52013DC0915

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die verschiedenen Betäubungsverfahren für Geflügel /* COM/2013/0915 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die verschiedenen Betäubungsverfahren für Geflügel

1.           Hintergrund

Artikel 27 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung[1] sieht Folgendes vor: „Spätestens bis 8. Dezember 2013 unterbreitet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die verschiedenen Betäubungsverfahren für Geflügel, insbesondere über die verschiedenen Wasserbadbetäuber für Vögel, in dem sie die Tierschutzaspekte sowie die sozioökonomischen und ökologischen Auswirkungen berücksichtigt“.

Für die Ausarbeitung dieses Berichts hatte die Kommission eine „Study on various methods of stunning for poultry“ (Studie über die verschiedenen Betäubungsverfahren für Geflügel) in Auftrag gegeben, deren Abschlussbericht der Kommission im Jahr 2012 vorgelegt wurde (im Folgenden die „Studie von 2012“)[2].

2.           Betäubungsverfahren für Geflügel

In Geflügelschlachthöfen wird hauptsächlich ein als Wasserbadbetäubung bezeichnetes Betäubungsverfahren verwendet. Dabei werden die Vögel kopfüber in Schlachtbügel eingehängt und dann bis zu den Flügeln in ein Wasserbad eingetaucht, wo sie elektrischem Strom ausgesetzt werden. Der Strom fließt durch ihren Körper, sodass die Vögel vor der Entblutung betäubt werden.

Das wichtigste alternative Betäubungsverfahren ist die Betäubung in kontrollierter Atmosphäre (Controlled Atmosphere Stunning, CAS), bei dem das Geflügel in einer Atmosphärenkammer Gasmischungen ausgesetzt und dadurch betäubt wird.

In der EU werden 80 % der Masthühner (Hühner für Fleischerzeugung) durch Wasserbadbetäubung und 20 % durch CAS betäubt[3].

Der Anteil variiert stark zwischen den Mitgliedstaaten (beispielsweise 60 % CAS in Deutschland und 5 % in Frankreich)[4].

Weitere Alternativen zur Wasserbadbetäubung sind Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung und Betäubung durch niedrigen Atmosphärendruck (Low Atmosphere Pressure Stunning, LAPS).

Bei der Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung werden einzelne Elektroden so angesetzt, dass der Strom das Gehirn durchfließt. Das Verfahren ist bei allen Tierarten bekannt, wurde aber bis vor Kurzem wegen der hohen Geschwindigkeit der Schlachtlinie nicht in Geflügelschlachthöfen angewandt. In den letzten Jahren wurde das Verfahren im Hinblick auf die Verwendung in kommerziellen Schlachthöfen (bis zu 9 000 Vögel pro Stunde) weiterentwickelt und kommerzialisiert.

LAPS basiert auf einem ähnlichen Prinzip wie die Gasbetäubung, allerdings wird die Atmosphäre durch ein Gas ersetzt. Bei LAPS wird die Luft allmählich entzogen, sodass ein Sauerstoffmangel entsteht, der zur Betäubung führt. LAPS ist in der EU noch nicht zugelassen, wird aber in den USA eingesetzt.

Basierend auf einer Extrapolation der gegenwärtigen Trends könnte die durchschnittliche Situation in der EU in fünf Jahren einer Verschiebung um 15 % von Wasserbadbetäubung hin zu CAS entsprechen (d. h. 65 % der Hühner werden im Wasserbad und 35 % durch CAS betäubt).

Jedoch kann diese Entwicklung aufgrund der Unterschiede bei den verschiedenen Schlüsselfaktoren wie Verbrauchernachfrage (in Bezug auf Tierschutz, aber auch nach Fleischsorte – ganzes Geflügel oder Filetstücke) und Arbeitskosten zwischen den Mitgliedstaaten variieren.

Es wird davon ausgegangen, dass wenige Mitgliedstaaten mehr als 80 % ihres Durchsatzes auf CAS umstellen (Deutschland, Österreich und Finnland), dass aber eine erhebliche Anzahl mehr als 50 % ihres Durchsatzes auf CAS umstellen (Vereinigtes Königreich, Italien, Schweden, Niederlande und Belgien). Die anderen Mitgliedstaaten werden den Erwartungen zufolge die Wasserbadbetäubung als wichtigstes Betäubungsverfahren beibehalten.

3.           Tierschutzerwägungen

Vor der Annahme der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 gab die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2004 und 2006 zwei Stellungnahmen zu den Tierschutzaspekten der Betäubung und Tötung von Tieren[5][6] ab.

In ihrer Stellungnahme von 2004 identifizierte die EFSA zwei Hauptprobleme:

– Die Kopfüber-Aufhängung und das Einhängen der Vögel in Schlachtbügel sind schmerzhaft, insbesondere bei schweren oder schwachen Tieren[7], und kann zu Knochenverrenkungen und Frakturen führen.

– Die Strommenge, die den einzelnen Vogel durchfließt, variiert je nach elektrischem Widerstand des betreffenden Vogels und ist nicht kontrollierbar.

Als Reaktion auf diese Stellungnahmen wurden in der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, die seit 1. Januar 2013 Anwendung findet, elektrische Parameter (150 mA bei Frequenzen zwischen 200 Hz und 400 Hz) für die Wasserbadbetäubung festgelegt.[8] Diese Parameter werden auch von der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) empfohlen[9].

2011 schlugen zwei Mitgliedstaaten eine Änderung der nach Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 erforderlichen elektrischen Mindestparameter für die Wasserbadbetäubung vor. Die EFSA prüfte diese Daten und verabschiedete 2012 eine diesbezügliche Stellungnahme[10], wonach bei der Wasserbadbetäubung ein Wirkungsgrad von bis zu 96 %, wie durch ein Elektroenzephalogramm (EEG) gemessen, erreicht wird. In der Stellungnahme wurde ferner auf den zusätzlichen Forschungsbedarf und Durchsetzungsprobleme (beispielsweise verringern Schlachthofbetreiber den Strom aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Fleischqualität) hingewiesen.

In den Stellungnahmen der EFSA wird ferner darauf hingewiesen, dass bei CAS die Nachteile der Wasserbadbetäubung entfallen, sofern das Verfahren mit Parametern verwendet wird, bei denen die Vögel getötet werden:

– Die Vögel werden nicht bei Bewusstsein kopfüber aufgehängt oder in Schlachtbügel eingehängt.

– Es kann sichergestellt werden, dass 100 % der Vögel vor der Entblutung getötet worden sind.

In den Stellungnahmen der EFSA von 2004 und 2006 wurde die Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung, die gegenwärtig für kommerzielle Schlachtlinien entwickelt wird, nicht bewertet.

4.           Wirtschaftliche Aspekte

Die wirtschaftlichen Kenndaten zur Geflügelfleischproduktion in der EU sowie zum Außenhandel sind Anhang I zu entnehmen.

4.1.        Vergleich zwischen Wasserbadbetäubung und anderen Verfahren

4.1.1.     Produktionskosten und Kostenmodell

Zum Vergleich der Betäubungsverfahren für im Handel erhältliches Geflügel wurde ein Kostenmodell erstellt[11]. Dabei wurden die folgenden Kosten berücksichtigt: Installation[12], Wartung, Arbeitsaufwand für die Annahme und Aufhängung, Wasserverbrauch, Wasser für die Reinigung, Strom für die Betäubung, Gas für die Betäubung, sonstiger Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit der Betäubung.

Die EU-Durchschnittskosten pro Vogel wurden für Schlachthöfe mit hohem Durchsatz (12 000 Vögel pro Stunde) und niedrigeren Durchsätzen (6 000 und 3 000 Vögel pro Stunde) berechnet und werden in Tabelle 1 und 2 zusammengefasst. Diese Zahlen sind von den lokalen Kosten der verschiedenen Ressourcen (Kapital, Energie, Wasser und Arbeit)[13] abhängig.

Tabelle 1: Grundberechnungen für die Kosten der Betäubung bei verschiedenen Verfahren für einen Durchsatz von 12 000 Vögeln pro Stunde

Kostenfaktor || Wasserbad || CAS || Kopfdurchströmung || Unterdruckbetäubung

Installationskosten || 43 000 EUR || 308 300 EUR || 370 000 EUR || 500 000 EUR

Wartung (% der Installationskosten) || 3,45 % || 6,90 % || 3,00 % || 2,40 %

Arbeitsaufwand für die Annahme und Aufhängung || 97 Stunden pro Tag || 90 Stunden pro Tag || 96 Stunden pro Tag || 90 Stunden pro Tag*

Wasser für die Betäubung und Reinigung || 9,0 m3 pro Tag || 3,5 m3 pro Tag || 0,96 m3 pro Tag || 3,5 m3 pro Tag*

Elektrischer Strom || 5,2 kWh pro Tag || 127,0 kWh pro Tag || 9,6 kWh pro Tag || 1136,0 kWh pro Tag

Gasverbrauch || - || 3,1 Tonnen pro Tag || - || -

Sonstiger Arbeitsaufwand || 3 Stunden pro Tag || 5 Stunden pro Tag || 0,5 Stunden pro Tag || 5 Stunden pro Tag*

Kosten pro Vogel (EU-Durchschnitt) || 2,439 Cent || 3,495 Cent || 2,521 Cent || 2,641 Cent

Kosten pro Vogel (hohe Arbeits-, Wasser-, Strompreise) || 4,135 Cent || 5,105 Cent || 4,151 Cent || 4,367 Cent

Kosten pro Vogel (niedrige Arbeits-, Wasser-, Strompreise) || 0,389 Cent || 1,562 Cent || 0,549 Cent || 0,679 Cent

Quellen und Gewichtungen || Hersteller: 45 %; Umfrage in Schlachthöfen mit einer Kapazität von 9 000–13 000 (Zahlen angepasst an eine Kapazität von 12 000): 45 %; Literatur: 10 % || Hersteller: 45 %; Umfrage in Schlachthöfen, alle Kapazitäten (Zahlen angepasst an eine Kapazität von 12 000): 45 %; Literatur: 10 % || Hersteller || Hersteller; geschätzter Arbeitsaufwand für CAS.

*            Die Zahlen wurden – angesichts der Ähnlichkeit der Systeme und der Nichtverfügbarkeit spezifischer Daten – von CAS abgeleitet.  Laut Dokumentation wird im LAPS-Betäubungsverfahren kein Wasser verbraucht, während in CAS-Systemen Wasser für die Reinigung verwendet wird.

Tabelle 2: Kostenmodell für Schlachthöfe mit einer Kapazität von 6 000 und 3 000 Vögeln pro Stunde

Kostenfaktor || Wasserbad || CAS || Kopfdurchströmung || Unterdruckbetäubung

Unterschiede bei 6 000 Vögeln pro Stunde

|| Installationskosten geringfügig niedriger; Wasserverbrauch und Arbeitsaufwand geringer; Stromverbrauch ungefähr gleich. || Installationskosten, Wasser- und Stromverbrauch ungefähr gleich.  Arbeitsaufwand und Gasverbrauch proportional geringer.  Wartungsaufwand niedriger wegen geringerem Durchsatz. || Installationskosten geringfügig niedriger (350 T EUR), Arbeitsaufwand und Stromkosten proportional verringert. || Installationskosten durch Wegfall der Hälfte der Unterdruckkammern halbiert (250 T), Stromkosten und Arbeitsaufwand ebenfalls proportional verringert.

Kosten pro Vogel (EU-Durchschnitt) || 2,541 Cent || 3,687 Cent || 2,716 Cent || 2,667 Cent

Kosten pro Vogel (hohe Arbeits-, Wasser-, Strompreise) || 4,294 Cent || 5,330 Cent || 4,356 Cent || 4,412 Cent

Kosten pro Vogel (niedrige Arbeits-, Wasser-, Strompreise) || 0,422 Cent || 1,730 Cent || 0,733 Cent || 0,682 Cent

Unterschiede bei 3 000 Vögeln pro Stunde

|| Installationskosten geringfügig niedriger; Wasserverbrauch und Arbeitsaufwand geringer; Stromverbrauch ungefähr gleich. || Installationskosten, Wasser- und Stromkosten ungefähr gleich.  Arbeitsaufwand und Gaskosten proportional geringer.  Wartung geringer. || Installationskosten wie bei 6 000 Vögeln pro Stunde (350 T EUR); Arbeitsaufwand und Stromkosten proportional verringert. || Installation, Stromverbrauch wie bei 6 000 Vögeln pro Stunde[14].  Arbeitsaufwand proportional verringert.

Kosten pro Vogel (EU-Durchschnitt) || 2,584 Cent || 4,053 Cent || 3,121 Cent || 3,087 Cent

Kosten pro Vogel (hohe Arbeits-, Wasser-, Strompreise) || 4,340 Cent || 5,761 Cent || 4,780 Cent || 5,000 Cent

Kosten pro Vogel (niedrige Arbeits-, Wasser-, Strompreise) || 0,463 Cent || 2,046 Cent || 1,116 Cent || 1,024 Cent

Im Durchschnitt ist die Wasserbadbetäubung das kostengünstigste Betäubungsverfahren und CAS die kostenintensivste Art der Betäubung[15]. Bei Schlachthöfen mit hohem Durchsatz ist der Kostenunterschied zwischen den beiden Verfahren geringer.

Die Wasserbadbetäubung zeigt größere Vorteile gegenüber den anderen Verfahren, sofern die Eingangskosten geringer sind. Sind die Eingangskosten, insbesondere der Arbeitsaufwand, allerdings höher, verkleinert sich die Lücke zwischen der Wasserbadbetäubung und den anderen Verfahren. Dieses Ergebnis stimmt mit der empirischen Beobachtung überein, dass CAS in EU-Regionen eingesetzt wird, in denen die Arbeitskosten relativ hoch sind.

Die Entscheidung eines Schlachthofbetreibers für ein Betäubungssystem scheint nicht von den Auswirkungen auf den Einzelhandelspreis (Einzelhandelspreis liegt bei durchschnittlich 5,070 EUR für ein normales Huhn von 1,5 kg), beeinflusst zu werden, sondern vielmehr von den großen Unterschieden bei den anfänglichen Investitionskosten sowie dem Platzbedarf für das Betäubungssystem (siehe unten).

4.1.2.     Einnahmen/Märkte

Die Schlachthofbetreiber wählen ihr Betäubungsverfahren abhängig von dem Markt aus, auf dem sie ihre Erzeugnisse verkaufen möchten.

Die drei folgenden Mechanismen wirken sich auf die Einnahmen aus:

– Marktzugang: Händler fragen eventuell aufgrund von Qualitäts-, Tierschutz- oder religiösen Anforderungen (halal[16], koscher) nach bestimmten Betäubungsverfahren.

– Bessere Fleischqualität: Märkte können eine Prämie bereitstellen, wenn Teilstücke (Brustfilets, Flügel, Schenkel) konsequent die geforderten Aspekte (Farbe, ohne Blutspritzer) aufweisen.

– Verluste durch Parieren: Die Einnahmen fallen geringer aus, wenn der Parierbedarf durch die Betäubungsverfahren steigt (Verlust von Fleisch und Arbeitskosten für das Parieren).

In der Praxis ist die wichtigste Marktvariable, ob das Geflügel als ganzes Geflügel zur Weiterverarbeitung (wobei Mängel nicht so kritisch sind) oder als Frischfleischstücke im Einzelhandel (wo eine gute Präsentation wichtig ist) verkauft wird.

Es liegt keine umfassende Studie vor, in der die Fleischqualität bei den verschiedenen Betäubungsverfahren direkt miteinander verglichen wird. Darüber hinaus variieren die Auswirkungen auf die Qualität in Abhängigkeit von anderen Faktoren als dem Betäubungsverfahren erheblich. Dies betrifft insbesondere die verwendeten Parameter, die Herkunft der Herde, die Haltung und der Transport des Geflügels vor der Schlachtung usw.

Angesichts dieser Vorbehalte kann der Vergleich der Fleischqualität bei den verschiedenen Betäubungsverfahren wie folgt zusammengefasst werden:

– CAS und Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung[17] scheinen zu einer besseren Fleischqualität (höherer Prozentsatz an Brustfilets ohne Blutspritzer) zu führen als die Wasserbadbetäubung.

– Schenkelschäden sind bei der Wasserbadbetäubung aufgrund des Einhängens in Schlachtbügel im lebenden Zustand im Allgemeinen größer.

– Flügelschäden sind bei CAS aufgrund des stärkeren Flügelflatterns während der Betäubung, insbesondere bei Verwendung von inerten Gasen, größer.

– Hautschäden sind bei CAS aufgrund von Schwierigkeiten beim Rupfen der Federn größer.

Insgesamt scheint CAS für Märkte, in denen nach Brustfilets gefragt wird, vorteilhaft zu sein (Qualitätsprämie), ist aber in Märkten, in denen eine Nachfrage nach ganzem Geflügel besteht, nicht wettbewerbsfähig.

4.1.3.     Platzbedarf für die Installation eines Betäubungssystems

Neben dem oben beschriebenen Kostenmodell muss der Platzbedarf im Falle der Umstellung von Wasserbadbetäubung auf ein anderes Verfahren in Betracht gezogen werden.

Die baulichen und strukturellen Umbaukosten im Zusammenhang mit der Umstellung von Wasserbadbetäubung auf CAS (und möglicherweise LAPS) sind erheblich und können ein unerschwingliches Niveau erreichen. Diese Kosten sind bei der Umstellung von Wasserbadbetäubung auf CAS (und möglicherweise LAPS) wahrscheinlich höher als bei der Umstellung auf Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung, wo nicht mehr Platz benötigt wird als bei der Wasserbadbetäubung.

5.           Arbeitsbedingungen für Schlachthofmitarbeiter

Systeme, bei denen die Handhabung der Tiere im bewussten Zustand (CAS und LAPS) vermieden wird, haben positive Auswirkungen auf die Arbeitsumgebung im Vergleich zu den anderen Systemen (Wasserbadbetäubung und Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung). Dies ist auf die geringere Staubkonzentration (kein Flügelschlagen), normales Licht[18], weniger Verletzungen bei den Beschäftigten und die geringere physische Anstrengung zurückzuführen. Einer Quelle zufolge[19] konnte auch die Personalfluktuation verringert werden, was eine Senkung der Personalbeschaffungskosten zur Folge hatte.

6.           Umweltaspekte

In der Studie von 2012 wurden die Wasserbadbetäubung und CAS in Bezug auf sechs Umweltaspekte verglichen: Staubkonzentration und Geruchsbelastung, Energieverbrauch, nicht verwertbarer Abfallstrom, Wasserverbrauch, Kühlung und Treibhausgasemissionen.

Während alles in allem der Unterschied zwischen den beiden Verfahren im Hinblick auf die Umweltaspekte gering erscheint, scheint CAS einige Umweltvorteile gegenüber der Wasserbadbetäubung in Bezug auf Staubkonzentration/Geruchsbelastung, Abfall und Wasserverbrauch zu haben, während bei der Wasserbadbetäubung der Stromverbrauch geringer ist und weniger Treibhausgase ausgestoßen werden.

7.           Aspekte der globalen Wettbewerbsfähigkeit

Der Geflügelsektor der EU muss auch vor dem Hintergrund der globalen Wettbewerbsfähigkeit und des Wettbewerbsdrucks aus Drittländern bewertet werden.

Brasilien ist der weltweit führende Anbieter von ganzem Geflügel und hellem Fleisch (Brust) auf dem Weltmarkt (80 % und 85 % des Welthandels) und rangiert bei dunklem Fleisch (Schenkel) an zweiter Stelle (30 %).

Die globale Wettbewerbsfähigkeit im weltweiten Geflügelmarkt wird überwiegend durch die Futterkosten bestimmt, die zwischen 50 % und 70 % der Gesamtproduktionskosten ausmachen. Brasilien, Argentinien und die USA profitieren infolge des kostengünstigeren Futters von 40 % geringeren Produktionskosten gegenüber den Ländern in der EU und in Asien. Weitere wichtige Kostenvorteile in Brasilien und Thailand sind die günstigen Klimabedingungen und die niedrigeren Arbeitskosten.

Die Dominanz Brasiliens auf dem globalen Geflügelmarkt lässt sich auch durch die Exportorientierung erklären, wobei die Nachfrage auf den Exportmärkten gegenüber der Inlandsnachfrage priorisiert wird (im Gegensatz zur EU und zu den USA, wo die Ausfuhren hauptsächlich ein Nebenprodukt der Inlandsnachfrage sind).

Ausfuhren aus den USA in die EU sind wegen der Verwendung von antimikrobiellen Behandlungen (in der EU verboten) sehr begrenzt. Allerdings sind die USA im Hinblick auf den Wettbewerb auf Exportmärkten wie beispielsweise Russland, einem wichtigen Ausfuhrziel für überschüssiges dunkles Fleisch, ein bedeutender Wettbewerber.

Thailand exportiert verarbeitete Erzeugnisse in die EU, steht aber auf den globalen Märkten nicht im Wettbewerb mit EU-Exporteuren.

Die Wasserbadbetäubung bleibt das gängigste Betäubungsverfahren für Geflügel. CAS wird in wenigen Drittländern eingesetzt, ist jedoch überwiegend auf die EU beschränkt.

Die Schlachtkosten machen 14 % bis 22 % der Gesamtproduktionskosten aus und werden hauptsächlich durch die Arbeitskosten bestimmt, wobei hier Thailand und Brasilien in absoluter und relativer Hinsicht im Vorteil sind.

Langfristige Wirtschaftsprognosen sehen einen erheblichen Zuwachs im Weltmarkt für Geflügel voraus.  Die steigende Nachfrage nach weiterverarbeiteten Erzeugnissen kann sich langfristig als Antriebsfaktor zugunsten von CAS auswirken.

8.           Sonstige Aspekte

Die Einhaltung der religiösen Regeln der Muslime ist für einige Schlachthofbetreiber im Hinblick auf bestimmte Betäubungsverfahren oder -parameter ebenfalls von Belang. Obwohl es keinen allgemein vereinbarten Standpunkt zur Betäubung von Tieren in allen muslimischen Gemeinschaften gibt, wird die Betäubung von den meisten unter ihnen akzeptiert, sofern das Tier das Bewusstsein wiedererlangen kann, ohne zu bluten.

Je nach Festlegung der Betäubungsparameter sind Wasserbadbetäubung, CAS und Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung reversible Verfahren. Da es sich bei Wasserbadbetäubung und CAS um kollektive Betäubungsverfahren handelt, kann eine Erholung aller Tiere ohne Blutung nur dadurch gewährleistet werden, dass die Betäubungsparameter herabgesetzt werden und somit der Prozentsatz der ordnungsgemäß betäubten Tiere verringert wird.

CAS wird gewöhnlich zum Töten von Tieren eingesetzt, sodass es die muslimischen Gemeinschaften selten als halal akzeptieren (Gefahr der irreversiblen Betäubung von Tieren). Durch die elektrischen Parameter, die in der Verordnung für die Wasserbadbetäubung vorgeschrieben sind, kann keine vollständige Erholung aller betäubten Tiere sichergestellt werden.

Darüber hinaus müssen die auf den Tierschutz bezogenen Vor- oder Nachteile eines Betäubungsverfahrens auch über die Schlachthöfe hinaus in Betracht gezogen werden. Die Beschränkung der Verwendung von Betäubungsverfahren wie etwa der Wasserbadbetäubung, gegenwärtig das einzige für kleinere Schlachthöfe verfügbare kommerzielle Verfahren, bedeutet, dass Tiere, die in Regionen mit extensiven Bewirtschaftungsformen aufgezogen wurden, über lange Strecken transportiert werden müssen.

9.           Schlussfolgerungen

Von den verschiedenen Betäubungsverfahren für Geflügel ist die Wasserbadbetäubung weltweit und in der EU am weitesten verbreitet. Die Wasserbadbetäubung ist historisch betrachtet das erste Verfahren, kostengünstig, technologisch zugänglich, erfordert nicht viel Platz und es werden genügend Vögel für die Entblutung durch Halsschnittautomaten in industriellen Schlachthöfen betäubt.

Während davon ausgegangen wird, dass CAS in einigen Mitgliedstaaten aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach hoher Fleischqualität und der höheren Arbeitskosten, stärker ausgeweitet werden wird, wird die Wasserbadbetäubung in der EU weiterhin auf breiter Basis Anwendung finden.

CAS ist die wichtigste kommerziell erhältliche Alternative zur Wasserbadbetäubung. Andere Alternativen zur Wasserbadbetäubung sind noch nicht ausreichend entwickelt, um eine unmittelbare Option darzustellen. CAS bietet im Hinblick auf Tierschutz, Fleischqualität und Arbeitsbedingungen Vorteile. Jedoch ist CAS kostenintensiv, erfordert mehr Installationsplatz und ist gegenwärtig auf Schlachthöfe mit hohem Durchsatz ausgelegt.

Der Ausstieg aus der Wasserbadbetäubung stellt gegenwärtig keine wirtschaftlich tragfähige Option dar, da es im gegenwärtigen Kontext keine praktische Alternative für Schlachthöfe mit mittlerem oder geringem Durchsatz gibt, die einen erheblichen Anteil der Betriebe in der EU ausmachen.

Es ist wichtig, dass die Mitgliedstaaten neue Tierschutzanforderungen einheitlich anwenden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Schlachthofbetreiber unter Berücksichtigung des Tierschutzes zu schaffen.

Die Kommission wird die Umsetzung in den Mitgliedstaaten weiterhin sorgfältig verfolgen und bewährte Verfahren sowie Innovationen bei der Anwendung der bestehenden EU-Vorschriften bewerten, vergleichen und verbreiten.

[1]               ABl. L 303 vom 18.11.2009, S. 1.

[2]               Study on various methods of stunning poultry durch das Food Chain Evaluation Consortium – Projektleitung: Agra CEAS Consulting – 11.12.2012.

(http://ec.europa.eu/food/animal/welfare/slaughter/study_stunning_poultry_en.pdf).

[3]               CAS umfasst verschiedene Systeme, die nach Bauweise (horizontal/vertikal), Integration in die übrige Verarbeitungskette und verwendeter Gasmischung (Kohlendioxid oder inerte Gase) unterschieden werden.

[4]               Bei Legehennen beträgt die Verteilung zwischen Wasserbadbetäubung und CAS 83 % zu 7 %, bei Elterntieren 61 % zu 37 % und bei Truthähnen 76 % zu 24 % bezogen auf die Anzahl der Tiere.

[5]               The welfare aspects of the main systems of stunning and killing the main commercial species of animals, The EFSA Journal (2004), 45, 1-29.

[6]               The welfare aspects of the main systems of stunning and killing applied to commercially farmed deer, goats, rabbits, ostriches, ducks, geese and quail, The EFSA Journal (2006), 326, 1-18.

[7]               Truthähne und Elterntiere für Masthühner sind wesentlich schwerer als normale handelsübliche Masthühner, während ausgemerzte Legehennen fragile Knochen haben.

[8]               Zu elektrischen Parametern siehe Anhang I Kapitel II Ziffer 6, zu Ausrüstung siehe Anhang II Ziffer 5.

[9]               Artikel 7.5.7 (3) (b) Electrical stunning of birds using a waterbath – Gesundheitskodex für Landtiere (Terrestrial Animal Health Code) der OIE.

[10]             Scientific Opinion on electrical requirements for waterbath equipment applicable for poultry. The EFSA Journal 012; 10(6):2757. 80 pp. doi:10.2903/j.efsa.2012.2757.

[11]             LAPS ist in der EU nicht zugelassen, wird aber in den USA in einem Schlachthof angewandt.

[12]             Installationskosten für einen neuen Betrieb, jedoch keine Umbaukosten.

[13]             In der Studie von 2012 werden weitere Szenarien erörtert.

[14]             Die Installationskosten werden wie bei 6 000 Vögeln pro Stunde angenommen, da es unklar ist, ob das System an einen Durchsatz unter 6 000 Vögeln pro Stunde anpassbar ist.

[15]             Die Daten zur Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung und LAPS stützen sich hauptsächlich auf Herstellerangaben und sind daher unter Umständen optimistischer als die kommerzielle Praxis.

[16]             Siehe Abschnitt 8 unten.

[17]             Da bislang nur in wenigen Schlachthöfen ein kommerzielles System zur Elektrobetäubung durch Kopfdurchströmung verwendet wird, wurden die Angaben keiner unabhängigen Überprüfung unterzogen.

[18]             Bei der Handhabung von lebendem Geflügel arbeitet das Personal bei geringer Beleuchtung, um die Vögel ruhig zu halten.

[19]             PETA (2007) Controlled Atmosphere Killing vs. Electrical Immobilisation. A comparative analysis of poultry slaughter systems from animal welfare, worker safety and economic perspectives. PETA USA, Juni 2007.

ANHANG

des

BERICHTS DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die verschiedenen Betäubungsverfahren für Geflügel

Wirtschaftliche Kenndaten des EU-Geflügelfleischsektors[1]

1. EU-Produktion: 12 Millionen Tonnen[2]

Quelle: AVEC, Jahresbericht von 2011.

1.1. Schlachthöfe

Ungefähr 5 300 Betriebe

Keine umfassende Liste der Geflügelschlachthöfe/Daten nach Durchsatz sind spärlich

1.2. Wirtschaftsleistung

30 bis 32,5 Milliarden EUR im Jahr 2011

1.3. Anzahl der Beschäftigten im Kontakt mit lebenden Tieren

Geschätzte 3 000 Vollzeitäquivalente[3]

2. EU-Verbrauch: 11,6 Millionen Tonnen[4]

Verbrauch pro Kopf von ungefähr 23 kg/Jahr

3. EU-Handel

Die EU exportiert 9 % und importiert 6 % der EU-Produktion[5]

Die EU führt hauptsächlich Brustfleisch ein und führt Fleischstücke von geringerem Wert aus, ausgenommen Frankreich mit einem speziellen Exportmarkt für ganzes Geflügel in Saudi-Arabien.

Quelle: Eurostat.

Quelle: Eurostat.

[1]               Alle Daten stammen aus der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie: Study on various methods of stunning poultry (Studie zu den verschiedenen Betäubungsverfahren für Geflügel) des Food Chain Evaluation Consortium – Projektleitung: Agra CEAS Consulting – 11.12.2012.

[2]               Schlachtkörpergewicht, Daten von 2010.

[3]               Allerdings sind die meisten dieser Beschäftigten Teilzeitkräfte.

[4]               Daten von 2009.

[5]               Tonnen, Daten von 2010. Die Ausfuhren beliefen sich 2010 auf 1,18 Milliarden EUR an Wert, die Einfuhren auf 1,97 Milliarden EUR, was rund 3,8 % der Einfuhren und 6,4 % der Ausfuhren bezogen auf den geschätzten Leistungswert der Geflügelschlachthöfe der EU ausmacht.