtdiskriminierenden wettbewerblichen Verfahrens vergeben werden müssen, können die Mitgliedstaaten auch beschließen, ii) die in dem genannten Artikel festgesetzten Schwellen für die Direktvergabe solcher Aufträge herabzusetzen oder iii) die Schwellen gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu verwenden.

2.3.5.   Artikel 5 Absatz 6. Eisenbahnverkehrsdienste, die direkt vergeben werden können

Gemäß Artikel 5 Absatz 6 können die zuständigen Behörden öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr „mit Ausnahme anderer schienengestützter Verkehrsträger wie Untergrund- oder Straßenbahnen“ direkt vergeben.

Vergibt eine Behörde Aufträge zur Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse an einen Dritten, so sind allgemeine, im Vertrag festgelegte Grundsätze wie Transparenz und Gleichbehandlung zu beachten (23). Aufträge, die gemäß Artikel 5 Absatz 6 direkt vergeben werden, sind nicht von der Einhaltung dieser Grundsätze des Vertrags ausgenommen. Deshalb wird in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, insbesondere in Artikel 7 Absätze 2 und 3 gefordert, dass die zuständigen Behörden bestimmte Informationen über direkt vergebene öffentliche Dienstleistungsaufträge im Schienenverkehr mindestens ein Jahr vor und ein Jahr nach der Auftragsvergabe veröffentlichen.

Diese Ausnahme von der allgemeinen Vorschrift für wettbewerbliche Vergabeverfahren ist ebenfalls restriktiv anzuwenden. So kann beispielsweise Schienenersatzverkehr durch Busse, der von dem Betreiber öffentlicher Verkehrsdienste im Falle einer Unterbrechung des Schienennetzes vertraglich gefordert sein kann, nicht als Eisenbahnverkehr gelten und fällt somit nicht unter Artikel 5 Absatz 6. Somit müssen solche Schienenersatzverkehrsdienste durch Busse gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge an Unterauftragnehmer vergeben werden.

Ob bestimmte Arten von Schienenverkehrssystemen in städtischen Gebieten bzw. deren Umland, wie S-Bahnen (in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Dänemark) und RER (in Frankreich) oder „anderen schienengestützten Verkehrsträgern“ vergleichbare Verkehrsträger (z. B. Untergrund- oder Straßenbahndienste) wie Tram-Train und bestimmte automatische, über optische Fahrleitsysteme gesteuerte Bahnen, unter die Ausnahmeregelung für den Eisenbahnverkehr gemäß Artikel 5 Absatz 6 fallen, ist unter Anwendung geeigneter Kriterien im Einzelfall zu bewerten. Dies hängt insbesondere davon ab, ob die betreffenden Systeme normalerweise interoperabel sind und/oder ob Infrastruktur des herkömmlichen Eisenbahnnetzes mitgenutzt wird. Obwohl Tram-Train-Dienste Eisenbahninfrastruktur nutzen, sollten sie aufgrund ihrer besonderen Merkmale dennoch den „anderen schienengestützten Verkehrsträgern“ zugerechnet werden.

2.3.6.   Änderung öffentlicher Dienstleistungsaufträge

Wenn ein laufender öffentlicher Dienstleistungsauftrag geändert werden muss, z. B. weil die Beförderungsleistung und die entsprechende Ausgleichsleistung aufgrund des Ausbaus einer Untergrundbahnlinie angepasst werden müssen, stellt sich die Frage, ob die zuständige Behörde ein neues Vergabeverfahren einleiten muss oder ob der Vertrag ohne Neuvergabe geändert werden kann.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu festgestellt, dass im Falle kleinerer, unwesentlicher Änderungen nicht zwingend eine Neuvergabe erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die allgemeinen Grundsätze des Vertrags wie Transparenz und Nichtdiskriminierung eingehalten werden, so dass eine einfache Änderung des Auftrags ausreichen kann (24). Zur Gewährleistung der Transparenz der Verfahren und der Gleichbehandlung der Bieter muss dem Gerichtshof zufolge bei erheblichen Änderungen wesentlicher Bestimmungen von Verträgen über Dienstleistungskonzessionen oder Aufträgen, die in den Geltungsbereich der Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge fallen, in bestimmten Fällen eine Neuvergabe erfolgen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die neuen Bestimmungen in ihrer Art wesentlich vom ursprünglichen Auftrag unterscheiden und daher die Absicht der Vertragsparteien zeigen, wesentliche Bedingungen dieses Vertrags neu auszuhandeln.

Dem Gerichtshof zufolge kann eine Änderung eines laufenden Vertrags als wesentlich gelten, wenn dadurch Bedingungen eingeführt werden, die, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären, dazu geführt hätten, dass andere als die ursprünglich zugelassenen Bieter zugelassen worden wären oder dass ein anderes als das ursprünglich angenommene Angebot angenommen worden wäre.

Da dies in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nicht geregelt ist, gelten die Grundsätze der genannten Rechtsprechung uneingeschränkt für Änderungen von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die unter diese Verordnung fallen. Um zu ermitteln, welche Änderungen nicht wesentlich sind, ist eine Einzelfallprüfung anhand objektiver Kriterien erforderlich (25).

2.4.   Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

Durch die in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 festgelegten Vorschriften über Ausgleichsleistungen werden übermäßige Ausgleichsleistungen ausgeschlossen und die Einhaltung der Vorschriften des Vertrags sichergestellt. Darüber hinaus werden die Begriffe „angemessener Gewinn“ und „Effizienzanreiz“, das Problem der Quersubventionierung kommerzieller Tätigkeiten durch Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, das Problem zu niedriger Ausgleichsleistungen sowie die Verfahren für die vorab durchgeführten und die nachträglichen Untersuchungen der Kommission im Bereich der Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen geregelt.

2.4.1.   Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 5 Absatz 3 Ausschluss übermäßiger Ausgleichsleistungen bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die im Rahmen eines offenen wettbewerblichen Vergabeverfahrens vergeben wurden

Im Unterschied zu anderen Wirtschaftszweigen gilt Artikel 106 Absatz 2 AEUV nicht, wenn Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Bereich des Landverkehrs gezahlt werden; diese Ausgleichsleistungen fallen vielmehr unter Artikel 93 AEUV. Dementsprechend gelten die EU-Vorschriften für Ausgleichsleistungen für Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (26) auf der Grundlage von Artikel 106 Absatz 2 AEUV nicht für den Landverkehr (27).

Wird bei öffentlichen Personenverkehrsdiensten auf Schiene und Straße gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 eine Ausgleichsleistung für diese Dienste gezahlt, so gilt diese als mit dem Binnenmarkt vereinbar und ist gemäß Artikel 9 Absatz 1 dieser Verordnung von der Pflicht zur vorherigen Unterrichtung nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV befreit.

Diese Annahme der Vereinbarkeit und Befreiung von der Pflicht zur Unterrichtung beantwortet nicht die Frage, ob es sich bei der Ausgleichsleistung für die Erbringung öffentlicher Verkehrsdienste möglicherweise um eine staatliche Beihilfe handelt. Damit eine solche Ausgleichsleistung keine staatliche Beihilfe darstellt, müssen die vier Bedingungen erfüllt sein, die im Altmark-Urteil des Europäischen Gerichtshofs festgelegt wurden (28).

Durch ein offenes, transparentes und nichtdiskriminierendes wettbewerbliches Vergabe-verfahren im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 wird die Ausgleichsleistung, die von der zuständigen Behörde an den Dienstleistungserbringer zu bezahlen ist, um das in der Ausschreibung vorgegebene Dienstleistungsniveau zu erreichen, auf ein Minimum reduziert und somit eine übermäßige Ausgleichsleistung verhindert. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, die im Anhang dargelegten detaillierten Regeln für die Gewährung einer Ausgleichsleistung anzuwenden.

Um Artikel 5 Absatz 3 zu entsprechen, müssen öffentliche Vergabeverfahren so gestaltet werden, dass die Voraussetzungen für einen echten Wettbewerb gegeben sind. Die genauen Merkmale des Vergabeverfahrens können im Einklang mit Artikel 5 Absatz 3 variieren, nach dem die zuständige Behörde und die Unternehmen, die im Rahmen des Vergabeverfahrens Angebote vorgelegt haben, beispielsweise über einen gewissen Verhandlungsspielraum verfügen. Diese Verhandlungen müssen jedoch fair sein und den Grundsätzen der Transparenz und der Nichtdiskriminierung genügen. So widerspricht ein reines Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Ausschreibung den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung nach Artikel 5 Absatz 3. Ein solches Verfahren steht somit nicht im Einklang mit Artikel 5 Absatz 3. Gleiches gilt für Vergabeverfahren, die in einer Weise gestaltet werden, dass die Anzahl der potenziellen Bieter unrechtmäßig eingeschränkt wird. In diesem Zusammenhang sollten die zuständigen Behörden besonders wachsam sein, wenn Ihnen deutliche Hinweise auf mangelnden Wettbewerb vorliegen, insbesondere wenn z. B. nur ein Angebot eingeht. In solchen Fällen ist es auch wahrscheinlicher, dass die Kommission die besonderen Umstände des Vergabeverfahrens untersucht.

Die Auswahlkriterien, z. B. qualitative, ökologische oder soziale Kriterien, sollten eng mit dem Gegenstand der zu erbringenden Dienstleistungen in Zusammenhang stehen. Es steht der Vergabebehörde frei, Qualitätsstandards festzusetzen, die von allen Wirtschaftsteilnehmern erfüllt werden müssen, oder Qualitätsaspekte in Verbindung mit den verschiedenen Angeboten bei der Vergabeentscheidung zu berücksichtigen.

Unter bestimmten Umständen kann es ferner vorkommen, dass ein Ausschreibungsverfahren gemäß Artikel 5 Absatz 3 nicht in hinreichendem Maße echten, freien Wettbewerb ermöglicht. Dies kann z. B. auf die Komplexität oder den Umfang der zu erbringenden Dienstleistungen oder auf die erforderliche Infrastruktur bzw. die erforderlichen Sachanlagen zurückzuführen sein, die sich im Eigentum eines bestimmten Betreibers befinden oder die für die Erfüllung des Auftrags bereitzustellen sind.

2.4.2.   Artikel 6. Vermeidung übermäßiger Ausgleichsleistungen bei direkt vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen

Durch die Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags gemäß Artikel 5 Absatz 2, 4, 5 oder 6 oder den Erlass allgemeiner Vorschriften gemäß Artikel 3 Absatz 2 kann nicht sichergestellt werden, dass die Höhe der Ausgleichsleistung auf das Mindestmaß beschränkt wird. Dies liegt darin begründet, dass die Direktvergabe nicht das Ergebnis der Interaktion von miteinander konkurrierenden Marktkräften, sondern vielmehr direkter Verhandlungen zwischen der zuständigen Behörde und dem Dienstleistungserbringer ist.

In Artikel 6 Absatz 1 ist geregelt, dass die Ausgleichsleistung bei direkt vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen oder bei allgemeinen Vorschriften den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sowie dem Anhang zu dieser Verordnung entsprechen muss, um eine übermäßige Ausgleichsleistung auszuschließen. Gemäß dem Anhang zu der genannten Verordnung ist eine nachträgliche Kontrolle durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Ausgleichszahlungen für die gesamte Laufzeit des Vertrags nicht über den tatsächlichen Nettokosten für die Erbringung der öffentlichen Dienstleistung liegen. Darüber hinaus ist die Kommission der Auffassung, dass während der gesamten Laufzeit des Vertrags grundsätzlich regelmäßige Kontrollen erforderlich sind, um klare Fälle von übermäßigen Ausgleichsleistungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Dies gilt insbesondere für langfristige Verträge.

Die Ausgleichsleistung darf den finanziellen Nettoeffekt der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung nicht übersteigen. Dieser berechnet sich wie folgt: Kosten abzüglich der Einnahmen aus der Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen, abzüglich potenzieller Einnahmen aus Netzeffekten, zuzüglich eines angemessenen Gewinns.

Auf der Kostenseite können alle unmittelbar mit der Erbringung der öffentlichen Dienst-leistung in Zusammenhang stehenden Kosten (z. B. Gehälter der Zugführer, Fahrstrom, Wartung des Rollmaterials, allgemeine Kosten (wie Management- und Verwaltungskosten) sowie sich aus dem Auftrag ergebende Kosten verbundener Unternehmen) einberechnet werden. Führt das Unternehmen auch Tätigkeiten aus, die über den Umfang der öffentlichen Dienstleistung hinausgehen, können zusätzlich zu den unmittelbar für die Erbringung der öffentlichen Dienstleistung anfallenden Kosten auch die gemeinsamen Kosten, die sowohl durch die öffentliche Dienstleistung als auch durch andere Tätigkeiten entstehen (z. B. Anmietung von Büroräumen, Gehälter von Buchprüfern oder Verwaltungspersonal), angemessen berücksichtigt werden. Führt ein Unternehmen mehrere öffentliche Dienstleistungsaufträge aus, müssen die gemeinsamen Kosten nicht nur zwischen den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen und anderen Tätigkeiten, sondern auch auf die einzelnen öffentlichen Dienstleistungsaufträge entsprechend aufgeteilt werden. Um den angemessenen Anteil an den gemeinsamen Kosten zu ermitteln, der bei den Kosten für die öffentliche Dienstleistung berücksichtigt werden sollte, können die für die Nutzung der Ressourcen geltenden Marktpreise, sofern verfügbar, als Bezugsgröße zugrunde gelegt werden. Sind solche Preise nicht verfügbar, können andere geeignete Methoden herangezogen werden.

Einnahmen, die unmittelbar oder mittelbar mit der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung in Zusammenhang stehen, wie Einnahmen aus dem Fahrscheinverkauf oder dem Verkauf von Speisen und Getränken, müssen von den Kosten abgezogen werden, für die eine Ausgleichsleistung beantragt wird.

Die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags durch ein Verkehrsunternehmen, das auch anderen Geschäftstätigkeiten nachgeht, kann auch positive induzierte Netzeffekte mit sich bringen. So kann beispielsweise ein Betreiber, der im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags ein bestimmtes Netz betreibt, das mit anderen, kommerziell betriebenen Linien verbunden ist, seinen Kundenstamm vergrößern. Die Kommission begrüßt induzierte Netzeffekte, die z. B. durch Fahrscheinverbunde und abgestimmte Fahrpläne entstehen, sofern sie den Interessen der Fahrgäste dienen. Die Kommission ist sich dabei auch der praktischen Schwierigkeiten bei der Bewertung dieser potenziellen Netzeffekte bewusst. Allerdings müssen solche quantifizierbaren finanziellen Vorteile gemäß dem Anhang zu der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 von den Kosten abgezogen werden, für die eine Ausgleichsleistung beantragt wird.

2.4.3.   Artikel 4 Absatz 1 und Anhang. Der Begriff des „angemessenen Gewinns“

Gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c können die im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu berücksichtigenden Kosten „eine angemessene Kapitalrendite“ einschließen. Im Anhang ist ausgeführt, dass die Ausgleichsleistung für eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung den finanziellen Nettoeffekt der Verpflichtung nicht überschreiten darf, welcher als Kosten abzüglich der Einnahmen aus der Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen, abzüglich potenzieller positiver induzierter Netzeffekte, zuzüglich eines „angemessenen Gewinns“ definiert wird.

Im Anhang heißt es: „Unter angemessenem Gewinn ist eine in dem betreffenden Sektor in einem bestimmten Mitgliedstaat übliche angemessene Kapitalrendite zu verstehen, wobei das aufgrund des Eingreifens der Behörde vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes eingegangene Risiko oder für ihn entfallende Risiko zu berücksichtigen ist.“ Es werden jedoch keine weiteren Hinweise zur korrekten Höhe der „Kapitalrendite“ oder des „angemessenen Gewinns“ gegeben.

Die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (29) (DAWI-Mitteilung) beruht zwar auf einer anderen Rechtsgrundlage als der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und gilt somit nicht für Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Bereich des Landverkehrs, doch sie gibt einige Hinweise für die Bestimmung der Höhe des angemessenen Gewinns, die den zuständigen Behörden bei der Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als Anhaltspunkt dienen können (30). In der DAWI-Mitteilung wird erklärt: „Besteht für eine bestimmte Dienstleistung eine allgemein akzeptierte marktübliche Vergütung, so stellt diese den besten Anhaltspunkt für die Höhe der Ausgleichsleistung dar, wenn es keine öffentliche Ausschreibung gibt“ (31). Idealerweise sollten solche Anhaltspunkte aus Verträgen im selben Wirtschaftszweig, mit ähnlichen Merkmalen und im selben Mitgliedstaat stammen. Der angemessene Gewinn muss demzufolge den normalen Marktbedingungen entsprechen und sollte nicht über einem Ausgleich für das zur Erbringung der Dienstleistung eingegangene Risiko liegen.

Solche Marktvergleichsdaten liegen jedoch nicht immer vor. In diesem Fall kann die Höhe des angemessenen Gewinns durch einen Vergleich der Gewinnmarge ermittelt werden, die ein typisches gut geführtes, im selben Sektor tätiges Unternehmen benötigt, um die betreffende Dienstleistung erbringen zu können (32).

Zur Ermittlung der Kapitalrendite eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags kann standardmäßig der interne Ertragssatz (IRR) herangezogen werden, den das Unternehmen während der Projektlaufzeit aus seinem investierten Kapital erzielt, d. h. der IRR aus den Cashflows des Auftrags. Daneben können zur Ermittlung der Kapitalrendite jedoch auch Buchführungsmethoden wie die Eigenkapitalrendite (ROE), die Rendite des eingesetzten Kapitals (ROCE) oder andere allgemein anerkannte Wirtschaftsindikatoren herangezogen werden.

Dabei gilt es zu beachten, dass Indikatoren von den Buchführungsmethoden der Unternehmen beeinflusst werden und lediglich die Situation des Unternehmens in einem bestimmten Jahr darstellen können. Ist dies der Fall, sollte sichergestellt werden, dass die Buchführungspraktiken des Unternehmens die langfristigen wirtschaftlichen Gegebenheiten des öffentlichen Dienstleistungsauftrags widerspiegeln. Dabei sollte die Höhe des angemessenen Gewinns, sofern möglich, für die gesamte Laufzeit des öffentlichen Dienstleistungsauftrags ermittelt werden. Darüber hinaus sollten auch die unterschiedlichen Wirtschaftsmodelle für den Eisenbahn-, Straßenbahn-, Untergrundbahn- und Busverkehr berücksichtigt werden. So ist beispielsweise der Eisenbahnverkehr in der Regel sehr kapitalintensiv, während der Bustransport eher personalkostenintensiv ist.

Abhängig von den besonderen Umständen jedes öffentlichen Dienstleistungsauftrags ist stets eine Einzelfallbewertung durch die zuständigen Behörden erforderlich, um die Höhe des angemessenen Gewinns festzulegen. Dabei gilt es u. a., die Besonderheiten des betreffenden Unternehmens, die marktübliche Rendite bei vergleichbaren Dienstleistungen und die Höhe des mit jedem öffentlichen Dienstleistungsauftrag verbundenen Risikos zu berücksichtigen. So ist beispielsweise ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag mit besonderen Bestimmungen, durch die entsprechende Ausgleichsleistungen im Falle unvorhergesehener Kosten gewährleistet werden, weniger riskant als ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag, der keine solche Garantie enthält. Wenn die Verträge ansonsten identisch sind, sollte der angemessene Gewinn im ersten Fall deshalb geringer sein als im zweiten Fall.

Die Schaffung von Effizienzanreizen innerhalb des Ausgleichsmechanismus ist generell zu unterstützen (33). Hier sei darauf hingewiesen, dass Ausgleichsregelungen, durch die lediglich die tatsächlich entstehenden Kosten abgedeckt werden, dem Verkehrsunternehmen kaum Anreize bieten, die Kosten einzudämmen oder mit der Zeit effizienter zu werden. Diese Mechanismen sollten daher auf Fälle beschränkt werden, in denen große Unsicherheit bezüglich der Kosten herrscht und es gilt, den Dienstleistungserbringer in einem hohen Maß vor dieser Unsicherheit zu schützen.

2.4.4.   Artikel 4 Absätze 1 und 2 und Anhang. Verhinderung der Verwendung des für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gewährten Ausgleichs zur Quersubventionierung kommerzieller Tätigkeiten

Führt der Erbringer einer öffentlichen Dienstleistung auch kommerzielle Tätigkeiten aus, muss sichergestellt werden, dass er die gewährte staatliche Ausgleichsleistung nicht dazu verwendet, seine Wettbewerbsposition im Bereich seiner kommerziellen Tätigkeiten zu stärken. Im Anhang sind entsprechende Regeln festgelegt, durch die die Quersubventionierung kommerzieller Tätigkeiten durch Einnahmen aus öffentlichen Dienstleistungen vermieden werden soll. Diese Regeln beinhalten insbesondere die getrennte Rechnungslegung für die beiden Tätigkeitsarten (öffentliche Dienstleistung und kommerzielle Tätigkeit) sowie eine belastbare Methode für die Kostenzuordnung, durch die die tatsächlichen Kosten für die Erbringung der öffentlichen Dienstleistung ausgewiesen werden.

Gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit den Regeln im Anhang müssen Kosten und Einnahmen aus der Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen jedes an ein Verkehrsunternehmen vergebenen öffentlichen Dienstleistungsauftrags sowie aus kommerziellen Tätigkeiten der jeweiligen Tätigkeitsart korrekt zugeordnet werden. Dies dient der wirksamen Überwachung staatlicher Ausgleichsleistungen sowie möglicher Quersubventionierung zwischen den beiden Tätigkeiten. Hierbei sind angemessene Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung und zur Kostenteilung zwischen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung und den kommerziellen Tätigkeiten von entscheidender Bedeutung. Werden beispielsweise Verkehrsmittel (wie Schienenfahrzeuge oder Busse) oder andere zur Erbringung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung erforderliche Wirtschaftsgüter oder Dienste (wie Büros, Personal oder Bahnhöfe) sowohl für die öffentliche Dienstleistung als auch für die kommerziellen Tätigkeiten genutzt, sind die jeweiligen Kosten den beiden Tätigkeitsarten im Verhältnis ihres relativen Anteils an den von dem Verkehrsunternehmen insgesamt geleisteten Verkehrsdiensten zuzuweisen.

Würden zum Beispiel Dienste in Bahnhöfen für die öffentliche Dienstleistung und die kommerziellen Tätigkeiten ein- und desselben Verkehrsunternehmens genutzt, die Kosten für diese Dienste aber in vollem Umfang der öffentlichen Dienstleistung zugerechnet, handelte es sich um eine nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nicht zulässige Quersubvention In der Richtlinie 2012/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (34) sind auch spezifische Verpflichtungen zur getrennten Rechnungsführung von Eisenbahnunternehmen festgelegt.

Jeder öffentliche Dienstleistungsauftrag sollte besondere Vorschriften für die Ausgleichsleistung enthalten und getrennt verbucht werden. In anderen Worten, wenn ein Unternehmen mehrere öffentliche Dienstleistungsaufträge ausführt, sollte die öffentliche Rechnungslegung des Verkehrsunternehmens genau ausweisen, welche staatliche Ausgleichsleistung zu welchem öffentlichen Dienstleistungsauftrag gehört. Auf schriftliche Anforderung der Kommission müssen diese Buchführungsunterlagen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vorgelegt werden.

2.4.5.   Artikel 4 Absatz 1. Gestaltung von Ausgleichsregelungen zur Effizienzsteigerung

In Erwägungsgrund 27 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wird ausgeführt, dass die Parameter für die Ausgleichsleistung bei Direktvergabe oder allgemeinen Vorschriften so festzusetzen sind, dass die Ausgleichsleistung angemessen ist und „der angestrebten Effizienz und Qualität der Dienste“ Rechnung trägt. Dies bedeutet, dass die zuständigen Behörden durch den Ausgleichsmechanismus Anreize schaffen sollten, damit die Dienstleistungserbringer effizienter arbeiten und die Dienstleistung in dem geforderten Umfang und der geforderten Qualität mit möglichst geringen Ressourcen erbringen.

Die in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 enthaltenen Vorschriften bezüglich der Ausgleichsleistung lassen den zuständigen Behörden einen gewissen Spielraum, um Anreize für den Erbringer einer öffentlichen Dienstleistung zu schaffen. In jedem Fall müssen die zuständigen Behörden „einen Anreiz geben zur Aufrechterhaltung oder Entwicklung einer wirtschaftlichen Geschäftsführung des Betreibers eines öffentlichen Dienstes, die objektiv nachprüfbar ist“ (Nummer 7 des Anhangs). Dies schließt ein, dass die Ausgleichsregelung so gestaltet sein muss, dass im Laufe der Zeit zumindest eine gewisse Effizienzsteigerung gewährleistet ist.

Effizienzanreize sollten allerdings verhältnismäßig sein und innerhalb eines angemessenen Rahmens bleiben, wobei es die Schwierigkeiten bei der Erreichung der Effizienzziele zu berücksichtigen gilt. Dies kann beispielsweise durch eine ausgewogene Aufteilung des durch Effizienzsteigerungen erzielten Nutzens auf den Betreiber, die Behörden und/oder die Nutzer sichergestellt werden. In jedem Fall muss ein System geschaffen werden, durch das sichergestellt werden kann, dass das Unternehmen keine unverhältnismäßigen Gewinne aus Effizienzsteigerungen erzielen kann. Darüber hinaus müssen die Parameter dieser Anreizregelung in dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag vollständig und präzise festgelegt sein.

Anreize zur effizienteren Erbringung öffentlicher Dienstleistungen sollten jedoch nicht zu Qualitätseinbußen führen. Im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist Effizienz als das Verhältnis zwischen der Qualität oder dem Niveau der öffentlichen Dienstleistungen und den für deren Erbringung eingesetzten Ressourcen zu verstehen. Effizienzanreize sollten deshalb sowohl auf eine Kostensenkung als auch auf eine Steigerung der Qualität oder des Niveaus der Dienstleistungen ausgerichtet sein.

2.4.6.   Artikel 6 Absatz 1. Umstände, unter denen die Kommission prüft, ob eine Ausgleichsregelung den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 entspricht

Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 gezahlt werden, sind von der Vorschrift ausgenommen, nach der staatliche Beihilfen gemäß Artikel 108 Absatz 3 AEUV vor ihrer Einführung anzumelden sind. Dennoch kann die Kommission ersucht werden, eine Ausgleichsregelung aus Gründen der Rechtssicherheit zu bewerten, wenn der Mitgliedstaat nicht sicher ist, ob die Regelung der Verordnung entspricht. Die Kommission kann eine Ausgleichsregelung auch aufgrund einer Klage oder im Zuge einer Untersuchung von Amts wegen prüfen, wenn ihr Erkenntnisse vorliegen, die darauf hindeuten, dass diese Regelung nicht den für Ausgleichsleistungen geltenden Vorschriften der Verordnung entspricht.

2.4.7.   Artikel 6 Absatz 1. Unterschiede zwischen den vorab durchgeführten und den nachträglichen Untersuchungen der Kommission im Bereich der Ausgleichsregelungen

Der größte Unterschied zwischen vorab durchgeführten und nachträglichen Untersuchungen von Ausgleichsregelungen ist der Zeitpunkt, zu dem die Kommission die Regelung prüft, und nicht die Methode, die zur Feststellung eventueller übermäßiger Ausgleichsleistungen verwendet wird.

Bei der Vorab-Bewertung, ob eine Ausgleichsregelung übermäßige Ausgleichsleistungen verhindert, z. B. im Rahmen einer Notifizierung, prüft die Kommission u. a. die genauen Ausgleichsparameter. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Kostenkategorien, die zur Berechnung der Ausgleichsleistung herangezogen werden, sowie auf die vorgeschlagene Höhe des angemessenen Gewinns gelegt. Darüber hinaus wird untersucht, ob es einen geeigneten Mechanismus gibt, der verhindert, dass der Betreiber im Falle unerwartet hoher Einnahmen aus der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen über die gesamte Laufzeit des öffentlichen Dienstleistungsauftrags einen übermäßigen Ausgleich, der über die tatsächlichen Nettokosten, eine angemessene Gewinnmarge und die vertraglich festgelegten Vorteile aus Effizienzsteigerungen hinausgeht, behalten darf.

In dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag müssen für die gesamte Laufzeit des Vertrags grundsätzlich auch regelmäßige Kontrollen auf übermäßige Ausgleichsleistungen vorgesehen sein, um Fälle von übermäßigen Ausgleichsleistungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, insbesondere bei langfristigen Verträgen. Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, die Einhaltung der Bestimmungen des öffentlichen Dienstleistungsauftrags während der Laufzeit des Vertrags zu überprüfen. Es können IT-Tools entwickelt werden, um diese Kontrollen in standardisierter Form vornehmen zu können. Übermäßige Ausgleichsleistungen müssen für jeden öffentlichen Dienstleistungsauftrag getrennt bewertet werden, um zu vermeiden, dass bei der Betrachtung mehrerer Verträge überhöhte Gewinne für einzelne öffentliche Dienstleistungen nivelliert werden.

Bei einer nachträglichen Untersuchung, ob die gewährte Ausgleichsleistung den finanziellen Nettoeffekt der öffentlichen Dienstleistung übersteigt, wie er im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 definiert ist, kann die Bewertung auf der Grundlage von Daten zu den tatsächlichen Einnahmen und Kosten erfolgen, da die Ausgleichsregelungen bereits umgesetzt sind. Die Methode ändert sich jedoch nicht: Die Ausgleichsleistung sollte den Betrag nicht übersteigen, der dem Unternehmen gemäß den Parametern des Vertrags vorab zugesichert wurde, auch wenn dieser Betrag nicht ausreicht, die tatsächlichen Nettokosten zu decken.

2.4.8.   Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1. Sicherstellung, dass die zuständigen Behörden den Betreibern für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen eine „angemessene“ Ausgleichsleistung gewähren

In Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 heißt es: „Zweck dieser Verordnung ist es, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des [EU-]Rechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte. Hierzu wird in dieser Verordnung festgelegt, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben.“ Zudem gilt gemäß Nummer 7 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007: „Das Verfahren zur Gewährung der Ausgleichsleistung muss einen Anreiz geben zur Aufrechterhaltung oder Entwicklung (…) der Erbringung von Personenverkehrsdiensten ausreichend hoher Qualität.“

Somit zielen die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nicht nur darauf ab, potenzielle übermäßige Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu verhindern, sondern sie sollen auch gewährleisten, dass die Erbringung der in dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag festgelegten öffentlichen Dienstleistungen finanziell tragfähig ist, damit eine hohe Dienstleistungsqualität erreicht und aufrechterhalten werden kann. Für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung sollte demzufolge ein angemessener Ausgleich gewährt werden, damit die Eigenmittel des Betreibers im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags nicht langfristig aufgezehrt werden, wodurch eine effiziente Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen und die Aufrechterhaltung von hochwertigen Personenverkehrsdiensten gemäß Nummer 7 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verhindert würde.

In jedem Fall besteht für die zuständige Behörde bei Nichtzahlung einer angemessenen Ausgleichsleistung die Gefahr, dass bei einer wettbewerblichen Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags weniger Angebote abgegeben werden, dass bei einer Direktvergabe des öffentlichen Dienstleistungsauftrags der Betreiber in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten gerät und/oder dass die Gesamtleistung und Qualität der erbrachten öffentlichen Dienstleistungen während der Vertragslaufzeit zurückgehen.

2.5.   Veröffentlichung und Transparenz

Dieser Abschnitt enthält Auslegungshinweise zu den Pflichten der zuständigen Behörden, Jahresberichte über die öffentlichen Dienstleistungsaufträge in ihrer Zuständigkeit zu veröffentlichen sowie bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vor und nach dem Vergabeverfahren Transparenz zu gewährleisten.

2.5.1.   Artikel 7 Absatz 1. Veröffentlichungspflichten der zuständigen Behörden hinsichtlich ihrer Jahresberichte über öffentliche Dienstleistungsaufträge in ihrer Zuständigkeit

Gemäß Artikel 7 Absatz 1 muss jede zuständige Behörde einmal jährlich einen Gesamtbericht über die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes sowie die den Betreibern gewährten Ausgleichsleistungen und ausschließlichen Rechte veröffentlichen. Dieser Bericht unterscheidet nach Busverkehr und schienengebundenem Verkehr, er muss eine Kontrolle und Beurteilung der Leistungen, der Qualität und der Finanzierung des öffentlichen Verkehrsnetzes ermöglichen und gegebenenfalls Informationen über Art und Umfang der gewährten Ausschließlichkeit enthalten.

Die Kommission versteht den Begriff „Gesamtbericht“ so, dass eine zuständige Behörde einen umfassenden Bericht über alle von ihr vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträge veröffentlichen sollte; dabei sollten diese Aufträge alle einzeln aufgeführt werden. Die vorgelegten Informationen müssen somit nicht nur die Gesamtwerte ausweisen, sondern sich auf jeden einzelnen Auftrag beziehen und gleichzeitig den Schutz berechtigter Wirtschaftsinteressen der betreffenden Betreiber gewährleisten.

Die Betreiber öffentlicher Verkehrsdienste müssen der zuständigen Behörde alle Informationen und Daten vorlegen, damit diese ihren Veröffentlichungspflichten nachkommen kann.

Um das Ziel dieser Bestimmung zu erreichen, d. h. eine aussagekräftige Kontrolle und Beurteilung des öffentlichen Verkehrsnetzes, durch die ein Vergleich mit anderen öffentlichen Verkehrsnetzen innerhalb eines transparenten, strukturierten Rahmens angestellt werden kann, ruft die Kommission die Mitgliedstaaten und ihre Behörden dazu auf, freiwillig für einen leichten Zugang zu diesen Informationen zu sorgen und sinnvolle Vergleiche zu ermöglichen. Dies könnte beispielsweise durch die Veröffentlichung der Informationen auf einer zentralen Website, z. B. einer Vereinigung zuständiger Behörden oder des Verkehrsministeriums, erreicht werden. Die Informationen und Daten sollten zudem methodisch kohärent aufbereitet und in einheitlichen Maßeinheiten dargeboten werden.

2.5.2.   Artikel 7 Absätze 2 und 3. Möglichkeiten für zuständige Behörden, ihren gemäß Artikel 7 Absätze 2 und 3 bestehenden Veröffentlichungspflichten bezüglich öffentlicher Dienstleistungsaufträge nachzukommen

Für die zuständigen Behörden bestehen gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bestimmte Verpflichtungen zur Veröffentlichung der geplanten (und erfolgten) Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Amtsblatt der Europäischen Union.

Gemäß Artikel 7 Absatz 2 müssen die zuständigen Behörden spätestens ein Jahr vor der Veröffentlichung einer Ausschreibung oder der Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags bestimmte Informationen zu dem geplanten Auftrag im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichen.

In Artikel 7 Absatz 3 heißt es, dass die zuständigen Behörden innerhalb eines Jahres nach der Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Eisenbahnverkehr bestimmte Informationen über den vergebenen Auftrag veröffentlichen müssen.

Die Kommissionsdienststellen haben Vordrucke und Verfahren erarbeitet, mit denen die Behörden diesen Veröffentlichungspflichten nachkommen können. Durch die Mehrfachverwendung von Daten dürften die Vordrucke und die Veröffentlichungsverfahren es den zuständigen Behörden auch ermöglichen, sofern sie dies wünschen, Synergieeffekte mit der Bekanntgabe einer öffentlichen Ausschreibung für Dienstleistungen gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu nutzen.

Die Vordrucke wurden so konzipiert, dass sie

den Behörden einen einfachen Zugang zu der Web-Anwendung sowie das Navigieren innerhalb der Web-Anwendung ermöglichen und klar und verständlich sind;

zwischen den Veröffentlichungspflichten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und den Veröffentlichungspflichten gemäß den Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU klar unterscheiden;

ein Maß an Detailgenauigkeit verlangen, das nicht als Belastung empfunden wird und somit für die Behörden akzeptabel ist;

sich für die Erstellung nützlicher Statistiken zu den Vergabeverfahren für öffentliche Dienstleistungsaufträge und somit für die wirksame Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 eignen.

Im Jahr 2013 stellte das Amt für Veröffentlichungen ein Online-Veröffentlichungsverfahren auf „eNotices“ (35) bereit. Das Verfahren beruht auf den genannten Vordrucken für Veröffentlichungen im Amtsblatt der Europäischen Union gemäß Artikel 7 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Die Veröffentlichung von Informationen über direkt vergebene öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr im Amtsblatt der Europäischen Union gemäß Artikel 7 Absatz 3 erfolgt auf freiwilliger Basis.

2.5.3.   Artikel 7 Absatz 4. Recht interessierter Parteien, zu öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die direkt vergeben werden sollen, vor deren Vergabe Informationen anzufordern

Gemäß Artikel 7 Absatz 4 muss eine zuständige Behörde einer interessierten Partei auf entsprechenden Antrag ihre Gründe für die Entscheidung über die Direktvergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags übermitteln. In Erwägungsgrund 30 heißt es: „Bei direkt vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen sollte für größere Transparenz gesorgt werden.“ Dies ist im Zusammenhang mit Erwägungsgrund 29 zu sehen, in dem dargelegt ist, dass die Absicht, einen Auftrag zu vergeben, veröffentlicht und potenziellen Betreibern eines öffentlichen Dienstes die Möglichkeit gegeben werden muss, darauf zu reagieren. Eine zuständige Behörde muss mindestens ein Jahr im Voraus ihre Absicht kundtun, einen Vertrag direkt zu vergeben, da diese Information im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden muss (Artikel 7 Absatz 2, insbesondere Buchstabe b). Somit können interessierte Parteien lange Zeit vor der Auftragsvergabe Fragen stellen, da der Auftrag frühestens ein Jahr später erfolgen darf. Um einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, sollten die gemäß Artikel 7 Absatz 4 angefragten Informationen ohne ungebührliche Verzögerung zur Verfügung gestellt werden.

Mehr Transparenz bei den Verträgen schließt definitionsgemäß auch das Verfahren der Auftragsvergabe ein. Die in Erwägungsgrund 30 geforderte größere Transparenz bezieht sich demzufolge nicht nur auf Transparenz nach der Vertragsvergabe, sondern auch auf das Verfahren vor der tatsächlichen Vergabe des Auftrags an den betreffenden Betreiber öffentlicher Verkehrsdienste.

2.6.   Übergangsregelungen

Dieser Abschnitt enthält Auslegungshinweise zu einigen Aspekten der Übergangsregelungen für Aufträge, die vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vergeben wurden, sowie für während des Übergangszeitraums zwischen Dezember 2009 und Dezember 2019 vergebene Aufträge.

2.6.1.   Artikel 8 Absatz 2. Geltungsbereich des seit 3. Dezember 2009 geltenden Übergangszeitraums von 10 Jahren

Gemäß Artikel 8 Absatz 2 muss unbeschadet des Absatzes 3 „die Vergabe von Aufträgen für den öffentlichen Verkehr auf Schiene und Straße ab 3. Dezember 2019 im Einklang mit Artikel 5 erfolgen“. Während dieses Übergangszeitraums treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um Artikel 5 schrittweise anzuwenden und ernste strukturelle Probleme insbesondere hinsichtlich der Transportkapazität zu vermeiden.

In Artikel 8 Absatz 2 wird auf den gesamten Artikel 5 Bezug genommen. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass lediglich Artikel 5 Absatz 3, nach dem bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge offene, transparente, nichtdiskriminierende und faire Verfahren anzuwenden sind, in diesem Zusammenhang relevant ist. Wie in Erwägungsgrund 31 ausgeführt, soll den zuständigen Behörden und Betreibern öffentlicher Dienste durch die Übergangsregelungen genügend Zeit gegeben werden, um den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nachzukommen. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Artikel 5 schrittweise anzuwenden, ist nur dann sinnvoll, wenn sie sich auf die Verpflichtung zur Anwendung offener, transparenter, nichtdiskriminierender und fairer Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge bezieht. Es ergibt keinen Sinn, wenn die Mitgliedstaaten das Konzept des internen Betreibers oder die in Artikel 5 Absätze 4, 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 festgelegten Ausnahmen „schrittweise“ anwendeten, da hierdurch im Vergleich zu den allgemeinen Grundsätzen des Vertrags und der entsprechenden Rechtsprechung weniger strenge Bestimmungen eingeführt würden. Es kann auch nicht sinnvollerweise davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die vollständige Anwendung von Artikel 5 Absatz 7, in dem die Verfahrensgarantien und die gerichtliche Überprüfung geregelt sind, auf den 3. Dezember 2019 verschieben wollte.

2.6.2.   Artikel 8 Absatz 2. Verpflichtungen der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums bis 2. Dezember 2019

In Artikel 8 Absatz 2 ist festgelegt, dass binnen sechs Monaten nach der ersten Hälfte des Übergangszeitraums (d. h. bis 3. Mai 2015) „die Mitgliedstaaten der Kommission einen Fortschrittsbericht (vorlegen), in dem die Umsetzung der schrittweisen Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen im Einklang mit Artikel 5 dargelegt wird“. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die Mitgliedstaaten nicht bis 2. Dezember 2019 warten dürfen, um mit der Umsetzung der allgemeinen Vorschrift zu beginnen, nach der wettbewerbliche Vergabeverfahren für öffentliche Dienstleistungsaufträge allen Betreibern offenstehen und fair, transparent und nichtdiskriminierend sein müssen. Die Mitgliedstaaten sollten geeignete Maßnahmen ergreifen, um während des Übergangszeitraums dieser Anforderung schrittweise zu genügen, so dass keine Situation eintritt, in der sich Verkehrsunternehmen aufgrund der verfügbaren Transportkapazität im öffentlichen Verkehrsmarkt nicht in ausreichendem Maße an allen wettbewerblichen Vergabeverfahren, die am Ende des Übergangszeitraums stattfänden, beteiligen können

2.6.3.   Artikel 8 Absatz 3. Bedeutung von „sofern ihre Laufzeit begrenzt und mit den Laufzeiten gemäß Artikel 4 vergleichbar ist“

Nach Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe d können öffentliche Dienstleistungsaufträge, die „ab dem 26. Juli 2000 und vor dem 3. Dezember 2009 nach einem anderen Verfahren als einem fairen wettbewerblichen Vergabeverfahren (vergeben wurden), (…) für ihre vorgesehene Laufzeit gültig bleiben (…), sofern ihre Laufzeit begrenzt und mit den Laufzeiten gemäß Artikel 4 vergleichbar ist“.

Nach Auffassung der Kommission sollte „mit den Laufzeiten gemäß Artikel 4 vergleichbar“ restriktiv ausgelegt werden, um sicherzustellen, dass sich die Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens am 3. Dezember 2009 bemühen, die Ziele der Verordnung zu erreichen. Deshalb ist die Kommission der Ansicht, dass die Laufzeit öffentlicher Dienstleistungsaufträge sinnvollerweise möglichst den in Artikel 4 angegebenen Laufzeiten entsprechen sollte.


(1)  ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1.

(2)  DLA Piper, Study on the implementation of Regulation (EC) No 1370/2007 on public passenger transport services by rail and by road, 31. Oktober 2010, veröffentlicht auf http://ec.europa.eu/transport/modes/rail/studies/rail_en.htm (in englischer Sprache).

(3)  Unterlagen zu der Konferenz sind unter http://ec.europa.eu/transport/modes/rail/events/2011-11-14-workshop_en.htm veröffentlicht (in englischer Sprache).

(4)  Vorschlag für eine verordnung des europäischen parlaments und des rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 hinsichtlich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste, COM(2013) 028 final.

(5)  ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65.

(6)  ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243.

(7)  ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1.

(8)  Aufgehoben und durch die Richtlinie 2014/25/EU ersetzt.

(9)  Aufgehoben und durch die Richtlinie 2014/24/EU ersetzt.

(10)  ABl. L 373 vom 31.12.1991, S. 1.

(11)  ABl. L 175 vom 13.7.1996, S. 7.

(12)  ABl. L 364 vom 12.12.1992, S. 7.

(13)  Mitteilung der Kommission über die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (noch zu veröffentlichen).

(14)  ABl. L 156 vom 28.6.1969, S. 1.

(15)  Rechtssache C-179/90 Merci Convenzionali Porto di Genova SpA gegen Siderurgica Gabrielle SpA, Slg. 1991 I-5889, Rdnr. 27. Rechtssache C-242/95 GT-Link A/S gegen De Danske Statsbaner (DSB), Slg. 1997 I-4449, Rdnr. 53. Rechtssache C-266/96 Corsica Ferries France SA gegen Gruppo Antichi Ormeggiatori del Porto di Genova Coop, arl und andere, Slg. 1998 I-3949, Rdnr. 45.

(16)  Rechtssache C-280/00 Altmark Trans GmbH und Regierungspräsidium Magdeburg gegen Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH, Beteiligte: Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungs-gericht, Slg. 2003, S. I-7747.

(17)  Dieses Vorgehen steht im Einklang mit dem allgemeinen Ansatz der Kommission im Bereich der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in anderen Sektoren. Siehe insbesondere Nummer 48 der Mitteilung über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (ABl. C 8 vom 11.1.2012, S. 4).

(18)  Siehe Entscheidung der Kommission Nr. 588/2002 — United Kingdom, BSO — Beihilfe für Busfernreisen.

(19)  ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16.

(20)  Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gilt die Richtlinie 2001/23/EG für den Übergang eines Unternehmens, der nach einem wettbewerblichen Vergabeverfahren für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag erfolgt. In Wirtschaftszweigen mit umfangreichen Sachanlagen, wie Bus- oder Schienenverkehr, gilt die Richtlinie, wenn Sachanlagen in erheblichem Umfang übertragen werden. Eine Übertragung im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG ist nicht ausgeschlossen, wenn das Eigentum an den Sachanlagen, die zuvor von einem Veräußerer genutzt wurden und nun von einem Übernehmer genutzt werden, nicht übertragen wird, z. B. wenn die von dem neuen Auftragnehmer übernommenen Sachanlagen nicht Eigentum seines Vorgängers waren, sondern vom Auftraggeber bereitgestellt wurden; siehe hierzu das Memorandum der Kommission zu den Rechten der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=707&langId=de&intPageId=208

(21)  Rechtssache C-324/07 Coditel Brabant SA gegen Commune d’Uccle und Région de Bruxelles-Capitale, Slg. 2008 I-8457, Rdnr. 30.

(22)  Die Rechtsprechung im Zusammenhang mit internen Betreibern enthält keine Voraussetzung, die diesen Betreibern die Teilnahme an wettbewerblichen Vergabeverfahren außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen Behörde untersagen würde. Aus der Rechtsprechung geht jedoch eindeutig hervor, dass ein Unternehmen, das eine Marktausrichtung erreicht, die Kontrolle durch die Gemeinde schwierig macht. (siehe Rechtssache C-458/03 — Parking Brixen GmbH gegen Gemeinde Brixen und Stadtwerke Brixen AG, Slg. 2005 I-08585.).

(23)  Siehe beispielsweise Erwägungsgrund 20 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007: „Entscheidet eine Behörde, eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse einem Dritten zu übertragen, so muss die Auswahl des Betreibers eines öffentlichen Dienstes unter Einhaltung des für das öffentliche Auftragswesen und Konzessionen geltenden Gemeinschaftsrechts, das sich aus den Artikeln 43 bis 49 des Vertrags ergibt, sowie der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung erfolgen.“

(24)  Rechtssache C-337/98 — Kommission gegen Frankreich, Slg.-2000 I-8377, Rdnr. 44 und 46, Rechtssache C-454/06 — pressetext Nachrichtenagentur, Slg.-2008 I-4401, Rdnr. 34 und Rechtssache C-91/08 —Wall AG, Slg. 2010 I-02815, Rdnr. 37 und 38.

(25)  Der Gerichtshof verwies im Fall der Wall AG darauf, dass ein Wechsel des Unterauftragnehmers, auch wenn diese Möglichkeit im Vertrag vorgesehen ist, in Ausnahmefällen eine erhebliche Änderung einer der wesentlichen Bestimmungen eines Konzessionsvertrags darstellen kann. Dies ist der Fall, wenn die Vergabe an einen bestimmten Unterauftragnehmer anstelle eines anderen hinsichtlich der besonderen Merkmale der betreffenden Dienste ein entscheidender Faktor für den Abschluss des Vertrags war. Dies ist in jedem Fall durch das vorlegende Gericht festzustellen.

(26)  Insbesondere Beschluss der Kommission über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (ABl. L 7 vom 11.1.2012, S. 3) und Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (ABl. C 8 vom 11.1.2012, S. 15).

(27)  Die Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen (ABl. L 114 vom 26.4.2012, S. 8), gilt jedoch für den Landverkehr.

(28)  Rechtssache C-280/00, Altmark Trans GmbH und Regierungspräsidium Magdeburg gegen Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH, Beteiligte: Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungs-gericht, Slg. 2003, I-7747). Siehe insbesondere Abschnitt 3 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (ABl. C 8 vom 11.1.2012, S. 4).

(29)  ABl. C 8 vom 11.1.2012, S. 4.

(30)  Siehe insbesondere Nummer 61 der DAWI-Mitteilung.

(31)  Nummer 69 der DAWI-Mitteilung.

(32)  Nähere Erläuterungen dazu, was unter einem typischen „gut geführten Unternehmen“ zu verstehen ist, finden sich in der DAWI-Mitteilung. Siehe insbesondere die Nummern 70 bis 76.

(33)  Siehe insbesondere Nummer 7 des Anhangs zu der Verordnung.

(34)  ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 32. Siehe Artikel 6 zur getrennten Rechnungsführung von Eisenbahnunternehmen und Eisenbahn-Infrastrukturbetreibern.

(35)  http://simap.europa.eu/enotices/choiceLanguage.do