5.6.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 170/38


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema: Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau in Europa: eine krisenfeste, weltweit wettbewerbsfähige und der EU-Politik für Nachhaltigkeit verpflichtete Branche (Initiativstellungnahme)

2014/C 170/06

Berichterstatter: Marian KRZAKLEWSKI

Ko-Berichterstatter: Enrique CALVET CHAMBON

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Februar 2013 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau in Europa: eine krisenfeste, weltweit wettbewerbsfähige und der EU-Politik für Nachhaltigkeit verpflichtete Branche.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) nahm ihre Stellungnahme am 21. November 2013 an. Berichterstatter war Marian KRZAKLEWSKI, Ko-Berichterstatter Enrique CALVET CHAMBÓN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 494. Plenartagung am 10./11. Dezember 2013 (Sitzung vom 10. Dezember) mit 163 gegen 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die europäische Branche für die Instandhaltung, die Reparatur und den Umbau von Schiffen (engl. ship maintenance, repair and conversion — SMRC) spielt in Bereichen wie Umweltschutz, Verkehr, Sicherheit und Energieeffizienz eine wichtige Rolle und ist daher für Europa und dessen nachhaltige Entwicklung von strategischer Bedeutung.

1.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist der Auffassung, dass das derzeit in der EU bestehende Netz aus Werften für die Instandhaltung, Reparatur und Umrüstung von Schiffen mit ihrem technisch fortschrittlichen Know-how gut darauf vorbereitet und in der Lage ist, den zunehmenden Ansprüchen an Nachhaltigkeit, Technologie, Innovation, Qualifikation der Arbeitskräfte und Anlagenausstattung gerecht zu werden.

1.3

Nach Ansicht des Ausschusses bieten sich trotz des schwierigen Wirtschaftsklimas für diese Branche neue Chancen. Diese ergeben sich aus der Vergrößerung der Weltflotte und dem wachsenden Anteil an älteren Schiffen sowie insbesondere aus der zunehmenden Nachfrage nach Umbau- und Modernisierungsarbeiten aufgrund umwelt-, energie- und klimapolitischer Anforderungen. In nächster Zeit wird sich dies niederschlagen in einem zunehmenden Bedarf an energieeffizienten Schiffen, der Inbetriebnahme und Entwicklung von Offshore-Windenergieanlagen sowie der Förderung natürlicher Rohstoffe aus dem Meer.

1.4

Mittel- und langfristig bieten sich der Branche weitere Chancen durch die Öffnung neuer Schifffahrtswege in der Arktis und den Tiefseebergbau.

1.5

Der Ausschuss weist darauf hin, dass trotz dieser vielversprechenden Möglichkeiten Reedereien und Werften bedingt durch die fortdauernde Krise noch immer mit finanziellen Engpässen zu kämpfen haben; so sind etwa Kredite schwer erhältlich und damit die Geschäftsbedingungen für Unternehmen insgesamt problematisch. Eine weitere Herausforderung besteht darin, eine kritische Masse in der Branche zu erhalten.

1.6

Zur Bewältigung dieser Probleme sollte die Teilbranche Instandhaltung, Reparatur und Umbau von Schiffen eng mit der Wertschöpfungskette der maritimen Wirtschaft zusammenarbeiten, um ihren Stellenwert hervorzuheben und angesichts der wachsenden Konkurrenz aus Drittländern Unterstützung von der EU, den Mitgliedstaaten und Regionen zu erhalten.

1.6.1

Der Ausschuss hält folgende Maßnahmen zugunsten der Branche für zweckmäßig und notwendig:

eine umfassendere und aktivere Rolle der Europäischen Investitionsbank in der Branche; diese könnte im Rahmen der Ziele der EIB zur Unterstützung der europäischen Industriepolitik umgesetzt werden; dies betrifft auch KMU in der Schiffsinstandhalttungs-, -reparatur- und -umbaubranche, in deren Fall die EIB und der Europäische Investitionsfonds indirekt über große Handlungsmöglichkeiten verfügen;

die Organisation von Workshops unter Teilnahme der EIB, der Europäischen Kommission und der Interessenträger der Branche (Workshops dieser Art werden im Rahmen der Initiative LeaderSHIP 2020 vorgeschlagen) sowie die Prüfung der Finanzierungsmöglichkeiten durch die EIB;

die mögliche Nutzung der Europa-2020-Projektanleiheninitiative in den Bereichen Verkehr und Energie; die Zuweisung von Mitteln aus den Regionalfonds (einschließlich der Mittel zur „intelligenten Spezialisierung“) für die maritime Wirtschaft; die Beschlussfassung der Kommission — unbedingt noch vor Ende 2013 — bezüglich der Verlängerung der Geltungsdauer der Rahmenbestimmungen (über zulässige staatliche Hilfen für den Schiffbau) bis zur Vorlage und dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften zu dem „Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation“ (FEI) sowie zu den Regionalbeihilfen, die in Zukunft zusammen die derzeitigen Rahmenbestimmungen ersetzen sollen; Maßnahmen zur Vermeidung neuer finanzieller Engpässe zum Zeitpunkt des Auslaufens der Rahmenbestimmungen und ihrer Ersetzung durch neue Vorschriften; Bemühungen um Entschädigung der Instandhaltungs-, Reparatur- und Umrüstungsbranche für die hierdurch möglicherweise entstehenden wirtschaftlichen Schäden;

die vorrangige Behandlung gezielter meeresbezogener Projekte mit Demonstrationselementen und Innovationspotenzial durch die im Rahmen von Horizont 2020 (als Fortsetzung der Technologieplattform Waterborne) für FEI vorgesehenen EU-Mittel (zusammen mit öffentlich-privaten Partnerschaften im Bereich Forschung).

1.7

Der EWSA weist darauf hin, dass die in der europäischen Industrie für Instandhaltung, Reparatur und Umbau von Schiffen tätigen Arbeitnehmer zwar über angemessene Qualifikationen verfügen, dass diese aber fortlaufend überprüft und auf den neuesten Stand gebracht werden sollten. Die Förderung solcher Maßnahmen sollte etwa im Rahmen der LeaderSHIP-2020-Initiative vorrangig behandelt werden. In Anbetracht des Alters der erfahrenen Arbeitskräfte besteht in dieser Branche die Gefahr, dass die kritische Masse verlorengeht.

1.8

Nach Ansicht des EWSA sollte die Anwerbung neuer und jüngerer Arbeitnehmer für die Branche eine Schwerpunktaufgabe sein und mit Maßnahmen zur Verbesserung des Ansehens der Branche verknüpft werden. Zudem sollten Schulen und Hochschulen mit einem auf die Instandhaltungs-, Reparatur- und Umrüstungsbranche ausgerichteten Profil finanziell unterstützt werden.

1.9

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Kommission zusammen mit den Sozialpartnern und anderen Interessenträgern (zum Beispiel im Rahmen eines Branchenrates für Qualifikation) einen Plan für die fortlaufende Anpassung der Qualifikationen an die neuen Aufgaben der Branche erstellen sollte. Dabei sollten unter anderem Offshore-Einrichtungen (Plattformen, Windenergieanlagen usw.), Kaianlagen, neue technische Schiffseinheiten sowie Anlagen und Schiffe für das Bunkern von Flüssigerdgas u.ä. berücksichtigt werden. Hierzu erforderlich ist eine Überprüfung der Qualifikationen, die fortlaufende Entwicklung der Schulungen und die Förderung der Mobilität innerhalb Europas.

1.10

Eine Fülle von Grundsätzen und Normen (in Bezug auf Umweltschutz, Sicherheit, Häfen, Bestimmungen über Beförderung, Montage, Recycling) hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Branche und die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der EWSA der Meinung, dass sich die Branchen für Instandhaltung, Reparatur und Umrüstung und für den Neubau von Schiffen im Hinblick auf eine größere Umweltverträglichkeit und Sicherheit der Schiffe sowie deren wirkungsvolle Kontrolle regelmäßig mit der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) abstimmen sollten.

1.11

Der EWSA ist der Auffassung, dass die neuen Regeln und Anforderungen für moderne Technologien nicht als nachteilig oder problematisch für die Branche, sondern eher als Chance betrachtet werden sollten. Unter diesem Aspekt sollten die Instandhaltungs-, Reparatur- und Umbauwerften, die Schiffbauwerften sowie die Stahlproduktionsbranche zur Erzielung besserer Ergebnisse enger zusammenarbeiten. Der Ausschuss fordert die GD MOVE auf, die Branche für Instandhaltung, Reparatur und Umbau von Schiffen bei der Entwicklung strategischer Maßnahmen (u. a. zum Kurzstreckenseeverkehr) zu berücksichtigen.

Der EWSA glaubt, dass die Instandhaltungs-, Reparatur- und Umbauwerften gut für die Durchführung von Projekten gerüstet sind, die sich nach mittelfristigen Voraussagen (drei Jahre) aus einer starken Nachfrage nach einem in Europa durchgeführten Schiffsrecycling ergeben. Sie verfügt zudem über Beschäftigte, die in der Lage sind, die Anforderungen an ein für Mensch und Umwelt verträgliches Schiffsrecycling zu erfüllen. Gleichzeitig ist der Branche klar, dass es sich hierbei um eine neue, andersartige Tätigkeit handelt, mit der sensible Fragen verbunden sind und die eine behutsame Vorgehensweise erfordert. Nach Auffassung des Ausschusses wird das Schiffsrecycling für die europäische Industrie in immer stärkerem Maße strategisch an Bedeutung gewinnen.

1.12

Nach Auffassung des EWSA sind die folgenden kurzfristigen Ziele von zentraler Bedeutung und erfordern eine finanzielle Unterstützung von Umstrukturierungen im europäischen Werftensektor für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau durch öffentliche Mittel: die Installation von Reinigungsanlagen und Systemen für die Behandlung von Ballastwasser (hiervon könnten nach Angaben von Lloyd’s Register weltweit bis zu 65 000 Schiffe betroffen sein), Umrüstungen zur Verbesserung der Energieeffizienz (unter anderem durch LNG-Antrieb und Einrichtungen zur Bebunkerung von Schiffen mit Flüssiggas auf See sowie Systeme zur Wärmerückgewinnung und Modernisierungspakete für Langsamfahrt („slow steaming“)).

1.13

Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass die Instandhaltungs-, Reparatur- und Umbauwerften für die Militärflotten einzelner europäischer Länder von enormer Bedeutung sind und dass diese Frage in anderen EWSA-Stellungnahmen zum Rüstungssektor thematisiert werden sollte.

1.14

Der EWSA ist der Meinung, dass die tatsächliche Anwendung der Regeln der Seeschifffahrts-Organisation IMO, insbesondere des Ballastwasser-Übereinkommens, für die Branche von großer Bedeutung ist. Dieses Übereinkommen sollte daher ordnungsgemäß und effizient umgesetzt und die entsprechenden Erwartungen eindeutig formuliert werden.

2.   Einleitung

Die europäischen Werften für Instandhaltung, Reparatur und Umbau von Schiffen

2.1

Die Schiffbauindustrie umfasst alle Unternehmen, die mit dem Bau, der Instandhaltung, dem Umbau und der Reparatur aller Arten von Schiffen und anderer maritimer Strukturen befasst sind. Werften für die Instandhaltung, die Reparatur und den Umbau von Schiffen werden im Englischen als ship maintenance, repair and conversion sector, kurz SMRC bezeichnet. Auch Klassifikationsbesichtigungen gehören zu dem Tätigkeitsbereich. Werften dieser Art gibt es in 16 EU-Mitgliedstaaten, sie bieten etwa 50-55 000 Menschen Arbeit (Durchschnitt der Jahre 2007-2011).

2.2

Die Instandhaltungs-, Reparatur- und Umbauwerften bilden eine spezielle Teilbranche der Schiffbauindustrie. Mit der wachsenden weltweiten Flotte und der Zunahme des Seeverkehrs (auch der Binnenschifffahrt) sowie mit der Entwicklung der Schiffstechnik und steigenden Anforderungen an den Seeverkehr hinsichtlich Nachhaltigkeit gewinnt diese Branche zunehmend an Bedeutung.

2.3

Die EU verfügt derzeit über eine starke Position in dieser Branche. Ihr Anteil am Weltmarkt von derzeit rund 35% zeigt, dass die Branche für Europa von strategischer Bedeutung ist. Diese Position muss beibehalten und im Hinblick auf ein hohes Sicherheitsniveau im Seeverkehr sowie die Einhaltung strenger Umwelt- und Energieeffizienznormen noch weiter ausgebaut werden.

Besondere Merkmale der Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau

2.4

Diese Branche unterscheidet sich in vieler Hinsicht vom Schiffsneubau. Sie umfasst die Teilbranchen Reparatur, Instandhaltung und Modernisierung sowie Umbau von Schiffen.

2.5

Instandhaltung und Reparatur sind in der Regel Arbeiten von kurzer Dauer. Das Schiff befindet sich dabei zumeist etwa 10-12 Tage lang in einem Trockendock.

2.6

Die Planung von Instandsetzungsarbeiten ist relativ unkompliziert, und die Betriebe können die Wahl der Werft durch den Reeder beeinflussen. Ungeplante Reparaturarbeiten, die auf Schäden im System, in der Mechanik oder der Struktur zurückgehen, müssen in der nächstliegenden Werft durchgeführt werden. In solchen Fällen ist eine Einflussnahme auf die Zuschlagserteilung der Reederei kaum möglich.

2.7

Nach einem Bericht der OECD von 2008 (1) ist die Wahl der richtigen Reparaturwerft inzwischen sehr wichtig für die Reedereien, die sich häufig zwischen einer finanziell attraktiven kostengünstigen Option und der Gewährleistung von Verlässlichkeit und Spitzentechnologie entscheiden müssen. Die wichtigsten Faktoren bei der Wahl einer Reparaturwerft sind in der Regel: Kosten, Dauer der Arbeiten (einschließlich Deviationskosten) sowie, in geringerem Maße, auch die Art der verwendeten Technologie.

2.8

Zur Erzielung von Größenvorteilen werden Schiffbau und Schiffsreparatur an verschiedenen Orten der Welt miteinander verknüpft. Länder mit einer starken Werftindustrie trennen in der Regel den Schiffbau vom Sektor für Instandhaltung, Reparatur und Umbau, um die Arbeitskräfte konzentrierter einsetzen und eine höhere Produktivität erreichen zu können.

In manchen EU-Staaten (z. B. Polen, Deutschland, Niederlande) und in Indien sind Schiffbauwerften und Instandhaltungs-, Reparatur- und Umbauwerften funktionell und körperschaftlich miteinander verflochten. Dieses Modell scheint in diesen Ländern gut zu funktionieren, da es auf der Nutzung von Abteilungen und Anlagen (sowie anderer organisatorischer Einheiten (2)) beruht, die beiden Werftarten gemein sind, und zugleich durch eine Vielfalt an Produkten und Aufträgen das mit einem Konjunkturrückgang verbundene Risiko möglichst gering hält.

2.9

Die Marktsituation der Branche

2.10

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau als ein Industriezweig beschrieben, der „ewig jung“ ist. Mit dem starken Anwachsen der Weltflotte von 660 Mio. DWT im Jahr 1990 auf 1 468 Mio. DWT im Jahr 2011 haben sich auch die Wachstumsaussichten der Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau verbessert. Der weltweite Jahresumsatz der Branche wurde Ende 2010 auf etwa 12 Mrd. US-Dollar geschätzt (3).

2.11

Der Umsatz in der europäischen Schiffsreparaturbranche betrug 2010 3,16 Mrd. EUR (2008 erzielte sie mit etwa 4 Mrd. EUR einen Rekordumsatz). Anhang 1 enthält Angaben über den Umsatz von Schiffsreparaturwerften in verschiedenen europäischen Ländern zwischen 2006 und 2010.

2.12

Vor der Krise prosperierte die europäische Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau. Seit 2010 versuchen die Reedereien, Kosten zu senken, indem sie die Ausgaben kürzen oder Aufträge aufschieben. In der zweiten Jahreshälfte 2010 kam die Branche wieder aus der Verlustzone, was sich u. a. in einer nochmaligen Verlängerung der Wartezeiten für Reparaturarbeiten (von einer Woche auf drei Wochen) äußerte.

2.13

Werften für die Instandhaltung, die Reparatur und den Umbau von Schiffen gibt es überall in der Welt. Obwohl asiatische Werften (aufgrund geringerer Lohnkosten) Schiffsreparaturen zu niedrigeren Preisen durchführen, entscheiden sich doch zahlreiche Reeder für teurere Werften, da diese kürzere Wartezeiten (nebst Vermeidung größerer Abweichungen von der Route) und ein sehr ausgeklügeltes Know-how bieten können.

Umbau und Modernisierung in Werften der Reparatur- und Umbaubranche

2.14

In mancher Hinsicht liegen Umrüstung und Modernisierung näher am Schiffsneubau als an Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten. Die Umrüstung von Schiffen erfordert in der Regel mehr Zeit als gewöhnliche Reparaturen. Die Arbeiten im Zusammenhang mit der Umrüstung von Schiffen lassen sich als Produktionsprozess charakterisieren.

2.15

Nach Angaben von Sea Europe (4) hat die Umrüstung von Schiffen hinsichtlich des Zeitrahmens mehr mit der Arbeit von Schiffbauwerften zu tun, erfordert jedoch eine völlig andere, flexible Vorgehensweise, die sicherstellt, dass der Arbeitsplan entsprechend den Kundenwünschen und den Besonderheiten des umzurüstenden Schiffs angepasst wird.

2.16

Kurz vor der Krise war der Markt für auf Umbauten spezialisierte Werften sehr gut. 2009 wurde Zahl der Aufträge jedoch rückläufig und sank besonders deutlich im ersten Halbjahr 2010. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Auftragsbücher für Umbauten leer. In der zweiten Jahreshälfte 2010 verbesserte sich die Lage leicht. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten hält sich die Mehrzahl der Reedereien derzeit jedoch mit Umbauaufträgen zurück.

2.17

Eine immer größere Rolle spielen in jüngster Zeit die Reparatur, der Umbau und die Modernisierung von Offshore-Hilfsschiffen und schwimmenden Anlagen (einschließlich Bohrinseln). In Anbetracht der hohen Kosten für den Neubau von Schiffen dieser Art (und schwimmender Offshore-Anlagen) sowie der langen Lieferzeiten (bis zu vier Jahre) entscheiden sich die Reedereien für den Umbau der bereits vorhandenen Offshore-Einheiten und schwimmenden Anlagen. Allerdings herrscht in Europa eine starke Tendenz, Umbauarbeiten auf billigeren Werften im Ausland durchführen zu lassen.

3.   Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau

3.1

Studien und Analysen der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau wurden in jüngster Zeit im Rahmen des Forschungsprojektes ECO-REFITEC (5) innerhalb des 7. Forschungsrahmenprogramms durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in Anhang 2 aufgeführt.

4.    EU-Recht und internationales Recht betreffend Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau (Quellenmaterial  (6), (7), (8))

4.1

Auf internationaler Ebene fanden (etwa im Rahmen der WTO) keine Gespräche über multilaterale Wettbewerbsabkommen statt, die Auswirkungen auf die Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau haben könnten. Die Chancen, dass ein solches Abkommen in naher Zukunft zustande kommt, sind recht gering.

4.2

Auf bilateraler Ebene bestehen zwischen der EU und den USA, Kanada, Japan und Südkorea Handelsabkommen mit mittelbaren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Deren Folgen für die Schiffsreparatur- und -umbaubranche sind jedoch eher gering.

Auf europäischer Ebene bestehen im EU-Recht Rahmenbestimmungen über staatliche Beihilfen für den Schiffbau. Im Rahmen dieser Bestimmungen kann die Europäische Kommission die Gewährung von Innovations- und Regionalbeihilfen für Werften und eine Unterstützung von Reedereien durch Ausfuhrkredite genehmigen. Betreffend die hier relevante Branche regeln diese Rahmenbestimmungen eine Unterstützung von Schiffsreparatur und Schiffsumbau durch Regional- und Innovationsbeihilfen, im Fall der Ausfuhrkredite hingegen nur für den Schiffsumbau.

4.2.1

Die aktuellen Rahmenbestimmungen gelten seit dem 1. Januar 2012 für zwei Jahre. Die Kommission kündigt an, dass nach Ablauf dieser Zeitspanne die Rahmenbestimmungen für Werften in die künftigen EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen für Forschung und Innovation bzw. in die Leitlinien für Regionalbeihilfen integriert werden können. Gegenwärtig werden sowohl die allgemeinen Bestimmungen über staatliche Beihilfen als auch die schiffbauspezifischen Beihilferegelungen einer Prüfung unterzogen.

4.3

Bestehende, von den IMO-Mitgliedstaaten ratifizierte Übereinkommen, die der Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau neue Chancen eröffnen

4.4   Das Ballastwasser-Übereinkommen

4.4.1

Das Ballastwasser-Übereinkommen soll dem Problem begegnen, das sich aus der Verschleppung invasiver Meeresorganismen von einem Meeresgebiet in andere durch die Ableitung des von den Schiffen mitgeführten Ballastwassers ergibt. Das Übereinkommen soll Anfang 2014 in Kraft treten.

4.4.2

Dieses Übereinkommen wird erhebliche Auswirkungen auf die Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau haben, da zahlreiche Schiffe modernisiert und/oder umgebaut werden müssen. Nach Angaben von Lloyd’s Register könnte dies weltweit bis zu 65 000 Schiffe betreffen.

4.4.3

Weitere mögliche Folgen dieses Übereinkommens für Reparatur- und Umbauwerften sind hauptsächlich in den Risiken im Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Chemikalien und ihrer Lagerung sowie in den strengeren Rechtsvorschriften für ihre Anwendung zu sehen.

4.5   Das MARPOL-Übereinkommen (Anhang VI) — Vermeidung von Luftverschmutzung durch Schiffe

4.5.1

Dieses Übereinkommen trat 2013 in Kraft und hat zum Ziel, die Luftverschmutzung durch Emissionen von Schiffen, v.a. Schwefeloxide und Stickoxide, zu verringern.

4.5.2

Zur Vermeidung unnötiger Auflagen für die maritime Wirtschaft ist in Anhang VI festgelegt, dass die Verringerung von Emissionen durch die Verwendung alternativer Brennstoffe oder durch den Einsatz von Gasreinigungtechnik erzielt werden kann.

4.5.3

Dieses Übereinkommen eröffnet den Reparatur- und Umbauwerften insofern neue Chancen, als die Technologien zur Emissionsdrosselung an Bord der Schiffe angebracht werden müssen, die zur bestehenden Flotte gehören. Für die Werften, die diese umweltfreundlichen Anlagen installieren, kann dies auch negative Folgen haben: zum einen werden sie zunehmend von den Zulieferbetrieben dieser Anlagen abhängig und zum anderen werden in den Werften bestimmte Investitionen notwendig.

4.6   Das Übereinkommen über das Recycling von Schiffen

4.6.1

Mit diesem Übereinkommen soll dafür gesorgt werden, dass bei der Abwrackung von Schiffen die Gefahren für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit auf einem erträglichen Niveau gehalten werden.

4.6.2

Nach den Vorschriften des Übereinkommens müssen Reedereien in vollem Umfang über alle bei der Instandhaltung, Reparatur und Umrüstung verwendeten Materialien informiert sein und sich vergewissern, dass zu keinem Zeitpunkt schädliche Stoffe in den Werften zum Einsatz kommen. Hierdurch können sich zusätzlich Chancen auf eine neue Nachfrage nach den speziellen Dienstleistungen von EU-Werten mit ihrem hohen Maß an Know-how ergeben.

4.7

Das Schiffsrecycling wird strategisch immer mehr an Bedeutung gewinnen. Um sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren Folgen für die Umwelt möglichst gering zu halten und unannehmbare Arbeits- und Sozialbedingungen zu vermeiden, sollen dabei Schrott und andere Rohstoffe (Stahl, Aluminium, Kupfer) zurückgewonnen und der produzierenden Industrie in der EU zugeführt werden.

5.   Vorschläge für Maßnahmen und Leitlinien für die Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau im Rahmen der Initiative LeaderSHIP 2020 sowie im Rahmen der Arbeit des Ausschusses für den Branchendialog in der Schiffbauindustrie

5.1

Die Reparatur- und Umbaubranche und mit ihr verbundene Unternehmen sollten prüfen, welche Chancen und Finanzierungsmöglichkeiten sich durch eine Ausweitung der Kredittätigkeit der EIB ergeben können. Die Tätigkeit der EIB sollte hauptsächlich mit Blick auf Projekte angeregt und geprüft werden, die im Zusammenhang mit „grüner“ Schifffahrt, erneuerbarer Offshore-Energie und der Umrüstung von Schiffen stehen. Als dringende Maßnahme wird empfohlen, dass die GD Unternehmen Workshops einrichtet, um konkrete Formen einer Unterstützung durch die EIB zu finden.

5.2

Die Mitgliedstaaten und Küstenregionen sollten prüfen, ob für die Technologie-Diversifizierung der maritimen Wirtschaft im Hinblick auf neue Marktsegmente eine Zuweisung von Strukturfondsmitteln möglich ist. Insbesondere geht es hierbei um regionale Strategien für eine intelligente Spezialisierung.

5.3

Im Zusammenhang mit möglichen Maßnahmen der EU zur langfristigen Finanzierung sollte die Europäische Kommission entsprechende Möglichkeiten zur Finanzierung von Schiffbau und Schiffsmodernisierung prüfen. Die Mitgliedstaaten, die Finanzakteure und die meerestechnische Industrie sowie weitere Interessenträger sollten eine Übersicht über die Zugänglichkeit von Marktgarantien erstellen.

5.4

Die Schiffbauindustrie (und somit die Teilbranche für Instandhaltung, Reparatur und Umbau) sollte in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten oder Regionen Forschungstätigkeiten durchführen und zu diesem Zweck unter anderem öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) einsetzen. Dabei ist der Struktur der maritimen Wirtschaft ebenso Rechnung zu tragen wie den Bestimmungen über staatliche Beihilfen.

5.4.1

Der EWSA stimmt mit der These der LeaderSHIP2020-Strategie überein, dass die allgemeinen Ziele von ÖPP für die Schiffbauindustrie nur durch eine wirksame Förderung von Forschungsprogrammen erreicht werden können. Im Hinblick auf kurzfristige Ziele sollte eine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit der Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau zweifellos auf einem Anstoß zu Innovationen auf Unternehmensebene beruhen.

5.5

Der EWSA unterstützt die Mitwirkung des Ausschusses für den Branchendialog in der Schiffbauindustrie an der Festlegung und Umsetzung der Politik im Rahmen der Initiative LeaderSHIP 2020. Derzeit sollte eine besondere Aufgabe dieses Ausschusses in der Umsetzung desjenigen Teils der Initiative bestehen, die sich mit der besseren Bestimmung und Vergleichbarkeit der Kompetenzen und Qualifikationen im Interesse einer langfristig guten Weiterentwicklung der Branche befasst.

5.6

Der EWSA begrüßt den Fortschritt in der Arbeit des Ausschusses für den Branchendialog bezüglich der sozialen Normen in der europäischen Schiffbaubranche und der Branche für Schiffsinstandhaltung, -reparatur und -umbau.

Brüssel, den 10. Dezember 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  The interaction between the ship repair, ship conversion and shipbuilding industries report, C/WP6(2008)6c.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  CESA Jahresbericht 2010–2011.

(4)  2012 wurde durch den Zusammenschluss der Vereinigung der europäischen Werftenverbände (CESA) und des Europäischen Verbandes der Schiffbauzulieferer (EMEC) der Europäische Verband der Reedereien und Schiffszulieferunternehmen (European Ships and Maritime Equipment Association, kurz: SEA Europe) gegründet.

(5)  Eco innovative refitting technologies and processes for shipbuilding industry promoted by European Repair Shipyards - ein von der Europäischen Kommission im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms (2007-2013) kofinanziertes Projekt.

(6)  Siehe Fußnote 5.

(7)  Siehe Fußnote 3.

(8)  Siehe Fußnote 1.