9.3.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/165


P7_TA(2013)0387

Lage unbegleiteter Minderjähriger in der EU

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. September 2013 zur Lage unbegleiteter Minderjähriger in der EU (2012/2263(INI))

(2016/C 093/26)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere dessen Artikel 3,

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf dessen Artikel 67 und 79,

unter Hinweis auf die Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere deren Artikel 24,

in Kenntnis der Europäischen Menschenrechtskonvention und der dazugehörigen Protokolle,

unter Hinweis auf die Entscheidungen und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Mai 2010 an das Europäische Parlament betreffend den „Aktionsplan für unbegleitete Minderjährige (2010 2014)“ (COM(2010)0213),

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 28. September 2012 an das Europäische Parlament und an den Rat mit dem Titel „Halbzeitbewertung der Durchführung des Aktionsplans für unbegleitete Minderjährige“ (COM(2012)0554),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 20. April 2010 über den „Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms“ (COM(2010)0171),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2009 zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel „Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger Europas — Stockholmer Programm“ (1),

in Kenntnis der Leitlinien der EU zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen und zur Bekämpfung aller Formen ihrer Diskriminierung,

in Kenntnis der auf der 3018. Tagung des Rates „Justiz und Inneres“ vom 3. Juni 2010 angenommenen Schlussfolgerungen betreffend unbegleitete Minderjährige,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (2),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (3) und auf die Mitteilung der Kommission betreffend „Die Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels 2012-2016“,

unter Hinweis auf die Asylrichtlinien, insbesondere die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (4), Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (5) und Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (6),

unter Hinweis auf die Reformvorschläge der Kommission zu den Instrumenten des gemeinsamen europäischen Asylsystems, insbesondere der geänderte Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern (Neufassung) (COM(2011)0320) sowie der geänderte Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus (Neufassung) (COM(2011)0319) sowie ferner der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) (COM(2008)0820),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (7),

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 862/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zu Gemeinschaftsstatistiken über Wanderung und internationalen Schutz (8),

unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 779/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 zur Auflegung eines spezifischen Programms (2007-2013) zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen sowie zum Schutz von Opfern und gefährdeten Gruppen (Programm Daphne III) als Teil des Generellen Programms Grundrechte und Justiz (9),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 23. Februar 2011 über die Evaluierung der EU-Rückübernahmeabkommen (COM(2011)0076),

unter Hinweis auf die Beiträge des Europarates, insbesondere die Entschließung 1810(2011) seiner parlamentarischen Versammlung zu den Problemen in Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt und der Rückführung „unbegleiteter Kinder in Europa“, auf die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten über Lebensentwürfe für unbegleitete Minderjährige (CM/Rec(2007)9) und die „20 Richtlinien zur Frage der obligatorischen Rückkehr“ (CM(2005)40) des Ministerkomitees des Europarates,

unter Hinweis auf die Internationalen Instrumente zum Schutz der Rechte von Kindern, insbesondere das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes und vor allem dessen Artikel 3, sowie die Allgemeinen Bemerkungen — und insbesondere Bemerkung Nr. 6 (2005) — des Ausschusses für die Rechte des Kindes zur Behandlung unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder außerhalb ihres Herkunftslands,

unter Hinweis auf die Richtlinien über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger des UN-Hochkommissars für Flüchtlingsfragen der Vereinten Nationen von 1997,

unter Hinweis auf die 1992 angenommene Allgemeine Empfehlung Nr. 19 des UN-Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau,

unter Hinweis auf die im Dezember 1993 angenommene Erklärung der UN-Generalversammlung zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, das erste internationale Menschenrechtsinstrument, das ausschließlich die Gewalt gegen Frauen betrifft,

unter Hinweis auf das Protokoll zur Verhinderung, Bekämpfung und Strafverfolgung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, in Ergänzung des UN-Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität,

gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und der Stellungnahmen des Entwicklungsausschusses sowie des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A7-0251/2013),

A.

in der Erwägung, dass jedes Jahr Tausende von Minderjährigen unter 18 Jahren, die Bürger aus Drittstaaten oder staatenlos sind, ohne Begleitung in der Europäischen Union ankommen oder dort nach ihrer Ankunft allein gelassen werden;

B.

in der Erwägung, dass immer neue Konflikte in verschiedenen Teilen der Welt und die anhaltende Weltwirtschaftskrise eine Welle der Zuwanderung unbegleiteter Minderjähriger verursacht haben;

C.

in der Erwägung, dass es vielfache Gründe für den Zustrom unbegleiteter Kinder gibt: Krieg, Gewalt, Verletzung ihrer Grundrechte, der Wunsch nach Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern, Naturkatastrophen, Armut, Menschenhandel, Ausbeutung usw.;

D.

in der Erwägung, dass unbegleiteten Kindern, die Opfer von Menschenhandel sind, besondere Aufmerksamkeit gelten sollte, da sie aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit spezifische Unterstützung und Betreuung benötigen;

E.

in der Erwägung, dass zahlreiche Minderjährige vor Zwangsheiraten in die EU flüchten und dass sich die Europäische Union daher noch stärker für die Bekämpfung dieses Phänomens einsetzen muss;

F.

in der Erwägung, dass diese Minderjährigen schon allein aufgrund ihrer kritischen Lage extrem verletzlich sind und daher die Wahrung ihrer Grundrechte sichergestellt werden muss;

G.

in der Erwägung, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten gemäß dem Vertrag über die Europäische Union, gemäß der EU- Charta der Grundrechte und gemäß dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes verpflichtet sind, die Rechte von Kindern zu schützen;

H.

in der Erwägung, dass das Stockholmer Programm dem Schutz unbegleiteter Minderjähriger Vorrang einräumt;

I.

in der Erwägung, dass die Aufnahme- und Betreuungsangebote für unbegleitete Minderjährige in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind und es hier kein äquivalentes und wirklich greifendes Schutzniveau gibt;

J.

in der Erwägung, dass Geschlechtergleichstellung und gleicher Schutz der Menschenrechte von unbegleiteten zugewanderten Mädchen und Jungen gesichert werden müssen, und ferner in der Erwägung, dass dabei ganz besonders auf Verstöße gegen die Menschenrechte von Mädchen und die Bereitstellung angemessener Unterstützung sowie auf gezielte Gegenmaßnahmen geachtet werden muss;

K.

in der Erwägung, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen Kinder aus Unterbringungen und Aufnahmezentren für Asylbewerber verschwunden sind;

Allgemeine Empfehlungen

1.

erinnert daran, dass ein unbegleiteter Minderjähriger vor allem ein potenziell gefährdetes Kind ist und dass daher der Schutz von Kindern, und nicht etwa Einwanderungspolitik, bei allen diese Kinder betreffenden Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union an erster Stelle stehen sollte, damit die Grundprinzipien zum Wohle der Kinder gewahrt werden; erinnert daran, dass als Kind und damit minderjährig ausnahmslos jede Person anzusehen ist, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat; erinnert daran, dass unbegleitete Minderjährige, besonders Mädchen, doppelt so häufig Schwierigkeiten und Problemen ausgesetzt sind wie andere Minderjährige; stellt fest, dass sie umso verletzlicher sind, da sie dieselben Bedürfnisse haben wie andere Minderjährige aber eben auch wie andere Flüchtlinge, mit denen sie die gleichen Erfahrungen teilen; betont, dass Mädchen und Frauen im Rahmen der Migration besonders häufig unter einer Verletzung ihrer Rechte leiden müssen und dass unbegleitete Mädchen ganz besonders gefährdet sind, da sie oftmals die Hauptzielgruppe für sexuelle Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt sind; erinnert daran, dass unbegleitete Minderjährige in der EU oft von den Behörden wie Delinquenten behandelt werden, die gegen die Einwanderungsgesetze verstoßen haben, und nicht wie Personen mit Rechten, die ihnen aufgrund ihres Alters und ihrer besonderen Lage zustehen;

2.

erinnert ferner daran, dass das Wohl des Kindes, wie es in den einschlägigen Texten und der Rechtsprechung verankert ist, bei allen Kinder betreffenden Maßnahme stets an oberster Stelle stehen muss, sowohl in öffentlichen als auch privaten Einrichtungen; fordert die Kommission auf, die ordnungsgemäße Umsetzung aller EU-Rechtsvorschriften über das Wohlergehen von Kindern zu gewährleisten und — basierend auf bewährten Verfahren, dem aktuellen Fallrecht und den Allgemeinen Bemerkung NR. 6 (2005) des UNHCR über die Behandlung unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder außerhalb ihres Herkunftslandes — strategische Leitlinien vorzuschlagen und ferner anhand von konkreten Indizes und Kriterien festzuschreiben, was genau unter dem Wohlergehen von Kindern zu verstehen ist; fordert die Kommission auf, legislative und nicht-legislative Maßnahmen umzusetzen, um einen angemessenen Schutz von Kindern und unbegleiteten Minderjährigen zu garantieren, und vor allem mit dem Ziel, die Methoden zur Ermittlung nachhaltiger Lösungen weiter zu verbessern;

3.

verurteilt vehement die in der Europäischen Union fortbestehenden Lücken im Schutz unbegleiteter Minderjähriger und kritisiert die häufig bedauernswerten Aufnahmebedingungen für diese Minderjährigen sowie die zahlreichen Verletzungen ihrer Grundrechte in bestimmten Mitgliedstaaten;

4.

betont die dringende Notwendigkeit, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten hier eine kohärente Lösung zum Schutz unbegleiteter Minderjähriger finden, die die voll umfängliche Wahrung ihrer Grundrechte beinhaltet; beglückwünscht jene Mitgliedstaaten, die sich für das UN-Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes entschieden haben, das Kindern rechtlichen Schutz vor den schlimmsten Formen der Ausbeutung bietet;

5.

begrüßt den von der Kommission verabschiedeten Aktionsplan 2010-2014 über unbegleitete Minderjährige; bedauert hingegen, dass der Ansatz der Kommission nicht stärker auf dem Schutz der Grundrechte dieser Minderjährigen fußt und hält fest, dass die bestehenden Maßnahmen nicht ausreichen und es für einen umfassenden Schutz unbegleiteter Minderjähriger weitergehender Maßnahmen bedarf; weist darauf hin, dass eines der Ziele des EU-Aktionsplans für unbegleitete Minderjährige darin besteht, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sich mit den grundlegenden Ursachen der Migration befassen und die Frage der unbegleiteten Minderjährigen in die Entwicklungszusammenarbeit einbeziehen, um auf diese Weise dazu beizutragen, dass ein sicheres Umfeld für Kinder geschaffen wird und sie so in ihren Herkunftsländern aufwachsen können; weist mit Nachdruck darauf hin, dass die präventive Dimension der EU-Politik bezüglich unbegleiteter Minderjähriger weiterentwickelt werden und dabei das Hauptaugenmerk auf verstärkte Bemühungen zur Beseitigung der Armut und die Bereiche Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik, Menschenrechte und Demokratisierung sowie Wiederaufbau nach Konflikten zu richten ist; ist der Auffassung, dass die EU über den von der Kommission vorgeschlagenen Aktionsplan hinausgehen muss, damit die Grundrechte unbegleiteter Minderjähriger auch wirklich gestärkt werden; betont insbesondere, dass die Stellung des gesetzlichen Vormunds in der EU und den Partnerländern gestärkt werden muss, und hält es für außerordentlich wichtig, in Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern einen Überwachungsplan auszuarbeiten, damit gewährleistet ist, dass Kinder nach ihrer Rückkehr angemessen geschützt und wieder in ihr Herkunftsland integriert werden;

6.

bedauert die Aufsplitterung der europäischen Bestimmungen über unbegleitete Minderjährige und fordert die Kommission auf, unverzüglich ein an alle Mitgliedstaaten und beteiligten Akteure gerichtetes Handbuch herauszugeben, in dem die verschiedenen Rechtsgrundlagen zusammengetragen sind, um die ordnungsgemäße Umsetzung in den Mitgliedstaaten zu erleichtern und den Schutz unbegleiteter Minderjähriger zu verbessern;

7.

bedauert den Mangel an verlässlichen statistischen Daten über unbegleitete Minderjährige; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Erhebung statistischer Daten über unbegleitete Minderjährige, einschließlich Statistiken über Alter und Geschlecht, zu verbessern, die Vergleichbarkeit der in allen Mitgliedstaaten erhobenen statistischen Daten zu verbessern, unter Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten eine koordinierte Methode der Informationserhebung und -verbreitung in den einzelnen Mitgliedstaaten einzurichten, etwa über Plattformen, in denen die an der Problematik der unbegleiteten Minderjährigen beteiligten Akteure zusammengefasst werden können, und eine Liste nationaler Kontaktstellen zu erstellen; fordert ferner, die für die Erhebung statistischer Daten in der EU vorhandenen Instrumente wie Eurostat, Frontex, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) und das Europäische Migrationsnetz besser zu nutzen; betont, dass das Ziel der Erhebung dieser Daten darin besteht, ein besseres Verständnis der Situation, einen verbesserten Schutz unbegleiteter Minderjähriger und eine bessere Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse zu ermöglichen; fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten, das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) und regierungsunabhängige sowie internationale Organisationen auf, sich verstärkt um Erfassung, Überwachung und Austausch verlässlicher, nach Geschlecht aufgeschlüsselter Daten zu bemühen, damit eine umfassende Übersicht über die Zahl unbegleiteter Mädchen entsteht und die besonderen Bedürfnisse dieser Gruppe untersucht werden kann mit dem Ziel, ihre Unterstützung zu gewährleisten und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, mit denen gezielt auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird; fordert ferner, verstärkt bewährte Verfahren auszutauschen, mit denen weitere Verbesserungen erzielt werden können;

8.

betont erneut, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Zusammenarbeit mit nicht der EU angehörigen Herkunfts- und Transitländern in Bezug auf unbegleitete Minderjährige verstärken müssen, wenn es um die Wahrung ihrer Grundrechte und um Fragen geht wie die Ermittlung dauerhafter Lösungen, die Suche nach Familienangehörigen, die überwachte Rückkehr und Wiederaufnahme — sofern im Interesse des Kindes — oder die Wiederherstellung der familiären Bindungen sowie Reintegration; fordert ferner eine verbesserte Zusammenarbeit mit den nicht der EU angehörigen Herkunfts- und Transitländern, wenn es um die Vermeidung von und den Kampf gegen den Menschenhandel, vor allem den Handel mit Kindern und die Ausbeutung von Minderjährigen, geht, sowie um die Verhütung der illegalen Einreise und von verschiedenen Formen von gegen Frauen gerichteter Gewalt wie Zwangsheiraten; fordert ferner, dass in diesem Zusammenhang regelmäßige Dialoge zwischen der Europäischen Union und diesen Staaten und dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) abgehalten werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Schutz von Kindern und andere Fragen in Zusammenhang mit unbegleiteten Minderjährigen in ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit einzubinden; hält eine kohärente Entwicklung der EU-Politik in den Bereichen Einwanderung, Asyl und Rechte der Kinder — in Bezug auf Minderjährige sowohl in der EU als auch in Drittländern — für sehr wichtig und fordert, dass dabei den Auswirkungen dieser Politik auf die Entwicklungsländer gebührend Rechnung getragen wird; verweist auf die im Vertrag von Lissabon verankerte Verpflichtung der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung; fordert die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die Drittländer auf, in den Ursprungs-, Transfer- und Zielländern von unbegleiteten, zuwandernden Minderjährigen ihre Kampagnen zur Information der Öffentlichkeit über die Risiken von unbegleiteten Minderjährigen bei der Zuwanderung — und insbesondere über die Gefahr der Ausbeutung dieser Minderjährigen durch das organisierte Verbrechen — zu intensivieren; betont, dass es sehr wichtig ist, die persönliche und familiäre Geschichte zu untersuchen, um die Hintergründe des Minderjährigen kennenzulernen und maßgeschneiderte Pläne für dessen Integration im Ankunftsland oder die Reintegration im Herkunftsland auszuarbeiten;

9.

erinnert daran, dass die Bekämpfung des Menschenhandels ein erster notwendiger und unerlässlicher Schritt in diese Richtung darstellt, da Minderjährige, und vor allem Mädchen, besonders häufig den Risiken des Menschenhandels, der geschlechtsspezifischen Gewalt und der Ausbeutung — insbesondere Kinderarbeit und sexuelle Ausbeutung- sowie sonstigem Missbrauch ausgesetzt sind; betont, dass effektive Mechanismen der Prävention, Identifizierung, Berichterstattung, Befassung, Untersuchung und Strafverfolgung eingerichtet werden müssen, um auf Fälle von Menschenhandel, Kinderarbeit und sexueller Ausbeutung und sonstige Formen des Missbrauchs zu reagieren, und dass auch in den Drittstaaten Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Ursachen des Menschenhandels wirksam zu beseitigen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht auf, besonders wachsam zu sein und Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten wirksam umzusetzen; fordert die Mitgliedstaaten und die EU ferner auf, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zu verstärken und mit dem Koordinator für die Bekämpfung des Menschenhandels der EU zusammenarbeiten, wenn es darum geht, mögliche Opfer zu ermitteln, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und den Menschenhandel zu bekämpfen; begrüßt schließlich die Annahme der EU-Strategie zur Beseitigung des Menschenhandels (2012-2016), insbesondere die Bestimmungen über die Finanzierung der Ausarbeitung von Leitlinien über Mechanismen zum Schutz von Kindern und den Austausch von bewährten Verfahren; erinnert die Mitgliedstaaten an Artikel 11 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes, in der die Ergreifung von Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Verbringung von Kindern gefordert wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, mit Drittstaaten zusammen zu arbeiten, um das wachsende Problem des Kinderschmuggels zu bekämpfen; fordert die Mitgliedstaaten auf, Strafverfolgung gegen Schmuggler aufzunehmen, nach Möglichkeit mit entsprechenden und der Schwere des Verbrechens angemessenen Sanktionen; ist besorgt über die Lage vieler unbegleiteter Minderjähriger, die in der EU leben und besonderen Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch benötigen; fordert die Behörden der Mitgliedstaaten und die Bürgergesellschaften auf, zusammen zu arbeiten und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um deren Würde und Schutz zu garantieren;

10.

hält es für bedauerlich, dass der Kinderschutz im Vergleich zu anderen humanitären Bereichen in erheblichem Maße und dauerhaft unterfinanziert ist; fordert die Kommission auf, unbegleitete Minderjährige im Europäischen Asyl- und Migrationsfonds, auch mit Bezug auf die Rubriken betreffend Flüchtlinge, Außengrenzen, Rückkehr, besonders zu berücksichtigen, vor allem, wenn es um die Schaffung tragfähiger Garantien zum Schutz von Kindern geht, und im Europäischen Sozialfonds, wenn es um die Unterstützung der am stärksten betroffenen Regionen geht; ist der Auffassung, dass angemessene langfristige Finanzierungsmaßnahmen vor allem für Programme garantiert werden müssen, die die Identifizierung unbegleiteter Minderjähriger, ihre angemessene Aufnahme, ihren Schutz und die Bestellung eines Vormundes, die Suche nach ihren Familien und ihre Rückführung und Wiedereingliederung beinhalten sowie die Fortbildung von Grenzpersonal und –behörden;

Strategische Leitlinien

11.

ersucht die Kommission um Ausarbeitung strategischer Leitlinien für alle Mitgliedstaaten, die an ihren bewährtesten Verfahren orientiert sein und als gemeinsame Mindestnormen fungieren sollten, wobei darin jede Etappe des gesamten Verfahrens — von der Ankunft des Minderjährigen auf europäischem Hoheitsgebiet an bis zur Ermittlung einer dauerhaften Lösung für den jeweiligen Minderjährigen — erfasst sein soll, um optimalen Schutz bieten zu können; fordert die Kommission auf, basierend auf diesen strategischen Leitlinien einen europäischen Rahmen für den Schutz unbegleiteter Minderjähriger zu erstellen und eine verantwortliche nationale Kontaktstelle zu benennen, die für die Koordinierung der Umsetzung dieser Maßnahmen und Aktionen verantwortlich ist; fordert die Kommission auf, die Situation und die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der bestehenden Sachverständigengruppe zu überwachen und dem Europäischen Parlament und dem Rat jährlich darüber Bericht zu erstatten;

12.

erinnert daran, dass kein Kind bei der Einreise auf das europäische Hoheitsgebiet abgewiesen werden darf und besteht darauf, dass die Mitgliedstaaten ohne jedwede willkürliche Beschränkung alle internationalen und europäischen Vorschriften anzuwenden haben, die gelten, wenn ein Kind ihrer Gerichtsbarkeit unterliegt; erinnert daran, dass kein Kind an der Grenze eines Mitgliedstaates im Rahmen eines Schnellverfahrens abgewiesen werden darf;

13.

ersucht die Mitgliedstaaten ferner um strikte Befolgung der Grundverpflichtung, ausnahmslos und niemals einen Minderjährigen in Gewahrsam zu nehmen; bedauert die Tatsache, dass der geänderte Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern kein Verbot der Ingewahrsamnahme von unbegleiteten Asyl suchenden Kindern umfasst und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die in der Richtlinie als Richtschnur festgeschriebenen außerordentlichen Begleitumstände zu respektieren; fordert die Kommission auf, unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung und in Bezug auf die Anwendung der EU-Gesetzgebung sehr wachsam zu sein, wenn es um die Ingewahrsamnahme von Minderjährigen geht; fordert die Mitgliedsstaaten nachdrücklich auf, Minderjährige in speziell Kindern vorbehaltenen Unterkünften zu beherbergen und dabei ihr Alter und ihr Geschlecht zu berücksichtigen;

14.

ist der Auffassung, dass jeder Mitgliedstaat für die Identifikation des unbegleiteten Minderjährigen verantwortlich ist; fordert die Mitgliedstaaten auf, unbegleitete Kinder unmittelbar nach ihrer Ankunft in eine qualifizierte, zum Beispiel sozialpädagogische Betreuung zu geben, die einerseits die individuellen Begleitumstände und den individuellen Schutzbedarf eines jeden Minderjährigen — vor allem Nationalität, Bildung, ethnische Herkunft, kultureller und sprachlicher Hintergrund — und den Grad der Schutzbedürftigkeit feststellt und andererseits ihn unverzüglich in einer für ihn verständlichen Sprache und Form — gegebenenfalls mit Hilfe eines Dolmetschers — über seine Rechte, rechtlichen Beistand, soziale Unterstützung und über die jeweiligen ihn betreffenden Verfahren und deren Folgen informieren kann; fordert die Mitgliedstaaten auf, Erfahrungen mit für Kinderfragen besonders geeigneten Tools auszutauschen, damit den Kindern klare Vorstellungen über die anstehenden Verfahren und ihre Rechte vermittelt werden können; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, unbegleiteten Minderjährigen mit besonderen Bedürfnissen, insbesondere Minderjährigen, die Opfer des Menschenhandels geworden sind, besondere Aufmerksamkeit zu widmen und spezielle Vorkehrungen für Identifizierung, Aufnahme und Schutz vorzusehen — und ihnen vor allem den notwendigen Schutz und die notwendige Unterstützung im Sinne von Richtlinie 2011/36/EU zukommen zu lassen;

15.

bedauert, dass die in einigen Mitgliedstaaten zur Altersfeststellung eingesetzten medizinischen Testverfahren unangemessen und intrusiv sind und Traumata auslösen können, und dass die Verfahren der Altersfeststellung anhand von Messungen der Knochendichte oder der Zahnmineralisierung umstritten und sehr ungenau sind; fordert die Kommission auf, in die strategischen Leitlinien — auf bewährten Verfahren fußende — gemeinsame Normen für die Methode der Altersfeststellung aufzunehmen, wobei diese auf einem mehrschichtigen und interdisziplinären Ansatz beruhen soll; die Altersfeststellung soll auf wissenschaftliche, sichere, kindgerechte, geschlechterdifferenzierte und faire Weise durchgeführt werden, mit besonderer Berücksichtigung von Mädchen, und sie sollte von unabhängigen, qualifizierten Fachkräften und Sachverständigen durchgeführt werden; erinnert daran, dass die Altersfeststellung unter gebührender Wahrung der Rechte des Kindes und unter Gewährleistung seiner körperlichen Unversehrtheit durchzuführen ist, dass die Menschenwürde stets gebührend zu beachten ist und dass bei Zweifeln bezüglich des Alters bei Minderjährigen der Grundsatz „in dubio pro reo“ zu gelten hat; erinnert auch daran, dass medizinische Untersuchungen nur durchgeführt werden sollten, wenn alle anderen Methoden der Altersfeststellung bereits ausgeschöpft sind, und dass es ermöglicht werden muss, die Ergebnisse einer Bewertung anzufechten; begrüßt die Arbeit der EASO zu diesem Thema, die bei allen den Umgang mit Minderjährigen betreffenden Maßnahmen herangezogen werden sollte;

16.

fordert die Mitgliedstaaten auf, direkt nach Ankunft eines Minderjährigen auf ihrem Hoheitsgebiet und bis zur Ermittlung einer dauerhaften Lösung sicherzustellen, dass für den Minderjährigen ein Vormund oder ein Verantwortlicher benannt wird, der dafür zuständig ist, ihn zu begleiten, ihn zu unterstützen und ihn bei allen Verfahren zu vertreten, damit der Minderjährige seine Rechte in allen Verfahrensetappen wahrnehmen kann; fordert ferner, dass der Minderjährige nach seiner Ankunft unverzüglich von der Benennung des für ihn Verantwortlichen in Kenntnis zu setzen ist; fordert ferner, dass diese Person in Bezug auf die Problematik unbegleiteter Minderjähriger, den Schutz von Kindern und ihren Rechten sowie in Asyl- und Einwanderungsrecht speziell ausgebildet sein und völlig unabhängig auftreten muss; ist der Auffassung, dass diese verantwortliche Person regelmäßige Schulungen erhalten und sich regelmäßigen Überprüfungen unterziehen muss; fordert die Kommission auf, die strategischen Leitlinien um — auf bewährten Verfahren basierende — gemeinsame Normen für dieses Mandat sowie für die Aufgaben, Qualitäten und Kompetenzen dieser Personen zu ergänzen;

17.

fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Beamte und behördliche Mitarbeiter, die voraussichtlich mit unbegleiteten Kindern in Kontakt kommen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, entsprechend qualifiziert und geschult sind, damit sie in der Lage sind, derartige Fälle zu erkennen und in angemessener Weise damit umzugehen; fordert ferner für diese verantwortlichen Personen spezielle Fortbildungslehrgänge über die besonderen Bedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger, über die Rechte von Kindern und deren Schutz, über Psychologie und das Verhalten von Kindern sowie über Asyl- und Einwanderungsrecht einzurichten; fordert die Mitgliedstaaten auf, verbindlich vorgeschriebene Schulungen in Sachen Gleichstellung einzuführen für Mitarbeiter, die unbegleitete Minderjährige in Unterkünften betreuen, sowie für Befragende, Entscheidungsträger und Rechtsvertreter von unbegleiteten Minderjährigen, und ferner zu gewährleisten, dass die Polizei und die Justizbehörden in den Mitgliedstaaten regelmäßig in Gleichstellungsfragen geschult werden; betont, dass der für den Minderjährigen Verantwortliche diesen informieren und beraten soll, dabei aber den Rechtsbeistand nur ergänzen und nicht ersetzen kann; weist darauf hin, dass es ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Minderjährigen und der Tatsache, ob diese anerkannt wurde oder nicht, demjenigen Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige sich aufhält, obliegt, für diesen zu sorgen und ihm höchstmöglichen Schutz zu gewähren;

18.

fordert die Mitgliedstaaten mit Blick auf die Gewährleistung von Konsistenz und gleichen Standards beim Schutz unbegleiteter Minderjähriger innerhalb der EU auf, unbegleiteten Minderjährigen unabhängig von ihrem Status und gleichberechtigt gegenüber den Kindern mit Wohnsitz im Aufnahmeland folgendes zu gewährleisten:

angemessenen Wohnraum: angemessener Wohnraum beinhaltet stets ausreichende Hygienebedingungen, Unterbringung in einer „Einrichtung“ darf unter keinen Umständen in einer geschlossenen Einrichtung erfolgen sondern soll in einem auf die Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger spezialisierten Zentrum erfolgen; dieser nur für die allererste Aufnahme gedachten Unterbringung muss eine angemessene stabile Lösung folgen; die unbegleiteten Minderjährigen sind stets getrennt von den Erwachsenen unterzubringen; die Aufnahmeeinrichtung muss auf die Bedürfnisse Minderjähriger eingerichtet sein und angemessene Strukturen aufweisen; Unterbringung in Gastfamilien oder „Wohngemeinschaften“ oder gemeinsame Unterbringung mit minderjährigen Verwandten oder anderen dem unbegleiteten Minderjährigen nahestehenden Minderjährigen soll gefördert werden, wenn dies für den Minderjährigen geeignet ist und von diesem gewünscht wird;

Deckung des materiellen Bedarfs und adäquate juristische und psychologische Betreuung ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Kind als unbegleiteter Minderjährige identifiziert wurden;

das Recht auf Bildung, berufliche Ausbildung und sozialpädagogische Betreuung und direkten Zugang hierzu; der Schulbesuch im Aufnahmestaat soll umgehend ermöglicht werden; ergänzend sollen unbegleitete Minderjährige bei Bedarf umgehend nachdem sie im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eingetroffen sind, möglichst effizienten Zugang zu Sprachkursen, vor allem in der jeweiligen Landessprache erhalten; Anerkennung der bisherigen Schulleistungen von Kindern, um ihnen die Fortsetzung ihrer schulischen Ausbildung in Europa zu ermöglichen;

Recht auf Gesundheit und Zugang zu einer adäquaten gesundheitlichen Grundversorgung; adäquate medizinische und psychologische Betreuung von Minderjährigen, die Opfer von Folter, sexuellem Missbrauch oder anderen Formen von Gewalt geworden sind; Zugang zu Gesundheit und gegebenenfalls besonderer Behandlung (d. h. Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen) für Minderjährige, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauch, Ausbeutung, Folter oder grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gewesen sind oder bewaffneten Konflikten ausgesetzt waren;

Zugang zu Informationen und zu den Medien (Radio, Fernsehen, Internet), um ihre Kommunikationsbedürfnisse zu befriedigen;

das Recht auf Erholung und Freizeit, einschließlich des Rechts, zu spielen und anderen Freizeitaktivitäten nachzugehen;

das Recht jedes unbegleiteten Minderjährigen auf Weiterverwendung und Weiterentwicklung der eigenen kulturellen Identität und Werte, einschließlich der Muttersprache;

das Recht, sich zu seinem Glauben zu bekennen und ihn auszuüben;

19.

erinnert daran, dass alle Verfahren unter angemessener Berücksichtigung von Alter, Reifegrad und Verständnisfähigkeit an den jeweiligen Minderjährigen anzupassen sind und im Einklang mit den Leitlinien des Europarates für eine kinderfreundliche Justiz auf die Bedürfnisse von Kindern zugeschnitten sein müssen und begrüßt die Maßnahmen der Kommission zur Förderung dieser Leitlinien; vertritt die Auffassung, dass die Minderjährigen angehört und ihre Ansichten in allen Phasen der Verfahren berücksichtigt werden müssen, wobei qualifizierte Fachleute wie Psychologen, Sozialarbeiter und Kulturvermittler hinzuzuziehen sind;

20.

begrüßt die in der Gesetzgebung im Asylbereich erzielten Fortschritte und fordert die Mitgliedstaaten auf, mit Blick auf eine wirksame Anwendung dieser Bestimmungen alle erforderlichen legislativen und administrativen Reformen durchzuführen; erinnert indessen daran, dass die EU-Asylpolitik unbegleitete Minderjährige in erster Linie als Kinder zu behandeln hat und fordert die Mitgliedstaaten daher nachdrücklich auf, unbegleitete Minderjährige soweit möglich von Schnellverfahren und ähnlichen Sonderabfertigungen an der Grenze auszunehmen; erinnert ebenfalls daran, dass in dem Fall, dass ein unbegleiteter Minderjähriger, der keinen sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig aufhaltenden Familienangehörigen hat, in mehr als einem Mitgliedstaat Asyl beantragt hat, derjenige Mitgliedstaat als „zuständiger Mitgliedstaat“ zu betrachten ist, in dem Minderjährige sich aufhält, nachdem er dort einen Asylantrag gestellt hat; fordert die Mitgliedstaaten auf, die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu respektieren; hebt hervor, dass es aufgrund der speziellen Bedürfnisse von unbegleiteten Minderjährigen unerlässlich ist, ihre Asylanträge vorrangig und bevorzugt zu bearbeiten, damit so rasch wie möglich eine faire Entscheidung getroffen werden kann; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Asylsysteme auszubauen, um einen harmonisierten kinderspezifischen institutionellen Rahmen zu schaffen, der die besonderen Bedürfnisse und unterschiedlichen Problemstellungen unbegleiteter Minderjähriger berücksichtigt, insbesondere wenn sie Opfer des Menschenhandels geworden sind;

21.

unterstreicht, dass alle Entscheidungen betreffend unbegleitete Minderjährige stets auf der Grundlage einer individuellen Bewertung und unter Berücksichtigung des Kindeswohles zu treffen sind;

22.

verurteilt die sehr prekäre Situation, in der sich diese Minderjährigen plötzlich befinden, wenn sie das Erwachsenenalter erreichen; ersucht die Mitgliedstaaten, bewährte Verfahren auszutauschen und Mechanismen vorzusehen, die den Übergang dieser Minderjährigen in die Volljährigkeit begleiten; begrüßt die Arbeiten des Europarates in dieser Angelegenheit und ersucht die Kommission darum, ihre strategischen Leitlinien um bewährte Verfahren für die Ausarbeitung von „Projekten für ein unabhängiges Leben“ zu ergänzen, die für und zusammen mit den Minderjährigen gestaltet werden sollen;

23.

fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Umsetzung, Überwachung und Koordinierung der Lebensentwürfe die Zuständigkeiten der einzelnen Partner festzulegen, insbesondere der einzelstaatlichen und lokalen Behörden, der Sozialdienste, der Jugendbetreuer sowie der Familien und gesetzlichen Vertreter;

24.

betont nachdrücklich, dass das übergeordnete Ziel aller unbegleitete Minderjährige betreffenden Maßnahmen darin bestehen muss, unter Beachtung des Kindeswohls eine nachhaltige Lösung zu finden; erinnert daran, dass die Suche nach einer solchen Lösung mit der Prüfung der Möglichkeit einer Familienzusammenführung beginnen sollte, sofern diese zum Wohle des Kindes ist; betont, dass der Minderjährige zwar grundsätzlich um Mithilfe bei der Suche nach Familienangehörigen gebeten werden kann, es jedoch keine Mitwirkungsverpflichtung, von der das Ergebnis der Prüfung auf internationalen Schutz abhängt, geben darf; erinnert daran, dass in Fällen, in denen das Leben des Minderjährigen oder das seiner Familienangehörigen — insbesondere, wenn diese im Ursprungsland verblieben sind — in Gefahr ist, die Sammlung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen hinsichtlich dieser Personen vertraulich erfolgen muss, um das Leben der Betroffenen nicht zu gefährden; fordert die Mitgliedstaaten und all ihre zuständigen Behörden auf, die Zusammenarbeit zu verbessern, insbesondere durch Beseitigung bürokratischer Hemmnisse bei der Suche nach Familienangehörigen und/oder bei der Zusammenführung von Familien, und bewährte Verfahren auszutauschen; ersucht die Kommission, die Umsetzung von Richtlinie 2003/86/EG über das Recht auf Familienzusammenführung und insbesondere von Artikel 10 Absatz 3 zu überwachen;

25.

fordert die Kommission auf, in die strategischen Leitlinien — auf bewährten Verfahren basierende — gemeinsame Normen aufzunehmen, die eine Reihe von Grundvoraussetzungen festschreiben, die erfüllt sein müssen, bevor eine Rückführung, die zum Wohle des Kindes ist, organisiert werden kann; dabei ist die von der Kommission 2011 veröffentlichte Studie „Study on Practices in the Field of Return of Minors“ zugrunde zu legen, die den Mitgliedstaaten eine Checkliste und einen Überblick über bewährte Verfahren an die Hand gibt; erinnert nachdrücklich daran, dass keine Rückführungsmaßnahme ergriffen werden kann, wenn sie nicht im Interesse der Minderjährigen ist, wenn Gefahren für Leib und Leben oder die Psyche des Minderjährigen sowie seine Sicherheit — oder für die Grundrechte des Minderjährigen oder die seiner Familie — bestehen, und erinnert ferner daran, dass dabei stets die individuellen Umstände eines jeden Minderjährigen (und seiner Familienmitglieder im Falle einer Rückführung) voll und ganz im Vorfeld evaluiert werden müssen; erinnert daran, dass eine Entscheidung zur Rückführung erst getroffen werden darf, wenn sichergestellt ist, dass der Minderjährige im Rückführungsland sicher ist und in den Genuss konkreter und angepasster Bestimmungen kommt, die seine Rechte garantieren, und dass die Rückkehr von Wiedereingliederungsmaßnahmen im Rückkehrland flankiert wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, mit den Herkunfts- und Transitländern Kooperations- und Überwachungsmechanismen einzurichten, damit eine sichere Rückkehr von Minderjährigen gewährleistet ist, und in Zusammenarbeit mit internationalen und lokalen nichtstaatlichen Organisationen Kooperationsvereinbarungen zu treffen, damit der Schutz und die Wiedereingliederung von Minderjährigen nach ihrer Rückkehr gewährleistet sind; stellt fest, dass solche Vereinbarungen ein wesentliches Element der Rückführung sind; fordert die Kommission auf, bei der Evaluierung von Richtlinie 2008/115/EG auf deren Auswirkungen auf Minderjährige zu achten, vor allem in Bezug auf die Artikel 10, 14 Absatz 1c und 17; fordert die Europäische Union auf, ihre Maßnahmen zu verbessern, die den möglichen Auslösern der Migration entgegenwirken sollen, wie etwa Früh- und Zwangsehen, gesundheitsgefährdende traditionelle Praktiken wie die weibliche Genitalbeschneidung sowie weltweite sexuelle Gewalt;

26.

unterstreicht, dass die Integration unbegleiteter Minderjähriger im Aufnahmeland im Rahmen eines Projekts für ein individuelles, unabhängiges Leben gestaltet werden soll, das für und mit dem Minderjährigen zusammen ausgearbeitet wird, wobei der ethnische, religiöse, kulturelle und sprachliche Hintergrund des Minderjährigen umfassend berücksichtigt wird;

27.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Behörden künftig zu verpflichten, Maßnahmen zugunsten unbegleiteter Minderjähriger, die zum Betteln gezwungen werden, zu ergreifen; ist der Auffassung, dass die Ausbeutung Minderjähriger durch Betteln auf alle Fälle verhindert werden muss;

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28.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat sowie den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat zu übermitteln.


(1)  ABl. C 285 E vom 21.10.2010, S. 12.

(2)  ABl. L 315 vom 14.11.2012, S. 57.

(3)  ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1.

(4)  ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9.

(5)  ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 18.

(6)  ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

(7)  ABl. L 251 vom 3.10.2003, S. 12.

(8)  ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 23.

(9)  ABl. L 173 vom 3.7.2007, S. 19.