52014DC0176

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit /* COM/2014/0176 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

über die Anwendung der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit

1.           Einleitung

1.1.        Die Richtlinie

Die Richtlinie 2008/104/EG[1] über Leiharbeit („die Richtlinie“) wurde vom Europäischen Parlament und dem Rat gemäß Artikel 137 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 153 Absatz 2 AEUV) erlassen.

Ihr Ziel besteht darin, für den Schutz der Leiharbeiter zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern, indem die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern gesichert wird und die Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber anerkannt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein angemesssener Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden muss, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen.

Die Richtlinie leistet insbesondere Folgendes:

Sie begründet den Grundsatz der Gleichbehandlung in den entleihenden Unternehmen, wobei unter strengen Bedingungen bestimmte begrenzte Ausnahmen zugelassen werden; sie sieht während der Umsetzungsphase eine Überprüfung der Einschränkungen und Verbote des Einsatzes von Leiharbeit durch die Mitgliedstaaten vor; sie verbessert den Zugang der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung, Gemeinschaftseinrichtungen in den entleihenden Unternehmen und Fort- und Weiterbildungsangeboten; sie enthält Bestimmungen zur Vertretung der Leiharbeitnehmer.

Die Dienstleistungen von Leiharbeitsunternehmen sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG[2] über Dienstleistungen im Binnenmarkt ausgenommen. So ist in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe e dieser Richtlinie festgelegt, dass sie auf Dienstleistungen von Leiharbeitsagenturen keine Anwendung findet.

1.2.        Rechtsgrundlage und Zweck des Berichts

In diesem Bericht wird die Anwendung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 12 der Richtlinie überprüft. Dort heißt es:

„Die Kommission überprüft im Benehmen mit den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene die Anwendung dieser Richtlinie bis zum 5. Dezember 2013, um erforderlichenfalls die notwendigen Änderungen vorzuschlagen.“

Der Bericht verfolgt zwei Ziele. Er gibt erstens einen Überblick darüber, wie die Mitgliedstaaten die Richtlinie umgesetzt haben, und weist auf wichtige Probleme hin. Eine erschöpfende Darstellung aller nationalen Umsetzungsmaßnahmen liegt jedoch außerhalb seiner Möglichkeiten.[3] Zweitens prüft er, ob die in den zwei Jahren seit Ablauf der Umsetzungsfrist gesammelten Erfahrungen bei der Anwendung der Richtlinie etwaige Änderungen am derzeit geltenden Text rechtfertigen.

Der Bericht stützt sich auf die von der Kommission durchgeführte Prüfung der Vorschriften, mit denen die Mitgliedstaaten die Richtlinie umgesetzt haben. Er stützt sich außerdem auf die Antworten, die der Kommission auf zwei von ihr versandte Fragebögen übermittelt wurden; der erste Fragebogen befasste sich mit den für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht gewählten Optionen, der andere mit der Überprüfung der Richtlinie und Kostenaspekten.

Die Mitgliedstaaten erhielten beide Fragebögen. Der zweite Fragebogen wurde außerdem an die Sozialpartner auf europäischer Ebene verschickt. Die aus Sachverständigen der Regierungen gebildete Expertengruppe zur Umsetzung der Richtlinie, in deren Tätigkeit auch die europäischen Sozialpartner einbezogen waren, leistete ebenfalls einen Beitrag zu diesem Bericht. Der Bericht berücksichtigt ferner Informationen, die der Kommission von anderen Quellen zur Verfügung gestellt wurden, zum Beispiel die unabhängigen Expertenberichte des Europäischen Netzwerks für Arbeitsrecht (European Labour Law Network).  

Teil 5 des Berichts stützt sich in erheblichem Umfang auf die Berichte der Mitgliedstaaten über die Ergebnisse der Überprüfung der Einschränkungen und Verbote des Einsatzes von Leiharbeit sowie auf die ergänzenden Informationen, die von einigen Ländern auf Ersuchen der Kommission bereitgestellt wurden. Weitere verfügbare Quellen, darunter insbesondere der Kommission vorliegende Beschwerden und Informationen der europäischen Sozialpartner, wurden ebenfalls berücksichtigt.

2.           Umsetzungsprozess

Gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richtlinie bis zum 5. Dezember 2011 in nationales Recht umzusetzen, und zwar entweder durch Erlass und Veröffentlichung der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder durch Sicherstellung, dass die Sozialpartner die erforderlichen Vorschriften im Wege von Vereinbarungen festlegen.

Alle Mitgliedstaaten haben die Richtlinie umgesetzt. In einer Reihe von Fällen erfolgte die Umsetzung jedoch verspätet und erst nachdem die Kommission Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte. Anfang 2012 übersandte die Kommission Aufforderungsschreiben wegen Nichtübermittlung der Umsetzungsmaßnahmen an 15 Mitgliedstaaten. Später in demselben Jahr wurden mit Gründen versehene Stellungnahmen an drei Mitgliedstaaten übermittelt. In dem Mitgliedstaat, der die Richtlinie als letztes umsetzte, traten die Durchführungsvorschriften am 1. Juli 2013 in Kraft.

Die Umsetzung erfolgte auf unterschiedliche Weise. Dies hängt damit zusammen, dass Leiharbeit in einigen Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten der Richtlinie gesetzlich geregelt war und in anderen hauptsächlich durch Tarifverträge oder durch eine Kombination aus beidem. In einigen Mitgliedstaaten existierte kein Rechtsrahmen für Leiharbeit, so dass diese Form der Arbeit mit der Umsetzung der Richtlinie erstmals geregelt wurde. Manche Mitgliedstaaten haben einen einzigen Rechtsakt geändert, andere mussten mehrere Rechtstexte überarbeiten.

Drei Mitgliedstaaten (Frankreich, Luxemburg und Polen) waren der Auffassung, dass ihre nationalen Bestimmungen bereits in Einklang mit der Richtlinie stünden und sie somit keine weiteren Änderungen nach Inkrafttreten der Richtlinie erforderten. 

3.           Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Artikel 1 und 3)

3.1.        Anwendung der Richtlinie auf entleihende Unternehmen, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (Artikel 1 Absatz 2)

Nach Artikel 1 Absatz 2 gilt die Richtlinie für öffentliche und private Unternehmen, bei denen es sich um Leiharbeitsunternehmen oder entleihende Unternehmen handelt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht.

Leiharbeitsunternehmen erfüllen in der Regel die Bedingung der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Manche Tätigkeiten entleihender Unternehmen, zum Beispiel solche, die von Teilen des öffentlichen Sektors ausgeübt werden, können jedoch nicht als wirtschaftliche Tätigkeit betrachtet werden.[4] Die Mitgliedstaaten können entleihende Unternehmen, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen. Dennoch wenden 19 Mitgliedstaaten die Richtlinie auch auf entleihende Unternehmen an, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Bulgarien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Rumänien, das Vereinigte Königreich und Zypern haben hingegen beschlossen, solche Unternehmen vom Anwendungsbereich ihrer Umsetzungsvorschriften auszunehmen. 

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint die Umsetzung dieser Bestimmung keine besonderen Probleme aufzuwerfen.

3.2.        Ausnahmeregelung für spezifische öffentliche oder von öffentlichen Stellen geförderte berufliche Ausbildungs-, Eingliederungs- und Umschulungsprogramme (Artikel 1 Absatz 3)

Nach Artikel 1 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner vorsehen, dass Beschäftigungsverhältnisse, die im Rahmen eines spezifischen öffentlichen oder von öffentlichen Stellen geförderten beruflichen Ausbildungs-, Eingliederungs- und Umschulungsprogramms geschlossen wurden, vom Anwendungsbereich ihrer Umsetzungsmaßnahmen ausgeschlossen sind.

Eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten schließt die oben genannten Beschäftigungsverhältnisse nicht von ihren nationalen Umsetzungsbestimmungen aus.

Dänemark, Irland, Malta, Österreich, Schweden, Ungarn und Zypern machen von der Ausnahmeregelung Gebrauch. In Zypern und Irland soll dies die Integration oder Reintegration bestimmter Personengruppen fördern, deren Eingliederung oder Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt möglicherweise schwierig ist. In Schweden sind Arbeitnehmer, die im Rahmen einer speziellen Beschäftigungsförderung unterstützt werden oder in geschützter Beschäftigung tätig sind, ausgenommen, allerdings nur, was den Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft. Bestimmungen, die den Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten und Informationen über offene Stellen in entleihenden Unternehmen betreffen, sind für diese Beschäftigtengruppe weiterhin gültig.

Die Kommission ist auf keine besonderen Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Ausnahmeregelung oder auf Probleme im Zusammenhang mit der Übereinstimmung der nationalen Umsetzungsmaßnahmen mit der Richtlinie hingewiesen worden.

3.3.        Begriffsbestimmungen (Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a bis e)

In Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a bis e sind einige der zentralen Begriffe der Richtlinie definiert, darunter: „Arbeitnehmer“, „Leiharbeitsunternehmen“, „Leiharbeitnehmer“, „entleihendes Unternehmen“ und „Überlassung“.

Mehrere Mitgliedstaaten (Griechenland, Irland, Italien, Litauen, Malta, Portugal, Schweden, Ungarn, das Vereinigte Königreich und Zypern) haben zumindest einige dieser Begriffe in ihre die Richtlinie umsetzenden Rechtsvorschriften übernommen und dabei Formulierungen verwendet, die denen in der Rechtlinie in den meisten Fällen sehr ähnlich sind. Dadurch wird der Anwendungsbereich der nationalen Umsetzungsmaßnahmen sinnvoll erläutert. Andere Mitgliedstaaten haben keine solchen Begriffsbestimmungen vorgenommen.

In Lettland heißt es in den Umsetzungsvorschriften explizit, dass das Leiharbeitsunternehmen als der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers betrachtet wird. Dies stellt eine nützliche Erläuterung im Einklang mit den Begriffsbestimmungen in Artikel 3 Absatz 1 dar, denen zufolge ein Leiharbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis mit einem Leiharbeitsunternehmen eingegangen ist, um einem entleihenden Unternehmen überlassen zu werden und dort unter dessen Aufsicht und Leitung vorübergehend zu arbeiten.

4.           Grundsatz der Gleichbehandlung

4.1.        Gleichbehandlung in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe f, Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 und Artikel 5 Absatz 1)

Artikel 5 Absatz 1 legt den Grundsatz der Gleichbehandlung in den entleihenden Unternehmen fest. Diesem Grundsatz zufolge müssen die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer vom ersten Tag ihrer Überlassung an denjenigen Bedingungen entsprechen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Diese Bedingungen umfassen das Arbeitsentgelt, die Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub und arbeitsfreie Tage. Sie müssen, soweit es sich um in dem entleihenden Unternehmen geltende verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art handelt, auf Leiharbeiter angewendet werden. Die Bedingungen müssen außerdem mit den Regeln übereinstimmen, die in dem entleihenden Unternehmen in Bezug auf den Schutz schwangerer und stillender Frauen und den Kinder- und Jugendschutz sowie in Bezug auf die Gleichbehandlung von Männern und Frauen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung gelten.[5]

Bestimmte Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz sind zulässig. Die Richtlinie legt dafür jedoch, wie im Folgenden erläutert, strenge Bedingungen fest.

In einer Reihe von Mitgliedstaaten wurde der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie angewendet. Derzeit wird der Grundsatz von allen Mitgliedstaaten anerkannt. Allerdings lassen 12 Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen von diesem Grundsatz zu. Die meisten Mitgliedstaaten haben sich darüber hinaus für Formulierungen entschieden, die in unterschiedlichem Maße von den in der Richtlinie verwendeten Begriffen abweichen; dies betrifft insbesondere die Umsetzung von Artikel 5 Absatz 1, Unterabsatz 1, in dem der Grundsatz der Gleichbehandlung definiert ist, und von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe f, in dem die Reichweite des Begriffs der „wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ festgelegt ist.

In Estland zum Beispiel beruht die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf dem Begriff des „vergleichbaren Arbeitnehmers“ im entleihenden Unternehmen. Wenn es keinen vergleichbaren Arbeitnehmer gibt, sollte der Vergleich unter Bezugnahme auf den geltenden Tarifvertrag erfolgen. Wenn es keinen Tarifvertrag gibt, wird ein Arbeitnehmer, der die gleiche oder eine ähnliche Arbeit in derselben Region verrichtet, als „vergleichbarer Arbeitnehmer“ betrachtet. In Polen und dem Vereinigten Königreich werden die für Leiharbeitnehmer geltenden Bedingungen offenbar ebenfalls unter Bezugnahme auf vergleichbare Arbeitnehmer im entleihenden Unternehmen festgelegt.

Die Kommission wird überwachen, ob durch eine solche Bezugnahme auf einen vergleichbaren Arbeitnehmer die korrekte Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Praxis sichergestellt ist oder ob sie zu diskriminierenden Praktiken gegenüber Leiharbeitnehmern führen kann. Gegebenenfalls wird sie geeignete Maßnahmen ergreifen, um die vollständige Einhaltung der Richtlinie zu gewährleisten.

Die Kommission wird außerdem sicherstellen, dass der Begriff der „wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ in allen Mitgliedstaaten korrekt umgesetzt wird. Dieser Begriff umfasst neben dem Arbeitsentgelt die Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub und arbeitsfreie Tage. Hierbei handelt es sich um eine verbindliche Auflistung, von der keine Ausnahmen zulässig sind.

4.2.        Mögliche Ausnahmeregelungen

4.2.1      Ausnahmebestimmung gemäß Artikel 5 Absatz 2

Gemäß Artikel 5 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner die Möglichkeit vorsehen, dass vom Grundsatz des gleichen Entgelts abgewichen wird, wenn Leiharbeitnehmer, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen abgeschlossen haben, auch in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden. Eine Mehrheit von Mitgliedstaaten macht von dieser Ausnahmebestimmung keinen Gebrauch.

Irland, Malta, Schweden, Ungarn und das Vereinigte Königreich sehen jedoch vor, dass für Leiharbeitnehmer mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag vom Grundsatz des gleichen Entgelts abgewichen werden kann, wenn sie auch in der Zeit zwischen den Überlassungen, das heißt, in der Zeit, in der sie keine Beschäftigung haben, bezahlt werden.

In Ungarn haben nach dem Arbeitsgesetzbuch Leiharbeitnehmer, auf die diese Bedingungen zutreffen, ab dem 184. Tag ihrer Beschäftigung bei einem entleihenden Unternehmen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zahlung von Lohn und anderen Leistungen.

In Irland legt das Gesetz zum Arbeitnehmerschutz (Leiharbeit) von 2012 fest, dass Leiharbeitnehmer mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf gleiches Entgelt für die Dauer ihrer Überlassung haben, wenn sie in der Zeit zwischen den Überlassungen mindestens die Hälfte des bei der letzten Überlassung gezahlten Entgelts und nicht weniger als den nationalen Mindestlohn erhalten. Bevor ein Leiharbeitnehmer/ eine Leiharbeitnehmerin einen Arbeitsvertrag abschließt, muss das Leiharbeitsunternehmen ihm/ihr schriftlich mitteilen, dass kein Anspruch auf gleiches Entgelt besteht.

Ähnliche Bestimmungen gelten im Vereinigten Königreich, wo die 2010 erlassenen Regelungen für Leiharbeitnehmer (Agency Workers Regulations 2010) vorsehen, dass Leiharbeitnehmer, die die Bedingungen von Artikel 5 Absatz 2 erfüllen, vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt und das Urlaubsgeld ausgenommen sind. In der Zeit zwischen den Überlassungen haben die Leiharbeitnehmer Anspruch auf mindestens 50 % des ihnen in den letzten 12 Wochen der vorigen Überlassung gezahlten Grundentgelts und in jedem Fall auf den nationalen Mindestlohn. In dem Arbeitsvertrag muss vermerkt sein, dass der Leiharbeitnehmer keinen Anspruch auf gleiches Entgelt hat.  

In Malta legen die 2010 erlassenen Regelungen zu Leiharbeitnehmern fest, dass das Gebot der gleichen Bezahlung nicht für Leiharbeitnehmer gilt, die einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben und in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden.

Gemäß den die Richtlinie umsetzenden Rechtsvorschriften in Schweden gilt das Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich des Entgelts nicht für Arbeitnehmer, die unbefristet bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt sind und zwischen den Überlassungen bezahlt werden.

Die fünf oben genannten Mitgliedstaaten weichen somit für den Zeitraum, in dem die Leiharbeitnehmer entleihenden Unternehmen überlassen werden, vom Grundsatz des gleichen Entgelts ab. Unbeschadet der geltenden Mindestlöhne hat keiner dieser Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen, die den Umfang der Abweichung während der Überlassung begrenzen, etwa durch die Festlegung eines spezifischen Mindestentgelts. Was die Zeiträume zwischen den Überlassungen betrifft, so haben Malta, Schweden und Ungarn keine Mindestentgelte festgelegt, die eingehalten werden müssen. In Malta haben Leiharbeitnehmer jedoch in den Zeiten zwischen den Überlassungen Anspruch auf dasselbe Entgelt wie während der Überlassung.

Als Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz muss Artikel 5 Absatz 2 eng ausgelegt werden. Er gilt nicht für Leiharbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen und kann nur auf Leiharbeitnehmer angewendet werden, die im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsvertrags beschäftigt sind.

In Bezug auf die Umsetzung von Artikel 5 Absatz 2 in nationales Recht wirft diese Ausnahmeregelung verschiedene Auslegungsfragen auf, insbesondere dahingehend, ob es rechtmäßig ist, wenn die Höhe des Entgelts, das Leiharbeitnehmern während der Überlassung und in der Zeit zwischen den Überlassungen gezahlt wird, so niedrig ist wie ein gegebenenfalls geltender Mindestlohn, während für Mindestlöhne keine Untergrenze gilt. Ebenfalls in die Erwägungen einzubeziehen sind die Maßnahmen, die einen Missbrauch der Ausnahmeregelung verhindern sollen.

Diese Fragen sollten bei künftigen Treffen der Sachverständigengruppe zur Umsetzung der Richtlinie eingehend erörtert werden. Die Kommission wird in jedem Fall mit dem Erlass geeigneter Maßnahmen dafür sorgen, dass alle Mitgliedstaaten der Richtlinie in vollem Umfang nachkommen.

4.2.2      Ausnahmebestimmung gemäß Artikel 5 Absatz 3

Gemäß Artikel 5 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, Tarifverträge über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen. Artikel 5 Absatz 3 sollte im Lichte von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 91/383/EWG[6] zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis gesehen werden. Dieser Artikel legt in Bezug auf die Arbeitsbedingungen fest, dass die Ungleichbehandlung eines Arbeitnehmers, der in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit einem Leiharbeitsunternehmen steht, nicht gerechtfertigt ist, soweit es sich um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz handelt. 

Eine Mehrheit von Mitgliedstaaten hat sich entschieden, von der Ausnahmebestimmung gemäß Artikel 5 Absatz 3 keinen Gebrauch zu machen. Trotzdem sieht diese Bestimmung ein gewisses Maß an Flexibilität vor und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Leiharbeit in bestimmten Mitgliedstaaten traditionell im Wesentlichen durch Tarifverträge geregelt wird. Zehn Mitgliedstaaten (Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Schweden und Ungarn) haben Bestimmungen erlassen, die vom Gleichbehandlungsgrundsatz für Leiharbeiter abweichende Tarifverträge zulassen. Irland, Österreich und Schweden verweisen darauf, dass diese Tarifverträge angemessen ausgewogen sein müssen, damit sichergestellt ist, dass sie den Gesamtschutz von Leiharbeitern nicht beeinträchtigen. 

Die Kommission hat derzeit keine Kenntnis von besonderen Problemen bei der Umsetzung dieser Vorschrift. Sie wird die Einhaltung des „Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ in allen Fällen überwachen, insbesondere, wenn die nationalen Umsetzungsvorschriften keinen Hinweis auf diesen Begriff enthalten.    

4.2.3      Ausnahmebestimmung gemäß Artikel 5 Absatz 4

Gemäß Artikel 5 Absatz 4 können Mitgliedstaaten, in denen es entweder kein System, durch das Tarifverträge allgemeine Gültigkeit erlangen, oder kein System zur Ausweitung von deren Bestimmungen auf alle vergleichbaren Unternehmen in einem bestimmten Sektor oder bestimmten geografischen Gebiet gibt, auf der Grundlage einer von den Sozialpartnern geschlossenen Vereinbarung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern abweichen, sofern ihnen ein angemessenes Schutzniveau gewährt wird. Dies kann auch eine Wartezeit für Gleichbehandlung umfassen.

Artikel 5 Absatz 4 wird nur vom Vereinigten Königreich und Malta in Anspruch genommen. Im Vereinigten Königreich haben Leiharbeitnehmer nach einer Wartezeit von 12 Wochen, in denen sie bei demselben Entleiher dieselbe Tätigkeit ausgeübt haben, Anspruch auf Gleichbehandlung im entleihenden Unternehmen. In Malta gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung, soweit er sich auf das Entgelt bezieht, nicht für die ersten vier Wochen einer Überlassung, wenn diese Überlassung 14 Wochen oder länger dauert.

Mitgliedstaaten, die Artikel 5 Absatz 4 anwenden, müssen angeben, ob betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit, einschließlich Rentensysteme, Systeme zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Systeme der finanziellen Beteiligung, zu den wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zählen. Das Vereinigte Königreich und Malta nehmen diese Systeme von den wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, auf die Leiharbeitnehmer Anspruch haben, aus.

Gemäß Artikel 5 Absatz 5 sind die Mitgliedstaaten außerdem verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine missbräuchliche Anwendung des Artikels 5 und insbesondere aufeinander folgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen, zu verhindern. Das Risiko, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung und des gleichen Entgelts umgangen werden, ist besonders hoch, wenn sie nicht vom ersten Tag der Überlassung der Leiharbeitnehmer, sondern erst nach einer Wartezeit angewendet werden.

Das Vereinigte Königreich hat detaillierte Maßnahmen zur Verhinderung einer missbräuchlichen Anwendung seiner Rechtsvorschriften festgelegt, unter anderem durch die Bestimmung, dass im Falle einer Unterbrechung der Überlassung von nicht mehr als sechs Wochen die Wartezeit nicht wieder bei Null beginnt. In Malta gilt im Falle des Ersatzes eines Leiharbeitnehmers, der in den ersten vier Wochen seiner Überlassung keine gleiche Bezahlung erhielt, dass der Leiharbeitnehmer, der ihn ersetzt, vom ersten Tag der Überlassung an vom Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich des Entgelts profitiert.  

5.           Überprüfung der Einschränkungen und Verbote des Einsatzes von Leiharbeit (Artikel 4)

5.1.        Zweck des Artikels 4

In Artikel 4 ist festgelegt, dass Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind; hierzu zählen insbesondere:

- der Schutz der Leiharbeitnehmer;

- die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz;

- die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten;

- die Notwendigkeit, eventuellen Missbrauch zu verhüten.

Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, diese Verbote oder Einschränkungen nach Anhörung der Sozialpartner zu überprüfen, um festzustellen, ob sie aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt waren, und sie waren außerdem verpflichtet, die Kommission bis zum Ende der Umsetzungsfrist (5. Dezember 2011) über die Ergebnisse der Überprüfung zu informieren. Durch Tarifverträge festgelegte Verbote oder Einschränkungen konnten von den Sozialpartnern überprüft werden, die die einschlägige Vereinbarung ausgehandelt hatten.

Was den Umfang der Überprüfung betrifft, so sollten, wie im Bericht der Kommissionsdienststellen über die Arbeit der Sachverständigengruppe zur Umsetzung der Richtlinie über Leiharbeit angegeben, alle in Mitgliedstaaten angewandten und beispielweise durch Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften festgelegten Maßnahmen, die Einschränkungen von Leiharbeit zum Ziel haben oder bewirken, überprüft werden.

Artikel 4 Absatz 4 stellt darüber hinaus klar, dass die ersten drei Absätze des Artikels 4 unbeschadet der nationalen Anforderungen hinsichtlich der Eintragung, Zulassung, Zertifizierung, finanziellen Garantie und Überwachung der Leiharbeitsunternehmen gelten. Die Anforderungen, die unter eine dieser den Marktzugang und die Ausübung der Tätigkeiten von Leiharbeitsunternehmen betreffenden Kategorien fallen, sind folglich nicht in der Überprüfungsverpflichtung enthalten. 

Artikel 4 schränkt somit den Spielraum für Rechtfertigungen ein, auf die Mitgliedstaaten zurückgreifen können, um den Einsatz von Leiharbeit zu beschränken. Artikel 4 Absatz 1 ist für alle Mitgliedstaaten verbindlich. Jeder Mitgliedstaat entscheidet selbst im Rahmen seiner nationalen Gegebenheiten, welches Verfahren zur Durchführung dieser Bestimmung angewendet werden soll. Für die Umsetzung von Artikel 4 Absatz 1 gilt keine Frist. Artikel 4 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Verbote und Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit zu überprüfen, die Kommission über die Ergebnisse der Überprüfung zu unterrichten und Verbote und Einschränkungen nur aus Gründen des Allgemeininteresses zuzulassen.

5.2.        Ergebnisse der Überprüfungen durch die Mitgliedstaaten

Alle Mitgliedstaaten haben die Kommission über ihre Position bezüglich der Überprüfung der Einschränkungen und Verbote des Einsatzes von Leiharbeit unterrichtet.

24 Mitgliedstaaten berichteten über die Ergebnisse der von ihnen vorgenommenen Überprüfung. Vier Mitgliedstaaten (Irland, Luxemburg, Malta und das Vereinigte Königreich) gaben an, dass keine Einschränkungen und Verbote bestünden. In diesen Mitgliedstaaten wurde folglich keine Überprüfung durchgeführt.  

Im Falle Irlands, Maltas und des Vereinigten Königreichs ermittelte die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung keine spezifischen Einschränkungen und Verbote, die eine ordnungsgemäße Überprüfung der entsprechenden Vorschriften durch die betreffenden Mitgliedstaaten erforderlich machen würden. Im Falle Luxemburgs stellte die Kommission Einschränkungen in den geltenden nationalen Rechtvorschriften fest, beispielsweise im Hinblick auf die Dauer der Überlassungen oder das Vorhandensein einer Liste zulässiger Gründe für die Nutzung von Leiharbeit. Die in Luxemburg bestehenden Verbote und Einschränkungen sollten daher gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie nach Anhörung der Sozialpartner überprüft werden. 

Die Berichte, die von den 24 Mitgliedstaaten über die Ergebnisse der Überprüfung der Einschränkungen und Verbote vorgelegt wurden, wiesen große Unterschiede in Bezug auf Format und Länge auf. In den meisten Fällen wurden die Berichte durch genauere Informationen ergänzt, die auf Ersuchen der Kommission zu spezifischen Fragen bereitgestellt wurden.

Die Verschiedenheit der vorgelegten Berichte ist zum Teil auf die in den Mitgliedstaaten herrschenden unterschiedlichen Gegebenheiten zurückzuführen. Obwohl insgesamt nur ein kleiner Anteil der Arbeitnehmer in Leiharbeit beschäftigt ist, bestehen erhebliche Unterschiede, was die Verbreitung von Leiharbeit in den einzelnen Ländern betrifft. In einigen Mitgliedstaaten wurde ein nationaler Rechtsrahmen für Leiharbeit schon in den 1960er Jahren (Niederlande) oder in den 1970er Jahren (Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich) eingeführt. In anderen wurden erst in jüngerer Zeit Regelungen getroffen, in einigen Fällen sogar erst im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie. Obwohl die Anzahl der Leiharbeitnehmer relativ bescheiden ist, lässt sich die Bedeutung dieser flexiblen Arbeitsform für das Funktionieren der nationalen Arbeitsmärkte nicht leugnen. Alle Mitgliedstaaten haben spezifische beschäftigungspolitische Entscheidungen getroffen, zum Beispiel, indem sie die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt in unterschiedlichem Maße begünstigt haben. Solche Entscheidungen haben Einfluss auf die Rolle und die Stellung der Leiharbeit auf den jeweiligen Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten.

Fünf Mitgliedstaaten (Dänemark, Estland, Lettland, Litauen und die Slowakei) gaben in ihrem Bericht über die Ergebnisse der Überprüfung an, keine Verbote und Einschränkungen für den Einsatz von Leiharbeit anzuwenden. 

Mehrere Mitgliedstaaten informierten die Kommission außerdem über nationale Vorschriften, die unter Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie fallen und sich z. B. auf die Zulassung von Leiharbeitsunternehmen und erforderliche finanzielle Garantien beziehen. In Bezug auf diese Bestimmungen besteht keine Überprüfungspflicht.

5.2.1      Rechtfertigung der Verbote und Einschränkungen aus Gründen des Allgemeininteresses  

Die von Mitgliedstaaten angewandten Verbote und Einschränkungen für den Einsatz von Leiharbeit können, wie im Abschnitt 5.1 ausgeführt, nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Durch den Hinweis, dass hierzu vor allem „der Schutz der Leiharbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz oder die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten“ zählen, stellt Artikel 4 Absatz 1 eine beispielhafte, nicht erschöpfende Liste von Gründen bereit, mit denen Verbote und Einschränkungen gerechtfertigt werden können.

Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, die Kommission bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist über die Rechtfertigung für die von ihnen angewandten Verbote und Einschränkungen zu unterrichten. Dazu fertigten sie Aufstellungen der Verbote und Einschränkungen an und führten in der Mehrheit der Fälle einen oder mehrere der in Artikel 4 Absatz 1 aufgeführten Gründe des Allgemeininteresses als Rechtfertigung an. Sofern sie der Auffassung waren, dass dieselbe Rechtfertigung für mehrere einschränkende Maßnahmen herangezogen werden konnte, lieferten sie eine gemeinsame Rechtfertigung für verschiedene Verbote und Einschränkungen.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, lieferten die Mitgliedstaaten insgesamt nur sehr allgemeine Rechtfertigungen für die geltenden einschränkenden Vorschriften, selbst nachdem sie von der Kommission um ergänzende Informationen darüber gebeten worden waren, warum die nationalen Behörden der Ansicht waren, dass die weiterhin geltenden Verbote und Einschränkungen aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt waren.

Die Mitgliedstaaten verwiesen insbesondere auf die in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie aufgeführten Rechtfertigungen:

So verwies eine Reihe von Mitgliedstaaten (vor allem Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Polen, Portugal, die Tschechische Republik, Slowenien, Ungarn) auf den „Schutz der Leiharbeitnehmer“ zur Erklärung und Rechtfertigung bestimmter geltender Verbote oder Einschränkungen.

So wurden zum Beispiel die im Bausektor in Deutschland geltenden Beschränkungen u. .a. durch Rückgriff auf diese Begründung gerechtfertigt. Polen führte aus, dass die Beschränkung des Zeitraums, den ein Leiharbeitnehmer einem entleihenden Unternehmer überlassen werden kann, mit dem befristeten Charakter der Aufgaben, die Leiharbeitnehmer ausführen können, zusammenhängt und zu ihrem Schutz beiträgt.

Mehrere Mitgliedstaaten (vor allem Belgien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik und Ungarn) beriefen sich auf die „Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz“, um Beschränkungen oder sogar ein vollständiges Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern für Tätigkeiten zu rechtfertigen, die mit besonderen Gefahren für die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer verbunden sind. Bestimmte Mitgliedstaaten verknüpften diese Rechtfertigung mit anderen in Artikel 4 Absatz 1 genannten Rechtfertigungen, wie etwa dem Schutz der Leiharbeitnehmer (Kroatien, Portugal, Slowenien).

In Slowenien, wo ein Branchentarifvertrag den Einsatz von Leiharbeitnehmern verbieten kann, wurde die Möglichkeit, ein solches Verbot vorzusehen, auf Fälle beschränkt, bei denen der Zweck des Verbots darin besteht, für einen besseren Schutz der Arbeitnehmer oder für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen.

Artikel 4 Absatz 1 sollte im Lichte des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 91/383/EWG zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis gelesen werden. Danach können Mitgliedstaaten verbieten, dass Leiharbeitnehmer „für bestimmte mit besonderen Risiken für die Sicherheit oder die Gesundheit dieser Arbeitnehmer verbundene Arbeiten [...] und insbesondere für bestimmte Arbeiten, für die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine besondere ärztliche Überwachung vorgesehen ist, eingesetzt werden.“ Da der Begriff der mit besonderen Risiken für die Sicherheit oder die Gesundheit von Arbeitnehmern verbundenen Arbeit im EU-Recht nicht definiert ist, können die Mitgliedstaaten unter der Kontrolle des Gerichtshofs die betreffenden Tätigkeiten selbst festlegen.

Verschiedene Mitgliedstaaten (insbesondere Belgien, Bulgarien, Frankreich, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden und die Tschechische Republik) rechtfertigten einschränkende Maßnahmen, wie etwa eine erschöpfende Liste von Gründen für den Einsatz von Leiharbeitnehmern (Frankreich, Italien, Polen), Beschränkungen der Anzahl oder des Anteils der Leiharbeitnehmer, die in einem entleihenden Unternehmen eingesetzt werden können (Belgien, Italien) oder die Verpflichtung des Arbeitgebers, vor dem Einsatz von Leiharbeitnehmern mit einer Arbeitnehmerorganisation zu verhandeln (Schweden), mit der Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten. Mehrere Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Italien, Polen, Schweden, die Tschechische Republik) rechtfertigten bestimmte Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeitnehmern mit der „Notwendigkeit, eventuellen Missbrauch zu verhüten“. Diese Rechtfertigung wurde für so vielfältige einschränkende Maßnahmen heranzogen, wie etwa Beschränkungen der Arten von Aufgaben, die Leiharbeitnehmern zugewiesen werden können (Italien, Polen), das Vorsehen der Möglichkeit, im Rahmen nationaler Tarifverträge quantitative Obergrenzen für den Einsatz von befristeten Verträgen für Leiharbeit festzulegen (Italien) oder die Notwendigkeit, dass das entleihende Unternehmen in bestimmten Fällen vor dem Einsatz von Leiharbeitnehmern die Genehmigung seiner Gewerkschaftsvertretung einholen muss (Belgien).

Die „Notwendigkeit, eventuellen Missbrauch zu verhüten“ wurde verschiedentlich in Kombination mit anderen Rechtfertigungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie angeführt, insbesondere mit der „Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten“ (Italien, Polen, Schweden). 

Auch die folgenden Rechtfertigungen wurden von bestimmten Mitgliedstaaten für geltende Verbote und Einschränkungen herangezogen:

Von den Mitgliedstaaten, die verbieten, dass Leiharbeitnehmer als Ersatz für Arbeitnehmer eingesetzt werden, die von ihrem Streikrecht Gebrauch machen (Belgien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Österreich, Polen, Slowenien, Spanien, Ungarn), verweisen vier ausdrücklich auf den Schutz des Streikrechts (Belgien, Griechenland, Italien und Ungarn). Mehrere Mitgliedstaaten führten Erwägungsgrund 20 der Richtlinie an, dem zufolge die Bestimmungen über Einschränkungen oder Verbote von Leiharbeit die nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten, die es verbieten, streikende Arbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen, unberührt lassen. Mehrere Mitgliedstaaten (Belgien, Frankreich, Griechenland, Polen) begründeten verschiedene einschränkende Maßnahmen mit der Notwendigkeit, unbefristete Beschäftigung zu schützen und eine Situation zu vermeiden, in der unbefristete Arbeitsplätze mit befristet beschäftigten Arbeitnehmern besetzt werden könnten. Diese Rechtfertigung wurde insbesondere herangezogen, um die Dauer der Überlassungen zu begrenzen und das Bestehen einer Liste zulässiger Gründe für den Einsatz von Leiharbeit zu begründen, zum Beispiel Ersatz eines abwesenden Arbeitnehmers, vorübergehender Anstieg des Arbeitsaufkommens oder Durchführung außergewöhnlicher oder saisonaler Aufgaben. Österreich verwies auf den Schutz menschlichen Lebens und der Gesundheit zur Rechtfertigung der Anwendung von Quoten, die den Anteil von Leiharbeitnehmern, die in einem entleihenden Unternehmen für bestimmte Berufe im Gesundheitswesen eingesetzt werden dürfen, auf 10 bzw. 15 % begrenzen.

Bei der Überprüfung der für die Leiharbeit geltenden Einschränkungen und Verbote hätten die Mitgliedstaaten erwägen können, bestimmte Verbote und Einschränkungen aufzuheben, die ursprünglich durch den Wunsch gerechtfertigt waren, Leiharbeitnehmer zu schützen. In Rumänien zum Beispiel, wo eine erschöpfende Liste von Gründen für den Einsatz von Leiharbeit in Kraft war, ist es inzwischen möglich, diese Arbeitsform „für die Durchführung spezifischer befristeter Aufgaben“ zu nutzen. In Schweden wurde das Verbot, einen Leiharbeitnehmer in den ersten sechs Monaten nach Ende seines Arbeitsvertrags seinem früheren Arbeitgeber zu überlassen, mit Wirkung vom 1. Januar 2013 aufgehoben. In Belgien kann Leiharbeit nun unter bestimmten Bedingungen zu Integrationszwecken eingesetzt werden, d. h. zum Zweck einer möglichen unmittelbaren Einstellung des Arbeitnehmers durch das entleihende Unternehmen.

Trotz der Aufhebung einiger der für die Leiharbeit geltenden Einschränkungen und Verbote haben die Mitgliedstaaten im Zuge der Überprüfung die von ihnen angewandten Beschränkungsmaßnahmen noch nicht grundlegend in ihrem Umfang eingeschränkt. In einigen Mitgliedstaaten dauern die Beratungen (u. a. mit den Sozialpartnern) über mögliche zusätzliche Anpassungen an diesen Einschränkungen und Verboten und der zugrundeliegenden Rechtfertigung jedoch noch an. Daher ist die Überprüfung der Einschränkungen und Verbote in mehreren Mitgliedstaaten (darunter Belgien, Griechenland und die Niederlande) noch nicht abgeschlossen.

Der Hinweis in Artikel 4 Absatz 1, dass Verbote und Einschränkungen nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, räumt den Mitgliedstaaten gleichwohl die Möglichkeit ein, weiterhin eine Reihe von Verboten und Einschränkungen anzuwenden, die auf solchen Gründen beruhen. Nach Auffassung der Kommission können einschränkende Maßnahmen, insofern sie das Ergebnis politischer Entscheidungen sind, die auf legitimen Gründen beruhen und in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen, unbeschadet einer eingehenderen Überprüfung dieser Verbote und Einschränkungen auf Einzelfallbasis, als aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt angesehen werden.

Der Schutz der Leiharbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten, könnten bestimmte Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit rechtfertigen. Auch andere Gründe des Allgemeininteresses können einschränkende Maßnahmen rechtfertigen, sofern sie legitim sind und in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Unter der Voraussetzung, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie über Leiharbeit und andere geltende Rechtsvorschriften und Grundsätze der EU, wie die Dienstleistungsfreiheit, die Niederlassungsfreiheit und die Vorschriften im Hinblick auf die Nichtdiskriminierung, einhalten, können sie verschiedene Arten der Beschäftigung, einschließlich Leiharbeit, regulieren und das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes gemäß ihren jeweiligen politischen Vorstellungen sicherstellen.

Verbote und Einschränkungen, die eine Diskriminierung von Leiharbeitnehmern darstellen, können nicht als aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt betrachtet werden. Ein Verbot der Beschäftigung behinderter Menschen als Leiharbeitnehmer könnte zum Beispiel weder durch die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten, noch durch den Schutz der betreffenden Personen noch durch die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz gerechtfertigt werden.

5.2.2      Anhörung der Sozialpartner

Wie im Abschnitt 5.1 ausgeführt, waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, vor der Überprüfung der Verbote und Einschränkungen die Sozialpartner anzuhören. Sofern solche Einschränkungen und Verbote durch Tarifverträge festgelegt sind, konnte die Überprüfung überdies durch die Sozialpartner durchgeführt werden, die die einschlägige Vereinbarung ausgehandelt hatten.

Die Mitgliedstaaten, die eine Überprüfung der geltenden Verbote und Einschränkungen vornahmen, bezogen die Sozialpartner auf verschiedene Weise ein, was die Vielfalt der Arbeitsmärkte und Arbeitsbeziehungen in der EU widerspiegelt.

Die Mitgliedstaaten lassen sich dabei in drei Hauptkategorien zusammenfassen:

Mitgliedstaaten, in denen die Sozialpartner im Rahmen der Überprüfung der Verbote und Einschränkungen angehört wurden (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Polen, Portugal und Ungarn); einige davon haben die Kommission in unterschiedlichem Umfang über die Auffassungen der Sozialpartner unterrichtet (Belgien, Griechenland, Polen und Portugal);  Mitgliedstaaten, in denen die Überprüfung überwiegend von den Sozialpartnern selbst durchgeführt wurde, da die meisten Verbote und Einschränkungen durch Tarifverträge festgelegt sind (Dänemark, Finnland, die Niederlande und Schweden); Finnland und Schweden haben die Kommission über die Positionen der Sozialpartner unterrichtet; Mitgliedstaaten, in denen die Sozialpartner im Zusammenhang mit dem Erlass der nationalen Umsetzungsmaßnahmen angehört wurden (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Österreich, Rumänien, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Zypern).

Im Großen und Ganzen scheint die Art und Weise, in der die Sozialpartner in die Überprüfung einbezogen wurden, die Unterschiede widerzuspiegeln, die hinsichtlich ihrer Stellung und Rolle in der EU bestehen. In den Fällen, in denen die Kommission über die Positionen der Sozialpartner unterrichtet wurde, ist festzustellen, dass diesen Positionen mehr Gewicht hätte verliehen werden können. Trotzdem kann außer im Fall von Luxemburg wohl davon ausgegangen werden, dass die Anhörung der Sozialpartner im Einklang mit Artikel 4 Absatz 2 durchgeführt wurde.

6.         Zugang zu Beschäftigung, Gemeinschaftseinrichtungen und beruflicher Bildung – Vertretung der Leiharbeitnehmer – Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter (Artikel 6, 7 und 8)

6.1         Zugang zu Beschäftigung, Gemeinschaftseinrichtungen und beruflicher Bildung (Artikel 6)

Artikel 6 verbessert den Zugang der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung, Gemeinschaftseinrichtungen und beruflicher Bildung. Er sieht insbesondere vor, dass Leiharbeiter über offene Stellen im entleihenden Unternehmen unterrichtet werden (Artikel 6 Absatz 1). Er stellt außerdem sicher, dass Leiharbeitnehmer Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten des entleihenden Unternehmens haben, insbesondere zur Gemeinschaftsverpflegung, zu Kinderbetreuungseinrichtungen und zu Beförderungsmitteln, es sei denn, eine unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt (Artikel 6 Absatz 4). Er fordert die Mitgliedstaaten bzw. die Sozialpartner auf, den Zugang der Leiharbeitnehmer zu Fort- und Weiterbildungsangeboten in den Leiharbeitsunternehmen und in den entleihenden Unternehmen zu verbessern (Artikel 6 Absatz 5).

Artikel 6 Absatz 1 wurde von einer Reihe von Mitgliedstaaten fast wörtlich in nationales Recht umgesetzt. Hierbei scheinen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine besonderen Probleme zu ergeben.

Was Artikel 6 Absatz 4 betrifft, so erklärten 14 Länder (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen, Malta, die Niederlande, Österreich, Schweden, das Vereinigte Königreich und Zypern), d. h. die Hälfte der Mitgliedstaaten, dass sie Gebrauch von der Möglichkeit machten, vom Grundsatz des gleichberechtigten Zugangs zu den Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten im entleihenden Unternehmen abzuweichen, wenn objektive Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. In den meisten Fällen sind die in den nationalen Maßnahmen verwendeten Formulierungen nahezu identisch mit dem Wortlaut der Richtlinie. Die Kommission betont, dass eine unterschiedliche Behandlung, bei der Leiharbeitnehmer ungünstigere Bedingungen hinnehmen müssen als die unmittelbar von dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, die Ausnahme bleiben sollte. Die Tatsache, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten diese Möglichkeit vorsieht, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie in der Praxis von ihr Gebrauch machen.

Artikel 6 Absatz 5 fordert die Sozialpartner auf, bei der Verbesserung des Zugangs der Leiharbeitnehmer zu Fort- und Weiterbildungsangeboten und Kinderbetreuungseinrichtungen sowie auch zu den Fort- und Weiterbildungsangeboten für die Arbeitnehmer der entleihenden Unternehmen eine wichtige Rolle zu übernehmen. Die Umsetzung dieser Bestimmung scheint unproblematisch zu sein. Leiharbeitnehmer in Malta haben den gleichen Zugang zu beruflicher Bildung wie die Arbeitnehmer des entleihenden Unternehmens, es sei denn, eine unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.

6.2         Vertretung der Leiharbeitnehmer (Artikel 7)

Artikel 7 sieht vor, dass Leiharbeitnehmer bei der Berechnung des Schwellenwertes für die Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen im Leiharbeitsunternehmen oder im entleihenden Unternehmen oder in beiden berücksichtigt werden müssen.  

In den meisten Mitgliedstaaten (Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Irland, Italien, Kroatien, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, Spanien, Schweden, Tschechische Republik und Vereinigtes Königreich) werden Leiharbeitnehmer in dem Leiharbeitsunternehmen, bei dem sie angestellt sind, oder sowohl im Leiharbeitsunternehmen als auch in dem entleihenden Unternehmen, dem sie überlassen werden, berücksichtigt (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei und Zypern). Lediglich in drei Mitgliedstaaten (Belgien, Lettland und Rumänien) werden sie nur im entleihenden Unternehmen berücksichtigt.

Bestimmte Mitgliedstaaten haben spezifische Bedingungen eingeführt, unter denen Leiharbeitnehmer berücksichtigt werden. Bulgarien zum Beispiel zieht die durchschnittliche Anzahl von Leiharbeitnehmern in Betracht, die während der vorangegangenen 12 Monate beim Leiharbeitsunternehmen beschäftigt waren. In Belgien beruht die Berechnung auf der durchschnittlichen Anzahl von Leiharbeitnehmern, die während des vorangegangenen Quartals im entleihenden Unternehmen eingesetzt waren. Leiharbeitnehmer, die als Ersatz für unbefristet angestellte Mitarbeiter im entleihenden Unternehmen tätig sind, werden jedoch nicht berücksichtigt. 

Die Kommission hat keine Kenntnis von besonderen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Artikels 7.

6.3         Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter (Artikel 8)

Gemäß Artikel 8 hat das entleihende Unternehmen den Arbeitnehmervertretungen im Rahmen der Unterrichtung über die Beschäftigungslage in dem Unternehmen angemessene Informationen über den Einsatz von Leiharbeitnehmern vorzulegen.

Einige Mitgliedstaaten erlegen den entleihenden Unternehmen genau festgelegte Verpflichtungen auf. In Griechenland zum Beispiel ist das entleihende Unternehmen verpflichtet, Angaben nicht nur zur Anzahl der Leiharbeitnehmer vorzulegen, sondern auch zu seinen Plänen für den Einsatz von Leiharbeitnehmern und zu den Aussichten, sie unmittelbar einzustellen. In Frankreich und Luxemburg können Personalvertreter die Arbeitnehmerüberlassungsverträge zwischen entleihendem Unternehmen und Leiharbeitsunternehmen einsehen.

Die Kommission hat derzeit keine Kenntnis von besonderen Problemen bei der Umsetzung dieser Vorschrift.

7.           Sanktionen (Artikel 10)  

Eine erste Prüfung der von den Mitgliedstaaten erlassenen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zeigt, dass sich die übermittelten Informationen zu den Sanktionen überwiegend auf andere als die zur Umsetzung erlassenen nationalen Bestimmungen beziehen (z. B. Betreiben eines Leiharbeitsunternehmens ohne entsprechende Genehmigung, unterbliebene Unterrichtung der öffentlichen Behörden über die vom Leiharbeitsunternehmen unterzeichneten Arbeitsverträge usw.). Dieses Thema muss in den kommenden Monaten eingehender untersucht werden, insbesondere im Hinblick darauf, ob die Sanktionen im Rahmen der Richtlinie angewendet werden. Da nur sehr wenige Mitgliedstaaten Konkordanztabellen übermittelt haben, konnte eine umfassende Übersicht über die Lage auf nationaler Ebene bislang noch nicht erstellt werden. 

8.           Regulierungskosten 

In einer von der Kommission von Oktober bis Dezember 2012 durchgeführten Online-Konsultation wurde die Richtlinie von den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und KMU-Verbänden, die sich an der Konsultation beteiligten, als eine der EU-Rechtsvorschriften mit dem höchsten Aufwand bezeichnet.[7] Die Ergebnisse wurden am 7. März 2013 in einem Arbeitspapier[8] veröffentlicht, das der Mitteilung der Kommission zur intelligenten Regulierung als Begleitunterlage beigefügt war.

Aus der Mitteilung der Kommission vom 18. Juni 2013[9] zu den Folgemaßnahmen hinsichtlich der 10 wichtigsten Konsultationen der KMU zur EU-Regulierung geht hervor, dass sich diese Äußerungen hauptsächlich auf die bestehenden Hemmnisse für den Betrieb von Leiharbeitsunternehmen und die Verpflichtung bezogen, Leiharbeitsunternehmen vor jedem Tätigwerden in einem anderen Mitgliedstaat eintragen zu lassen. In der Mitteilung wurde darauf verwiesen, dass die Belange von KMU und Aspekte des Verwaltungsaufwands im vorliegenden Bericht berücksichtigt würden.

In diesem Zusammenhang verschickte die Kommission einen Fragebogen an die Mitgliedstaaten und Sozialpartner auf europäischer Ebene, um ihre Stellungnahme zur Frage der Kosten der Richtlinie einzuholen.

Als Erstes wollte die Kommission wissen, ob die Richtlinie einen erheblichen Verwaltungsaufwand für die nationalen Behörden darstelle und ob diese Kosten in den Mitgliedstaaten abgeschätzt worden seien.

Von den 27 Mitgliedstaaten, die den Fragebogen beantworteten, erklärten alle außer zwei, dass die Richtlinie an sich keinen erheblichen Verwaltungsaufwand für die nationalen Behörden darstelle bzw. dass sie den Aufwand nicht speziell abgeschätzt hätten. Belgien verwies auf erhebliche Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Überprüfung der Einschränkungen und Verbote. Das Vereinigte Königreich veröffentlichte vor der Umsetzung der Richtlinie eine Folgenabschätzung, der zufolge sich die Gesamtkosten für Entleiher im öffentlichen Sektor aufgrund höherer Lohnkosten auf 157 Mio. GBP bis 259 Mio. GBP jährlich belaufen würden; aktuelle Angaben liegen jedoch nicht vor. In keinem Mitgliedstaat fand eine Abschätzung des durch die Richtlinie verursachten Verwaltungsaufwands statt.

Die Kommission wollte ferner wissen, ob die materiellen Bestimmungen der Richtlinie erhebliche Kosten und Hindernisse für Leiharbeitsunternehmen oder entleihende Unternehmen verursachten und ob solche Kosten abgeschätzt worden seien.

Einige wenige Mitgliedstaaten waren der Ansicht, dass die Richtlinie geringfügige Kosten für Leiharbeitsunternehmen (Deutschland, Österreich) und/oder entleihende Unternehmen (Deutschland, Finnland, Polen) verursache, während das Vereinigte Königreich höhere Lohnkosten für Leiharbeitsunternehmen sowie Kosten für Leiharbeitsunternehmen und entleihende Unternehmen aufgrund der Informationspflichten geltend machte. Andere Mitgliedstaaten erwähnten keine erheblichen Kosten oder Hindernisse für Leiharbeitsunternehmen und entleihende Unternehmen. Kein Mitgliedstaat verfügt über aktuelle Informationen über die Höhe der verursachten Kosten. 

Zypern stellte fest, dass derzeit noch keine Leiharbeitsunternehmen in seinem Hoheitsgebiet tätig seien.

Was die europäischen Sozialpartner betrifft, so verwies BusinessEurope auf erhebliche Befolgungskosten für Leiharbeitsunternehmen in einigen Mitgliedstaaten und auf erhebliche soziale Kosten infolge mangelhafter Umsetzung oder Nichtumsetzung des Artikels 4. Eurociett verwies auf gestiegene Kosten für Leiharbeitsunternehmen in Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Irland und betonte, dass er diesen Kostenanstieg akzeptiere und befürworte, da dieser die Annahme der Richtlinie unterstütze. Er verwies außerdem auf die mit der unzureichenden Umsetzung bestimmter Vorschriften der Richtlinie verbundenen Kosten, während CEEP[10] die Meinung vertrat, dass die Richtlinie zu einem erheblichen Kostenanstieg für Arbeitgeber geführt habe, insbesondere dort, wo der Grundsatz der Gleichbehandlung vor der Umsetzung der Richtlinie noch nicht galt. Allerdings legte keine dieser Arbeitgeberorganisationen Zahlen zu den angeführten Kosten vor. UEAPME[11] hatte keine Kenntnis von besonders kostenaufwändigen Vorschriften für entleihende Unternehmen.

Der EGB[12] vertrat die Auffassung, dass Artikel 12 der Richtlinie, der die Rechtsgrundlage für diesen Bericht darstellt, keine Kostenabschätzung vorsehe und dass es keine Studien gebe, die steigende Kosten für Leiharbeitsunternehmen aufgrund der Umsetzung der Richtlinie belegten. Nach Auffassung von UNI-Europa werden Leiharbeitsunternehmen und entleihende Unternehmen nicht durch Kosten belastet.

Auf die Frage, ob es Informationen zu den von KMU und/oder Kleinstunternehmen getragenen Kosten gebe, verfügte kein Mitgliedstaat über entsprechende Angaben. Deutschland stellte fest, dass die Richtlinie Kosten sowohl für die Leiharbeitsunternehmen als auch die entleihenden Unternehmen verursache. Nach Auffassung von Belgien und Österreich kann die Richtlinie nicht als eine Rechtsvorschrift betrachtet werden, die KMU besonders stark belaste.

Die europäischen Sozialpartner machten zu dieser Frage keine Angaben. Der EGB hielt es für unangemessen, die Ergebnisse der Top-10-Konsultation als Grundlage für die künftige Arbeit zu verwenden.

Mehrere Mitgliedstaaten wiesen außerdem bei der Konsultation darauf hin, dass jede Gesamtabschätzung der durch die Richtlinie verursachten Kosten auch ihren Nutzen berücksichtigen müsse. 

9.           Beziehung zwischen der Richtlinie zur Leiharbeit und anderen EU-Rechtsvorschriften

Nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten Arbeitnehmer oder Beschäftigungsverhältnisse nicht lediglich deshalb aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließen, weil sie Teilzeitbeschäftigte, befristet beschäftigte Arbeitnehmer oder Personen sind, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Diese Bestimmung macht deutlich, dass Leiharbeitnehmer, die auf Teilzeitbasis oder im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt sind, nicht mit der Begründung, sie seien „atypische“ Arbeitnehmer, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG ausgeschlossen werden können.

Der Gerichtshof hat bestätigt, dass die Richtlinie 1999/70/EG über befristete Arbeitsverträge nicht für das befristete Beschäftigungsverhältnis zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Leiharbeitsunternehmen gilt.[13] Selbst wenn Leiharbeitnehmer im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt sind, fällt folglich das entsprechende Dreiecksbeschäftigungsverhältnis nicht unter die Richtlinie über befristete Arbeitsverträge, da diese nur für unmittelbare Beschäftigungsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer gilt.

Was das Verhältnis zwischen der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit und der Richtlinie 96/71/EG[14] über die Entsendung von Arbeitnehmern betrifft, so wird im Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2008/104/EG festgestellt, dass sie im Einklang mit den Vorschriften des Vertrags über die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit und unbeschadet der Richtlinie 96/71/EG umgesetzt werden sollte. Die Richtlinie über Leiharbeit deckt grundsätzlich nationale Situationen ab, während die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern speziell auf grenzüberschreitende Situationen ausgelegt ist. Die Richtlinie über Leiharbeit gilt in vollem Umfang für mobile Arbeitnehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Herkunft so tätig sind, als wären sie nationale Arbeitnehmer; die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern gilt hingegen nur für entsandte Arbeitnehmer, d. h. für Arbeitnehmer, die ihrer Tätigkeit vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie normalerweise arbeiten, nachgehen.

Gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c gilt die Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern insbesondere für Unternehmen, die als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.

Gemäß Artikel 3 Absatz 1 derselben Richtlinie sind den entsandten Arbeitnehmern bestimmte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu garantieren, sofern diese durch Rechtsvorschriften oder allgemein verbindliche Tarifverträge festgesetzt wurden, u. a. „Mindestlohnsätze, einschließlich der Überstundensätze“ sowie „Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen“. Wie im Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2008/104/EG festgestellt wird, haben die oben genannten Bestimmungen der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern Vorrang vor den Bestimmungen der Richtlinie über Leiharbeit. Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, dass Leiharbeitnehmern, die in ihr Hoheitsgebiet entsandt werden, gemäß Artikel 3 Absatz 9 der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern die gleichen Bedingungen garantiert werden, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, für Leiharbeitnehmer gelten. 

10.         Mögliche Änderungen

Der in Abschnitt 8 erwähnte Fragebogen enthielt auch die Frage, ob auf der Grundlage der Erfahrung, die seit dem vollständigen Inkrafttreten der Richtlinie im Dezember 2011 gesammelt wurde, die in Artikel 2 der Richtlinie festgelegten sozialpolitischen Ziele verwirklicht wurden.

Gemäß Artikel 12 sollten in diesem Bericht etwaige angebracht erscheinende Änderungen der Richtlinie in Betracht gezogen werden. Diesem Aspekt ging die Kommission in dem Fragebogen mit der Frage nach, ob Bestimmungen der Richtlinie der Klarstellung bedürften und falls ja, welche und aus welchen Gründen.

Auf die erste Frage äußerten die meisten Mitgliedstaaten die Auffassung, die Richtlinie habe ihre sozialpolitischen Ziele erreicht oder stelle einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Entwicklung eines sozialen Europas dar. Einige wiesen auf praktische Schwierigkeiten hin, deren Gründe aber nichts mit der Richtlinie zu tun hatten (Slowakei, Slowenien); kein Mitgliedstaat war der Auffassung, die Richtlinie habe ihre Ziele nicht erreicht. Bulgarien fand es schwierig, die Frage zu beantworten, da Leiharbeitsunternehmen dort erst seit kurzer Zeit tätig sind, während das Vereinigte Königreich über keine Daten zur Beantwortung der Frage verfügte. Zypern konnte in Ermangelung von Leiharbeitsunternehmen in dem Land ebenfalls keine Auskunft geben.

BusinessEurope und Eurociett vertraten dagegen die Auffassung, dass die Ziele der Richtlinie nicht in vollem Umfang erreicht worden seien. Sie machten geltend, dass in manchen Mitgliedstaaten noch immer eine erhebliche Zahl ungerechtfertigter Einschränkungen für Leiharbeit bestünden oder sogar jüngst erst eingeführt worden seien. Als Beispiele führten sie sektorbezogene Verbote, unangemessene Einschränkungen der maximalen Überlassungsdauer, übermäßig restriktive Gründe für den Einsatz sowie Quoten für die Höchstzahl von Leiharbeitnehmern an. Sie sprachen sich dafür aus, solche Einschränkungen aufzuheben. UEAPME und, bis zu einem gewissem Grad, CEEP waren der Auffassung, dass die Richtlinie ihre sozialpolitischen Ziele erreicht habe.

Der EGB betonte, dass seit dem Auslaufen der Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht viel Zeit verstrichen sei und viele Mitgliedstaaten die Richtlinie verspätet umgesetzt hätten. Aus diesem Grund sei es für eine fundierte Bewertung der Situation auf nationaler Ebene noch zu früh. UNI-Europa vertrat die Auffassung, dass die in Artikel 2 der Richtlinie festgelegten Ziele in den meisten Mitgliedstaaten bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie durch nationale Rechtsvorschriften weitgehend verwirklicht worden seien.

Auf die zweite Frage äußerte die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten die Meinung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Klärungs- oder Überarbeitungsbedarf hinsichtlich einzelner Bestimmungen der Richtlinie bestehe. Bulgarien und Polen waren der Ansicht, dass es für eine Erörterung solcher Fragen noch zu früh sei. Zusammen mit Zypern verwies Bulgarien auf einen Mangel an praktischer Erfahrung mit Leiharbeit. Portugal hob hervor, wie wichtig es sei, die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen.

Finnland hielt Artikel 4 der Richtlinie für unklar, insbesondere in Bezug auf die Frage, ob er die Mitgliedstaaten verpflichte, nationale Vorschriften in Übereinstimmung mit Artikel 4 Absatz 1 zu erlassen und die Gründe anzuführen, die Verbote und Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit rechtfertigen können.

BusinessEurope war der Auffassung, dass es keiner Überarbeitung der Richtlinie bedürfe, sondern dass vielmehr in den Mitgliedstaaten, in denen nach wie vor ungerechtfertigte Hindernisse für den Einsatz von Leiharbeit bestehen, für die ordnungsgemäße Umsetzung des Artikels 4 der Richtlinie gesorgt werden müsse. BusinessEurope forderte die Kommission auf, in Bezug auf Artikel 4 eine Mitteilung zu Auslegungsfragen vorzulegen und im Rahmen länderspezifischer Empfehlungen die Aufhebung ungerechtfertigter Einschränkungen zu verlangen, notfalls durch Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren. Eurociett hielt es ebenfalls nicht für notwendig, die Richtlinie selbst zu überarbeiten. Allerdings behielt es sich der Verband vor, eine bedingte, eingeschränkte Überarbeitung des Artikels 4 zu fordern, sollte es nicht gelingen, erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung dieses Artikels zu erzielen. UEAPME hielt eine Überarbeitung der Richtlinie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für nötig, während CEEP darauf verwies, dass statt der Richtlinie selbst bestimmte nationale Umsetzungsmaßnahmen erläutert werden müssten. 

Der EGB stellte fest, dass es in Anbetracht der Verzögerungen bei der Umsetzung in einigen Mitgliedstaaten zu früh sei, um eine Entscheidung über die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Richtlinie zu treffen. Gleichwohl hält er die Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung für sehr problematisch, insbesondere Artikel 5 Absatz 2, so wie er in einigen Mitgliedstaaten angewendet wird.

UNI-Europa ist der Meinung, dass die Richtlinie überarbeitet werden sollte. Nach Auffassung des Verbands müssen die Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 5 Absätze 3 und 4 abgeschafft werden, da sie dem Grundsatz der Gleichbehandlung direkt zuwiderlaufen. In Ermangelung einschränkender Regelungen für aufeinanderfolgende Überlassungen in der Richtlinie müsse außerdem der Begriff der „missbräuchlichen Anwendung“ in Artikel 5 erläutert werden. 

11.         Schlussfolgerungen

Die Richtlinie zielt auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Schutz der Leiharbeitnehmer einerseits (insbesondere durch die Einführung des Grundsatzes der Gleichbehandlung) und der Unterstützung der positiven Rolle, die Leiharbeit für die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes spielen kann, andererseits. 

Die Kommission würdigt die erheblichen Anstrengungen, die zur Umsetzung der Richtlinie unternommen wurden, insbesondere in den Mitgliedstaaten, in denen es entweder keine speziellen Rechtsvorschriften zur Regelung von Leiharbeit gab, oder in denen der Grundsatz der Gleichbehandlung bis dahin noch nicht im nationalen Recht verankert war.

Die obige Analyse zeigt, dass die Bestimmungen der Richtlinie im Großen und Ganzen korrekt umgesetzt wurden und korrekt angewendet werden. Sie hat jedoch ergeben, dass das doppelte Ziel der Richtlinie noch nicht in vollem Umfang erreicht wurde. Zum einen haben bestimmte, häufig angewandte Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz in einigen Fällen möglicherweise dazu geführt, dass die Anwendung der Richtlinie keine effektive Verbesserung des Schutzes der Leiharbeitnehmer herbeigeführt hat. Zum anderen hat die Überprüfung von Einschränkungen und Verboten für den Einsatz von Leiharbeit in den meisten Fällen dazu geführt, dass der Status quo legitimiert wurde, und nicht als Impuls dafür gewirkt, die Rolle der Leiharbeit auf modernen, flexiblen Arbeitsmärkten zu überdenken.

Die Kommission wird die Anwendung der Richtlinie auch weiterhin unter Berücksichtigung der künftigen Entwicklungen im Bereich Arbeitsrecht und Leiharbeit genau überwachen, um sicherzustellen, dass ihre Ziele angemessen verwirklicht und ihre Bestimmungen in allen Mitgliedstaaten in vollem Umfang und korrekt in nationales Recht umgesetzt werden. Hierzu wird sie in der Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Anwendung der Richtlinie sowie in anderen Foren eng mit den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern zusammenarbeiten.

Die Kommission gedenkt darüber hinaus, alle Probleme bei der Umsetzung der Richtlinie mit den geeigneten Mitteln – gegebenenfalls auch mit Vertragsverletzungsverfahren – anzugehen. Bei der Kommission gegen Mitgliedstaaten erhobene Beschwerden, Petitionen und Fragen zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof können ebenfalls wichtige Hinweise auf nationale Maßnahmen oder Verfahren geben, die mit der Richtlinie unvereinbar sind.

Wenn die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters bei ihrer Bewertung der innerstaatlichen Hindernisse für die Tätigkeit von Leiharbeitsunternehmen spezielle Aspekte des Regulierungsaufwands als Hemmnisse für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit ermittelt, wird sie erwägen, dieses Thema in die an die betreffenden Mitgliedstaaten gerichteten länderspezifischen Empfehlungen aufzunehmen. 

Was etwaige Änderungen der Richtlinie betrifft, so wird mehr Zeit benötigt, um Erfahrung mit der Anwendung der Richtlinie zu sammeln und festzustellen, ob sie ihre Ziele in vollem Umfang erreicht hat. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie endete im Dezember 2011, und einige der nationalen Durchführungsbestimmungen wurden erst im Frühjahr 2013 erlassen. Bislang liegt noch keine Rechtsprechung des Gerichtshofs zu ihrer Anwendung vor.

In diesem Zusammenhang und im Lichte der von der Kommission selbst durchgeführten Bewertung der Anwendung der Richtlinie sowie unter Berücksichtigung der von Mitgliedstaaten und den europäischen Sozialpartnern im Rahmen des Konsultationsprozesses für diesen Bericht übermittelten Positionen vertritt die Kommission die Auffassung, dass Änderungen der Richtlinie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht notwendig sind.

Dazugehörige Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen:

- Übersicht über die von den Mitgliedstaaten gewählten Optionen für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht

- Übersicht über die Berichte der Mitgliedstaaten zu den Ergebnissen der Überprüfung der Einschränkungen und Verbote des Einsatzes von Leiharbeit

[1] Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit, ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 9.

[2] Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36.

[3] Dieser Bericht sollte in keinster Weise als Vorwegnahme eines Standpunktes aufgefasst werden, den die Kommission künftig in etwaigen Gerichtsverfahren einnehmen könnte.

[4] Gemäß den Vorschriften des Vertrags über den Binnenmarkt sind alle gegen Entgelt erbrachten Dienstleistungen als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen. Nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss die Dienstleistung nicht unbedingt von denjenigen bezahlt werden, für die sie erbracht wird, doch muss es eine Gegenleistung für die betreffende Leistung geben. Tätigkeiten, die nicht gegen ein Entgelt erbracht werden, etwa durch den Staat oder in seinem Namen im Rahmen seiner sozialen Aufgaben (z. B. Unterricht im Rahmen des nationalen Bildungssystems oder in einer Hochschule, die im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird), stellen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten dar (siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen „Guide to the application of the European Union rules on state aid, public procurement and the internal market to services of general economic interest, and in particular to social services of general interest“ (SEC(2010) 1545 final vom 7.12.2010, insbesondere Nummern 6.1 bis 6.3 [Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und insbesondere auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse]). 

[5] Die Einhaltung der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1), der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23), der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22) und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16) wurde in dem vorliegenden Bericht nicht überprüft.

[6] Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis, ABl. L 206 vom 29.7.1991, S. 19.

[7] Von insgesamt 995 Teilnehmern der Konsultation, darunter 768 in der EU ansässige KMU oder KMU-Interessenverbände, bezeichneten 59 die Richtlinie 2008/104/EG als eine der Rechtsvorschriften der EU, die den größten Aufwand verursachten.

[8] Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen „Monitoring and Consultation on Smart Regulation for SMEs“ (SWD(2013) 60 final), Begleitunterlage zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Intelligente Regulierung – Anpassung an die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen“ (COM(2013) 122 final).

[9] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Folgemaßnahmen der Kommission zu den 10 wichtigsten Konsultationen der KMU zur EU-Regulierung“ (COM(2013) 446 final vom 18. Juni 2013).

[10] Europäischer Verband der öffentlichen Arbeitgeber und Unternehmen.

[11] Europäische Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe.

[12] Europäischer Gewerkschaftsbund.

[13] Urteil des EuGH vom 11. April 2013, Rechtssache C-290/12 Oreste Della Rocca vs. Poste Italiane SpA.

[14] Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1.