52013DC0885

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die Bewertung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps /* COM/2013/0885 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Bewertung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps

(Text von Bedeutung für den EWR)

1.           Einleitung

Im vorliegenden Bericht an das Europäische Parlament und den Rat (nachfolgend „Bericht“) wird die Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (nachfolgend „Leerverkaufsverordnung“) bewertet. Nach Artikel 45 der Leerverkaufsverordnung hat die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Angemessenheit und die Auswirkungen gewisser Bestimmungen der Leerverkaufsverordnung Bericht zu erstatten. Im vorliegenden Bericht werden die in Artikel 45 der Leerverkaufsverordnung aufgeführten Gesichtspunkte behandelt.

Der Bericht wurde im Lichte der Gespräche mit den zuständigen Behörden und der ESMA verfasst. Am 22. Oktober 2012 erteilte die Kommission der ESMA förmlich den Auftrag zur Durchführung einer quantitativen Analyse der verfügbaren Daten über Leerverkäufe und einer Konsultation der zuständigen Behörden und Marktteilnehmer. Auf der Grundlage dieser Arbeit legte die ESMA am 3. Juni 2013 ihr Fachgutachten über die Bewertung der Leerverkaufsverordnung vor (nachfolgend „ESMA-Bericht“).[1]

2.           Angemessenheit der Melde- und Offenlegungsverfahren

2.1.        Meldung und Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien

Nach den Feststellungen der ESMA gingen zwischen dem 1. November 2012 und dem 28. Februar 2013 bei den zuständigen Behörden 12 603 Meldungen über 970 unterschiedliche Aktien in 18 Mitgliedstaaten ein. Dabei ist bemerkenswert, dass 74 % der Meldungen die Schwellenwerte von 0,2 % bzw. 0,5 % unterschritten. Die restlichen 26 % lagen über dem Wert von 0,5 % und wurden daher veröffentlicht. In diesem Zeitraum verkauften nur wenige Besitzer große Aktienpakete leer, wobei 75 % der Besitzer maximal sieben verschiedene Aktien leer verkauften. Die Leerverkaufspositionen zeichneten sich durch eine vergleichsweise hohe Konzentration aus, denn zehn Organisationen hielten über 28 % der im betreffenden Zeitraum gemeldeten Positionen (ESMA-Bericht, Ziffern 17 und 19).

Die ESMA ist der Auffassung, dass die aktuell in der Leerverkaufsverordnung vorgesehenen Schwellenwerte gut geeignet sind, einerseits für die zuständigen Behörden und den Markt aussagekräftige Informationen zu liefern und andererseits die Belastung der Anleger durch die Einhaltung der Bestimmungen auf ein angemessenes Maß zu beschränken. Die ESMA ist ferner der Auffassung, dass die aktuellen Meldeschwellen und ergänzenden Schwellenbeträge für Aktien angemessen sind und nicht verändert werden sollten (ESMA-Bericht, Ziffern 31 und 32).

Die Kommission schließt sich der Schlussfolgerung der ESMA an, dass die Schwellenwerte für die Meldung und Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien offenbar gut abgestimmt und angemessen sind. Derzeit sieht sie keine überzeugenden Hinweise für die Notwendigkeit, diese Schwellenwerte oder die aktuelle Methode zur Berechnung der Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien zu ändern.

2.2.        Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln und Meldung ungedeckter Positionen in Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel

Die ESMA stellte fest, dass zwischen dem 1. November 2012 und dem 28. Februar 2013 bei den zuständigen Behörden nur eine geringe Anzahl von Meldungen (148) zu 13 öffentlichen Stellen in 11 Mitgliedstaaten einging. Insgesamt meldeten 26 Besitzer 39 Leerverkaufspositionen, bei denen im Berichtszeitraum 109 Änderungen eintraten (ESMA-Bericht, Ziffern 50 und 51).

Die ESMA ist der Auffassung, dass die – im Vergleich zu den Meldungen über Aktien – sehr geringe Anzahl eingegangener Meldungen über öffentliche Schuldtitel bedeuten könnte, dass die Schwelle zu hoch angesetzt wurde. Alternativ könnte sie der Anwendung einer durationsbereinigten Methode zugeschrieben werden. Nach Auffassung der ESMA ist die nominelle Methode für die Berechnung der Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln besser geeignet als die durationsbereinigte Methode. Die ESMA schlägt für den Fall der Beibehaltung des durationsbereinigten Ansatzes eine entsprechende Überarbeitung der ursprünglichen Schwellen vor. Sie schlägt darüber hinaus die Umstellung auf eine jährliche Überprüfung anstelle der jetzigen vierteljährlichen Überprüfungen vor (ESMA-Bericht, Ziffern 52 und 57-59).

Die Kommission nimmt die – im Vergleich zu den Meldungen über Aktien – relativ geringe Anzahl eingegangener Meldungen über öffentliche Schuldtitel und darüber hinaus die Argumente, die für oder gegen die durationsbereinigte Methode bzw. den nominellen Ansatz sprechen, zur Kenntnis. In Anbetracht dessen, dass die Leerverkaufsverordnung noch nicht sehr lange angewendet wird und es demzufolge an Daten mangelt, sieht die Kommission derzeit keine überzeugenden Gründe, die Änderungen des Rechtsrahmens in diesem Bereich rechtfertigen würden.

3.           Auswirkungen einzelner Offenlegungspflichten

Die ESMA berichtet, dass 224 Besitzer 1090 Leerverkaufspositionen zu 427 Aktien offenlegten, wobei das Gros der Offenlegungen aus dem Vereinigten Königreich stammte, gefolgt von Frankreich und Schweden. Neunzig Prozent der 3508 Meldungen, die diese 224 Besitzer offenlegten, stammten von Wertpapierinhabern mit Sitz im Vereinigten Königreich oder den Vereinigten Staaten, wobei die zehn größten von ihnen für 37,5 % dieser veröffentlichten Meldungen verantwortlich zeichneten (ESMA-Bericht, Ziffern 60-62).

Die zuständigen Behörden hielten die individuellen Meldeschwellen für angemessen, während die Marktteilnehmer unterschiedliche Betrachtungsweisen zum Ausdruck brachten. Die ESMA merkt zudem an, dass Marktteilnehmer wahrscheinlich dazu neigen, ein Überschreiten der Meldeschwelle zu vermeiden und unter der 0,5 %-Schwelle zu bleiben, um die Informationen über Leerverkaufsaktivitäten nicht offenlegen zu müssen (ESMA-Bericht, Ziffern 22 und 29).

Hinsichtlich der allgemeinen Auswirkungen der Verordnung merkt die ESMA an, dass im Vergleich zu US-Wertpapieren bei EU-Wertpapieren insgesamt ein leichter Rückgang der Volatilität zu verzeichnen war. Bei der Liquidität ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen, während sich die Preisbildung gegenüber der Zeit vor dem Inkrafttreten der Verordnung verkürzt zu haben scheint. Die ESMA warnt jedoch, dass diese Analyse in Anbetracht der kurzen Zeit, der empirischen Grenzen und der Schwierigkeiten bei der Feststellung der spezifischen Auswirkungen der Verordnung mit angemessener Vorsicht zu behandeln ist (ESMA-Bericht, Ziffern 10-11).

Wie in Abschnitt 2.1 bereits angemerkt wurde, werden im ESMA-Bericht keine Änderungen an den Offenlegungsschwellen empfohlen. Die Kommission stimmt mit der ESMA überein, dass bei den einzelnen Offenlegungspflichten keine Änderungen erforderlich sind.

4.           Zweckmässigkeit direkter oder zentralisierter Berichterstattung an die ESMA

Die Mehrheit der zuständigen Behörden würde es vorziehen, keinen zentralisierten Berichterstattungsmechanismus einzuführen sondern die derzeitigen Regelungen beizubehalten (ESMA-Bericht, Ziffer 64). Sie führen dabei das Argument an, dass sich mit einem zentralisierten, EU-weiten Berichterstattungsmechanismus die Beaufsichtigungs- und Durchsetzungsverfahren auf nationaler Ebene schwieriger und weniger wirkungsvoll gestalten könnten. Eine Minderheit zuständiger Behörden sowie einige Marktteilnehmer erkennen dagegen die Vorteile eines zentralisierten Berichterstattungsmechanismus an und setzen sich dafür ein (ESMA-Bericht, Ziffern 62 und 64). Die ESMA empfiehlt keine Änderungen an der Leerverkaufsverordnung und den Durchführungsbestimmungen zum Berichterstattungsmechanismus (ESMA-Bericht, Ziffer 66).

In Anbetracht der obigen Ausführungen gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass das derzeitige System der Berichterstattung auf nationaler Ebene gut funktioniert und dass eine direkte, zentralisierte Berichterstattung im gegenwärtigen Stadium keine wesentlichen Vorteile zu bieten scheint.

5.           Beschränkungen und Bedingungen in Bezug auf ungedeckte Leerverkäufe von Aktien, öffentlichen Schuldtiteln und Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel

5.1.        Beschränkungen in Bezug auf ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und öffentlichen Schuldtiteln

Die ESMA bewertete die Wirkungsweise der Beschränkungen für ungedeckte Leerverkäufe anhand ihrer Auswirkungen auf Wertpapierleihen und die Anzahl gescheiterter Abwicklungen. Die ESMA berichtet, dass die Aktivitäten auf den Wertpapierleihemärkten seit dem Inkrafttreten der Leerverkaufsverordnung nachgelassen, sich seit Januar 2013 aber wieder erholt haben. Die ESMA weist jedoch darauf hin, dass es keine aufsichtsbehördlichen Daten zu Wertpapierleihen gibt und die Analyse der ESMA daher eventuell nicht umfassend genug ist.

Man würde erwarten, dass die Beschränkungen zu einem Rückgang gescheiterter Abwicklungen führen. Die ESMA berichtet in der Tat, dass die Zahl gescheiterter Abwicklungen seit dem Inkrafttreten der Verordnung gesunken zu sein scheint. Der Rückgang gescheiterter Abwicklungen bei europäischen Beteiligungspapieren nach Umfang und Wert und die Abnahme der entsprechenden Durchschnittswerte bei gescheiterten Abwicklungen um einen halben bzw. einen ganzen Prozentpunkt belegen dies (ESMA-Bericht, Ziffer 77). Die ESMA zieht daraus den Schluss, dass die Anwendung der Leerverkaufsverordnung zu einer erhöhten Abwicklungsdisziplin führte (ESMA-Bericht, Ziffern 21-23. Siehe auch Abschnitt 5.3).

In Anbetracht der oben beschriebenen empirischen Nachweise hält die ESMA zum gegenwärtigen Zeitpunkt in diesem Bereich keine wesentlichen Änderungen für angezeigt. Sie schlägt jedoch eine Reihe von Änderungen an den Artikeln 12 und 13 der Leerverkaufsverordnung vor, damit Leerverkäufer die Möglichkeit erhalten, von Vertragsparteien innerhalb derselben juristischen Einheit die für die Durchführung eines Leerverkaufs notwendigen Bestätigungen einzuholen, sofern die betreffenden Vertragsparteien die erforderlichen Bedingungen erfüllen. Außerdem schlägt die ESMA Verbesserungen an der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 der Kommission vor (ESMA-Bericht, Ziffern 83-85).

Die Kommission schließt sich den Schlussfolgerungen der ESMA an, dass in diesem Bereich zum jetzigen Zeitpunkt keine umfangreichen Überarbeitungen des Rechtsrahmens erforderlich sind.

5.2.        Beschränkungen und Bedingungen für ungedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel

Die ESMA bewertete die Auswirkungen des Verbots ungedeckter Credit Default Swaps (CDS) auf öffentliche Schuldtitel hinsichtlich der Kreditaufnahmebedingungen für staatliche Stellen anhand der CDS-Spreads und der Renditen von Staatsanleihen. Dabei beobachtete die ESMA nach der Einführung des Verbots ungedeckter CDS-Transaktionen mit öffentlichen Schuldtiteln bei den CDS-Spreads für öffentliche Schuldtitel in den Mitgliedstaaten eine leichte Abnahme. Sie stellte fest, dass das Verbot beim CDS-Spread zu einem Rückgang um etwa 26 Basispunkte geführt hat (ESMA-Bericht, Ziffer 100). Die ESMA gelangte zu dem Schluss, dass sich aus dem Inkrafttreten der Leerverkaufsverordnung insgesamt scheinbar keine bedeutenden Auswirkungen auf die Aktivitäten im Markt für Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel ergeben haben. Eine Ausnahme bilden allerdings die Indexe für Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, bei denen ein starker Einbruch zu verzeichnen war. Die ESMA erläutert, dass bei den Märkten für öffentliche Schuldtitel in der EU scheinbar keine nennenswerten ungünstigen Auswirkungen eingetreten sind. Allerdings gingen in einigen wenigen Mitgliedstaaten die Aktivitäten bei Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel und die CDS-Indexe für öffentliche Schuldtitel zurück (ESMA-Bericht, Ziffer 112).

Insgesamt gesehen sieht die ESMA zum derzeitigen Zeitpunkt keine überzeugenden Hinweise dafür, dass wesentliche Änderungen an den Bestimmungen der Leerverkaufsverordnung zur Regelung von Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel erforderlich wären. Sie weist allerdings darauf hin, dass es für endgültige Schlussfolgerungen noch zu früh sein könnte (ESMA-Bericht, Ziffer 112).

Die Kommission ist der Auffassung, dass der Zeitraum, in dem Erfahrungen mit den Auswirkungen der Leerverkaufsverordnung gesammelt werden konnten, auf die sich diese Schlussfolgerungen stützen können, nur sehr kurz war. In Anbetracht dessen vertritt die Kommission die Ansicht, dass die Beschränkungen und Bedingungen für ungedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel nach wie vor angemessen sind.

5.3.        Abwicklungsdisziplin unter Einschluss von Eindeckungsverfahren

Markteilnehmer berichten über eine allgemeine Zunahme der Abwicklungsdisziplin bei Aktien seit dem Inkrafttreten der Leerverkaufsverordnung. Seit die Verordnung angewendet wird, ist die Anzahl der Eindeckungen und Eindeckungsversuche in der gesamten Union um 35 % gestiegen. Allerdings war diese Zunahme überwiegend auf einen bestimmten Mitgliedstaat zurückzuführen.

Die ESMA ist der Auffassung, dass die Anforderungen an die Abwicklungsdisziplin, insbesondere die Eindeckungsverfahren, in einem einzigen, horizontalen Rechtsakt angemessener geregelt werden könnten (ESMA-Bericht, Ziffern 88-91). Die ESMA ist insbesondere der Ansicht, dass die künftige Verordnung über Zentralverwahrer[2] ein wirkungsvolleres Instrument zur Festlegung eines detaillierteren Regelwerks für die Anwendung der Sanktionsverfahren der Eindeckung und Abwicklung bietet und die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen in diesen Verfahren fördert.

Die Kommission stimmt zu, dass die Anforderungen an die Abwicklungsdisziplin, insbesondere die Eindeckungsverfahren, in der künftigen Verordnung über Zentralverwahrer angemessener behandelt werden könnten, sofern ein umfassenderer horizontaler Ansatz erzielt wird.

5.4.        Weitere Aspekte bezüglich der Funktionsweise der Beschränkungen

Die ESMA ist der Auffassung, dass seit der Einführung der Beschränkungen für ungedeckte Leerverkäufe die Fälle gescheiterter Abwicklungen bei Aktiengeschäften merklich zurückgegangen sind. Hierbei stützt sie sich auf die Rückmeldungen von Marktteilnehmern und zuständigen Behörden zu Verbesserungen bei der Abwicklungsleistung. Was die Auswirkungen der „Lokalisierungsanforderung“ (Locate Rule) betrifft, so geht aus der von der ESMA vorgenommenen Datenanalyse zur Wertpapierleihe für 2012 und Anfang 2013 hervor, dass die Aktivitäten in den Wertpapierleihemärkten seit dem Inkrafttreten der Leerverkaufsverordnung nachließen, sich seit Januar 2013 aber wieder erholt haben.

Insgesamt vertritt die ESMA die Ansicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt in diesem Bereich keine wesentlichen Änderungen der Anforderungen angezeigt sind. Die ESMA schlägt jedoch geringfügige Änderungen an verschiedenen Einzelheiten der Artikel 12 und 13 der Leerverkaufsverordnung vor, (beispielsweise interne Darlehensstellen anstatt Dritter zuzulassen), damit lokalisierte Aktien bereitgestellt werden können. Ferner schlägt sie vor, die Definition für liquide Aktien für die Zwecke von Lokalisierungsregelungen zu einem späteren Zeitpunkt zu überarbeiten (ESMA-Bericht, Ziffer 83).

Die Kommission stimmt mit der Schlussfolgerung der ESMA überein, dass sich bei der Funktionsweise der Beschränkungen und Anforderungen in Bezug auf die Transparenz von Netto-Leerverkaufspositionen und ungedeckten Leerverkäufen derzeit keine Hinweise auf bedeutende Mängel oder eine schlechte Funktionsweise der Leerverkaufsverordnung in diesem Bereich erkennen lassen.

6.           Funktionsweise der Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten im Rahmen der Leerverkaufsverordnung.

Die Anwendung der Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten (Marktpflege) im Rahmen der Leerverkaufsverordnung ist mit der Handhabung der in den Kapiteln II und III der Leerverkaufsverordnung enthaltenen Verpflichtungen verknüpft und hängt somit auch mit der im vorliegenden Bericht vorgenommenen Bewertung zusammen. Die Leitlinien der ESMA bezüglich der Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten werden seit April 2013 angewendet.

Die ESMA berichtet, dass die Mehrzahl der zuständigen Behörden der Auffassung war, dass die Ausnahme die Bereitstellung von Liquidität erlaube, eine Umgehung der Bestimmungen aber nicht zuließe. Einige Behörden meinten jedoch, dass die Ausnahme zu einem Rückgang der Liquiditätsbereitstellung führen könnte. Marktteilnehmer äußerten Bedenken, dass ihre Möglichkeiten zum Angebot außerbörslichen Market-Makings bei Instrumenten wie Zinsswaps und nicht notierten Derivaten durch den begrenzten Umfang der Ausnahme eingeschränkt würden (ESMA-Bericht, Ziffern 140-144).

Die zuständigen Behörden hielten das Verfahren zur Mitteilung der Absicht, die Ausnahme in Anspruch zu nehmen, für angemessen, obgleich einige Behörden im Hinblick auf eine hohe Arbeitsbelastung Bedenken äußerten. Marktteilnehmer waren der Auffassung, dass die vorgeschriebene Mitteilung nach einzelnen Instrumenten umständlich und in der Praxis nicht durchführbar sei. Bedenken wurden auch hinsichtlich des Risikos ungleicher Wettbewerbsbedingungen geäußert, die aufgrund des Umstands, dass unterschiedliche Behörden die Mitteilungen über Ausnahmen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bearbeiten, entstehen könnten (ESMA-Bericht, Ziffern 145-146).

Die ESMA schlägt eine Änderung des Verordnungstextes vor. Gemäß ihrem Vorschlag sollte außerdem der Umfang der Ausnahme für Market-Making überdacht werden. An den technischen Regulierungsstandards oder den delegierten Rechtsakten sollten zudem bestimmte Änderungen vorgenommen werden (ESMA-Bericht, Ziffer 149). Die ESMA empfiehlt insbesondere, Umfang und Bedingungen der Ausnahme zu überdenken, sich dabei aber von den der Leerverkaufsverordnung zugrunde liegenden Zielsetzungen und Grundprinzipien leiten zu lassen (ESMA-Bericht, Ziffern 152-156). Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass die im Bericht der ESMA geäußerten Bedenken hinsichtlich des Umfangs von und der Bedingungen für die Market-Making-Ausnahme erst dann sinnvoll beurteilt werden können, wenn seit dem Inkrafttreten der Leerverkaufsverordnung genügend Zeit verstrichen ist und somit genug Erfahrungen mit der Anwendung der Verordnung gesammelt werden konnten, auf die sich Überarbeitungsvorschläge dann stützen könnten.

Darüber hinaus haben laut der am 19. Juni 2013 von der ESMA veröffentlichten Tabelle mit Angaben über die Befolgung der Leitlinien (Guidelines Compliance Table) hinsichtlich der Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkttätigkeiten im Rahmen der Leerverkaufsverordnung (ESMA/2013/765) die zuständigen Behörden von fünf Mitgliedstaaten ihre Nichtkonformität mit bestimmten Aspekten der Leitlinien zum Ausdruck gebracht. Dabei wiesen sie auf ihre abweichenden Ansichten in einer Reihe von Fragestellungen wie dem Umfang der gedeckten Instrumente und den Bedingungen für die Bewilligung der Ausnahme für Marktmacher hin. [3]

Die Kommission weist warnend darauf hin, dass durch die Nichtbeachtung der ESMA-Leitlinien seitens einiger zuständiger Behörden unweigerlich eine Situation geschaffen wird, in der die Leerverkaufsverordnung unterschiedlich angewendet wird und somit in der Union unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen entstehen. Werden bei der Überprüfung zuvor gewährter Ausnahmen für Marktmacher unterschiedliche Kriterien angewendet, kann dies außerdem zu einer uneinheitlichen Anwendung dieser Ausnahme führen. Diese Abweichungen können folglich Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen und die Wirksamkeit des Rechtsrahmens verringern.

Die Kommission ist der Auffassung, dass eine kohärente Anwendung des Rechtsrahmens für Leerverkäufe, insbesondere der Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten in allen Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung für die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen und kohärenter Marktpraktiken in der gesamten Union ist. Durch die Schaffung ungleicher Wettbewerbsbedingungen in der Union könnte das Hauptziel der Verordnung, nämlich die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen und die Sicherstellung eines hohen Grades an Verbraucher- und Anlegerschutz, gefährdet werden.

Vor diesem Hintergrund sieht die Kommission zum derzeitigen Zeitpunkt keine überzeugenden Hinweise für die Notwendigkeit von Überarbeitungen des Rechtsrahmens auf diesem Gebiet. Sofern die Kommission feststellt, dass die Leerverkaufsverordnung, insbesondere die Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten, in einer Weise angewendet wird, die gegen diese Verordnung verstößt, wird sie angemessene Folgemaßnahmen treffen.

7.           Eingriffsbefugnisse im Rahmen der Leerverkaufsverordnung

Nach Artikel 23 der Leerverkaufsverordnung haben die zuständigen Behörden das Recht, bei einem signifikanten Kursverfall eines Finanzinstruments bestimmte außerordentliche Maßnahmen zu treffen. Bisher ist diese Befugnis zur vorübergehenden Beschränkung von Leerverkäufen und anderweitigen Begrenzung von Transaktionen mit bestimmten Finanzinstrumenten nur von zwei Mitgliedstaaten ausgeübt worden (Italien und Portugal). Aus den Rückmeldungen einiger Marktteilnehmer geht hervor, dass diese Verbote bei den Marktteilnehmern Verwirrung und Unsicherheit auslösten und sich unmittelbar auf die Liquidität und die Preiseffizienz auswirkten. Aufgrund der in den betroffenen Ländern bestehenden Unterschiede im Inhalt und in der zeitlichen Abstimmung der im Laufe des Handelstages erfolgenden Veröffentlichungen verursachte diese Maßnahme bei den Marktteilnehmern Kosten für die Einholung von Informationen. Eine weitere Ursache für diese Nachforschungskosten war die mangelnde Klarheit bezüglich des Umfangs der Instrumente (ESMA-Bericht, Ziffer 190).

Der Kommission ist bekannt geworden, dass in Fällen, in denen eine zuständige Behörde aufgrund eines „signifikanten Kursverfalls“ ein vorübergehendes Leerverkaufsverbot für bestimmte Aktien verhängte, die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten, in denen die betroffenen Aktien ebenfalls gehandelt wurden, keine vergleichbaren Verbote für diese Aktien erließen oder aber abweichende Maßnahmen trafen. Das führte dazu, dass das Verbot in manchen Mitgliedstaaten in Kraft war und in anderen Mitgliedstaaten nicht angewendet wurde. In anderen Fällen kam es dazu, dass sogar die innerhalb eines Mitgliedstaates zuständigen Behörden bei der Entscheidung, ob ein von einem Mitgliedstaat angewendetes Leerverkaufsverbot verhängt werden sollte oder nicht, unterschiedlich vorgingen.

Die ESMA schlägt für eine durchführbare, weniger komplexe und ressourcenschonendere Gestaltung der Maßnahmen nach Artikel 23 vor, den zuständigen Behörden in den unter Liquiditätsgesichtspunkten für ein bestimmtes Instrument maßgeblichsten Märkten zu erlauben, bei der Beurteilung, ob und wann bei einem bestimmten Instrument ein vorübergehendes Verbot von Leerverkäufen oder eine Handelsbeschränkung notwendig ist, nach ihrem Ermessen vorzugehen, ohne einen Mechanismus auf der Grundlage von Schwellen für signifikante Kursstürze umsetzen zu müssen (ESMA-Bericht, Ziffer 209).

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Leerverkaufsverordnung den zuständigen Behörden einen wirkungsvollen, vollständigen Rechtsrahmen an die Hand gibt, auf dessen Grundlage sie Leerverkaufsverbote kohärent und effizient anwenden können. Die zuständigen Behörden sollten daher sicherstellen, dass ein kohärenter Ansatz verfolgt wird und ihre Befugnisse wirkungsvoll in einer Weise eingesetzt werden, die eine potenziell inkohärente Anwendung von Leerverkaufsverboten vermeidet. Auf diese Weise tragen sie zur Erreichung der mit der Leerverkaufsverordnung angestrebten Ziele bei. Zu diesen Zwecken müssen die zuständigen Behörden sicherstellen, dass das in Artikel 26 Absatz 4 der Leerverkaufsverordnung festgelegte Verfahren vollständig eingehalten wird, um die ESMA in die Lage zu versetzen, alle anderen betoffenen zuständigen Behörden von einer gemäß Artikel 23 der Leerverkaufsverordnung getroffenen Verbotsmaßnahme zu unterrichten. Die Befolgung dieses Verfahrens müsste den zuständigen Behörden außerdem eine Beurteilung erlauben, ob die von anderen zuständigen Behörden getroffenen Maßnahmen miteinander kohärent sind.

Hinsichtlich der Angemessenheit der in Artikel 23 der Leerverkaufsverordnung und Artikel 23 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 918/2012 der Kommission angegebenen Schwellen ist die ESMA der Auffassung, dass nicht alle aktuellen, zur Ermittlung eines signifikanten Kursverfalls festgelegten Schwellen für alle Kategorien von Instrumenten aufrechterhalten werden sollten. Einige Schwellen sollten geändert oder aufgehoben werden (ESMA-Bericht, Ziffern 210-211). Laut ESMA sollten die Schwellen für Industrie- und Staatsanleihen überdacht oder aufgehoben werden. Für notierte OGAW (außer börsengehandelten Indexfonds) und Warenderivate wären keine Schwellen erforderlich (ESMA-Bericht, Ziffer 211).

In Anbetracht der begrenzten Erfahrungen mit der Anwendung dieser Schwellen erachtet die Kommission eine Überarbeitung bzw. ein erneutes Überdenken der Schwellen für signifikante Kursstürze bei OGAW und Warenderivaten nicht für erforderlich.

Hinsichtlich der außerordentlichen Maßnahmen bei ungünstigen Ereignissen oder Entwicklungen, die nach den Artikeln 18, 19, 20 oder 21 der Leerverkaufsverordnung eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen darstellen, vertritt die ESMA die Auffassung, dass die Bestimmungen der Verordnung im Allgemeinen erforderlich und angemessen sind. Die Kommission stimmt zu.

8.           Schlussfolgerungen

Nach Auffassung der  Kommission lässt sich auf der Grundlage der wenigen bisher verfügbaren Daten feststellen, dass die Leerverkaufsverordnung hinsichtlich einer größeren Transparenz bei Leerverkäufen und einem Rückgang gescheiterter Abwicklungen positive Auswirkungen zeigte. Bei den wirtschaftlichen Auswirkungen ergibt sich ein unterschiedliches Bild. Es gibt keine überzeugenden Hinweise für einen wesentlichen negativen Einfluss der Leerverkaufsverordnung hinsichtlich einer geringeren Liquidität von Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel. Aus dem Bericht der ESMA ergeben sich keine Hinweise auf bedeutende negative Auswirkungen der Leerverkaufsverordnung auf die Wirtschaft, die nach Ansicht der Kommission kurzfristig eine Überarbeitung der Verordnung rechtfertigen würden. Insgesamt zeigen die verfügbaren empirischen Daten, dass die Leerverkaufsverordnung eine Reihe vorteilhafter Auswirkungen auf die Volatilität und unterschiedliche Auswirkungen auf die Liquidität hatte. Zudem führte sie zu einer leichten Verkürzung bei der Preisbildung.

Wie die ESMA selbst anmerkt, sollten in Anbetracht der kurzen Zeit, die für die Bewertung der Leerverkaufsverordnung seit ihrem Inkrafttreten zur Verfügung stand, und dem daraus folgenden Mangel an Daten die Schlussfolgerungen in ihrem Bericht mit Vorsicht aufgenommen werden. Die zuständigen Behörden und die Marktteilnehmer erkennen an, dass dieser kurze Zeitraum und die auf eine begrenzte Datenbasis gestützte Bewertung präzise Schlussfolgerungen zu den Fragen, ob die Ziele der Leerverkaufsverordnung, nämlich die Verbesserung der Bedingungen für das Funktionieren des Marktes und die Gewährleistung eines hohen Niveaus an Anlegerschutz, erreicht wurden, erschwert (ESMA-Bericht, Ziffern 12-13). Darüber hinaus waren die von der ESMA beschlossenen Leitlinien für Market-Making-Tätigkeiten erst ab April 2013 anzuwenden.

Obgleich die ESMA einige Anpassungen der Leerverkaufsverordnung empfahl, die insbesondere die Lokalisierungsanforderung, die Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten und die Befugnis zuständiger Behörden zur Verhängung kurzfristiger Verbote betrafen, riet die ESMA der Kommission, die Bewertung der Verordnung und der zugehörigen Durchführungsbestimmungen zu einem späteren Zeitpunkt, wenn auf mehr Daten und größere Erfahrungen zurückgegriffen werden kann, zu überdenken. Die ESMA machte die Kommission zudem auf die finanziellen Folgen aufmerksam, die Änderungen am Rechtsrahmen so kurz nach dessen Inkrafttreten für die Anleger und die zuständigen Behörden mit sich bringen könnten. Die im Bericht der ESMA dargestellte, quantitative Gesamtanalyse der Auswirkungen der Leerverkaufsverordnung schließlich unterliegt gewissen Einschränkungen, die für die Art und Weise, wie die Auswirkungen der Leerverkaufsverordnung auszulegen sind, erhebliche Folgen haben. Die von der ESMA bei ihrer technischen Bewertung der Leerverkaufsverordnung angewendeten Methoden unterliegen insbesondere dem Modellrisiko und empirischen Grenzen.[4] Nach Aussage der ESMA besteht außerdem das Risiko, dass in der Analyse doch gewisse externe Faktoren erfasst werden, die die darin beschriebenen Feststellungen verfälschen können.

Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass es noch zu früh ist, um auf der Grundlage der verfügbaren Hinweise endgültige Schlussfolgerungen über die Funktionsweise der Leerverkaufsverordnung zu ziehen, die eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften zum jetzigen Zeitpunkt rechtfertigen würden.[5] Die Kommission wird daher die Anwendung der Leerverkaufsverordnung weiter beobachten. Um ein reibungsloses Funktionieren des Rechtsrahmens für Leerverkäufe sicherzustellen, zieht die Kommission die Möglichkeit einer erneuten Bewertung der Angemessenheit und der Auswirkungen der Leerverkaufsverordnung in einem ähnlichen Umfang wie in Artikel 45 der Verordnung vorgesehen in Erwägung. Diese Bewertung würde sich auf eine größere Menge an empirischen Daten und Belegen stützen, sobald die zuständigen Behörden ausreichende regulatorische Erfahrungen mit der Anwendung der Leerverkaufsverordnung gesammelt haben. Eine solche Bewertung könnte 2016, also drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Leerverkaufsverordnung, abgeschlossen sein. Grundlage für eine solche Prüfung der Einflüsse und Auswirkungen der Leerverkaufsverordnung sollten die von der ESMA beigetragenen Informationen, eine Analyse verfügbarer Daten und die Rückmeldungen der zuständigen Behörden und Marktteilnehmer sein.

[1]               Final Report. ESMA’s technical advice on the evaluation of the Regulation (EU) 236/2012 on short selling and certain aspects of credit default swaps [Abschlussbericht. Fachgutachten der ESMA zur Bewertung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps] ESMA/2013/614.

[2]               Der Vorschlag der Kommission (COM(2012) 73 final) für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Wertpapierabrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG vom 7. März 2012 liegt derzeit dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Prüfung vor.

[3]               Am 16. Juni 2013 veröffentlichte die ESMA eine Tabelle bezüglich der Einhaltung der ESMA-Leitlinien für Market-Making-Tätigkeiten (ESMA/2013/765).

[4]               Diese Einschränkung wurde auch unter Ziffer 8 im ESMA-Bericht hervorgehoben.

[5]               In diesem Zusammenhang sollte unbedingt die vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängige Rechtssache C-270/12, in der das Vereinigte Königreich auf Nichtigerklärung von Artikel 28 der Verordnung über Leerverkäufe klagte, beachtet werden.