BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 /* COM/2014/0225 final */
Einleitung Aufgrund
der zunehmenden Mobilität der Bürger innerhalb der Union[1] gibt
es immer mehr Familien mit einer internationalen Dimension, insbesondere
Familien, deren Mitglieder eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit haben, in
verschiedenen Mitgliedstaaten leben oder in einem Mitgliedstaat leben, dessen
Staatsangehörigkeit mindestens ein Familienmitglied nicht besitzt. Gemäß
Artikel 81 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
beschließt die Union Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in
Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug. In Fällen, in denen eine Familie
auseinanderbricht, ist diese Zusammenarbeit besonders wichtig, um für die
Kinder ein sicheres rechtliches Umfeld zu schaffen, damit diese Beziehungen zu
den Personen pflegen können, denen die elterliche Verantwortung für sie zusteht
und die möglicherweise in einem anderen Mitgliedstaat leben. Die
Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, die Vorschriften für die Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen enthält, die die
Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung einer Ehe sowie Entscheidungen
über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten
betreffen, war der erste Rechtsakt der Union, der im Bereich der justiziellen
Zusammenarbeit in Familiensachen verabschiedet wurde.[2] Diese
Verordnung wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003[3] (die
auch als Verordnung „Brüssel-IIa“ bezeichnet wird, nachfolgend „die
Verordnung“) aufgehoben. Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 bildet den
Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit der Union in Ehesachen und in
Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Sie gilt seit dem 1. März
2005 für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks[4]. Die
Verordnung enthält einheitliche Vorschriften zur Regelung von
Kompetenzkonflikten und zur Erleichterung des freien Verkehrs von gerichtlichen
Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen in der Union sowie
Bestimmungen über deren Anerkennung und Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten.
Sie ergänzt das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die
zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung[5] (
„Haager Übereinkommen von 1980“) und enthält spezifische Vorschriften in Bezug
auf dessen Verhältnis zu mehreren Bestimmungen des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober
1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung,
Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung
und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern[6]
(„Haager Übereinkommen von 1996“).[7] Die
Verordnung enthält keine Vorschriften zur Bestimmung des geltenden Rechts bei
grenzüberschreitenden Streitigkeiten in den vor ihr erfassten Bereichen. Im
Hinblick auf das anwendbare Recht hatte der Europäische Rat die Kommission
bereits im November 2004 aufgefordert, ein Grünbuch zu den
Kollisionsnormen in Scheidungssachen vorzulegen.[8]
2006 legte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung im
Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von
Vorschriften, die das anwendbare Recht in diesem Bereich betreffen, vor
(„Vorschlag der Kommission von 2006 zur Änderung der Verordnung“)[9]. Im
Rat konnte keine Einstimmigkeit zu den Vorschriften über das anwendbare Recht
erzielt werden, so dass die Kommission den Vorschlag von 2006.[10]. Auf
der Grundlage neuer Kommissionsvorschläge[11]
kamen 14 Mitgliedstaaten überein, eine Verstärkte Zusammenarbeit
untereinander zu begründen[12],
und erließen die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010, die das auf die
Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht
regelt[13]
(„Verordnung Rom III). Das war das erste Mal, dass die Verstärkte
Zusammenarbeit in der Union angewendet wurde. Die Verstärkte Zusammenarbeit steht
allen Mitgliedstaaten offen, wobei das Ziel letztlich darin besteht, dass sich
sämtliche Mitgliedstaaten der Verordnung Rom III anschließen. Seit Erlass
der Verordnung Rom III haben zwei weitere Mitgliedstaaten beschlossen, an
der Verstärkten Zusammenarbeit teilzunehmen.[14] Der
vorliegende Bericht wurde auf der Grundlage von Artikel 65 der Verordnung
erstellt.[15]
Er orientiert sich an der Struktur der Verordnung, wobei die Vorschriften zur
Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Entscheidungen sowie zur
Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten abschnittsweise
überprüft werden. Einen besonderen Schwerpunkt bildet eine Reihe von
horizontalen Fragen, die die Rückgabe eines Kindes im Falle der Entführung
durch einen Elternteil, die Vollstreckung von Entscheidungen und die
Unterbringung eines Kindes in einem anderen Mitgliedstaat betreffen. Der
Bericht stellt eine erste Bewertung der bisherigen Anwendung der Verordnung dar
und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er stützt sich auf die Zuarbeit
durch die Mitglieder des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und
Handelssachen („EJN“)[16]
sowie verfügbare Studien[17],
das Grünbuch der Kommission über das anzuwendende Recht und die Zuständigkeit
in Scheidungssachen[18],
den Vorschlag der Kommission von 2006 zur Änderung der Verordnung und die im
Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht geleistete Arbeit,
die Folgemaßnahmen zu den Haager Übereinkommen von 1980 und 1996 betreffen.
Abschließend wird auf die Schreiben, Beschwerden und Petitionen der Bürger
sowie die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union („EuGH“)
eingegangen. 1. Zuständigkeit 1.1 Ehesachen In Anbetracht der wachsenden Zahl
internationaler Paare und der hohen Scheidungsrate in der Union betrifft die
Zuständigkeit in Ehesachen jedes Jahr eine beträchtliche Anzahl von Bürgern.[19] Die
Vorschriften über die Zuständigkeit tragen zur Vereinfachung des Rechtsrahmens
in einer für die Beteiligten ohnehin schwierigen Situation bei. Allerdings wird
bezüglich dieser Vorschriften auf einige Schwierigkeiten verwiesen.[20] Erstens
könnten die in der Verordnung aufgeführten alternativen (und weniger
hierarchischen) Zuständigkeitsgründe in Verbindung mit dem Fehlen
harmonisierter Kollisionsnormen in der gesamten Union einen „Wettlauf zu den
Gerichten“ zwischen den Ehegatten auslösen, wobei beide Seiten versuchen, die
Scheidung vor dem Ehegatten einzureichen, um sicherzustellen, dass bei dem
Scheidungsverfahren die Rechtsordnung angewendet wird, die den eigenen
Interessen dient.[21]
Durch die Verordnung Rom III konnte die Gefahr des „Wettlaufs zu den
Gerichten“ etwas gebannt werden, da darin einheitliche Vorschriften für die
Festlegung des auf Ehestreitigkeiten anwendbaren Rechts in den teilnehmenden
Mitgliedstaaten vorgesehen sind. Da die Verordnung jedoch noch nicht in allen
Mitgliedstaaten gilt, können hinsichtlich des auf Ehestreitigkeiten anwendbaren
Rechts Unterschiede auftreten, die von den im Verfahrensmitgliedstaat geltenden
Kollisionsnormen (den Normen der Verordnung Rom III oder nationalen
Normen) abhängen. Dieser „Wettlauf zu den Gerichten“ kann dazu führen, dass
eine Rechtsordnung zur Anwendung kommt, zu der der Verfahrensgegner nur einen
losen Bezug hat oder die seine Interessen nicht genügend berücksichtigt. Das
kann Versöhnungsbemühungen weiter erschweren, und es bleibt wenig Zeit für eine
Mediation. Zweitens
bietet die Verordnung den Ehegatten nicht die Möglichkeit, in gegenseitigem
Einvernehmen das zuständige Gericht zu bestimmen. Jüngere Rechtsinstrumente der
Union in Zivilsachen weisen eine Tendenz in Richtung einer gewissen
Parteiautonomie auf (siehe z. B. die Unterhaltsverordnung von 2008[22] oder
die Erbrechtsverordnung von 2012[23]).
Die Aufnahme einer begrenzten Parteiautonomie in die Verordnung, die Ehegatten
die Möglichkeit bietet, sich auf ein zuständiges Gericht zu einigen, könnte
insbesondere bei Scheidungen in gegenseitigem Einvernehmen von Vorteil sein,
zumal Ehegatten nach der Verordnung Rom III die Möglichkeit haben, sich
auf das auf ihre Ehesache anwendbare Recht zu einigen. Die
eingegangenen Stellungnahmen im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Kommission
von 2006 zur Änderung der Verordnung deuteten bereits darauf hin, dass durch
Einführung einer begrenzten Parteiautonomie und die Verhinderung des „Wettlaufs
zu den Gerichten“ für mehr Rechtssicherheit und Berechenbarkeit gesorgt werden
muss.[24]
Darin wurde ferner darauf hingewiesen, dass Artikel 6, in dem die
ausschließliche Zuständigkeit nach den Artikeln 3, 4 und 5 der Verordnung
bestätigt wird, Verwirrung stiften könnte und überflüssig ist, da in den
Artikeln 3, 4 und 5 beschrieben wird, unter welchen Umständen ein Gericht
die ausschließliche Zuständigkeit besitzt.[25] Die
im Vorschlag der Kommission von 2006 zur Änderung der Verordnung und im
Vorschlag der Kommission von 2011 im Bereich des Ehegüterrechts vorgeschlagenen
Zuständigkeitsvorschriften sowie die Zuständigkeitsvorschriften, die in den
jüngsten im Bereich Zivilsachen erlassenen Verordnungen[26]
enthalten sind, könnten als mögliches Vorbild für die Verbesserung der derzeit
für Ehesachen geltenden Zuständigkeitsvorschriften angesehen werden. 1.2 Fragen der elterlichen Verantwortung Um
die Gleichbehandlung aller Kinder sicherzustellen, gilt diese Verordnung für
alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, unabhängig davon, ob
eine Verbindung zu einem Verfahren in Ehesachen besteht.
Darin spiegelt sich der enorme Anstieg des Anteils an außerehelichen Geburten
wider, der in den letzten zwei Jahrzehnten in fast allen Mitgliedstaaten zu
verzeichnen war und der auf eine Veränderung der traditionellen familiären
Strukturen hindeutet.[27]
Fragen der elterlichen Verantwortung beinhalten das Sorgerecht und das
Umgangsrecht. Durch
die Verordnung wird eine allgemeine Zuständigkeit auf der Grundlage des
gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bestimmt (Artikel 8), um
sicherzustellen, dass eine tatsächliche Verbindung zwischen dem Kind und dem
Mitgliedstaat besteht, der die Zuständigkeit wahrnimmt.[28]
Bekräftigt wird dieser Grundsatz durch die Zuständigkeitsbestimmungen, die in
Fällen einer grenzüberschreitenden Kindesentführung anzuwenden sind
(Artikel 10). In diesen Fällen sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in
dem das Kind unmittelbar vor seiner Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt
hatte, (nachstehend „Gericht des Ursprungsmitgliedstaats“ genannt) so lange zuständig,
bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat
erlangt hat und bestimmte zusätzliche Bedingungen erfüllt sind, insbesondere
bis eine Sorgerechtsentscheidung erlassen wurde, in der die Rückgabe des Kindes
nicht angeordnet wird.[29] Die
Vorschriften zur Vereinbarung der Zuständigkeit, mit denen eine einvernehmliche
Lösung angestrebt wird und insbesondere vermieden werden soll, dass Gerichte in
verschiedenen Mitgliedstaaten mit Verfahren befasst werden, die eine Scheidung
und die elterliche Verantwortung betreffen (Artikel 12), stoßen bei
Sachverständigen zwar durchaus auf Zustimmung, werfen aber dennoch Fragen in
Bezug auf die Auslegung der zu erfüllenden Bedingungen auf.[30] Die
Bestimmungen zur Verweisung an ein Gericht, das den Fall besser beurteilen
kann, sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht (Artikel 15), haben
ihrerseits in einigen Fällen Probleme in Bezug auf ihre Anwendung aufgeworfen,
insbesondere wenn – wie es häufig geschieht – das ersuchte Gericht versäumt,
das ersuchende Gericht rechtzeitig darüber zu informieren, dass es die
Zuständigkeit übernommen hat. In
dringenden Fällen ist es gegebenenfalls erforderlich, dass die Gerichte eines
Mitgliedstaats selbst dann eine einstweilige Maßnahme bezüglich eines in ihrem Hoheitsgebiet
aufhältigen Kindes anordnen, wenn sie für die Entscheidung in der Hauptsache
nicht zuständig sind (Artikel 20). Der EuGH hat Hinweise zur Anwendung
einstweiliger Maßnahmen in Fällen von Kindesentführung gegeben. Er stellte
klar, dass es dem Gericht des Mitgliedstaats, in den das Kind entführt wurde,
nicht gestattet ist, eine einstweilige Maßnahme zur Übertragung des Sorgerechts
für ein Kind zu erlassen, das sich in seinem Hoheitsgebiet befindet, wenn ein
zuständiges Gericht bereits eine Entscheidung erlassen hat, mit der das
Sorgerecht vor der Entführung vorläufig auf den anderen Elternteil übertragen
wurde, und wenn diese Entscheidung in diesem Mitgliedstaat für vollstreckbar
erklärt worden ist.[31] Die
Rechtshängigkeitsregel, der zufolge das später angerufene Gericht das Verfahren
aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist, um
Parallelverfahren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten sowie widersprüchliche
Urteile zu vermeiden, hat Fragen zur Auslegung aufgeworfen.[32] Der
Gerichtshof stellte klar, dass diese Regel nicht anwendbar ist, wenn das zur
Regelung der elterlichen Verantwortung zuerst angerufene Gericht nur zum Zweck
von einstweiligen Maßnahmen angerufen wurde und es sich bei dem später zur
Regelung derselben Angelegenheit angerufenen Gericht um das Gericht eines
anderen Mitgliedstaats handelt, das für die Entscheidung in der Hauptsache
zuständig ist.[33] Geprüft
werden sollte, inwieweit die Auslegung durch den EuGH in die Verordnung
aufgenommen und die praktische Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften weiter
verbessert werden könnten. 1.3 Zuständigkeitsfragen,
die sowohl bei Ehesachen als auch bei Verfahren in Bezug auf die elterliche
Verantwortung auftreten In
Ehesachen sind die Gerichte eines Mitgliedstaats zuständig, wenn i) mindestens
einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt für einen bestimmten
Mindestzeitraum in diesem Mitgliedstaat hat oder wenn ii) beide Ehegatten die
Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzen, wobei es keine Rolle
spielt, ob sie in der EU oder in einem Drittstaat leben (Artikel 3). Nach
den Vorschriften der Verordnung über die Restzuständigkeit (Artikel 7)
richtet sich der Zugang von Ehegatten, die die Staatszugehörigkeit
verschiedener Mitgliedstaaten besitzen und in einem Drittstaat leben, nach dem
Recht des jeweiligen Mitgliedstaats.[34] Was
die elterliche Verantwortung für ein Kind betrifft, so sind im Allgemeinen die
Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der
Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Artikel 8). Hat das
Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat, so kann die
Zuständigkeit dennoch bei einem Mitgliedstaat liegen, vorausgesetzt die
Zuständigkeit wurde von den Eltern ausdrücklich anerkannt und steht im Einklang
mit dem Wohl des Kindes (Artikel 12). Kommt keine Einigung der Eltern
zustande, bestimmt sich die Möglichkeit der Anrufung des Gerichts eines
Mitgliedstaats bezüglich eines Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der
Union gemäß den Bestimmungen über die Restzuständigkeit nach dem Recht des
jeweiligen Mitgliedstaats (Artikel 14).[35] Das
Fehlen einer einheitlichen und erschöpfenden Regelung der Restzuständigkeiten
im Hinblick auf sowohl Ehesachen als auch die elterliche Verantwortung hat zur
Folge, dass nicht alle EU-Bürger den gleichen Rechtsschutz genießen. Die
einzelstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften gehen von unterschiedlichen
Kriterien aus und bieten, selbst wenn der Antragsteller oder der Antragsgegner
einen engen Bezug zu dem betreffenden Mitgliedstaat aufweist, nicht immer die
Gewähr für einen wirksamen Zugang zu den Gerichten. Das kann dazu führen, dass
weder ein Mitgliedstaat noch ein Drittstaat zuständig ist[36] und
dass in Ermangelung gemeinsamer Regeln über die Wirkung von in Drittstaaten
ergangenen gerichtlichen Entscheidungen praktische Probleme auftreten.[37] Hinzu
kommt, dass die Verordnung im Gegensatz zu jüngeren Rechtsinstrumenten wie der
Unterhaltsverordnung oder der Erbrechtsverordnung keine Notzuständigkeit (forum
necessitatis) vorsieht.[38]
Eine solche Zuständigkeitsvorschrift wurde vom Europäischen Parlament in seiner
legislativen Entschließung vom 15. Dezember 2010 zum Vorschlag für die
Verordnung Rom III gefordert.[39] Abschließend
ist festzustellen, dass das Fehlen von Bestimmungen, die regeln, in welchen
Fällen sich Gerichte in Mitgliedstaaten zugunsten von Gerichten in einem
Drittstaat für unzuständig erklären können, für beträchtliche Unsicherheit
sorgt.[40]
Kürzlich wurde die Verordnung Brüssel I[41]
durch die Neufassung der Verordnung Brüssel I[42]
abgeändert, wobei u. a. eine Vorschrift zur Lösung dieses Problems
aufgenommen wurde. Die
Vorschläge der Kommission sowie die jüngsten Entwicklungen im zivilrechtlichen
Bereich[43]
könnten sich bei der Überarbeitung der Verordnung zu den vorstehenden Fragen
als hilfreich erweisen, wobei bei Verfahren, die die elterliche Verantwortung
betreffen, stets das Wohl des Kindes an erster Stelle stehen sollte. 2. Anerkennung und
Vollstreckbarkeit Die
Wahrung des Kindeswohls zählt zu den wichtigsten Zielen von Maßnahmen der Union
im Zusammenhang mit Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit von
Entscheidungen; das betrifft insbesondere die konkrete Bezugnahme auf das
Grundrecht des Kindes auf direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, wie es in
Artikel 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (nachstehend
„die Charta“ genannt) verankert ist. Darüber hinaus wird mit der Verordnung der
freie Verkehr von Entscheidungen in allen Ehesachen und Verfahren, die die
elterliche Verantwortung betreffen, angestrebt.[44] Die
Abschaffung des Exequaturverfahrens im Bereich des Zivilrechts und die
potenzielle Einführung gemeinsamer Mindestanforderungen im Hinblick auf die
Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Entscheidungen über die elterliche
Verantwortung werden im Stockholmer Programm[45]
und im Aktionsplan zum Stockholmer Programm[46]
als Schwerpunkte für die künftige Arbeit der Kommission in Zivilsachen genannt. Die
Verordnung ist das erste Instrument der Union, durch das das Exequaturverfahren
in Zivilsachen für bestimmte Entscheidungen, die bescheinigte Entscheidungen
über das Umgangsrecht und bescheinigte Rückgabeanordnungen im Falle von
Kindesentführung betreffen, abgeschafft wurde. Gleichzeitig wird der Grundsatz
der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen auf sämtliche Entscheidungen
ausgeweitet, die die elterliche Verantwortung betreffen (Schutz des Kindes
unabhängig davon, ob zwischen den Elternteilen eheliche Beziehungen bestehen),
und damit im Einklang mit dem Stockholmer Programm die erste Stufe des Programms
der gegenseitigen Anerkennung abgeschlossen, wobei es letztlich darum geht, das
Exequaturverfahren für sämtliche Entscheidungen abzuschaffen. Die
Tatsache, dass bestimmte Kategorien von Entscheidungen nicht von der
Abschaffung des Exequaturverfahrens profitieren, hat komplexe, langwierige und
teure Verfahren zur Folge, insbesondere im Hinblick auf Entscheidungen über die
elterliche Verantwortung. Dabei kann es auch zu widersprüchlichen Situationen
kommen, wenn beispielsweise ein Mitgliedstaat das Umgangsrecht gemäß Verordnung
(und Unterhaltsansprüche für das Kind gemäß Unterhaltsverordnung) anerkennen
muss, aber gleichzeitig die Anerkennung des in derselben Entscheidung gewährten
Sorgerechts verwehren könnte. Das hängt damit zusammen, dass außer im Zusammenhang
mit Umgangsrechten und der Rückgabe des Kindes in bestimmten Entführungsfällen
die Anerkennung aus den in der Verordnung vorgesehenen Gründen verwehrt werden
kann und eine Vollstreckbarerklärung eingeholt werden muss, bevor die
Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden kann.[47] Im
Hinblick auf die Anerkennung von Entscheidungen, die Ehesachen und die
elterliche Verantwortung betreffen, wurde die „öffentliche Ordnung“ nur in
seltenen Fällen als Begründung für eine Nichtanerkennung angeführt. Im Bereich
der elterlichen Verantwortung sind in der Praxis allerdings beträchtliche
Unterschiede zu verzeichnen, die aus einer mehr oder weniger strikten
Handhabung dieser Begründung resultieren.[48]
Hinzu kommt, dass bei Verfahren, die die elterliche Verantwortung betreffen,
als Grund für einen Widerspruch häufig angeführt wird, dass eine Entscheidung
ergangen ist, ohne dass das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden.[49]
Besondere Schwierigkeiten resultieren in diesem Zusammenhang aus der Tatsache,
dass in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorschriften für die Anhörung des
Kindes gelten. Problematisch
ist ferner, dass die Mitgliedstaaten den Begriff „Vollstreckung“ nicht
einheitlich auslegen, was dazu geführt hat, dass in den Mitgliedstaaten
unterschiedliche Vorschriften dafür existieren, für welche Entscheidungen über
die elterliche Verantwortung eine Vollstreckbarerklärung eingeholt werden muss.
Das hat wichtige Konsequenzen wie z. B. in Fällen, in denen eine Person
durch ein Gericht in einem Mitgliedstaat zum Vormund eines Kindes bestellt wird
und dieser Vormund in einem anderen Mitgliedstaat die Zustellung eines Passes
beantragt. In solchen Fällen sehen einige Mitgliedstaaten als Bedingung
lediglich die Anerkennung der Entscheidung über die Übertragung der
Vormundschaft vor, während andere davon ausgehen, dass die Ausstellung eines
Passes einen Vollstreckungsakt darstellt, für den eine Vollstreckbarerklärung
für die Entscheidung, mit der dieser Person die Vormundschaft übertragen wird,
vorgelegt werden muss, bevor der Pass ausgestellt werden kann. Zudem
sollte geprüft werden, inwiefern die Abschaffung des Exequaturverfahrens im
Einklang mit neuen europäischen Rechtsvorschriften auf andere
Entscheidungskategorien ausgedehnt werden kann.[50] In diesem
Zusammenhang sollte die Anwendung der derzeitigen Gründe für die Verweigerung
der Anerkennung und der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen geprüft werden, um
die notwendigen Garantien vorzusehen. Ferner könnte die Einführung gemeinsamer
verfahrensrechtlicher Mindestnormen, insbesondere in Bezug auf die Anhörung des
Kindes[51],
das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten fördern und damit die Anwendung
der Vorschriften für die Anerkennung und die Vollstreckbarkeit verbessern. 3. Zusammenarbeit zwischen
Zentralen Behörden Die
Verordnung enthält Vorschriften, die die Zusammenarbeit zwischen Zentralen
Behörden im Bereich der elterlichen Verantwortung regeln. Diese Zusammenarbeit
ist von wesentlicher Bedeutung für die wirksame Anwendung der Verordnung. So ist
es beispielsweise Aufgabe der Zentralen Behörden, Informationen über die
Situation des Kindes einzuholen und auszutauschen (z. B. in Verbindung mit
Verfahren, die das Sorgerecht oder die Rückgabe des Kindes betreffen), die
Träger der elterlichen Verantwortung, die die Anerkennung und Vollstreckung
einer Entscheidung erwirken wollen, zu unterstützen (insbesondere in Bezug auf
das Umgangsrecht und die Rückgabe des Kindes) und die Mediation zu erleichtern.
Zudem werden regelmäßig Zusammenkünfte der Zentralen Behörden im Rahmen des EJN
einberufen, um den Gedankenaustausch über ihre Praktiken zu führen, und es
finden Zusammenkünfte auf bilateraler Ebene zur Erörterung laufender Verfahren
statt.[52] Die
Zusammenarbeit der Zentralen Behörden und insbesondere die bilateralen
Diskussionen haben sich bei grenzüberschreitenden Fällen von Kindesentführung
bewährt. In Bezug auf solche Fälle wird im Stockholmer Programm ausdrücklich
festgestellt, dass – abgesehen von der wirksamen Umsetzung der in diesem
Bereich bestehenden Rechtsinstrumente – die Möglichkeit sondiert werden sollte,
die Mediation in Familiensachen auf internationaler Ebene anzuwenden, wobei
bewährte Verfahrensweisen in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden sollten.
Ausgehend davon wurde eine im Rahmen des EJN eingesetzte Arbeitsgruppe
beauftragt, Vorschläge für eine effiziente Nutzung der Mediation in
Familiensachen in Fällen von grenzüberschreitendenden Kindesentführungen durch
einen Elternteil zu unterbreiten.[53] Obwohl
die Bestimmungen zur Zusammenarbeit insgesamt gut funktionieren, werden sie als
nicht hinreichend spezifisch eingeschätzt. So verweisen Sachverständige
insbesondere auf Schwierigkeiten, die die Verpflichtung zur Einholung und zum
Austausch von Informationen über die Situation des Kindes betreffen.[54] Als
besonders problematisch werden die Auslegung dieser Bestimmung, die Tatsache,
dass Anträge auf Informationen nicht immer rechtzeitig bearbeitet werden, und
Fragen, die die Übersetzung der ausgetauschten Informationen betreffen,
bewertet. Zudem bestehen zwischen den Mitgliedstaaten deutliche Unterschiede im
Hinblick auf die Unterstützung, die Zentrale Behörden den Trägern der
elterlichen Verantwortung gewähren, die die Vollstreckung einer Entscheidung zum
Umgangsrecht erwirken wollen. Die
Effizienz der Bestimmungen zur Zusammenarbeit könnte durch die Berücksichtigung
anderer Instrumente des Familienrechts (insbesondere der Unterhaltsverordnung)
oder durch Erarbeitung von Leitlinien für die bewährte Verfahrenspraxis im
Einklang mit dem Leitfaden des EJN zur Prävention von Kindesentführung[55]
verbessert werden. Darüber hinaus wird die Kommission auch künftig zur
Vertrauensbildung zwischen den Mitgliedstaaten, einschließlich der für den
Kinderschutz zuständigen Organe der Mitgliedstaaten, beitragen, um das
Verständnis für grenzübergreifende Sachverhalte und die Akzeptanz von
Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten zu fördern. 4. Grenzüberschreitende
elterliche Kindesentführung: Erlass der Rückgabeanordnung Leben
beide Elternteile zusammen, so üben sie die elterliche Verantwortung für ihre
Kinder im Allgemeinen gemeinsam aus. Im Falle einer Trennung oder Scheidung
müssen die Eltern einvernehmlich entscheiden, wie sie ihre Verantwortung
künftig ausüben wollen, oder diese Entscheidung einem Gericht überlassen. Eine
der größten Gefahren, denen ein Kind in Fällen von Trennung oder Scheidung
ausgesetzt ist, besteht jedoch darin, dass es durch einen Elternteil in einen
anderen Staat als den, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, verbracht
wird. Die Auswirkungen einer Kindesentführung durch einen Elternteil auf das
Kind und den zurückgebliebenen Elternteil sind so schwerwiegend, dass sowohl
auf internationaler als auch europäischer Ebene Maßnahmen eingeleitet wurden. Eines
der Hauptziele der Verordnung besteht darin, Kindesentführungen zwischen
Mitgliedstaaten zu verhindern und das Kind vor deren negativen Auswirkungen zu
schützen, indem Verfahren zur unverzüglichen Rückgabe des Kindes an den
Mitgliedstaat vorgesehen werden, in dem das Kind unmittelbar vor der Entführung
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.[56]
Diesbezüglich stellt die Verordnung eine Ergänzung zum Haager Übereinkommen von
1980 dar, soweit darin einige Aspekte präzisiert werden, die insbesondere die
Anhörung des Kindes, die Frist, innerhalb deren nach Eingang eines Antrags auf
Rückgabe eine Entscheidung zu treffen ist, sowie die Gründe für die
Verweigerung der Rückgabe betreffen. Ferner wurden Bestimmungen aufgenommen,
die in verschiedenen Mitgliedstaaten ergangene und einander widersprechende
Entscheidungen über eine Verweigerung bzw. Anordnung der Rückgabe regeln. Der
EuGH und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte („EGMR“) haben in ihrer
Rechtsprechung zur internationalen Kindesentführung eine Reihe von Grundsätzen
festgelegt, bei denen das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Der EuGH bestätigte
den Grundsatz, demzufolge die Verordnung darauf hinwirkt, dass von
Kindesentführungen zwischen Mitgliedstaaten Abstand genommen wird und dass,
wenn es zu einer Entführung kommt, die Rückgabe des Kindes unverzüglich erwirkt
wird.[57]
Der EGMR befand[58],
dass die Mitgliedstaaten, sobald die widerrechtliche Verbringung eines Kindes
festgestellt wird, verpflichtet sind, angemessene und effektive Anstrengungen
zur Rückführung des Kindes zu unternehmen, und dass das Unterlassen derartiger
Anstrengungen eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens gemäß
Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten („EMRK“) darstellt.[59] In
der Verordnung ist geregelt, dass das Gericht, bei dem ein Antrag auf Rückgabe
eines Kindes eingegangen ist, seine Anordnung spätestens sechs Wochen nach
seiner Befassung mit dem Antrag erlässt. Die Gerichte der Mitgliedstaaten waren
nicht immer in der Lage, diese Frist einzuhalten.[60] Wie von
Sachverständigen bestätigt wurde, ist allerdings klar, dass an der
Sechswochenfrist, innerhalb deren eine Entscheidung zu erlassen ist,
festgehalten werden sollte, um zu signalisieren, welche Bedeutung der raschen
Rückführung eines Kindes beigemessen wird. Für
widersprüchliche Fälle, in denen das Gericht des Mitgliedstaats, in den das
Kind entführt wurde, eine Entscheidung erlässt, mit der die Rückgabe verweigert
wird, und das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats anschließend die Rückgabe
anordnet, ist in der Verordnung eine Regelung zugunsten des letztgenannten
Gerichts vorgesehen, um die Rückgabe des Kindes zu erwirken:[61] Wurde
für die Entscheidung durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine
Bescheinigung ausgestellt, unterliegt die Rückgabeanordnung der Abschaffung des
Exequaturverfahrens, d. h. sie wird in dem Mitgliedstaat, in den das Kind
entführt wurde, automatisch anerkannt und ist dort vollstreckbar, ohne dass es
einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass ihrer Anerkennung widersprochen
werden kann.[62]
Einer solchen Rückgabeanordnung muss keine endgültige Entscheidung über das
Sorgerecht für das Kind vorausgehen, da die Rückgabeanordnung ebenfalls der
Regelung der Frage des Sorgerechts für das Kind dient.[63] Das
Gericht des Ursprungsmitgliedstaats stellt nur dann eine Bescheinigung für die
Rückgabeanordnung aus, wenn das vorausgegangene Verfahren bestimmten
Verfahrensgarantien entsprach, vor allem wenn den Parteien und dem Kind die
Gelegenheit gegeben wurde, gehört zu werden.[64]
Aufgrund der unterschiedlichen Handhabung dieser Garantien durch die
Mitgliedstaaten, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Anhörung des Kindes,
können bei der Vollstreckung Schwierigkeiten auftreten. Ausgehend
davon wäre zu prüfen, ob die Aufnahme der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH
in die Verordnung die Anwendung der für den Erlass von Rückgabeanordnungen
geltenden Vorschriften erleichtern würde. Um die Wirksamkeit von
Rückgabeanordnungen zu verbessern, sollte zudem die Aufnahme gemeinsamer
Mindestnormen in Betracht gezogen werden. 5. Allgemeine
Vollstreckungsfragen Es
gibt eine Reihe von Vollstreckungsfragen, die in Fällen der elterlichen
Kindesentführung von übergreifender Bedeutung für die elterliche Verantwortung
sowie Rückgabeanordnungen sind. In
der Verordnung ist vorgesehen, dass die Vollstreckung einer von einem Gericht
eines anderen Mitgliedstaats erlassenen und im Vollstreckungsmitgliedstaat für
vollstreckbar erklärten Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat unter
denselben Bedingungen erfolgen muss, die für in diesem Mitgliedstaat ergangene
Entscheidungen gelten.[65] Da
für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats
maßgebend ist und Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften bestehen, treten bei der Vollstreckung von Entscheidungen im
Bereich der elterlichen Verantwortung Schwierigkeiten auf. Einige
einzelstaatliche Systeme sehen keine Sonderregelungen für die Vollstreckung von
familienrechtlichen Entscheidungen vor, und die Parteien sind gezwungen, auf
die für Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen üblichen Verfahren
zurückzugreifen, bei denen die Tatsache, dass im Bereich der elterlichen
Verantwortung lange Trennungen irreversible Auswirkungen haben, keine
Berücksichtigung findet.[66]
Die Anwendung unterschiedlicher Verfahren in den Mitgliedstaaten
(beispielsweise im Hinblick auf den Rechtsbehelf, mit dem die Wirkung einer
Entscheidung ausgesetzt wird) kann daher keine effektive und rasche
Vollstreckung von Entscheidungen garantieren. Was
insbesondere die Vollstreckung von Rückgabeanordnungen in Fällen elterlicher
Kindesentführung anbelangt, so ist in der Verordnung geregelt, dass eine vom
Gericht des Ursprungsmitgliedstaats erlassene bescheinigte Rückgabeanordnung im
Vollstreckungsmitgliedstaat unter denselben Bedingungen vollstreckt werden
muss, die für in diesem Mitgliedstaat ergangene Entscheidungen gelten, und dass
sie nicht vollstreckt werden darf, wenn sie mit einer später ergangenen
vollstreckbaren Entscheidung unvereinbar ist.[67] Der
EuGH hat die Position der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats in seiner
Rechtsprechung gestärkt. Gemäß dieser Rechtsprechung kann vor den Gerichten des
Vollstreckungsmitgliedstaats nicht gegen die Vollstreckung einer bescheinigten
Rückgabeanordnung vorgegangen werden, und die später ergangene vollstreckbare
Entscheidung kann sich nur auf eine Entscheidung des zuständigen Gerichts des
Ursprungsmitgliedstaats beziehen. Ferner dürfen lediglich die Gerichte des
Vollstreckungsmitgliedstaats ihre Zuständigkeit betreffende Rügen, Anträge auf
Aussetzung der Vollstreckung einer bescheinigten Rückgabeanordnung und eine
seit Erlassung der bescheinigten Rückgabeanordnung eingetretene Änderung der
Umstände, die das Wohl des Kindes schwerwiegend gefährden könnte, prüfen.[68]
Analog dazu kann sich das zuständige Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats
der Vollstreckung einer mit einer Bescheinigung versehenen Rückgabeanordnung
nicht mit der Begründung entgegenstellen, dass das Gericht des
Ursprungsmitgliedstaats gegen die für die Bescheinigung geltenden Bestimmungen
nach dessen mit Artikel 24 der Charta über die Rechte des Kindes konformer
Auslegung verstoßen habe, da für die Beurteilung der Frage, ob ein solcher
Verstoß vorliegt, ausschließlich die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats zuständig
sind.[69]
Das EGMR verwendet in seiner Rechtsprechung eine ähnliche Argumentation.[70] In
Verbindung mit der praktischen Vollstreckung von Rückgabeanordnungen sind noch
einige Hindernisse zu überwinden[71],
die sowohl die Vollstreckung einer Rückgabeanordnung auf dem Hoheitsgebiet des
Mitgliedstaats, in den das Kind entführt wurde und durch dessen Gericht die
Anordnung erlassen wurde,[72]
als auch die Vollstreckung einer bescheinigten Rückgabeanordnung in diesem
Mitgliedstaat, die durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats erlassen
wurde, betreffen. Da die Vollstreckungsverfahren dem Recht des
Vollstreckungsmitgliedstaats unterliegen, unterscheiden sich die
Vollstreckungsmaßnahmen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. In einigen
Mitgliedstaaten, deren Vollstreckungsgerichte eine erneute Prüfung in der Sache
selbst durchführen, können Vollstreckungsverfahren ein Jahr und länger dauern,[73]
obwohl Rückgabeanordnungen unverzüglich zu vollstrecken sind. Diesbezüglich
stellte der EuGH fest, dass auch wenn die Verordnung nicht die
Vereinheitlichung des materiellen Rechts und der Verfahrensregeln der
Mitgliedstaaten zum Gegenstand hat, gleichwohl die Anwendung dieser nationalen
Rechtsvorschriften ihre praktische Wirksamkeit nicht beeinträchtigen darf.[74]
Analog dazu betonte der EGMR, dass Verfahren in Bezug auf die Rückgabe eines
Kindes und die Vollstreckung einer endgültigen Entscheidung zügiges Handeln
erfordern, da eine lange Trennung irreparable Auswirkungen auf die Beziehungen
zwischen dem Kind und dem Elternteil, bei dem es nicht lebt, haben kann. Ob
eine Maßnahme angemessen ist, richtet sich also danach, wie rasch sie umgesetzt
werden kann.[75] Das
wichtigste politische Ziel der Union im Bereich des Zivilprozessrechts besteht
darin, dass die Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten kein Hindernis für die
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilsachen sein sollten. Mit Blick auf
eine wirksamere Anwendung der Verordnung, insbesondere im kritischen Bereich
der Rückführung von Kindern, wird die Kommission die Vollstreckung von Entscheidungen
in diesem Bereich auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Einführung
gemeinsamer Mindestnormen überprüfen. 6. Unterbringung des Kindes in einem anderen
Mitgliedstaat Artikel 56
der Richtlinie enthält spezifische Vorschriften für die Unterbringung des
Kindes in einem Heim oder in einer Pflegefamilie in einem anderen
Mitgliedstaat. Erwägt das Gericht eines Mitgliedstaats die Unterbringung des
Kindes in einem anderen Mitgliedstaat und ist in diesem Mitgliedstaat für die
innerstaatlichen Fälle der Unterbringung von Kindern die Einschaltung einer
Behörde vorgesehen, so ist vom Gericht die Zentrale Behörde oder eine andere
zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats zurate zu ziehen und vor dem Erlass
der Unterbringungsentscheidung die Zustimmung der zuständigen Behörde in diesem
Staat einzuholen. Derzeit unterliegen die Konsultations- und
Zustimmungsverfahren dem nationalen Recht des Aufnahmelandes, d. h. dass
voneinander abweichende interne Verfahren der Mitgliedstaaten zur Anwendung
kommen. Die Zentralen Behörden sind verpflichtet, Informationen und Hilfe zur
Verfügung zu stellen, wenn sie dazu aufgefordert werden.[76] Der
EuGH hat bestätigt, dass eine Unterbringungsentscheidung im aufnehmenden
Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt werden muss, bevor sie in diesem
Mitgliedstaat vollstreckt werden kann. Ein Grund, aus dem eine
Vollstreckbarerklärung für eine Entscheidung über die Unterbringung eines
Kindes in einem anderen Mitgliedstaat abgelehnt werden kann, ist die
Nichteinhaltung der Verfahren gemäß Artikel 56 der Verordnung[77], um
damit die Anordnung der Unterbringung im aufnehmenden Mitgliedstaat zu
verhindern. Der EuGH führte weiter aus, dass die Entscheidung über den Antrag
auf Vollstreckbarerklärung besonders schnell erfolgen muss und dass gegen eine
solche Entscheidung eingelegte Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben
dürfen, damit die Verordnung nicht ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt wird.[78]
Ungeachtet dieser Feststellungen wird die Anwendung des Exequaturverfahrens von
Sachverständigen im Hinblick auf die Bedürfnisse des Kindes als sehr
umständlich eingeschätzt. Denkbar
wäre es daher, zur Überwindung der genannten Probleme die Anwendung eines
gemeinsamen einheitlichen Verfahrens zu prüfen, das eine raschere und
effizientere Anwendung der Bestimmungen über die Unterbringung eines Kindes in
einem anderen Mitgliedstaat ermöglichen würde. Schlussfolgerung Die
Verordnung ist ein gut funktionierendes Instrument, das mit einem deutlichen
Nutzen für die Bürger verbunden ist. Sie vereinfacht die Beilegung der
wachsenden Zahl von grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, die Ehesachen
und die elterliche Verantwortung betreffen, mithilfe eines umfassenden Systems
an Zuständigkeitsvorschriften, eines effizienten Systems für die Zusammenarbeit
zwischen den Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten, von Regeln zur Vermeidung
von Parallelverfahren sowie zur Gewährleistung des freien Verkehrs von
Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen. Als besonders
nützlich gelten die Bestimmungen zur Rückgabe des Kindes, die das Haager
Übereinkommen von 1980 ergänzen und die der Verhinderung von elterlichen
Kindesentführungen zwischen Mitgliedstaaten dienen. Das
vorliegende Datenmaterial und erste Rückmeldungen von Sachverständigen deuten
jedoch darauf hin, dass die derzeit geltenden Vorschriften verbessert werden
könnten. Die Kommission plant die Einleitung einer weiteren politischen
Evaluierung der geltenden Vorschriften und ihrer Wirkungen für die Bürger, um
die im vorliegenden Bericht aufgezeigten Probleme umfassend zu untersuchen. Zu
diesem Zweck wird die Kommission zudem eine öffentliche Konsultation einleiten.
Auf der Grundlage der Evaluierung und der Antworten im Rahmen der öffentlichen
Konsultation wird die Kommission geeignete Maßnahmen ergreifen. Anhang Ein europäischer
Rahmen für das internationale Privatrecht: gegenwärtige Lücken und Perspektiven
für die Zukunft, Studie, 2012, verfasst von Prof. Dr.
Xandra Kramer (wissenschaftliche Leiterin), Michiel de Rooij, LL.M.
(Projektleiter), Dr. Vesna Lazić, Dr. Richard Blauwhoff und Lisette Frohn,
LL.M., abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/document/activities/cont/201212/20121219ATT58300/20121219ATT58300DE.pdf Parental
responsibility, child custody and visitation rights in cross-border separations
(Elterliche Verantwortung, Sorge- und Besuchsrecht), Studie, 2010, verfasst vom
Institut Suisse de droit comparé (ISDC), abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2010/425615/IPOL-PETI_ET(2010)425615_EN.pdf Grenzüberschreitende
Ausübung des Besuchsrechts, Studie, 2010, verfasst von Dr. Gabriela
Thoma-Twaroch, Vorsteherin des Bezirksgerichts Josefstadt, Wien, abrufbar
unter: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/note/join/2010/432735/IPOL-JURI_NT(2010)432735_DE.pdf Auslegung des in
EU-Instrumenten des internationalen Privatrechts und Verfahrensrechts
enthaltenen Ordre-public-Vorbehalts, Studie,
2010, verfasst von Prof. Burkhard Hess und Prof. Thomas Pfeiffer, Universität
Heidelberg, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2011/453189/IPOL-JURI_ET(2011)453189_DE.pdf Report Study on
Residual Jurisdiction (Studie zur Restzuständigkeit), 2007, verfasst von Prof.
A. Nuyts, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice_home/doc_centre/civil/studies/doc_civil_studies_en.htm
Comparative
study on enforcement procedures of family rights (Vergleichende Studie zu
Vollstreckungsverfahren im Bereich des Familienrechts), 2007, verfasst vom T.M.C.
ASSER Institut, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice_home/doc_centre/civil/studies/doc_civil_studies_en.htm Study to inform
a subsequent Impact Assessment on the Commission proposal on jurisdiction and
applicable law in divorce matters, 2006, erarbeitet vom European Policy
Evaluation Consortium (EPEC) - Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen -
Folgenabschätzung SEC(2006) 949. 2002 Evaluation on
practical problems resulting from the non-harmonisation of choice of Law rules
in Divorce Matters, verfasst vom T.M.C. ASSER Institut, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice_home/doc_centre/civil/studies/doc_civil_studies_en.htm [1] Im Jahr 2011 lebten 33,3 Millionen ausländische
Staatsangehörige in der EU-27, was 6,6 % der Gesamtbevölkerung entspricht.
Die Mehrheit davon, nämlich 20,5 Millionen, waren Staatsangehörige aus
Drittstaaten. Die restlichen 12,8 Millionen waren Angehörige anderer
EU-Mitgliedstaaten. Die Staatsangehörigkeit kann sich im Laufe eines Lebens
ändern; daher ist es sinnvoll, auch Daten zum Geburtsland heranzuziehen. 2011
lebten 48,9 Millionen im Ausland geborene Mitbürger in der EU-27, was 9,7 %
der Gesamtbevölkerung entspricht. Davon wurden 32,4 Millionen außerhalb
der EU und 16,5 Millionen in einem anderen EU-Mitgliedstaat geboren. (Statistik
kurz gefasst, 31/2012: „Fast zwei Drittel aller in den EU-Mitgliedstaaten
lebender Ausländer sind nicht Bürger der EU-Länder“, Eurostat). [2] Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai
2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche
Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABl. L 160
vom 30.6.2000, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2116/2004 des Rates
vom 2. Dezember 2004, ABl. L 367 vom 14.12.2004. [3] Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur
Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABl. L 338 vom 23.12.2003,
S. 1. [4] Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die
Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark
nicht an der Verordnung, die daher für Dänemark weder verbindlich noch diesem
Staat gegenüber anwendbar ist. Für die Zwecke dieses Berichts erstreckt sich
der Begriff „Mitgliedstaaten“ nicht auf Dänemark. [5] Das Übereinkommen gilt in allen Mitgliedstaaten. [6] Entscheidung des Rates vom 19. Dezember 2002 zur
Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Haager Übereinkommen von 1996 über die
Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen
zum Schutz von Kindern im Interesse der Gemeinschaft zu unterzeichnen,
ABl. L 48 vom 21.2.2003, S. 1. Das Übereinkommen gilt in allen
Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Belgien und Italien, die das Übereinkommen
unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben. [7] Die Verordnung gilt: i) wenn das Kind seinen
gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat und ii) im Hinblick auf die
Anerkennung und Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen
Entscheidung, selbst wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat
hat, der Vertragspartei des Übereinkommens ist; Artikel 61. [8] Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit
und Recht in der Europäischen Union, vom Europäischen Rat am 4./5. November 2004
angenommen. [9] Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der
Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in
Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht
in diesem Bereich (KOM(2006) 399 endgültig). [10] ABl. C 109 vom 16.4.2013, S. 7. [11] Vorschlag für einen Beschluss des Rates Nr. …/2010/EU
über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf
die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts
(KOM(2010) 104 endgültig - 2010/0066 (APP)); Vorschlag für eine Verordnung (EU)
des Rates zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf
die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts
(KOM(2010) 105 endgültig-2010/0067 (CNS)). [12] Beschluss des Rates vom 12. Juli 2010 über die
Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die
Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (2010/405/EU),
ABl. L 189 vom 22.7.2010, S. 12. Bei den 14 Mitgliedstaaten,
die eine Verstärkte Zusammenarbeit untereinander begründeten, handelt es sich
um Belgien, Bulgarien, Deutschland,
Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Malta, Österreich,
Portugal, Rumänien und Slowenien. [13] Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember
2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die
Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts,
ABl. L 343 vom 29.12.2010, S. 10. Die Verordnung Rom III
gilt seit 21. Juni 2012 in den ursprünglichen 14 Mitgliedstaaten. [14] Die Verordnung Rom III wird ab 22. Mai 2014 in
Litauen gelten (ABl. L 323 vom 22.11.2012, S. 18) und ab 29. Juli
2015 in Griechenland (ABl. L 23 vom 28.1.2014, S. 41). [15] In Artikel 65 ist festgelegt, dass die Kommission dem
Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss bis 1. Januar 2012 auf der Grundlage der von den
Mitgliedstaaten vorgelegten Informationen einen Bericht über die Anwendung der
Verordnung unterbreitet. [16] Insbesondere Diskussionen im Rahmen von EJN-Sitzungen und
die Antworten des EJN auf den Fragebogen der Kommission von 2013. Siehe dazu
auch den Leitfaden des EJN für bewährte Verfahrensweisen und gemeinsame
Mindeststandards, abrufbar unter: https://e-justice.europa.eu/content_parental_responsibility-46-de.do?init=true. [17] Siehe Anhang zu diesem Bericht. [18] KOM(2005) 82 endgültig. [19] Von den rund 122 Millionen Ehen in der Union weisen
etwa 16 Millionen (13 %) eine grenzüberschreitende Komponente auf. 2007
fielen rund 300 000 der 2,4 Millionen Eheschließungen in der Union
unter diese Kategorie und 140 000 (13 %) der 1 040 000 Ehen,
die im selben Jahr in der Union geschieden wurden (siehe Mitteilung der
Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen
Wirtschafts-und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Klärung der
Vermögensverhältnisse bei internationalen Paaren, KOM(2011) 125 endgültig).
Eurostat-Angaben aus dem Jahr 2010 zufolge werden jährlich über 2,2 Millionen
Ehen in der EU geschlossen und annähernd eine Million Ehen geschieden. [20] So sind beispielsweise Schwierigkeiten bei der Auslegung
der Zuständigkeitsregeln auf der Grundlage der „Staatsangehörigkeit [, die]
beide Ehegatten besitzen“ (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b)
aufgetreten, wenn beide Ehegatten die Staatsangehörigkeit derselben beiden
Mitgliedstaaten besitzen. Der EuGH stellte unter Hinweis auf die Wahl des
Gerichtsstands durch die Bürger, insbesondere, wenn sie ihr Recht auf
Freizügigkeit ausüben, fest, dass eine Auslegung dieser Bestimmung, der zufolge
nur eine „effektive“ Staatsangehörigkeit berücksichtigt werden kann, nicht
möglich ist. Die Gerichte der Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörigkeit die
Ehegatten besitzen, sind zuständig, und den Ehegatten steht die Wahl des Gerichts
des Mitgliedstaats, das mit dem Rechtsstreit befasst werden soll, frei;
Rechtssache C-168/08, Hadadi, Slg. 2009, I-6871, Randnummern 52,
53, 58. [21] Eines der Ziele des Vorschlags der Kommission von 2006 zur
Änderung der Verordnung bestand darin, durch die Einführung harmonisierter
Kollisionsnormen in allen Mitgliedstaaten den „Wettlauf zu den Gerichten“ zu
verhindern. Durch die Einführung harmonisierter Kollisionsnormen hätte sich die
Gefahr eines „Wettlaufs zu den Gerichten“ verringert, da jedes in der EU
angerufene Gericht das auf der Grundlage gemeinsamer Vorschriften bestimmte
Recht hätte anwenden müssen. Da die Verordnung Rom III über das auf die
Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht nicht
für alle Mitgliedstaaten gilt, bleibt der „Wettlauf zu den Gerichten“ als
Problem bestehen. [22] Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember
2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen,
ABl. L 7 vom 10.1.2009, S. 1 („Unterhaltsverordnung“). [23] Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das
anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und
die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur
Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl. L 201 vom 27.7.2012,
S. 107 („Erbrechtsverordnung“). [24] Vorschlag der Kommission von 2006 zur Änderung der
Verordnung, S. 5. [25] Vorschlag der Kommission von 2006 zur Änderung der
Verordnung, S. 8. Siehe auch Rechtssache C-68/07, Sundelind Lopez,
Slg. 2007, I-10403. [26] Vorschlag der Kommission betreffend die Zuständigkeit, das
anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im
Bereich des Ehegüterrechts, KOM(2011) 126 endgültig ( „Vorschlag der
Kommission im Bereich des Ehegüterrechts“); Unterhaltsverordnung;
Erbrechtsverordnung. [27] Jährlich werden in der EU-28 mehr als 5 Millionen
Kinder geboren (Eurostat-Statistiken 2004-2011). Der Anteil der unehelich
geborenen Kinder belief sich 2010 auf etwa 38,3 %, während dieser Anteil 1990
noch bei 17,4 % lag (Eurostat). [28] Der EuGH gab in der Rechtssache C-523/07, A.,
Slg. 2009, I-2805, und der Rechtssache C-497/10 PPU Mercredi,
Slg. 2010, I-14309, eine Orientierungshilfe zur Auslegung des Begriffs des
gewöhnlichen Aufenthalts. In Bezug auf die Artikel 8 und 10 befand der
Gerichtshof insbesondere, dass unter dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes der
Ort zu verstehen ist, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären
Integration des Kindes ist, und dass es Sache des nationalen Gerichts ist,
unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den
gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen. [29] Die Auslegung der letztgenannten Bedingung wurde durch den
EuGH in der Rechtssache C-211/10 PPU, Povse, Slg. 2010, I-6673
präzisiert. Der EuGH stellte fest, dass eine von dem Gericht des
Ursprungsmitgliedstaats erlassene vorläufige Regelung keine
„Sorgerechtsentscheidung …, in der die Rückgabe des Kindes nicht angeordnet
wird“ darstellt und daher nicht zu einer Übertragung der Zuständigkeit auf die
Gerichte des Mitgliedstaats führen kann, in den das Kind widerrechtlich
verbracht wurde. Würde nämlich eine vorläufige Entscheidung zum Verlust der
Zuständigkeit für die Frage der Sorge für das Kind führen, könnte dies das
zuständige Gericht des Mitgliedstaats des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts
des Kindes von der Erlassung einer solchen vorläufigen Entscheidung abhalten,
selbst wenn diese im Interesse des Kindes wäre (Randnummern 47 und 50). [30] Insbesondere im Rahmen von Artikel 12 Absatz 3. [31] Rechtssache C-403/09 PPU, Detiček,
Slg. 2009, I-12193. [32] Bezug nehmend auf diese Regel stellte der EuGH in der
Rechtssache C-497/10 PPU, Mercredi, Slg. 2010, I-14309 fest, dass
die Entscheidungen eines Gerichts eines Mitgliedstaats, mit denen ein Antrag
auf sofortige Rückführung eines Kindes in den Zuständigkeitsbereich eines
Gerichts eines anderen Mitgliedstaats nach dem Haager Übereinkommen von 1980
abgelehnt wird und die die elterliche Verantwortung für dieses Kind betreffen,
keine Auswirkungen auf die Entscheidungen haben, die in dem anderen
Mitgliedstaat in zuvor eingeleiteten und dort noch anhängigen Verfahren
bezüglich der elterlichen Verantwortung zu treffen sind. [33] Rechtssache C-296/10, Purrucker II, Slg. 2010,
I-11163. [34] Siehe den Vorschlag der Kommission von 2006 zur Änderung
der Verordnung, das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen SEK(2006) 949
– Folgenabschätzung sowie die im Anhang zu diesem Bericht genannte Studie zur
Restzuständigkeit. [35] Aus der im Anhang zu diesem Bericht genannten Studie zur
Restzuständigkeit geht hervor, dass die Zuständigkeitsvorschriften der
Mitgliedstaaten große Unterschiede aufweisen. Der wichtigste Unterschied
besteht darin, dass in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten die
Staatsangehörigkeit des Kindes (oder eines Elternteils, dessen Staatsangehörigkeit
oftmals mit der des Kindes übereinstimmt) ausreicht, um die Zuständigkeit des
Mitgliedstaats dieser Staatsangehörigkeit zu begründen, während dies in der
anderen Hälfte nicht der Fall ist. Obwohl in einigen dieser zuletzt genannten
Staaten andere Restzuständigkeitsregeln unter bestimmten Bedingungen die
Anrufung eines Gerichts in der EU zulassen, gibt es dafür keine Garantie. [36] Das könnte beispielsweise im Fall von Ehesachen passieren,
wenn die Ehegatten in einem Drittstaat leben, in dem sich die Zuständigkeit
ausschließlich nach der Staatsangehörigkeit der Ehegatten richtet, oder wenn
die Ehegatten in verschiedenen Drittstaaten leben und der Aufenthalt nur eines
Ehegatten nicht für eine Begründung der Zuständigkeit ausreicht und am letzten gewöhnlichen
Aufenthaltsort des Ehegatten keine Zuständigkeit gegeben ist. Als praktisches
Beispiel mag der tatsächliche Fall eines italienischen Staatsbürgers und seiner
niederländischen Ehefrau dienen, die in einem afrikanischen Land die Ehe
geschlossen und einige Jahre dort gelebt haben, und über den in der im Anhang
zum vorliegenden Bericht genannten Studie über einen europäischen Rahmen für
das internationale Privatrecht berichtet wird. Die Frau, eine Diplomatin, ist
aus beruflichen Gründen gemeinsam mit ihrem Ehemann in ein asiatisches Land
gezogen. Als das Paar sich scheiden lassen wollte, erwies sich dies in dem
asiatischen Staat, in dem sie ihren Wohnsitz hatten, als unmöglich. Nach den
niederländischen oder italienischen Vorschriften zur Restzuständigkeit in
Scheidungsfällen war ebenfalls keine Rechtsprechung möglich. Unter den
gegebenen Umständen wäre nach der Verordnung nur dann das Gericht eines
Mitgliedstaats zuständig gewesen, wenn beide Ehegatten die Staatsangehörigkeit
desselben Mitgliedstaats gehabt hätten. [37] Siehe Studie zur Restzuständigkeit, die im Anhang zu
diesem Bericht genannt wird. [38] Zuständigkeitsregel, nach der ein Gericht eines
Mitgliedstaats in Ausnahmefällen über einen Fall entscheiden kann, der einen
Bezug zu einem Drittstaat aufweist, um insbesondere Fällen von
Rechtsverweigerung zu begegnen, z. B. wenn ein Verfahren sich in dem
betreffenden Drittstaat als unmöglich erweist (beispielsweise aufgrund eines
Bürgerkriegs); siehe Unterhaltsverordnung Erwägungsgrund 16. Traditionell
wird der Standpunkt vertreten, u. a. auch in Parlamentsdebatten in einigen
Mitgliedstaaten, dass diese Notzuständigkeit auf dem Recht auf ein faires
Verfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen
Menschenrechtskonvention beruht oder sogar von diesem Artikel vorgeschrieben
wird – Studie zur Restzuständigkeit, S. 64. [39] Entschließung P7_TA(2010)0477, Nummer 3. [40] Insbesondere im Hinblick auf die elterliche Verantwortung
im Fall von Verfahren in Drittstaaten, die nicht Vertragspartei des Haager
Übereinkommens von 1996 sind. Siehe Studie zur Restzuständigkeit, die im Anhang zu diesem Bericht
genannt wird. [41] Verordnung (EG) des Rates Nr. 44/2001 vom 22. Dezember
2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung
von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 012 vom 16.1.2001,
S. 1. [42] Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (Neufassung), ABl. L 351vom 20.12.2012, S. 1
(„Neufassung der Verordnung Brüssel I“). [43] Unterhaltsverordnung; Vorschlag der Kommission von 2006
zur Änderung der Verordnung; Vorschlag der Kommission im Bereich des
Ehegüterrechts; Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die
Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung
von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften
(KOM(2010)127 endgültig); Erbrechtsverordnung; Neufassung der Verordnung
Brüssel I. [44] In der Verordnung ist vorgesehen, dass öffentliche
Urkunden und Vereinbarungen unter denselben Bedingungen wie Entscheidungen für
vollstreckbar erklärt werden müssen, wenn sie im Ursprungsmitgliedstaat
vollstreckbar sind. Die Tatsache, dass in Bescheinigungen, die im
Exequaturverfahren verwendet werden, lediglich von „Entscheidungen“ die Rede
ist, hat in der Vergangenheit zu Problemen geführt. [45] Stockholmer Programm (Ratsdokument Nr. 17024/09 JAI 896),
Ziffern 3.1.2 und 3.3.2. [46] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament,
den Rat und den Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ein Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas, Aktionsplan zur Umsetzung des
Stockholmer Programms, 20. April 2010, KOM(2010) 171 endgültig,
S. 10, 12, 23. [47] In der Rechtssache C-195/08 PPU, Rinau,
Slg. 2008, I-5271 stellte der EuGH klar, dass außer im Falle von
Entscheidungen, für die eine Bescheinigung ausgestellt werden muss und die von
der Abschaffung des Exequaturverfahrens profitieren, jede Partei selbst dann
die Nichtanerkennung einer Entscheidung beantragen kann, wenn zuvor kein Antrag
auf Anerkennung einer Entscheidung gestellt wurde. In der Rechtssache C-256/09,
Purrucker I, Slg. 2010, I-7353 bestätigte der EuGH, dass sich die
Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nicht auf
einstweilige Anordnungen über das Sorgerecht erstrecken, die in den
Geltungsbereich von Artikel 20 fallen. [48] Studie über die Auslegung des Ordre-public-Vorbehalts, die
im Anhang zu diesem Bericht genannt wird. [49] Weitere häufig angeführte Gründe für die Nichtanerkennung
von Entscheidungen waren die Zustellung von Schriftstücken, wenn die
Entscheidung in Versäumnisverfahren erging, die Nichteinhaltung des in der
Verordnung für die Unterbringung eines Kindes in einem anderen Mitgliedstaat
vorgesehenen Verfahrens und die Tatsache, dass eine Entscheidung erlassen
wurde, ohne dass der betroffene Elternteil die Möglichkeit hatte, gehört zu
werden. Dies sind wichtige Überlegungen, die das in Artikel 47 der Charta
garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches
Gericht betreffen. [50] Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines
europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen;
Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen
Mahnverfahrens; Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines
europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen; Unterhaltsverordnung;
Neufassung der Verordnung Brüssel I. [51] Siehe beispielsweise auch Überlegungen zur Einführung
gemeinsamer Mindeststandards für die Zustellung von Schriftstücken – Bericht
der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen
Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG)
Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die
Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder
Handelssachen in den Mitgliedstaaten. [52] Seit 2010 wurden 155 Fälle im Rahmen von bilateralen
Zusammenkünften erörtert. [53] Siehe Ratsdokument 16121/10, JUSTCIV 194 vom 12. November
2010, Schlussfolgerungen des vom belgischen Ratsvorsitz organisierten
ministeriellen Seminars über die Mediation in Familiensachen auf
internationaler Ebene in Fällen von grenzüberschreitenden Kindesentführungen,
abrufbar unter: http://register.consilium.europa.eu. [54] Artikel 55 Buchstabe a. [55] EJN-Leitfaden für bewährte Verfahrensweisen und gemeinsame
Mindeststandards: https://e-justice.europa.eu/content_parental_responsibility-46-de.do?init=true.
[56] Im Jahr 2008 wurden innerhalb der EU 706 Anträge
auf Rückgabe gestellt. Statistischen Angaben zufolge belief sich die
Rückgaberate innerhalb der EU 2008 auf insgesamt 52 %, während sie 39 %
betrug, wenn es sich bei dem ersuchenden Staat um einen Drittstaat handelte:
Statistische Analyse der 2008 im Rahmen des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober
1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung
gestellten Anträge — Teil II ― Regionaler Bericht,
Preliminärdokument Nr. 8 B ― aktualisierte Fassung von
November 2011 für den Sonderausschuss vom Juni 2011, abrufbar unter:
http://www.hcch.net. [57] Rechtssache C-195/08 PPU, Rinau, Slg. 2008,
I-05271, Randnummer 52. [58] Siehe z. B. Rechtssachen Šneersone und Kampanella
gegen Italien (Beschwerdenummer 14737/09), Randnummer 85
Absatz iv; Iglesias Gil
und A.U.I. gegen Spanien
(Beschwerdenummer 56673/00); Ignaccolo-Zenide gegen Rumänien
(Beschwerdenummer 31679/96), Maire gegen Portugal (Beschwerdenummer 48206/99); PP gegen Polen (Beschwerdenummer 8677/03)
und Raw gegen Frankreich (Beschwerdenummer 10131/11). [59] Der EGMR stellte in einigen Fällen zudem fest, dass die
Rückgabe eines Kindes einen Verstoß gegen Artikel 8 EMRK darstellen kann,
und zwar insbesondere dann, wenn das ersuchte Gericht nach Auffassung des EGMR
das Ausmaß der Schwierigkeiten, mit denen das Kind bei seiner Rückkehr in
seinen Ursprungsstaat konfrontiert wäre, nicht ausreichend berücksichtigt hat,
wenn das ersuchte Gericht nicht in der Lage gewesen sein kann, in Kenntnis
sämtlicher Umstände zu entscheiden, ob eine Gefahr im Sinne von Artikel 13
Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 besteht, oder das ersuchte
Gericht versäumt hat, die Behauptungen des Antragstellers gemäß Artikel 13
Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 wirksam zu prüfen. Siehe
z. B. Rechtssachen Šneersone und Kampanella gegen Italien
(Beschwerdenummer 14737/09), Randnummer 95; B gegen Belgien
(Beschwerdenummer 4320/11), Randnummer 76; X gegen Lettland (Beschwerdenummer 27853/09),
Randnummer 119. [60] Im Jahr 2008 konnten 15 % der an einen anderen
Mitgliedstaat gerichteten Anträge innerhalb von sechs Wochen entschieden
werden: Siehe Statistische Analyse, auf die in Fußnote 56 verwiesen wird. [61] Artikel 11 Absatz 8 und Artikel 42. [62] Da die Verordnung auf eine rasche Rückführung des Kindes
abzielt, sind gegen die Ausstellung einer Bescheinigung für die
Rückgabeanordnung durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats keine
Rechtsbehelfe möglich, und gegen die Bescheinigung kann nur mit einer Klage auf
Berichtigung oder der Geltendmachung von Zweifeln an ihrer Echtheit nach dem
Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorgegangen werden; Artikel 43
Absatz 2 und Rechtssache C-211/10 PPU Povse, Slg. 2010,
I-06673, Randnummer 73. [63] Rechtssache C-211/10 PPU, Povse, Slg. 2010,
I-6673, Randnummer 53. Gemäß Rechtssache C-195/08 PPU, Rinau, Slg. 2008, I-5271,
ist es, sobald eine Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes verweigert
wird, ergangen und dem Gericht des Ursprungsmitgliedstaats zur Kenntnis
gebracht worden ist, für die Ausstellung der Bescheinigung durch das Gericht
ohne Bedeutung, ob diese Entscheidung nicht rechtskräftig geworden oder
aufgehoben worden ist, sofern das Kind nicht tatsächlich zurückgegeben wurde. [64] Ähnliche Garantien gelten für bescheinigte Entscheidungen,
die das Umgangsrecht betreffen. [65] Artikel 47. [66] Siehe die im Anhang zu diesem Bericht genannte
vergleichende Studie zu Vollstreckungsverfahren im Bereich des Familienrechts. [67] Dieselben Vollstreckungsvorschriften gelten im Hinblick
auf bescheinigte Entscheidungen, die das Umgangsrecht betreffen; Artikel 47. [68] Rechtssache C-211/10 PPU, Povse, Slg. 2010,
I-6673, Randnummern 74-83. [69] Rechtssache C-491/10, Zarraga, Slg. 2010,
I-14247. [70] Rechtssache Povse gegen Österreich
(Beschwerdenummer 3890/11), Randnummern 81-82. [71] Die von Bürgern vorgebrachten Beschwerden beziehen sich
zumeist auf schwerfällige Vollstreckungsverfahren, langwierige
Gerichtsverfahren und unterschiedliche Praktiken der einzelstaatlichen
Behörden. [72] Siehe z. B. Rechtssachen des EGMR PP gegen Polen
(Beschwerdenummer 8677/03); Shaw gegen Ungarn (Beschwerdenummer 6457/09);
Raw und andere gegen Frankreich (Beschwerdenummer 10131/11). [73] So ist es gemäß der in einigen Mitgliedstaaten geltenden
Vollstreckungsvorschriften gestattet, Rechtsmittel gegen Vollstreckungsbescheide
einzulegen. [74] Rechtssache C-195/08 PPU, Rinau, Slg. 2008,
I-5271, Randnummer 82. [75] Siehe z. B. Shaw gegen Ungarn (Beschwerdenummer 6457/09)
und Raw und andere gegen Frankreich (Beschwerdenummer 10131/11). [76] Artikel 55 Buchstabe d. [77] Artikel 31 Absatz 2 und Artikel 23
Buchstabe g. [78] Rechtssache C-92/12 PPU, Health Service
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