52014DC0337

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die Anwendung der Ausnahmeregelung des Artikels 8 Absatz 6a der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (12-Tage-Regelung) /* COM/2014/0337 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Anwendung der Ausnahmeregelung des Artikels 8 Absatz 6a der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (12-Tage-Regelung)

1. Einleitung

Die Europäische Union (EU) hat ein Rahmenregelwerk von Sozialvorschriften für die Güter- und Personenbeförderung im Straßenverkehr festgelegt, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern und angemessene Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen für im Straßentransport tätige mobile Arbeitnehmer sicherzustellen.  Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (im Folgenden „Verordnung (EG) Nr. 561/2006“)[1] sieht gemeinsame EU-Mindestanforderungen vor, unter anderem in Bezug auf die Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten. Diese Vorschriften gelten vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen und nationaler Abweichungen für alle Berufskraftfahrer, ob sie angestellt oder selbstständig oder in der Personen- oder Güterbeförderung tätig sind.

Als allgemeine Regel ist in Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vorgesehen, dass ein Fahrer eine wöchentliche Ruhezeit spätestens am Ende von sechs 24-Stunden-Zeiträumen nach dem Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit beginnen sollte. In der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Neufassung)[2] wurde jedoch eine Ausnahme von dieser Bestimmung über die wöchentliche Ruhezeit eingeführt. Nach dem neuen Artikel 8 Absatz 6a dürfen Fahrer, die für einen einzelnen Gelegenheitsdienst im grenzüberschreitenden Personenverkehr eingesetzt werden, die wöchentliche Ruhezeit nach einer vorangegangenen regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit um bis zu 12 aufeinander folgende 24-Stunden-Zeiträume aufschieben (im Folgenden „12-Tage-Regelung“), sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Um bestimmten Bedenken Rechnung zu tragen, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung geäußert wurden, ist in Artikel 8 Absatz 6a der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 festgelegt, dass die Kommission die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung genau überwachen und einen Bericht erstellten sollte, in dem sie die Folgen der Ausnahmeregelung in Bezug auf die Sicherheit im Straßenverkehr sowie soziale Aspekte bewerten sollte. Zudem sollte sie, wenn sie es für sinnvoll erachtet, diesbezügliche Änderungen dieser Verordnung vorschlagen. Mit dem vorliegenden Bericht wird dieser Überwachungspflicht nachgekommen. Er gibt einen Überblick über die Inanspruchnahme der Ausnahme von der 12-Tage-Regelung in den Mitgliedstaaten sowie über ihre Auswirkungen im Hinblick auf die Hauptziele der Verordnung.

2. Hintergrund

Die 12-Tage-Regelung wurde zuerst durch die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr[3] eingeführt. In Artikel 6 Absatz 1 der genannten Verordnung hieß es wie folgt:

(...)

Der Fahrer muss nach höchstens sechs Tageslenkzeiten eine wöchentliche Ruhezeit im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 einlegen.

Die wöchentliche Ruhezeit kann bis zum Ende des sechsten Tages verschoben werden, falls die Gesamtlenkzeit während der sechs Tage nicht die Höchstdauer übersteigt, die sechs Tageslenkzeiten entspricht.

Im grenzüberschreitenden Personenverkehr, außer dem Linienverkehr, werden die in den Unterabsätzen 2 und 3 genannten Zahlenangaben „sechs“ und „sechsten“ durch „zwölf“ und „zwölften“ ersetzt.

Jedem Mitgliedstaat steht es frei zu beschließen, dass der vorstehende Unterabsatz auch auf den innerstaatlichen Personenverkehr, außer dem Linienverkehr, in seinem Hoheitsgebiet Anwendung findet.

Diese Verordnung wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 aufgehoben, die keine derartige Bestimmung enthielt. Daher galt die 12-Tage-Regelung ab dem 11. April 2007, dem Datum des Inkrafttretens der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, nicht mehr. Diese Änderung löste unter den verschiedenen Akteuren umfassende Diskussionen aus. Sie wurde von der europäischen Bustourismusbranche, die systematisch auf eine Vereinbarung der Sozialpartner zur Wiedereinführung der 12-Tage-Regelung hinwirkte, als negative Entwicklung betrachtet. Die Herausforderung bestand darin, den Anliegen der Branche im Hinblick auf eine effiziente und kostengünstige Organisation touristischer Busreisen gerecht zu werden und gleichzeitig die Straßenverkehrssicherheit und das Wohlergehen der Fahrer nicht zu beeinträchtigen.

Eine detaillierte Darstellung des Problems und der relevanten Argumente findet sich in zwei damals durchgeführten Studien. In der vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Studie „Die neue Lenk- und Ruhezeitenverordnung: Die Folgen des Wegfalls der „12-Tage-Regelung“ für Kraftomnibusse“[4] wurden die Folgen der Abschaffung der 12-Tage-Regelung im grenzüberschreitenden Personenkraftverkehr, insbesondere unter wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitsspezifischen Gesichtspunkten, untersucht. Zusammenfassend wurde in der Studie vorgetragen, dass die Abschaffung der 12-Tage-Regelung starke negative wirtschaftliche Auswirkungen haben würde, denen keine signifikanten positiven sicherheitsspezifischen oder sozialen Vorteile gegenüberstünden. Es wurden mehrere Politik-Optionen untersucht. Empfohlen wurde die Wiedereinführung der Ausnahmeregelung zusammen mit bestimmten flankierenden Maßnahmen in Bezug auf die Sicherheit der Busfahrten und die Arbeitsbedingungen der Fahrer. Die vorgeschlagenen flankierenden Maßnahmen betrafen unter anderem die wirksame Durchsetzung der Verwendung des digitalen Fahrtenschreibers, die Durchsetzung des Rotationsprinzips in Unternehmen für Fahrer, die auf grenzüberschreitenden Fahrten eingesetzt werden, um einer übermäßigen Arbeitsbelastung Einhalt zu gebieten, die Durchsetzung der Richtlinie 2003/59/EG über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr[5] und die partielle Wiedereinführung der 12-Tage-Regelung für Verkehrsunternehmen, die bestimmte Qualitätsparameter einhalten, und nur für mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstete Fahrzeuge. Nach dieser Studie nahm das Europäische Parlament einen Initiativbericht zur Wiedereinführung der 12-Tage-Ausnahmeregelung an.

Eine kritische Überprüfung der oben genannten Studie wurde in der „Study of passenger transport by coach“[6] vorgenommen, die zu einem späteren Zeitpunkt von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde. Die Überprüfung kam zu dem Schluss, dass in der ursprünglichen Studie des Europäischen Parlaments die wirtschaftlichen Folgen der Abschaffung der 12-Tage-Regelung möglicherweise deutlich zu hoch eingeschätzt und die sozialen Auswirkungen möglicherweise unterschätzt wurden. Der Überprüfung zufolge waren die sozialen und ökologischen Folgen des Wegfalls der 12-Tage-Regelung gering, wobei unklar war, ob der Nettoeffekt dieser Folgen positiv oder negativ sein würde. In beiden Studien hieß es übereinstimmend, dass die Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit, auch wenn diese sich nur schwer quantifizieren lassen, eher gering sind, da Busse bereits relativ sichere Verkehrsträger sind.

Die allgemeinen Diskussionen führten zu der Wiedereinführung der 12-Tage-Regelung mit bestimmten zusätzlichen Anforderungen. In Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 heißt es:

„In Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 wird folgender Absatz eingefügt:

„(6a) Abweichend von Absatz 6 darf ein Fahrer, der für einen einzelnen Gelegenheitsdienst im grenzüberschreitenden Personenverkehr im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrs eingesetzt wird, die wöchentliche Ruhezeit auf bis zu 12 aufeinander folgende 24-Stunden-Zeiträume nach einer vorhergehenden regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit unter folgenden Voraussetzungen verschieben:

(a) der Dienst dauert mindestens 24 aufeinander folgende Stunden in einem anderen Mitgliedstaat oder unter diese Verordnung fallenden Drittstaat als demjenigen, in dem jeweils der Dienst begonnen wurde;

(b) nach der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung nimmt der Fahrer

(i) entweder zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder

(ii) eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden. Dabei wird jedoch die Reduzierung durch eine gleichwertige Ruhepause ausgeglichen, die ohne Unterbrechung vor dem Ende der dritten Woche nach dem Ende des Ausnahmezeitraums genommen werden muss;

(c) ab dem 1. Januar 2014 ist das Fahrzeug mit einem Kontrollgerät entsprechend den Anforderungen des Anhangs IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ausgestattet und

(d) ab dem 1. Januar 2014, sofern das Fahrzeug bei Fahrten während des Zeitraums von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr mit mehreren Fahrern besetzt ist oder die Lenkdauer nach Artikel 7 auf drei Stunden vermindert wird.

Die Kommission überwacht die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung genau, um die Aufrechterhaltung der Sicherheit im Straßenverkehr unter sehr strengen Voraussetzungen sicherzustellen, insbesondere indem sie darauf achtet, dass die summierte Gesamtlenkzeit während des unter die Ausnahmeregelung fallenden Zeitraums nicht zu lang ist. Bis zum 4. Dezember 2012 erstellt die Kommission einen Bericht, in dem sie die Folgen der Ausnahmeregelung in Bezug auf die Sicherheit im Straßenverkehr sowie soziale Aspekte bewertet. Wenn sie es für sinnvoll erachtet, schlägt die Kommission diesbezügliche Änderungen der vorliegenden Verordnung vor.

Die 12-Tage-Regelung in ihrer heutigen Form gilt seit dem 4. Juni 2010. Seitdem hat es einige Diskussionen über die Voraussetzungen gegeben, unter denen diese Bestimmung angewandt werden kann, insbesondere über die Voraussetzung, dass der Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt wird. Während der jüngsten Überarbeitung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85[7] hat das Europäische Parlament vorgeschlagen, die Bestimmung auch auf Inlandsfahrten anzuwenden, und dabei argumentiert, dass die Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit nicht mit dem grenzüberschreitenden Charakter der Beförderung zusammenhängen. Während des Gesetzgebungsverfahrens hielten die Mitgliedstaaten es nicht für angebracht, diese Änderung vorzunehmen, und die Bestimmung in Artikel 8 Absatz 6a blieb unverändert.

Im selben Zusammenhang beantragte Island während der Beitrittsverhandlungen eine Ausnahme von dieser Bestimmung, um die Regelung auch auf den Inlandsverkehr anwenden zu können. Die Argumente, auf die sich der Antrag stützte, betrafen die geografischen Gegebenheiten des Landes, das vom europäischen Festland weit entfernt ist, die außergewöhnlich geringe Bevölkerungsdichte und die Bedeutung der Tourismusbranche für die isländische Wirtschaft. Während der Verhandlungen lehnte die Kommission den Antrag mit der Begründung ab, dass eine solche Ausnahme für die anderen Mitgliedstaaten nicht gilt und der inländische Verkehr in Island trotz der spezifischen geografischen Gegebenheiten so organisiert werden könnte, dass die allgemeine Bestimmung, wonach eine Ruhepause nach sechs 24-Stunden-Zeiträumen einzulegen ist, eingehalten wird. Darüber hinaus wird der Tourismus in Island durch die betreffende Bestimmung nicht beeinträchtigt, da er nur in geringem Maße dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist.

3. Datenerhebung

Zur Einholung der für diesen Bericht erforderlichen Informationen ließ die Kommission den Mitgliedstaaten im Juli 2012 eine Reihe von Fragen zukommen. Derselbe Fragebogen wurde auch an die Sozialpartner der Straßenverkehrsbranche in der EU geschickt, d. h. an die Internationale Straßentransport-Union (IRU) als Arbeitgeberorganisation und an die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF), die die Arbeitnehmer der Branche vertritt.

Der Fragebogen umfasste eine Reihe von Themen, die der Untersuchung möglicher Auswirkungen der Ausnahmeregelung in den in der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 genannten Bereichen dienten. Jede Frage war so formuliert, dass sowohl quantifizierbare als auch beschreibende Antworten gemacht werden konnten. Zudem konnten die Mitgliedstaaten und Sozialpartner wählen, auf welche Weise sie die Fragen beantworten wollten.

Anhand der ersten beiden Fragen sollte festgestellt werden, ob die Mitgliedstaaten die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung durch die Erhebung statistischer Daten oder auf anderem Wege überwachen. Die dritte Frage betraf die Sicherheit im Straßenverkehr und die Auswirkungen der Ausnahmeregelung auf diese. Bei der vierten Frage ging es um die Förderung des Tourismus und die Verwendung umweltfreundlicher Verkehrsmittel, während der Schwerpunkt der fünften Frage auf den Folgen der Ausnahmeregelung für den fairen Wettbewerb im Straßengüterverkehr lag. Das Wohlergehen der Fahrer sollte anhand der sechsten Frage beurteilt werden. Bei den beiden letzten Fragen wurden die Mitgliedstaaten/Sozialpartner um ihre allgemeine Einschätzung der in Rede stehenden Bestimmung und um etwaige zusätzliche Anmerkungen oder Vorschläge gebeten.

Bis Ende 2013 erhielt die Kommission die Antworten von 23 Mitgliedstaaten und von den vorstehend genannten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. Trotz mehrmaliger Aufforderungen nach diesem Zeitpunkt gingen keine weiteren Informationen bei ihr ein. Anhang II dieses Berichts enthält eine aggregierte Tabelle mit den eingegangenen Antworten.  Es sei darauf hingewiesen, dass Rumänien Antworten sowohl der rumänischen Straßenverkehrsbehörde (ARR) als auch der Straßenverkehrskontrollbehörde (ISCTR) übermittelte. Beide Organe hatten seit der Anwendung der Regelung Kontrollfunktionen inne (ARR bis zum 4. Dezember 2011 und ISCTR danach).

4. Datenanalyse

Von den 23 Mitgliedstaaten, die den Fragebogen beantworteten, haben acht keine Zahlen für die Fragen Nr. 2-7 vorgelegt, da Informationen für eine quantifizierbare Antwort fehlten. Aufgrund der begrenzten Anzahl der übermittelten quantifizierbaren Daten (15 Fälle) ist eine eingehende statistische Analyse nicht möglich. Anhand der Antworten und zusammen mit den beschreibenden Teilen des Fragebogens lassen sich jedoch verschiedene Schlüsse ziehen. Die nachstehende Analyse folgt der Struktur des Fragebogens und der in den einzelnen Fragen behandelten Aspekte.

4.1. Datenverfügbarkeit – Häufigkeit, mit der die Ausnahmeregelung in Anspruch genommen wurde

Keiner der Mitgliedstaaten, die den Fragebogen beantworteten, bewahrt statistische Daten über die Anwendung der 12-Tage-Regelung oder die Einhaltung der Lenkzeiten während des von der Ausnahmeregelung betroffenen Zeitraums auf. Die geltenden Rechtsvorschriften sehen keine derartige Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vor, und diese mangelnde Überwachung durch die zuständigen nationalen Behörden bringt sie um die Möglichkeit, sich einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation auf diesem Gebiet zu verschaffen. Trotz des Fehlens einer Verpflichtung zur systematischen Überwachung der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung übermittelten einige Mitgliedstaaten entsprechende Zahlen, denen zufolge von der Ausnahmeregelung in den meisten Fällen kein intensiver Gebrauch gemacht wird. In fünf Mitgliedstaaten (EE, LT, LV, LU, SE) wird die Häufigkeit der Inanspruchnahme in der Mitte der angegebenen Skala angesiedelt (3 auf einer Skala von 0 bis 5), während in allen anderen Fällen aus den gemeldeten Zahlen eine weniger intensive Inanspruchnahme der Regelung hervorgeht. Zu den Erklärungen für die geringe Inanspruchnahme der Regelung gehören der restriktive Charakter der Bestimmung (einzelne grenzüberschreitende Fahrt und daran anschließende längere Ruhezeit) und das unzureichende Wissen der Betreiber/Fahrer um diese Bestimmung.

4.2. Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit

Die meisten Mitgliedstaaten, die quantifizierte Angaben zu dieser Frage machten, teilten mit, dass die Bestimmung keine negativen Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit hat. Andererseits gaben zwei Mitgliedstaaten (BE, LT) starke negative Auswirkungen an (4 auf einer Skala von 0 bis 5), die jedoch nicht auf Unfallstatistiken beruhen, sondern auf der Annahme, dass kontinuierliches Fahren über eine Dauer von 12 Tagen unmittelbare Auswirkungen auf die Müdigkeit des Fahrers haben kann, was wiederum die Sicherheit im Straßenverkehr gefährdet. Diesem Ansatz folgte auch die Antwort der ETF, in der von noch stärkeren negativen Auswirkungen aufgrund der angenommenen Müdigkeit des Fahrers die Rede war. In den übrigen eingegangenen Antworten wurde auf minimale negative Auswirkungen hingewiesen, wobei stets von einer ähnlichen Annahme und nicht von konkreten Unfalldaten ausgegangen wurde. Laut IRU gab es keine Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit, wobei sie darauf hinwies, dass die tatsächliche tägliche Lenkzeit bei solchen Fahrten relativ kurz ist.

4.3. Auswirkungen im Hinblick auf die Förderung des Tourismus und die Verwendung umweltfreundlicher Verkehrsmittel

Während einige Mitgliedstaaten (AT, BE, DK, NL, PL, ES) und die ETF keine Auswirkungen auf den Tourismus und die Umwelt sehen, gaben die übrigen Mitgliedstaaten, die zu dieser Frage quantifizierte Angaben machten, positive Auswirkungen an. Drei Mitgliedstaaten (LU, RO, SE) meldeten sehr starke positive Auswirkungen (4-5 auf einer Skala von 0 bis 5) mit der Begründung, dass die Regelung niedrigere Kosten für die Passagiere, eine bessere Organisation der Fahrten und eine bessere Qualität der bei solchen Einsätzen verwendeten Busse ermögliche. Aus ähnlichen Gründen gaben vier weitere Mitgliedstaaten (BG, EE, LV, SI) wichtige positive Auswirkungen an (3 auf einer Skala von 0 bis 5). Die IRU wies auf auf eine eingeschränkt positive Wirkung hin, die auf den restriktiven Charakter der Ausnahmeregelung zurückzuführen ist, der ihre Attraktivität für die Verkehrsunternehmen mindert.

4.4. Auswirkungen auf den Wettbewerb

Die meisten Mitgliedstaaten und die IRU bewerten diesen Aspekt neutral. Ein Mitgliedstaat (BG) sprach von eher negativen Auswirkungen in Form von Wettbewerbsverzerrungen und führte als Grund dafür an, dass die Ausnahmeregelung nur für einzelne grenzüberschreitende Gelegenheitsdienste und nicht für den Linienverkehr gilt und so einen Unterschied zwischen beiden macht. Fünf andere Mitgliedstaaten (HU, LT, LV, LU, SE) vertreten eine deutlich positivere Ansicht, da ihnen zufolge die durch die Ausnahmeregelung gewährte Flexibilität Unternehmen mehr Möglichkeiten bietet, ohne einen Verstoß gegen die Bestimmungen tätig zu sein, und sogar kleine Unternehmen im gleichen Maße von ihr profitieren können.

4.5. Auswirkungen auf das Wohlergehen der Fahrer

In dieser Frage vertrat die Arbeitnehmerseite eine sehr stark negative Position mit der Begründung, dass die Ausnahmeregelung längere Fahrten zulässt, die sich, hauptsächlich wegen der kumulierten Ermüdung, unmittelbar auf die Gesundheit der Fahrer auswirken. Drei Mitgliedstaaten (AT, BE, RO[8]) meldeten von einem ähnlichen Ansatz ausgehend ebenfalls negative Auswirkungen, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß. In einigen Mitgliedstaaten (EE, LU, RO[9], SE) hingegen wurde die Frage aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ihnen zufolge können die Fahrer aufgrund dieser Regelung längere zusammenhängende Ruhezeiten einlegen, die sie in der Regel daheim mit ihren Familien verbringen. Einem anderen Ansatz folgend betrachten die Arbeitgeber die langen Ausgleichsruhezeiten, die nach der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung einzulegen sind, als Einkommensverlust für die Fahrer, insbesondere während der kurzen Tourismus-Hauptreisezeiten; sie ziehen die Ausnahmeregelung in ihrer vorherigen Form vor.

4.6. Allgemeine Wahrnehmung der Bestimmung

Den Antworten zu den einzelnen Aspekten des Fragebogens ist zu entnehmen, dass in den meisten Mitgliedstaaten, die quantifizierte Angaben zu dieser Frage machten, die Bestimmung insgesamt positiv und in einigen Fällen sehr stark positiv (HU, LU, SE, LV, EE) wahrgenommen wurde. Die Wahrnehmung der IRU ist weniger positiv, da sie die derzeitige Fassung der Ausnahmeregelung aufgrund ihres zu restriktiven Charakters für weniger attraktiv hält als die vorherige. Die Mitgliedstaaten mit einer negativen Wahrnehmung der Regelung sind im Wesentlichen diejenigen, die Bedenken hinsichtlich der Straßenverkehrssicherheit haben (AT, BE, LT). Die ETF sieht in dieser Ausnahmeregelung keinen Mehrwert und trägt vor, dass ihre Anwendung zur Begrenzung der damit verbundenen negativen Auswirkungen eingeschränkt und keine weitere Flexibilität gestattet werden sollte.

4.7. Zusätzliche Anmerkungen/Vorschläge

In diesem Teil des Fragebogens konnten die Mitgliedstaaten ihre Anmerkungen und Vorschläge zu der Ausnahmeregelung frei äußern. Trotzdem war die Zahl der unter dieser Rubrik eingegangenen Antworten recht begrenzt. Eine Gruppe von Mitgliedstaaten (BG, DE, LU, UK), die nicht unbedingt die gleichen Ziele verfolgen, scheinen bereit zu sein, flexiblere Kriterien und eine gewisse Ausweitung der Ausnahmeregelung entweder auf den Inlandsverkehr oder auf internationale Liniendienste in Betracht zu ziehen. Ein Mitgliedstaat (ES) meinte, dass die Ausnahmeregelung für die Güterbeförderung gelten sollte, wodurch die Effizienz eines Unternehmens verbessert werden würde, da die Fahrzeuge viel früher zum Unternehmenssitz zurückkehren würden, und dass sie die Arbeitsbedingungen der Fahrer verbessern würde, da die Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit daheim verbringen könnten. Andere Mitgliedstaaten sprechen sich entweder dagegen  aus (AT) oder sie vertreten die Ansicht, dass die Bestimmung entsprechend den Regelungen im Güterverkehr geändert werden sollte (LT). Ebenfalls angesprochen wurden praktische Probleme hinsichtlich der Straßenverkehrssicherheit (BE) und der Vereinbarkeit mit den EU-Sozialvorschriften und den Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) (FI). Die ETF lehnt die Entwicklung eigener Sozialvorschriften für die Personenbeförderung entschieden ab und weist darauf hin, dass eine solche Entwicklung zu komplexeren Regelungen und zu massiven Problemen bei der Durchsetzung führen und die allgemeinen Ziele der Vorschriften für die Lenk- und Ruhezeiten gefährden würde. Auf der anderen Seite vertritt die IRU die Auffassung, dass die Branche dringend stärker praxisorientierte Regelungen und eine größere Flexibilität für alle Arten des Inlandsverkehrs und des grenzüberschreitenden Verkehrs benötigt, und unterstützt die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ausnahmeregelung auf Einsätze im Inland.

5. Schlussfolgerungen

Trotz der fehlenden faktenbezogenen Daten können anhand der oben vorgestellten Analyse einige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Auswirkungen der Anwendung der Ausnahmeregelung auf die Sicherheit im Straßenverkehr und die Arbeitsbedingungen im grenzüberschreitenden Personenverkehr gezogen werden.

In den Stellungnahmen der meisten Mitgliedstaaten und der Arbeitgeberseite gibt es keine konkreten Hinweise auf wirklich negative Folgen für die Sicherheit im Straßenverkehr. Die Arbeitnehmer vertraten die Ansicht, dass die 12 aufeinander folgenden täglichen Lenkzeiten zu einer kumulierten und unverhältnismäßigen Ermüdung des Fahrers führen. Es wurden jedoch keine Fakten mitgeteilt, die eine Verschlechterung der Straßenverkehrssicherheit aufgrund der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung belegen. Auf der anderen Seite sind die Arbeitgeber der Ansicht, dass bei dieser Art von Einsatz die tägliche Lenkzeit in der Regel die in den Rechtsvorschriften festgelegten Obergrenzen unterschreitet. Die Besonderheit grenzüberschreitender Busreisen war der Hauptgrund für die Einführung der Ausnahmeregelung.

Hinsichtlich der anderen untersuchten Bereiche, d. h. Tourismus, Umwelt, unverfälschter Wettbewerb und Wohlergehen der Fahrer, enthielten die eingegangenen Antworten sowohl positive als auch negative Bewertungen, wobei die positiven Aspekte - abgesehen von der Lebensqualität der Fahrer - überwogen. Was letztere betrifft, so war auf beiden Seiten der Branche von negativen Auswirkungen die Rede; allerdings wurden dafür unterschiedliche Gründe und unterschiedliche Aspekte des Wohlergehens der Fahrer genannt. Während die Arbeitnehmer die negativen Folgen der größeren Müdigkeit der Fahrer infolge der Verschiebung der wöchentlichen Ruhezeit hervorhoben, wiesen die Arbeitgeber darauf hin, dass die obligatorische lange wöchentliche Ausgleichsruhezeit nach der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung die Möglichkeiten der Fahrer einschränkt, ein höheres Einkommen zu erzielen. Zu den positiven Aspekten der Ausnahmeregelung gehörten die Verringerung der Kosten für Touristen, die Verwendung besserer Fahrzeuge für derartige lange grenzüberschreitenden Fahrten, mehr Möglichkeiten für Unternehmen, auch für kleine Unternehmen, und die bessere Organisation der Ruhezeiten der Fahrer, die mehr Zeit zu Hause verbringen können. Ein Großteil der Kritik betraf den restriktiven Charakter der 12-Tage-Regelung, während die Idee einer Ausnahmeregelung an sich als wichtig erachtet wurde.

Bemerkenswert ist der widersprüchliche Charakter der Antworten auf die meisten Fragen, was ein Indiz für die unterschiedliche Wahrnehmung der Maßnahme ist. Ein sehr anschauliches Beispiel betrifft die Standpunkte, die beide Seiten der an der Befragung beteiligten Branche vertraten. Während die Arbeitgebervertreter die zusätzlichen Anforderungen der Ausnahmeregelung als das Haupthindernis für ihre ordnungsgemäße Umsetzung ansehen, betrachten die Vertreter der Fahrer jeden Versuch, diese Bestimmungen abzuschwächen oder den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung auszuweiten, als inakzeptabel.

Nach Auswertung der Stellungnahmen der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner und unter Berücksichtigung bestimmter Erfordernisse des Markts (z. B. Vereinfachung der Vorschriften und kostengünstige Durchsetzung) hält die Kommission es nicht für angebracht, Vorschläge für etwaige Änderungen der einschlägigen Rechtsvorschriften vorzulegen. Das derzeitige System wurde nach langen Diskussionen eingeführt, es scheint ohne nennenswerte Probleme zu funktionieren und ist bei den beteiligten Akteuren allgemein bekannt. Die Kommission wird ihre Bemühungen um eine weitere Verbesserung der Durchsetzung der geltenden Vorschriften, insbesondere hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anwendung der Ausnahmeregelung, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten fortsetzen.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner auf, die Umsetzung und die Auswirkungen der 12-Tage-Ausnahmeregelung auf die Sicherheit im Straßenverkehr und auf die sozialen Aspekte weiterhin zu überwachen. Falls erforderlich, wird sie sich erneut mit dem Thema befassen.

[1]               ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 1.

[2]               ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 88.

[3]               ABl. L 370 vom 31.12.1985, S. 1.

[4]              http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2008/405378/IPOL-TRAN_ET(2008)405378_DE.pdf

[5]               ABl. L 226 vom 10.9.2003, S. 4.

[6]              http://ec.europa.eu/transport/modes/road/studies/doc/2009_06_passenger_transport_by_coach.pdf

[7]               Aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014, ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 1.

[8]               Staatliche Aufsichtsbehörde für den Straßenverkehr (ISCTR).

[9]               Rumänische Straßenverkehrsbehörde (ARR).