15.4.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 114/11


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftfahrtunternehmen

2014/C 114/03

I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

weist darauf hin, dass der Luftverkehr im Rahmen der umfassenden Modernisierung des Beihilfenrechts, die 2012 (1) von der Europäischen Kommission eingeleitet wurde, einer der ersten Sektoren war, bei dem auf die Notwendigkeit einer Aktualisierung der Rechtsetzung zur Regelung der staatlichen Finanzierung im Bereich der Infrastrukturen, Betriebshilfen für Flughäfen und Startbeihilfen für Luftfahrtunternehmen hingewiesen wurde (2);

2.

erinnert daran, dass die Europäische Kommission 1994 (3) die erste Regelung für staatliche Beihilfen in der Zivilluftfahrt in Folge einer schrittweisen Umsetzung des Programms zur Liberalisierung des Luftverkehrs eingeführt hat, wodurch der Wettbewerb so stark angekurbelt wurde, dass eine Regulierung erforderlich wurde, mit der sich der Wettbewerb nach fairen Spielregeln zwischen allen Branchenakteuren entfalten konnte;

3.

betont, dass die Konsolidierung der Liberalisierung des Luftverkehrs im Jahr 2005 (4)gemeinsam mit der raschen Entwicklung der Branche, die in den folgenden Jahren mit dem fulminanten Durchbruch des neuen Geschäftsmodells von Billigfluggesellschaften auf kleinen Flughäfen konfrontiert war, eine Anpassung des bestehenden Regelungsrahmens durch neue Leitlinien der Europäischen Kommission für die öffentliche Finanzierung von Flughäfen und auf Regionalflughäfen tätigen Fluggesellschaften erforderlich machte;

4.

stellt fest, dass die Entwicklung des europäischen Marktes nach nur acht Jahren zu einem radikalen Wandel des Luftverkehrsvolumens geführt hat, was insbesondere dem exponentiellem Anstieg der Kaufkraft auf dem Marktsegment der Billigfluggesellschaften zu verdanken ist, dessen Geschäftsmodell im Wesentlichen auf kleinen dezentralen Regionalflughäfen im Gegensatz zu den traditionellen nationalen Flughäfen und großen Drehkreuzen greift;

5.

teilt den Standpunkt der Europäischen Kommission, dass dringender Handlungsbedarf hinsichtlich des Regelungsrahmen für staatliche Eingriffe zur Unterstützung der Flughafenbranche im Einklang mit dem Modernisierungsprogramm besteht, das den Mitgliedstaaten einen schlanken und effizienten Regelungsrahmen zum Schutz des Wettbewerbs und des modernisierten Binnenmarktes für den Zeitraum 2014-2020 an die Hand geben soll und verweist zu diesem Zweck auf die bereits in seiner Stellungnahme zur Modernisierung des EU-Beihilferechts formulierten Empfehlungen (5);

6.

begrüßt die von der Europäischen Kommission in einer ersten Phase am 6. Juni 2011 und in der seit dem 3. Juli 2013 laufenden zweiten Phase lancierte Konsultation mit dem Ziel, den Beitrag sämtlicher Akteure zur Überarbeitung des geltenden Regelungsrahmens und zu den vorgeschlagenen neuen Leitlinien einzuholen: unterstützt den Ansatz der Europäischen Kommission, einen fairen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Akteuren des europäischen Luftverkehrs unabhängig von ihrem jeweiligen Geschäftsmodell herbeizuführen, um das reibungslose Funktionieren und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Luftverkehrs zu gewährleisten;

7.

bedauert gleichwohl den Umstand, dass das EU-Wettbewerbsrecht, für das ausschließlich die Europäische Kommission zuständig ist, gemeinsam mit der Vielzahl an soft law es den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften nicht ermöglicht, einige Schlüsselsektoren der lokalen und regionalen Entwicklung maßgeblich zu unterstützen, wie etwa die Regionalflughäfen und die politischen Maßnahmen zur Förderung der regionalen Entwicklung;

8.

macht die Kommission darauf aufmerksam, dass die Situation der einzelnen Flughäfen in der EU sehr unterschiedlich ist, insbesondere in den Regionen in äußerster Randlage, deren Flughäfen — unabhängig vom Fluggastaufkommen — aufgrund der isolierten und abgeschiedenen Lage weder rentabel sein noch mit anderen Flughäfen der EU konkurrieren können und auch für alternative Verkehrsträger auf der Straße oder Schiene keinerlei Bedrohung darstellen;

9.

erinnert daran, dass die lokalen und regionalen Behörden in diesen Sektoren die wichtigsten Akteure für die Umsetzung der politischen Maßnahmen zur Entwicklungs- und Wachstumsförderung vor Ort auch im Zuge von staatlichen Beihilfen sind und dank ihrer Nähe zu den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren eine fundierte Kenntnis des lokalen Wirtschaftsgefüges besitzen, welche in die europäischen Rechtsvorschriften unbedingt einfließen muss, wenn diese tatsächlich den Städten, Gemeinden und Regionen und ihres Zusammenhaltes im Binnenmarkt dienlich sein und territorialen Zusammenhalt in der EU schaffen sollen;

10.

erinnert an die Aussagen in seiner Stellungnahme zu den „Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2014-2020“ (6) und spricht sich folglich dafür aus, dass die Europäische Kommission bei Vorschlägen zu staatlichen Beihilferegelungen den Ausschuss der Regionen (AdR) frühzeitig und systematisch konsultiert (7), um die Informationen einzuholen, die für eine Folgenabschätzung unter Beachtung des Prinzips der Multi-Level-Governance erforderlich sind (8);

Öffentliche Finanzierung der Infrastrukturen

11.

schließt sich dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (9) an, der die Kommission an die zentrale Bedeutung der Regionalflughäfen in der europäischen Luftfahrt erinnert: im Jahr 2010 haben rund 60% der Flughäfen in der EU weniger als eine Million Passagiere abgefertigt. Er hält es daher für wünschenswert, dass diese zentrale Rolle auch in den neuen Leitlinien Berücksichtigung findet;

12.

bekräftigt, wie wichtig die Regionalflughäfen für die Förderung der lokalen Entwicklung und die Verbesserung der Zugänglichkeit sind und auf diese Weise einen Beitrag zu den Zielen des territorialen Zusammenhalts, des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung in den Regionen leisten. Zugänglichkeit — z. B. in Form von angemessenen Flugverbindungen — ist von entscheidender Bedeutung dafür, dass auch schwächer besiedelte Gebiete der Union und die vom Flugverkehr abhängenden Regionen in äußerster Randlage aktiv am Binnenmarkt teilnehmen können;

13.

erachtet diese Rolle in einer historischen Phase wie der aktuellen, in der die Union nur mit Mühe aus der Wirtschaftskrise herauskommt, für besonders wichtig. Die derzeitige Krise hat schon seit ihrem Ausbruch im Jahr 2008 ein starkes und entschiedenes Eingreifen der öffentlichen Behörden auf europäischer und nationaler Ebene in die antizyklische Wirtschaftspolitik erforderlich gemacht, das von der Europäischen Kommission dadurch anerkannt und gerechtfertigt wurde, dass sie eine umfassende Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung in Artikel 107 Ziffer 3 Buchstabe b) des Vertrags über die Funktionsweise der Europäischen Union (10) gebilligt hat. In schwierigen wirtschaftlichen Zeiten ist es daher besonders wichtig, eine bessere Zugänglichkeit zu allen Teilen des Marktes zu fördern.

14.

bekräftigt ferner unter Berücksichtigung der Mitteilung der Kommission zur europäischen Flughafenpolitik die Bedeutung der Regionalflughäfen (11), die es ermöglichen, die wachsende Überlastung der großen Drehkreuze, die eine erhebliche Belastung für die dortige Bevölkerung sowie die Umwelt hervorrufen, spürbar zu verringern und gleichzeitig den Tourismus in der EU fördert und die KMU beim Marktzugang durch Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unterstützt (12);

15.

ist folglich der Auffassung, dass Nachhaltigkeit und Effizienz des europäischen Flugverkehrs stark von der Präsenz eines angemessenen Infrastrukturnetzes kleiner Flughäfen abhängt;

16.

teilt die Bedenken der Europäischen Kommission (13) mit Blick auf den steigenden Infrastrukturbedarf im Zuge der Europa-2020-Strategie, welche moderne, angemessene und flexible Infrastrukturnetze in den Bereichen Energie, IKT und Verkehr fordert, um Europa in eine wissensintensive, emissionsarme und höchst wettbewerbsfähige Wirtschaft zu verwandeln;

17.

teilt ferner den Standpunkt, dass der Markt nicht immer in der Lage ist, die für Europa notwendigen Infrastrukturen zu liefern und dass ohne staatliches Eingreifen viele für die Verwirklichung der Ziele der Europa-2020-Strategie erforderlichen Investitionen ausgeblieben oder auf nach 2020 verschoben worden wären;

18.

begrüßt den Aufruf der Kommission, die Infrastrukturinvestitionen der Union aufzustocken, deren geschätzter Bedarf sich auf über 1,5 Trillionen EUR im Zeitraum 2010-2020 beziffern lässt, um die tägliche Verkehrsnachfrage zu befriedigen, wobei sie gleichzeitig auf die starke Korrelation zwischen geografischer Zugänglichkeit und Wirtschaftswachstum der Regionen verweist;

19.

nimmt die im Fall Leipzig/Halle (14) vom Europäischen Gerichtshof erarbeiteten Grundsätze zur Kenntnis, unterstreicht aber den spezifischen faktischen Kontext, der ihnen zugrunde liegt: daher ruft er die Kommission auf, die große Bandbreite öffentlicher Maßnahmen zur Infrastrukturförderung in ihren Leitlinien zu berücksichtigen. Oft ist — zusätzlich zu dem privaten Kapital — eine gewisse Beteiligung der öffentlichen Hand entscheidend, um das Gelingen größerer Infrastrukturprojekte wie z. B. Flughäfen zu sichern, ungeachtet dessen, ob deren Endzweck kommerzieller Art ist oder nicht;

20.

weist darauf hin, dass die absoluten Passagierzahlen nur im Regelfall ein geeignetes Kriterium sein dürften, um die mögliche Wirtschaftlichkeit eines Flughafens als Infrastruktureinrichtung zu beurteilen und eine Kategorisierung vorzunehmen. Er plädiert daher für eine flexiblere Ausgestaltung der Vereinbarkeitsregeln in diesem Punkt, die die Berücksichtigung von Besonderheiten im Einzelfall noch ermöglicht;

21.

ruft des Weiteren dazu auf zu bedenken, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Überwindung der Krise sinnvoll wäre, im Interesse der Prioritätensetzung die positiven Auswirkungen der öffentlichen Infrastrukturfinanzierungen auf den Zusammenhalt, das Wachstum und die Beschäftigung zu untersuchen und im Abwägungsprozess mit den Wettbewerbsregeln angemessen zu berücksichtigen;

22.

nimmt die von der Kommission entwickelten Maßstäbe des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers zur Kenntnis, blickt ferner jedoch mit Sorge auf die Auswirkungen der Anwendung des Grundsatzes auf die Infrastrukturen, in denen die Rolle des Staates historisch und institutionell unersetzbar ist. vor dem Hintergrund des notwendigen Investitionsvolumens und der Unmöglichkeit, die Refinanzierung der Investitionskosten vollständig auf die Infrastrukturen nutzende Allgemeinheit abzuwälzen — es sei denn auf extrem lange Sicht — ist der Großteil der Infrastrukturinvestitionen für einen Privatinvestor grundsätzlich untragbar. Die Prämisse dass der Staat mit einem Privatakteur verglichen werden kann und sich jedweder sozialen, politischen, regionalen und sektoralen Erwägung entzieht, ist realitätsfern und gemeinwohlgefährdend, wenn sie auf Infrastrukturmaßnahmen der Regionen Anwendung findet, die ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Auftrags sind;

23.

ruft die Kommission auf zu berücksichtigen, dass die öffentlichen Förderermaßnahmen im Bauwesen und zum Ausbau der Infrastrukturen und jene zum Ausgleich des Zugänglichkeitsdefizits ihrer Einwohner häufig auch allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahmen darstellen, die somit keine staatlichen Beihilfen sind (15), sondern Maßnahmen von allgemeinem Interesse. Er fordert daher die Kommission auf, die Modernisierung der Beihilferegelungen fortzuführen und dabei den wesentlichen Leitprinzipien Rechnung zu tragen, welche der staatlichen Politik und der institutionellen Rolle des Staates zugrunde liegen; er gibt zu bedenken, dass Flughäfen ebenso wie Straßen und Schienenwege einem öffentlichen Infrastrukturauftrag dienen;

Klein- und Kleinstflughäfen, die nicht unter den Anwendungsbereich des Beihilferechts fallen

24.

ruft die Kommission auf, die Modernisierung im Zeichen einer echten Vereinfachung fortzuführen und sich vorrangig auf Sachverhalte und Fälle zu konzentrieren, die den Wettbewerb am stärksten verzerren und eine echte Bedrohung für die Integrität des Binnenmarktes darstellen;

25.

teilt die Ansicht, dass es Regeln bedarf, welche im Europäischen Wirtschaftsraum gleiche Bedingungen für Luftverkehrsunternehmen gewährleisten, indem die staatlichen und wettbewerbsverzerrenden Eingriffe auf die jeweiligen Märkte auf ein Minimum reduziert und sogenannte Subventionswettläufe zwischen Mitgliedstaaten verhindert werden;

26.

ist der Auffassung, dass sich die Kommission auf die Großflughäfen konzentrieren sollte und die Beihilfemaßnahmen für Kleinflughäfen mit einem Verkehrsaufkommen von durchschnittlich nicht mehr als 300 000 Passagieren pro Jahr nicht unter den Anwendungsbereich für staatliche Beihilfen fallen sollten, weil sie keinen nennenswerten Einfluss auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben können und weil diese Flughäfen strukturell nicht in der Lage sind, die Kapital- und Betriebskosten zu decken; unterstreicht, dass die Kommission bereits in dem Beschluss vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung der Bestimmungen von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) betraut sind, die Angemessenheit des Schwellenwerts von 300 000 Passagiere anerkannt, diesen jedoch auf Flugverbindungen zu Inseln und Häfen beschränkt und einen niedrigeren Schwellenwert für DAWI im Zusammenhang mit Flughäfen festgelegt hat; fordert die Kommission daher auf, die Schwellenwerte in den verschiedenen Rechtsgrundlagen kohärenter und einfacher zu gestalten und den Vorschlag für neue Leitlinien, insbesondere Ziffer 80 Absatz 1 und Ziffer 80 Absatz 2 über die Klassifizierung der Flughäfen, Ziffer 92 über die Beihilfenintensität, in dem die Schaffung einer Flughafenkategorie mit weniger als 300 000 Passagieren vorgesehen sein sollte, sowie Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe (e) des oben genannten Beschlusses entsprechend zu ändern;

27.

begrüßt, dass sich die Kommission der Kategorie von Flughäfen mit einer sehr niedrigen Kapazität hinsichtlich des jährlichen Passagieraufkommens annehmen wollte, die ihres Erachtens ebenso wie jene mit einem Fluggastvolumen von 5 Millionen Passagieren pro Jahr häufig strukturell bedingt nicht in der Lage sind, die Kapital- und Betriebskosten ohne einen öffentlichen Zuschuss zu decken. Er bedauert gleichwohl, dass diesem Umstand nicht in demselben Maße bei den Kriterien für die Kompatibilität der Beihilfen für diese Flughäfen Rechnung getragen wird (16);

28.

weist insbesondere darauf hin, dass solche Flughäfen

aufgrund des beschränkten Fluggastaufkommens,

der durch die Abgelegenheit, die Geländespezifität oder mangelnde Infrastrukturen für alternative Verbindungen mit dem Umland bedingten schlechten Erreichbarkeit der Region,

des begrenzten Einzugsgebiets und der beschränkten Entwicklungsperspektiven

als rein lokale Flughäfen ohne grenzüberschreitende Attraktivität zu betrachten sind;

29.

weist darauf hin, dass es sich in den meisten Fällen um Kleinflughäfen handelt, die hinsichtlich der Beförderungskapazität kaum oder gar nicht von alternativen Flughäfen oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln ersetzt werden können: die etwaige Fluggastverteilung der Erstgenannten würde sich in keiner Weise auf das Verkehrsvolumen der Zweitgenannten auswirken;

30.

ist daher der Auffassung, dass die Finanzierung dieser Flughäfen keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Funktionsweise der Europäischen Union darstellt, weil dadurch weder der Wettbewerb verzerrt noch der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinflusst werden kann; aus diesem Grund sollte sie vom Anwendungsbereich der neuen Leitlinien ausgenommen sein;

31.

schlägt vor (17), dass der bis zu zehn Jahre dauernde Übergangszeitraum, in dem die Europäische Kommission die Beihilfen für den Betrieb der Flughäfen für vereinbar erachtet, ausschließlich auf Flughäfen mit mehr als einer Million Passagieren im Jahr Anwendung findet. Das vorgeschlagene Verbot darf nicht zu einer großflächigen Schließung kleiner Flughäfen führen. Der AdR schlägt weiterhin vor, dass die Kategorie der Flughäfen mit weniger als 1 Mio. Fluggästen in Flughäfen mit einem jährlichen Fluggastvolumen zwischen 300 000 und 1 Million umbenannt wird;

32.

ist wie die Kommission der Ansicht, dass die Dopplung unrentabler Flughäfen und die Schaffung von Überkapazitäten vermieden werden sollten; ist aber gleichwohl der Auffassung, dass in Fällen, in denen die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, damit Finanzierungen als staatliche Beihilfen betrachtet werden können — wie etwa im Falle von Kleinflughäfen mit lokaler Bedeutung — diese Empfehlungen nicht den staatlichen Beihilferegelungen unterliegen sollten, deren Ziel es ist, die wettbewerbsorientierten Gleichgewichte zwischen Mitgliedstaaten im Interesse der Integrität des Binnenmarktes zu schützen und nicht die Qualität der öffentlichen Ausgabenentscheidungen von Regierungen zu bewerten;

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

33.

nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission die Errichtung und Aufrechterhaltung von Flughäfen als Fallgruppe betrachtet, in der Ausgleichsleistungen für die Übernahme von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gewährt werden können, hält den Anwendungsbereich aber für deutlich zu eng;

34.

ist der Auffassung, dass der Erhalt eines Flughafens auch außerhalb von Gebieten, die ohne den Flughafen in einem Maß von der übrigen EU abgeschnitten wäre, das seine soziale und wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigt würde, als legitim in Betracht kommt;

35.

gibt zu bedenken, dass die Mitgliedstaaten und ihre lokalen und regionalen Gebietskörperschaften grundsätzlich autonom eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bestimmen können und dass die Kommission dies nur im Hinblick auf offensichtliche Fehler überprüfen kann;

36.

vertritt die Auffassung, dass die Errichtung und der Erhalt eines Flughafens vor allem auch dann einem Gemeinwohlauftrag entspricht, wenn dadurch eine strukturschwache Region verbessert und eine Perspektive für die regionalwirtschaftliche Entwicklung der Region überhaupt ermöglicht wird;

37.

erachtet es für notwendig, eine Politik der Zusammenarbeit zwischen grenzüberschreitenden EU-Regionen für die Koordinierung und/oder den Bau von Regionalflughäfen zu verfolgen, die Regionen aus mehreren Mitgliedstaaten umfasst;

Betriebsbeihilfen für Flughäfen mit 300 000 bis 1 Millionen Fluggästen

38.

stellt fest, dass die Europäische Kommission einräumt, dass Betriebsbeihilfen für kleine Regionalflughäfen weitgehend von deren Unfähigkeit abhängen, ihre Betriebskosten zu decken. Die Kommission hält es ferner für möglich, diese Flughäfen in einem Zeitraum von maximal zehn Jahren zu stärker marktorientierten Managementformen zu führen, die es ermöglichen, betriebskostendeckende Ressourcen freizumachen;

39.

bezweifelt aufgrund der Marktmerkmale von kleinen Regionalflughäfen, dass dieser Übergang erfolgen kann, bevor diese ein jährliches Verkehrsaufkommen von über 1 Million Fluggästen erreichen, und dies unabhängig von den von der Kommission veranschlagten 10 Jahren;

40.

teilt grundsätzlich den marktorientierten Ansatz der Europäischen Kommission, bei dem die Zuweisung öffentlicher Gelder an effiziente Flughafenmodelle unter Vermeidung einer Verdopplung ineffizienter Flughäfen und am Schutz des Wettbewerbs zwischen Flughäfen und Fluggesellschaften orientiert ist;

41.

erachtet gleichwohl die Methode, mit der die Kommission diese Ziele erreichen möchte, für unangemessen, weil sie dabei ignoriert, dass die Marktdynamik je nach Größe und Spezifizität der Flughäfen sehr unterschiedlich ist und folglich die Flughafenbetreibergesellschaften nur augenscheinlich auf demselben Markt tätig sind;

42.

weist auf eine unlängst erfolgte Untersuchung des Internationalen Flughafenrats (ACI) hin (18), der zufolge 80% der Kosten eines Flughafens vom Fluggastverkehr unabhängige Fixkosten sind, die für die Infrastruktur und die sich weitgehend aus den Sicherheitskosten ergebenen Betriebskosten aufgewendet werden: dadurch sind die Kosten pro Fluggast eines kleinen Flughafens wesentlich höher als eines Großflughafens, der die Fixkosten auf ein großes Fluggastvolumen umlegen kann, und es wird erheblich schwieriger, die Kosten zu decken („break even“);

43.

betont ferner, dass die Kleinflughäfen mit strukturellen Wettbewerbsnachteilen konfrontiert sind, die sie daran hindern, die Fixkosten entweder durch die eng mit dem Fluggastvolumen im Transit verbundenen Handelseinnahmen oder durch die Erhöhung der Flughafengebühren für die Fluggesellschaften auszugleichen, wodurch eine Zwischenlandung in diesen ohnehin schon wegen des begrenzten Einzugsgebiets und unzureichender Verbindungen benachteiligter Flughäfen noch weniger attraktiv wird und die Fluggesellschaften letztendlich verleitet werden, größere Flughäfen anzusteuern;

44.

macht des Weiteren darauf aufmerksam, dass die meisten Kleinflughafen mit 300 000 bis 1 Million Fluggästen pro Jahr in der Regel ihre kleine Größenordnung aufgrund der wenig günstigen Merkmale ihrer Standortregion (Insel-, Berg- oder Randregion, Infrastrukturdefizite, geringe intermodale Anbindung) beibehalten. Dessen ungeachtet machen sie gut 20% (19) des TEN-V-Kernnetzes und Gesamtnetzes aus und spielen somit für die Zukunft der transeuropäischen Netze und der Anbindungsziele der Europa-2020-Strategie eine zentrale Rolle;

45.

verweist dementsprechend darauf, dass jüngsten Untersuchungen (20) zufolge Flughäfen mit weniger als 1 Million Fluggästen jährlich zwar Gesamtverluste von 445 Mio. EUR im Jahr hinnehmen mussten, gleichwohl aber mit 16,15 Mrd. EUR jährlich und gut 265 000 Arbeitsplätzen zur Steigerung des BIP der EU beitrugen;

46.

ist daher der Ansicht, dass die neuen Leitlinien die Betriebsbeihilfen für Flughäfen mit höchstens 1 Million Fluggästen jährlich sowie für die Flughäfen der Regionen in äußerster Randlage auch nach bis zu zehn Jahren nicht untersagen dürfen, weil sie das einzige Instrument zum Ausgleich der oben erwähnten Strukturdefizite darstellen und gänzlich durch die durch sie herbeigeführten positiven externen Effekte gerechtfertigt werden;

47.

fordert die Kommission auf anzuerkennen, dass die Vorteile, die sich für die Unionsbürger durch die staatliche Förderung von Kleinflughäfen ergeben, eine größere Bedeutung haben als rein finanzielle und ökonomische Überlegungen;

48.

erinnert die Kommission an die positiven externen Effekte eines breitgefächerten und differenzierten Angebots an Regionalflughäfen: Steigerung der nationalen und vor allem der transeuropäischen Mobilität im Zuge des stärkeren Wettbewerbsdrucks auf die Luftverkehrstarife und die Reduzierung der Kosten, Konsolidierung des sozialen, kulturellen und territorialen Zusammenhalts der Union;

49.

teilt die Auffassung der Kommission, dass dafür zu sorgen ist, dass staatliche Beihilfen für Kleinflughäfen nicht zu Quersubventionen zugunsten anderer Empfänger als die Nutzer von Flughafeninfrastrukturen führen;

50.

schlägt vor, dass die Frist für den Übergangszeitraum als eine „mittelfristige Überprüfung“ verstanden wird, ohne die Möglichkeit auszuschließen, die Betriebsbeihilfen auch nach dem Übergangszeitraum fortzusetzen, sofern die Voraussetzungen dafür weiterhin bestehen. Er schlägt ferner vor, dass — wie es für die Investitionsbeihilfen vorgesehen ist — auch die Betriebsbeihilfen im Verhältnis zur Flughafengröße und einer eventuellen Effizienzsteigerung der Verwaltung, die nicht rigide auf 10% jährlich unterschiedslos für alle Flughäfen festgelegt werden kann und darf, angepasst werden können;

51.

ist der Auffassung, dass die für Starthilfen für neue Flugverbindungen zugelassene Höchstdauer von 24 Monaten nicht unbedingt als zusammenhängender Zeitraum verstanden werden muss vor dem Hintergrund, dass das Geschäftsmodell von Saisonflügen, die häufig mit dem Fremdenverkehr verknüpft sind, in den kleinen Regionalflughäfen besonders stark verbreitet ist;

Investitionsbeihilfen für Flughäfen

52.

ist besorgt, dass die von der Kommission vorgeschlagenen größenabhängigen starren Finanzierungsquoten für Investitionskosten nicht die Besonderheiten im Einzelfall berücksichtigen und fordert daher die Kommission auf, auf der Grundlage ihrer bisherigen Entscheidungspraxis Finanzierungsbeihilfen flexibel zuzulassen, wenn der Flughafen einem gemeinsamen Ziel (vor allem Verkehrsanbindung, regionalpolitische Entwicklung) dient, eine langfristige Rentabilität unter Berücksichtigung von Verkehrsprognosen und auf der Grundlage eines Businessplans erwarten lässt und der diskriminierungsfreie Zugang für Passagiere und Fluggesellschaften gewährleistet ist; hält ferner den Vorschlag für unangebracht, die staatlichen Investitionshilfen für diese Flughäfen, die bis zu einem Höchstsatz von 25% zugelassen sind, von der Rückerstattung der Beihilfe im Falle einer erfolgreichen Investition abhängig zu machen; schlägt vor, den Höchstsatz von 25% nicht gänzlich an rückzahlbare Vorschüsse zu koppeln;

53.

verweist auf die Ergebnisse der Branchenuntersuchung (21), der zufolge die Flughäfen nur wettbewerbsfähige Größenvorteile erzielen können, wenn sie die Schwelle von 5 Millionen Passagieren pro Jahr erreicht haben: die Europäische Kommission räumt selbst ein, dass Flughäfen mit 3 bis 5 Millionen Fluggästen jährlich nicht immer alle ihre Kosten decken können;

Die Finanzierung der Intermodalität von Flughäfen

54.

ermuntert zur Unterstützung der Pläne zur Umwandlung der bestehenden, auf die Entwicklung der regionalen Verkehrsintermodalität abgestimmten Flughafeninfrastruktur in regionalen Zentren; teilt den bereits im Weißbuch zur Verkehrspolitik (22) aus dem Jahr 2011 formulierten Standpunkt der Kommission, dass die Union dringend und kurzfristig zur Förderung der multimodalen Beförderung, insbesondere der Ko-Modalität Schiene/Luft, tätig werden muss, und fordert die Kommission auf, die Modernisierung staatlicher Beihilfen fortzuführen, dergestalt dass die neuen Regeln öffentliche Interventionen zur Behebung dieser gefährlichen Infrastrukturmängel und der Fragmentierung der Verkehrsträger im Luftverkehrssystem erleichtern, indem sie als fester Bestandteil einer öffentlichen Politik zur Förderung der Mobilität der europäischen Bürger angesehen werden;

Die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs

55.

verweist auf die zentrale Rolle, welche die Luftfahrt in der europäischen Wirtschaft sowohl für die Bürger als auch für die Unternehmen spielt: mit mehr als 5 Millionen Arbeitsplätzen und einem Beitrag zum europäischen BIP in Höhe von 365 Mrd. EUR (2,4%) leistet sie einen wesentlichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum, zur Beschäftigung, dem Fremdenverkehr, den zwischenmenschlichen Beziehungen sowie zum regionalen und sozialen Zusammenhalt der Union und bleibt somit ein für die Verbindungen zwischen Europa und der Welt wesentlicher Sektor;

56.

ist auch der Ansicht, dass der Wettbewerb nicht durch unlautere Praktiken inner- und außerhalb der EU verzerrt werden darf. Ruft die Kommission auf darauf hinzuwirken, dass die Union durch die Bemühungen um Vollendung des Binnenmarktes nicht daran gehindert wird, die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs mit Ländern, die heute zu unseren Hauptkonkurrenten gehören, anzunehmen, zumal die Kommission ihnen gegenüber bereits einen besorgniserregenden und wachsenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrt beobachtet hat; (23)

57.

betrachtet den Wettbewerb um neue Routen als nicht auf Europa beschränktes, sondern globales Phänomen. Wenn Gebiete in Randlage wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleiben oder werden sollen, muss ein verbesserter Anschluss gefördert werden, um das Risiko, das der Einrichtung neuer Verkehrsverbindungen innewohnt, gemeinsam zu tragen. Solche Verbindungen außerhalb der EU werden immer wichtiger für die Erhaltung und Entwicklung der Anbindung an bestehende und aufstrebende Märkte und deren potenziellen direkten wirtschaftlichen Nutzen, so dass auch solche Verbindungen unter bestimmten Umständen gefördert werden könnten;

58.

erinnert dran, dass das rigorose Kontrollsystem für staatliche Beihilfen der Union auf der Welt einzigartig ist und dass mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrt die massiven öffentlichen Gelder nicht ignoriert werden dürfen, die in den Vereinigten Staaten, in Asien und im Nahen Osten weiterhin in Flughafeninfrastrukturen und Fluggesellschaften fließen und somit die Union in einen gefährlichen Wettbewerbsnachteil manövrieren: das darf bei der Modernisierung nicht außer Acht gelassen werden und die Union kann und darf sich nicht erlauben, insbesondere in Bezug auf öffentliche Infrastrukturbeihilfen auf einem restriktiven Ansatz zu beharren, der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrt sowie der gesamten EU-Wirtschaft noch weiter untergraben könnte.

Brüssel, den 28. November 2013

Der Präsident des Ausschusses der Regionen

Ramón Luis VALCÁRCEL SISO


(1)  COM(2012) 209 final.

(2)  Öffentliche Anhörung vom 7. April bis 7. Juni 2011.

(3)  94/C 350/07.

(4)  2005/C 312/01.

(5)  CdR 1528/2012.

(6)  CdR 2232/2012.

(7)  CdR 76/2005, S. 1.

(8)  Vgl. CdR 2232/2012, Ziffern 18-20.

(9)  2012/C 299/10.

(10)  Vgl. die von der Europäischen Kommission als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 ergriffenen Maßnahmen: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/temporary.html.

(11)  COM(2011) 823 final.

(12)  COM(2006) 819 final.

(13)  SEC(2011) 391 final.

(14)  Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19 Dezember 2012 — Mitteldeutsche Flughafen AG, Flughafen Leipzig/Halle GmbH/Europäische Kommission, Bundesrepublik Deutschland, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen ev.

(15)  94/C 350/07, S. 1.

(16)  Vgl. Ziffern 80(1) und 92 des Entwurfs einer Mitteilung der Kommission — Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftfahrtunternehmen (2013).

(17)  a.a.O. S. 102.

(18)  Airports and State Aid: How To Protect Both Growth and Competition, ACI, 2013.

(19)  Ebd.

(20)  Ebd.

(21)  Ebd.

(22)  COM(2011) 144 final.

(23)  COM(2012) 556 final.