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MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Verbesserung der Ernährung von Mutter und Kind im Kontext der Außenhilfe: ein politisches Rahmenkonzept der EU /* COM/2013/0141 final */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Verbesserung der Ernährung von Mutter und Kind im Kontext der Außenhilfe: ein politisches Rahmenkonzept der EU

Unterernährung – eine vermeidbare Tragödie

Die Folgen unzureichender Ernährung gehören zu den größten vermeidbaren Tragödien unserer Zeit. Die Verwirklichung des Millenniumsentwicklungsziels (MDG), den Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung zu halbieren, ist in vielen Ländern im Rückstand: Noch jedes sechste Kind hat Untergewicht. Diese Kinder sind Opfer eines Teufelskreises aus Armut, unzureichender Ernährung und Krankheit, so dass ihr Start ins Leben nicht schlechter sein könnte und Individuen wie auch ganze Gesellschaften in der Armutsfalle sitzen.

Die EU ist im Bereich der Ernährungssicherheit ein wichtiger Akteur: Im Zeitraum 2006‑2011 wurden für ländliche Entwicklung, Raumplanung, nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit durchschnittlich über 1 Mrd. EUR pro Jahr bereitgestellt. Zu den Initiativen, die zur Verbesserung der Ernährungssicherheit beigetragen haben, gehören insbesondere die Nahrungsmittelfazilität, die mit 1 Mrd. EUR ausgestattet war und zur Unterstützung der von der Nahrungsmittelkrise 2007/2008 am stärksten betroffenen Länder diente, und die mit ebenfalls 1 Mrd. EUR ausgestattete MDG-Initiative zur Unterstützung der Länder, die bei der Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele zurückliegen, insbesondere des MDG 1c, wonach der Anteil der Menschen, die Hunger leiden, halbiert werden soll, sowie der MDG 3 und 4. Darüber hinaus leistet die EU in Fällen von akuter Gefährdung der Ernährungssicherheit humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe. Jedes Jahr werden zwischen einem Drittel und der Hälfte des für humanitäre Hilfe vorgesehenen EU-Budgets zur Deckung von Ernährungsbedürfnissen ausgegeben.

2012 ist die Kommission anlässlich des Londoner Gipfels gegen Hunger die politische Verpflichtung eingegangen, die Partnerländer dabei zu unterstützen, die Zahl der unter „Stunting“ (ernährungsbedingter Wachstumsverzögerung) leidenden Kinder unter fünf Jahren bis 2025 um mindestens 7 Millionen zu senken. In dieser Mitteilung legt die Kommission ihre Strategie dar, mit der dieses Ziel erreicht und die Unterernährung von Mutter und Kind generell verringert werden soll.

Die Bewältigung dieses Problems erfordert einen sektorübergreifenden Ansatz, der die Bereiche nachhaltige Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Ernährungssicherheit, öffentliche Gesundheit, Wasser- und Sanitärversorgung, Sozialschutz und Bildung einbezieht. Voraussetzung ist, dass die Partnerländer das Problem als solches anerkennen und entschlossen dagegen vorgehen, damit Frauen und Kinder die Versorgung und Ernährung erhalten können, die für einen menschenwürdigen Start ins Leben nötig sind. Die internationale Gemeinschaft ist entschlossen, alles daran zu setzen, die Partnerländer bei ihren Bemühungen um Verbesserung der Ernährung von Mutter und Kind zu unterstützen.

Der Rahmen für die Entwicklungspolitik der EU wird im Vorschlag der Kommission für eine Agenda für den Wandel[1] und den daran anknüpfenden Ratsschlussfolgerungen vom Mai 2012[2] dargelegt. Das Konzept der EU für die Verbesserung der Ernährungssicherheit und für humanitäre Ernährungshilfe in Drittländern wurde in den Mitteilungen über die EU-Politik zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und über die humanitäre Hilfe im Ernährungsbereich[3] sowie in den diesbezüglichen Schlussfolgerungen des Rates vom Mai 2010[4] weiter präzisiert. In diesen Dokumenten werden vier gleichermaßen wichtige Säulen der Ernährungssicherheit genannt: Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, Zugang zu Nahrungsmitteln, bessere Ernährung und Verbesserung von Krisenprävention und Krisenmanagement. Dabei werden die besonderen Herausforderungen der Verbesserung des Ernährungsstatus von Betroffenen in humanitären Notsituationen hervorgehoben. Die vorliegende Mitteilung zielt darauf ab, die Säule „bessere Ernährung“ zu ergänzen und weiter auszubauen.

Der politische Rahmen wurde durch die Mitteilung „Ein EU-Konzept für Resilienz: Lehren aus Ernährungssicherheitskrisen“[5] ergänzt, in der dargelegt wird, wie Ernährung und Resilienz in bestimmten Kontexten eng miteinander verknüpft sind (insbesondere in der Sahelzone und am Horn von Afrika, wo die Resilienz zum Leitmotiv der mit mehreren Partnern durchgeführten Initiativen AGIR[6] und SHARE[7] zur Bewältigung von Nahrungsmittel- und Ernährungskrisen erhoben wurde).

Schließlich wurden im EU-Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter und Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit 2012-2015[8] die engen Zusammenhänge zwischen MDG 1, 3 und 4 und der Rolle der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter hervorgehoben.

Im vorliegenden auf Wunsch von Rat und Rechnungshof erstellten Grundsatzpapier zum Thema Ernährung wird hervorgehoben, dass humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe besser koordiniert werden müssen, um die Widerstandsfähigkeit der betroffenen Bevölkerung zu erhöhen. Dabei wird sowohl auf die vorrangige Zuständigkeit der nationalen Regierungen für ernährungspolitische Maßnahmen als auch auf die wichtige Rolle hingewiesen, die den Frauen und Männern in den Entwicklungsländern als Triebkräften des Wandels zukommt.

1.           Hintergrund

Ausmaß des Problems

Nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation stellt schlechte Ernährung die mit Abstand größte gesundheitliche Bedrohung auf der Welt dar. In vielen Entwicklungsländern ist sie mitverantwortlich für mindestens ein Drittel der Kindersterblichkeit und ein Fünftel der Müttersterblichkeit.[9] Millionen Kinder überleben, bleiben aber in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung zurück und/oder haben vor Vollendung ihres fünften Lebensjahres bereits mehrere Phasen akuten Gewichtsverlustes hinter sich. Weltweit leiden rund 165 Millionen Kinder (jedes vierte Kind) an „Stunting“, d. h. sie sind durch chronische Unterernährung gegenüber Gleichaltrigen im Wachstum zurückgeblieben,[10] und jedes Jahr sterben 2,6 Millionen Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung[11]. Über 90 % dieser Kinder leben in Afrika und Asien. Außerdem sind weltweit rund 52 Millionen (8 %) der unter 5-Jährigen von „Wasting“ betroffen, d. h. sie sind im Verhältnis zu ihrer Körpergröße akut untergewichtig. Die meisten davon leben ebenfalls in Asien und Afrika[12].

Besondere Aufmerksamkeit gilt den unter Unterernährung leidenden Menschen dort, wo die institutionellen Strukturen nicht sehr leistungsfähig sind und es häufig zu Katastrophen oder Konflikten mit verheerenden Folgen für die am stärksten benachteiligten Gruppen kommt, etwa in fragilen Staaten.

Die Unterernährung hält Individuen und ganze Gesellschaften im Teufelskreis der Armut gefangen. Für Kinder, die in armen Haushalten heranwachsen, besteht ein höheres Risiko der Unterernährung, die wiederum ihre Lernfähigkeit einschränkt und ihre Anfälligkeit für Krankheiten erhöht. Später ist es für sie als Erwachsene dadurch umso schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden und ein produktives Leben zu führen, so dass sich die Armut von Generation zu Generation fortsetzt. Besonders gravierend ist die Unterernährung in armen Bevölkerungsgruppen im ländlichen Raum und in diskriminierten Gruppen. Der Anteil der Kinder mit Wachstumsverzögerung ist im ländlichen Raum 1,5 Mal höher als in städtischen Gebieten[13]. Daher will die EU die kleinbäuerliche Landwirtschaft und die Verbesserung der Existenzgrundlagen im ländlichen Raum unterstützen.

Viele Frauen in Entwicklungsländern sind ernährungsbedingt ebenfalls kleinwüchsig und/oder untergewichtig. 10‑20 % der Frauen in Subsahara-Afrika und 25‑35 % der Frauen in Südasien werden als extrem mager eingestuft. Eisenmangelanämie ist das in dieser Gruppe häufigste ernährungsphysiologische Problem: Fast die Hälfte aller Frauen sind betroffen.[14] Der Zeitraum zwischen Schwangerschaftsbeginn und Vollendung des zweiten Lebensjahres eines Kindes – die ersten 1 000 Tage – wird für die Verhinderung von Unterernährung und ihren Folgen auch im Erwachsenenalter als entscheidend angesehen. Die Hälfte aller Stunting-Fälle bei Kindern treten bereits während der Schwangerschaft auf, was die grundlegende Bedeutung einer besseren Ernährung von Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter deutlich macht. Untergewichtige, kleinwüchsige und/oder anämische Mütter weisen ein hohes Risiko auf, ebenfalls besonders kleine Babys zu gebären.

Weltweit ist die Bekämpfung von Stunting und Wasting nur langsam vorangekommen. Der Anteil der im Wachstum zurückgebliebenen Kinder ging von 40 % im Jahr 1990 auf 26 % im Jahr 2011 zurück.[15] Die noch geringeren Fortschritte bei der Bekämpfung des Wasting zeigen, dass sehr viel mehr getan werden muss. Neben Stunting und Wasting leiden fast zwei Milliarden Menschen auf der Welt unter einem Mangel an den für das Wachstum und die Entwicklung des menschlichen Körpers so wichtigen Mikronährstoffen (wie Vitamin A, Jod, Eisen und Zink).[16]

Ursachen

Die Ursachen der Unterernährung unterscheiden sich von Kontext zu Kontext und von Mensch zu Mensch. Sie sind im konzeptionellen Rahmen dargestellt (siehe Schaubild). Sie sind in der Regel auf drei Ebenen angesiedelt:

· Als unmittelbare Ursachen kommt zweierlei in Betracht: mangelhafte Ernährung (qualitativ oder quantitativ) und Krankheit.

· Die tiefer liegenden Ursachen sind eng mit Armut verbunden und lassen sich in drei Kategorien einteilen: mangelnde Ernährungssicherheit der Haushalte, unangemessene Versorgung von Kindern und Frauen sowie schlechte Umweltbedingungen und Gesundheitsdienste.

· Die grundlegenden Ursachen sind auf subnationaler, nationaler und internationaler Ebene angesiedelt: Sie reichen von einer schlechten Regierungsführung über Bevölkerungswachstum, Konflikte, Klimawandel und knappe natürliche Ressourcen bis hin zu hohen und stark schwankenden Nahrungsmittelpreisen.

Quelle: UNICEF (1990), überarbeitet in The Lancet Series, 2008

Die relative Bedeutung der möglichen Ursachen hängt von der spezifischen Dynamik der jeweiligen Situation und Bevölkerungsgruppe ab. Aus diesem Grund ist entscheidend, dass eine sorgfältige Analyse vorgenommen wird, bevor gehandelt wird. Die unterschiedlichen Faktoren für Unterernährung hängen miteinander zusammen und machen ein sektorübergreifendes Vorgehen erforderlich.

Folgen

Auf der Ebene des Individuums gehört Unterernährung zu den tiefer liegenden Ursachen für eine erhebliche Kinder- und Müttersterblichkeit. Sie ist für 35 % der Erkrankungen von Kindern unter fünf Jahren verantwortlich[17] und eine anhaltende Unterernährung (Wachstumsstörungen und/oder häufige Phasen akuten Gewichtsverlusts sowie der Mangel an Mikronährstoffen) hat verheerende, irreversible Schäden zur Folge. Iodmangel und Stunting gehen mit erheblichen Einbußen bei der kognitiven Entwicklung einher.[18]

Stunting ist nicht nur eine vermeidbare Tragödie für den Einzelnen, sondern es behindert auch das wirtschaftliche Vorankommen von Familien und ganzen Nationen. Die wirtschaftlichen Kosten der Unterernährung werden auf 10 % der individuellen Lebenseinkommen[19] und auf 2‑8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geschätzt. Durch Unterernährung werden ohnehin stark beanspruchte Gesundheitssysteme noch zusätzlich belastet, da unterernährte Menschen leichter erkranken und Unterernährung in der Kindheit später zu chronischen Krankheiten führt, die mit erheblichen Kosten verbunden sind.

Bekämpfung der Unterernährung

Zur Bekämpfung der Unterernährung müssen verschiedene Herausforderungen bewältigt werden, die folgenden Bedarf erkennen lassen:

· Mehr Investitionen der Länder in den Ernährungsbereich (insbesondere auf lange Sicht). Dazu gehört auch die Stärkung der Führungsrolle der Länder, der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Steuerungsfähigkeit und der strategischen Kapazitäten im Ernährungsbereich, um die Akteure hinter einem gemeinsamen Ziel und einem kohärenten sektorübergreifenden Ansatz zu vereinen.

· Angleichung der ernährungsrelevanten Politik, die von den verschiedenen Fachministerien und Gebern verfolgt wird. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der Ernährung als zentralen politischen Ziels in den Bereichen ländliche Entwicklung und Basisinitiativen, nachhaltige Landwirtschaft, Fischerei, Ernährungssicherheit, öffentliche Gesundheit, reproduktive Gesundheit, Wasser- und Sanitärversorgung, Sozialschutz und Bildung.

· Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und des Status der Frau in allen ernährungsrelevanten Bereichen[20] auf der Grundlage der ermittelten ausschlaggebenden sozialen Faktoren für Unterernährung. Die Rolle der Frau für Wirtschaft, Gesellschaft, Fortpflanzung und häusliches Leben ist für die Ernährungssicherheit ganz entscheidend.

· Da Unterernährung ein generationenübergreifendes Problem und sowohl durch akute Krisen als auch durch langfristige Entwicklungen bedingt ist, sind eine größere Kohärenz und bessere Koordinierung der Ernährungsaspekte im gesamten Spektrum der Sofort- und Entwicklungshilfe von entscheidender Bedeutung.

· Durch angewandte Forschung und rigorose Überwachung und Evaluierung müssen mehr Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Vorgehensweisen im Ernährungsbereich sinnvoll sind, damit wirksame ernährungspolitische Konzepte und Maßnahmen in verschiedenen Bereichen ermittelt und die Aktivitäten ausgeweitet werden können. Eine größere Wirksamkeit der ernährungsspezifischen und ernährungsrelevanten Aktivitäten im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Wirksamkeit der Hilfe ist unerlässlich.

· Nach Auffassung der EU kann es durch Unterstützung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft gelingen, im ländlichen wie auch im städtischen Raum den Zugang der Armen zu nährstoffreichen Nahrungsmitteln sowie die Existenzgrundlagen für diese Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Dazu gehört auch, dass Möglichkeiten zur Verbesserung der Ernährung entlang der Wertschöpfungskette ermittelt und genutzt werden, so dass sich für arme Menschen die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Aufnahme von nährstoffreichen Nahrungsmitteln erhöht.

· Es muss an die globalen politischen und finanziellen Zusagen zur Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit und Unterernährung angeknüpft werden, insbesondere im Hinblick auf MDG-Rahmenvorgaben für die Zeit nach 2015.

2.           Leitsätze und Ziele

Leitsätze

Die EU stimmt ihre Unterstützung möglichst weitgehend mit den Strategien und Prioritäten der Partner nach den Grundsätzen der Wirksamkeit der Hilfe ab. Die Bekämpfung der Unterernährung setzt voraus, dass die Partnerländer das Problem als solches anerkennen und entschlossen sind, es anzugehen. Die internationale Gemeinschaft wird alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun, um die Partnerländer bei ihren Bemühungen zur Verbesserung der Ernährung von Mutter und Kind zu unterstützen, doch müssen die betreffenden Regierungen selbst ebenfalls Ressourcen bereitstellen, damit die Unterernährung wirklich nachhaltig angegangen werden kann.

Die EU will ein Höchstmaß an Komplementarität gewährleisten und für eine optimale Abfolge von humanitären und entwicklungspolitischen Maßnahmen sorgen. Das Engagement der EU für die Stärkung der Resilienz eröffnet auch neue Chancen für die Ernährung: Die Akteure der humanitären Hilfe und der Entwicklungshilfe werden sich gemeinsam ein Bild von der Ernährungssituation machen (durch gemeinsame Analysen und operative Bewertungen). Auf dieser Grundlage werden anschließend gemeinsame strategische Prioritäten für die Programmierung der humanitären Hilfe und der Entwicklungshilfe festgelegt. Die EU-Hilfe zur Bekämpfung von Unterernährung in humanitären Krisensituationen unterliegt weiterhin den humanitären Grundsätzen Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit und folgt einem klar bedarfsorientierten Ansatz.

Die Maßnahmen der EU sollten sich auf verschiedene Sektoren erstrecken, damit die unterschiedlichen Faktoren für Unterernährung erfasst werden. Bei diesem Ansatz wird berücksichtigt, dass ernährungsspezifische Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die Unterernährung nachhaltig zu reduzieren. Maßnahmen in den Bereichen ländliche Entwicklung[21], nachhaltige Landwirtschaft, Ernährungssicherheit, öffentliche Gesundheit, Wasser- und Sanitärversorgung, Sozialschutz und Bildung werden besonders relevant sein.

Die ernährungsbezogenen Entwicklungsmaßnahmen werden vorrangig auf die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen für ein optimales Wachstum im „entscheidenden Zeitfenster“ der ersten „1 000 Tage“ zwischen Schwangerschaftsbeginn und Vollendung des zweiten Lebensjahrs abzielen. Die EU sollte sich darum bemühen, etwaige ungewollte negative Auswirkungen ihrer Hilfe auf die Ernährung zu verhindern oder auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dies gilt beispielsweise für die Sicherheit von Innovationen und den Einsatz von Spezialnahrung. Außerdem sind Kontrollen wichtig, um Risiken wie eine Zunahme von Krankheiten, die durch Nahrungsmittel oder Wasser übertragen werden, oder einen Anstieg der Arbeitsbelastung von Frauen zulasten der Kinderbetreuung zu reduzieren. Darüber hinaus wird die EU für die Kohärenz und Konsistenz ihrer Politik in den verschiedenen für die Ernährungssicherheit relevanten Bereichen sorgen, wie Handel, Klimawandel, Gesundheit, Umwelt, Beschäftigung usw.

Die EU wird ihre Zusammenarbeit mit institutionellen Akteuren, d. h. den Partnerländern, EU-Mitgliedstaaten und anderen bilateralen Gebern, internationalen Organisationen und globalen Netzen (wie „Scaling Up Nutrition“ (SUN), humanitäres Cluster-System) intensivieren. Darüber hinaus sollte die EU ihre Partnerschaften mit nichtinstitutionellen Akteuren ausbauen und stärken. Soweit möglich und sinnvoll sollte die EU für eine maximale Nachhaltigkeit der Maßnahmen sorgen, indem sie sich dafür einsetzt, dass diese in nationale politische Rahmenkonzepte und Pläne Eingang finden.

Die EU sollte ihre Partnerschaften mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, gemeinnützigen Organisationen und Forschungseinrichtungen ausbauen. Dabei sollte sie sich deren Fachwissen zunutze machen, zur Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Teilhabe/Mobilisierung der Bürger und eine gute Regierungsführung beitragen und gegebenenfalls die Umsetzungskapazitäten dieser Partner stärken.

Die EU sollte sich zudem um eine weitergehende Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft bemühen. So soll es Unternehmen erleichtert werden, sich für die Bekämpfung der Unterernährung zu engagieren, damit ihre komparative Vorteile und ihr Fachwissen (z. B. in den Bereichen Kontrolle der Produktsicherheit, Nahrungsanreicherung, Zertifizierung, Kommunikationstechnologien und Bewusstseinsbildung durch Sozialmarketing) genutzt werden können. Auf diese Weise wird die EU ein verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, die Übernahme von sozialer Verantwortung durch Unternehmen, eine vernünftige Politik und ein entsprechendes Regelungsumfeld sowie die Vermeidung von Interessenkonflikten und ungerechtfertigten Vorteilen fördern.

Ziele

Die in dieser Mitteilung umrissene Politik zielt auf die Verbesserung der Ernährung von Mutter und Kind, um die Mortalität und Morbidität sowie Wachstums- und Entwicklungsstörungen aufgrund von Unterernährung zu reduzieren. Die spezifischen Ziele sind auf zwei Ebenen angesiedelt:

· Verringerung der Zahl der unter Wachstumsstörungen aufgrund chronischer Unterernährung (Stunting) leidenden Kinder unter fünf Jahren.

· Verringerung der Zahl der unter akutem Untergewicht (Wasting) leidenden Kinder unter fünf Jahren.

Das erste Ziel entspricht dem 2012 von der Weltgesundheitsversammlung (WHA) vereinbarten ersten globalen Ziel, die Gesamtzahl der unter Stunting leidenden Kinder unter fünf Jahren bis zum Jahr 2025 um 40 % zu verringern[22]. Dies entspräche einem Rückgang der Zahl der von Stunting betroffenen Kinder bis 2025 um über 70 Millionen. Bei Fortsetzung der aktuellen Trends würde diese Zahl jedoch nur um etwa 40 Millionen sinken und damit weit hinter dem WHA-Ziel zurückbleiben. Weltweit ist beim Stunting derzeit ein Rückgang um durchschnittlich 1,8 % pro Jahr zu verzeichnen. Soll das WHA-Ziel erreicht werden, muss dieser Prozentsatz auf 3,9 % angehoben werden. Daher müssen die kollektiven Anstrengungen erheblich verstärkt werden, wenn es gelingen soll, die aktuelle Rückgangsquote zu verdoppeln. Die Kommission hat sich daher verpflichtet, die Partnerländer dabei zu unterstützen, die Zahl der unter Stunting leidenden Kinder unter fünf Jahren bis 2025 um mindestens 7 Millionen, d. h. um mehr, als nach den aktuellen Trends zu erwarten wäre, zu senken.

Dass die Reduzierung des Stunting zu einem spezifischen Ziel erklärt wird, zeigt die Entschlossenheit der EU, gegen dieses wesentliche Hindernis für die menschliche und wirtschaftliche Entwicklung vorzugehen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die EU auch Unterstützung bei der Bekämpfung anderer Formen von Fehlernährung leisten kann, die die öffentliche Gesundheit beeinträchtigen und gegen die die Partnerregierungen vorrangig vorgehen wollen.

Das zweite Ziel ist ebenfalls an ein globales WHA-Ziel angeglichen. Die Kommission wird im Rahmen ihrer Gesamtstrategie zum globalen Ziel der WHA von 2012 beitragen, den Anteil der unter Wasting leidenden Kinder auf unter 5 % zu verringern und zu halten[23]. Wenn in humanitären Krisen die Sterberate oder das Auftreten von Wasting die kritischen Werte[24] überschreiten, sollte die EU tätig werden, um die durch Unterernährung verursachte Sterblichkeit zu reduzieren.

3.           Strategische Prioritäten

Unter Berücksichtigung des Kontexts, der damit verbundenen Herausforderungen und der genannten Grundsätze hat die Kommission im Einklang mit den obigen Erkenntnissen drei strategische Prioritäten für ihre Maßnahmen im Bereich Ernährung von Mutter und Kind ermittelt.

Strategische Priorität Nr. 1: Stärkere Mobilisierung und mehr politisches Engagement für Ernährung

Auf Länderebene sollen der politische Dialog und Advocacy-Arbeit zur Mobilisierung und zu politischem Engagement beitragen. Für die Bekämpfung der Unterernährung ist entscheidend, dass die betreffenden Länder eine führende Rolle und Eigenverantwortung übernehmen. Die EU sollte in enger Zusammenarbeit mit der SUN-Bewegung die SUN-Mitglieder, auch die Partnerländer, dazu anhalten, konkrete gegenseitige Verpflichtungen zur Verringerung der Unterernährung bei Müttern und Kindern einzugehen. Die Kommission und einige Mitgliedstaaten haben bereits in einer Reihe von Ländern SUN-Gebertreffen veranstaltet, um die Anstrengungen dieser Länder zu unterstützen, um Ressourcen zu mobilisieren und um für eine größere Kohärenz zwischen den Maßnahmen der Geber und zwischen denjenigen der internationalen Gemeinschaft insgesamt zu sorgen.

Auf internationaler Ebene sollte sich die EU um eine stärkere Harmonisierung, mehr Kohärenz und ein wirksameres Vorgehen der internationalen Gemeinschaft bemühen. Sie sollte sich an einschlägigen Prozessen beteiligen, insbesondere im Rahmen der G8/G20, der WHA, des Ausschusses für Welternährungssicherheit, der SUN-Bewegung, des UNSCN (Ständiger Ausschuss der Vereinten Nationen für Ernährung), des Ernährungshilfe-Ausschusses und des humanitären Cluster-Systems. Unter anderem sollte die EU zu einer besseren Koordinierung von Ernährungsfragen zwischen den verschiedenen Bereichen und mit den internationalen Akteuren beitragen, die an ernährungsbezogenen Maßnahmen in humanitären Krisen beteiligt sind, insbesondere in denjenigen internationalen Organisationen, in denen sie aufgrund ihrer Finanzbeiträge großes Gewicht hat. Außerdem sollte die EU die SUN-Bewegung dabei unterstützen, weitere betroffene Länder für die Teilnahme zu gewinnen, ein hohes Maß an politischem Engagement und Führung aufrechtzuerhalten und zur Koordinierung der internationalen Bemühungen beizutragen. Sie wird sich mit den EU-Mitgliedstaaten abstimmen, um ein wirksameres Vorgehen, eine stärkere sektorübergreifende Mobilisierung und eine breite Beteiligung an den internationalen Anstrengungen zu fördern. Sie wird sich dafür einsetzen, dass dem Thema Ernährung auf der Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015 ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Die Kommission erkennt die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft an, die diese im Hinblick auf die Gewährleistung des politischen Engagements dieser Länder spielen kann.

Um die Politikgestaltung im Ernährungsbereich sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu verbessern, wird sich die EU ihre Rolle in der SUN-Bewegung und insbesondere den Einfluss der „Lead Group“, des SUN-Lenkungsgremiums, zunutze machen. Dieser Gruppe gehören Staatschefs, Leiter von Entwicklungseinrichtungen einschließlich des EU-Entwicklungskommissars, Leiter von UN-Einrichtungen sowie führende Vertreter der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft an.

Strategische Priorität Nr. 2: Verstärkung der Maßnahmen auf Länderebene

Eine Verstärkung der Maßnahmen auf Länderebene setzt eine bessere Nutzung der vorhandenen Ressourcen und zusätzliche finanzielle Mittel voraus, damit hinsichtlich der Ernährung bessere Ergebnisse erzielt werden können. Die EU sollte ihren finanziellen Beitrag zu Ernährungsmaßnahmen erhöhen und die Ausarbeitung von Programmen fördern, die dem Ernährungsaspekt zuträglich sind. Sie sollte sich gegenüber anderen Regierungen aktiv für diese Strategie einsetzen.

Im Entwicklungskontext richtet die EU ihre Außenhilfe an den Prioritäten und der Politik der Partnerländer aus, um sie bei der Umsetzung ihrer nationalen Pläne zu unterstützen.

a)         Stärkung der personellen und institutionellen/systemeigenen Kapazitäten

Die EU sollte die Entwicklung von nationalen Rahmenvorgaben fördern, die auf eine bessere Ernährung von Mutter und Kind abzielen (d. h. einschließlich Ernährungszielen, Sollvorgaben, Indikatoren und Haushaltsmitteln). Sie wird Folgendes unterstützen:

· die Entwicklung von regierungseigenen Strategien und Aktionsplänen (einschließlich Kostenkalkulation)[25] für Ernährung,

· Mechanismen zur Verbesserung der Koordinierung zwischen Sektoren und zwischen humanitären und entwicklungspolitischen Akteuren, um den Informationsaustausch, den Dialog, die gemeinsame Planung, die Zusammenarbeit und die Aufgabenteilung zu erleichtern,

· die Entwicklung von strategischen und Managementkapazitäten in den einschlägigen Gremien (z. B. Ministerien und Koordinierungsstrukturen für humanitäre Hilfe),

· den Aufbau ernährungsspezifischer Fachkapazitäten bei humanitären und entwicklungspolitischen Akteuren in den Bereichen ländliche Entwicklung, nachhaltige Landwirtschaft, Ernährungssicherheit, öffentliche Gesundheit, Wasser- und Sanitärversorgung, Sozialschutz und Bildung.

b)         Verstärkte Durchführung von Maßnahmen, die speziell auf die Ernährungsproblematik im humanitären und im Entwicklungskontext zugeschnitten sind

Die EU sollte mehr in nachweislich wirksame Maßnahmen für alle stark von Unterernährung betroffenen Länder investieren. Derartige Maßnahmen werden häufig in drei Kategorien eingeteilt: 1) auf Verhaltensänderungen abzielende Kommunikationsmaßnahmen (z. B. Förderung des Stillens und einer angemessenen Beikost), 2) Bereitstellung von Mikronährstoffen und Entwurmungsmaßnahmen (z. B. Eisenergänzung oder ‑anreicherung) und 3) Bereitstellung von Ergänzungs-/Zusatznahrung und therapeutische Ernährungsmaßnahmen. Letzteres kommt vor allem dort zum Tragen, wo Wasting ein Problem für die öffentliche Gesundheit darstellt (etwa in humanitären Krisen). Die Kategorien und Listen ernährungsspezifischer Maßnahmen, deren Nutzen hinreichend belegt ist, um sie in großem Umfang in Ländern mit hoher Unterernährung durchzuführen, wird aktualisiert, sobald neue Erkenntnisse vorliegen. Darüber hinaus sollte die EU Maßnahmen unterstützen, die sich in bestimmten Situationen als wirksam bewährt haben. Dies betrifft eine Reihe von Maßnahmen, die für einen spezifischen Kontext konzipiert wurden, etwa zur Diversifizierung der Ernährung durch besseren Zugang der Haushalte zu nährstoffreichen Nahrungsmitteln oder durch Bereitstellung von Bargeld zur Verbesserung der Ernährung von Mutter und Kind.

Die Verhütung und Bekämpfung der Unterernährung von Frauen im gebärfähigen Alter ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verringerung der Unterernährung von Mutter und Kind.

c)         Verstärkung ernährungsrelevanter Maßnahmen im humanitären und entwicklungspolitischen Kontext

· Mit diesen Maßnahmen werden grundsätzlich die tiefer liegenden und grundlegenden Ursachen der Unterernährung angegangen (z. B. ein Wasser- und Sanitärprogramm zur Verbesserung der Hygienebedingungen und zur Verringerung der Arbeitsbelastung der Frauen durch Erleichterung des Zugangs zu Wasser, ein Ernährungssicherungsprogramm, das speziell der Diversifizierung der Nahrungsaufnahme dient, oder die Förderung einer kostenlosen Gesundheitsversorgung für Personen, die in einer humanitären Krise von akutem Gewichtsverlust bedroht sind). Voraussetzung hierfür ist, dass Ernährungsbelange in verschiedenen Sektorkonzepten berücksichtigt werden, so dass in der Praxis bessere Ergebnisse bei der Ernährung erzielt werden. Dies kann folgendermaßen erreicht werden:

· systematische Berücksichtigung des Ernährungsaspekts bei der Situationsanalyse und der Entscheidung über Sektorstrategien, Maßnahmen und Zielvorgaben. In vielen Sektoren besteht Potenzial für Beiträge zur Ernährung, ob diese nun gezielt herbeigeführt werden oder sich als Nebeneffekt ergeben. Die relevantesten Sektoren sind vermutlich: Ernährungssicherheit (einschließlich kleinbäuerlicher Landwirtschaft, Maßnahmen zur Verbesserung der ländlichen Existenzgrundlagen und Sozialtransfers), Gesundheit, Sozialschutz, Wasser- und Sanitärversorgung und Bildung,

· Einbeziehung ernährungsrelevanter Indikatoren in den Monitoring-Rahmen,

· Durchführung von Maßnahmen, die auf die Stärkung der Wirtschaftskraft der Haushalte und Frauen unter Erhalt ihrer Kapazitäten zur Betreuung kleiner Kinder abzielen.

Strategische Priorität Nr. 3: Ernährungsspezifisches Wissen (Verbesserung des Fachwissens und der Wissensbasis)

Diese strategische Priorität hat zwei Dimensionen: Verbesserung der Informationsgrundlage für die Entscheidungsfindung und Bereitstellung von Fachwissen/technischer Hilfe.

a)         Informationen für die Entscheidungsfindung

Die EU erkennt die maßgebliche Bedeutung relevanter, verlässlicher Informationen für eine fundierte Entscheidungsfindung an. Daher wird sie in angewandte Forschung investieren und Informationssysteme unterstützen.

· Angewandte Forschung

Die EU sollte in Forschung investieren, um die auf Fakten basierenden Erkenntnisse über Effizienz und Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen in unterschiedlichen Kontexten zu vertiefen. Dies dürfte eine sachlich fundiertere Politikgestaltung und Konzipierung der Maßnahmen ermöglichen und die Handlungsoptionen in den verschiedenen Schlüsselsektoren (z. B. Gesundheit, Wasser- und Sanitärversorgung, nachhaltige Landwirtschaft, Ernährungssicherheit) erweitern.

Auch wenn theoretisch viel für die positiven ernährungsphysiologischen Auswirkungen von Ernährungssicherungsprogrammen spricht, ist dies empirisch kaum belegt und die Faktenbasis muss dringend erweitert werden. Die EU hat als einer der weltweit größten Geber in den Bereichen Ernährungssicherung und humanitäre Ernährungshilfe eindeutig einen erheblichen komparativen Vorteil und zudem die Verantwortung, diese Erkenntnislücke zu schließen. Sie wird Forschungstätigkeiten unterstützen, mit denen die Faktenbasis verbessert werden soll, indem die Leistungen verschiedener Ernährungssicherungs- und Ernährungshilfestrategien in den Bereichen miteinander verglichen werden.

Im Falle von Maßnahmen, für die gesicherte (allgemeine oder kontextspezifische) Erkenntnisse vorliegen, sollte die EU Forschungstätigkeiten unterstützen, die der Ermittlung praktikabler Umsetzungsmechanismen dienen, damit von kleinen zu landesweiten Maßnahmen übergegangen werden kann.

· Informationssysteme

Die EU sollte insbesondere in krisengefährdeten Ländern Informationssysteme unterstützen, um:

– die Qualität und Relevanz der Informationsgrundlage für die Entscheidungsfindung zu verbessern,

– die Verbreitung und Nutzung der Informationen für die Entscheidungsfindung zu erleichtern,

– die Institutionalisierung und Nachhaltigkeit dieser Systeme zu fördern,

– die Koordinierung der verschiedenen Initiativen und Systeme zu verbessern, die Ernährungsdaten und/oder ernährungsrelevante Informationen liefern.

b)         Fachwissen und Unterstützung beim Kapazitätsaufbau

Neben finanziellen Ressourcen wird die Kommission auch Fachwissen und technische Hilfe für die Umsetzung der vorliegenden Mitteilung im Rahmen ernährungsspezifischer Aktionspläne und Strategien der einzelnen Länder bereitstellen. Dies richtet sich an die Delegationen der EU, gegebenenfalls an die ECHO-Büros und wenn machbar an die entsprechenden Regierungsstellen und Partner.

4.           Rechenschaftslegung

Die Kommission wird die Verwendung der von ihr investierten Finanzmittel verfolgen und die Ergebnisse sowohl der ernährungsspezifischen als auch der ernährungsrelevanten Maßnahmen überwachen. Auf diese Weise können nicht nur die Wirksamkeit des Ressourceneinsatzes, sondern auch die Trends (wie viel wo und wofür ausgegeben wird) analysiert werden.

Die Kommission will mit ihrer Berichterstattung den europäischen Bürgern, den Partnerländern, den EU-Mitgliedstaaten, den Partnerorganisationen und den Empfängern gegenüber umfassend Rechenschaft ablegen.

a)         Monitoring/Messung der Ergebnisse

Die Kommission wird ein System zur Bewertung der ernährungsrelevanten Ergebnisse ihrer Maßnahmen entwickeln, wobei der Schwerpunkt auf der Verringerung des Stunting liegt. Dies stellt eine grundsätzliche Abkehr von der bloßen Messung von Inputs und Outputs dar. Die Kommission hat sich selbst das Ziel gesteckt, objektiv zu bewerten, in welchem Umfang ihre Anstrengungen zu der angestrebten Verringerung des Stunting beitragen. Sie wird sich um Aufbau eines gemeinsamen Monitoringsystems der Entwicklungspartner und Länder für den Ernährungsbereich bemühen. Die Kommission wird auch weiterhin über die Ergebnisse ihrer Maßnahmen zur Bekämpfung der Unterernährung in humanitären Krisen berichten.

b)         Verfolgung der Mittelverwendung

Die EU sollte ihr System zur Verfolgung der in den Ernährungsbereich investierten Mittel ausbauen, um präzisere Daten über die relativen Ausgaben für ernährungsspezifische bzw. ernährungsrelevante Maßnahmen zu erhalten. Eine bessere Mittelverfolgung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine systematischere Rechenschaftslegung im Ernährungsbereich. Ferner wird die EU dazu beitragen, dass unter der Federführung der SUN-Bewegung ein gemeinsames System der Entwicklungspartner und Länder zur Verfolgung der Mittelflüsse entsteht. Außerdem wird geprüft werden, ob zusätzlich zum System der OECD/DAC-Codes ein „Ernährungsmarker“-System zum Einsatz kommen soll. Dadurch dürfte für eine präzisere Berichterstattung und für mehr Kohärenz zwischen den Gebern gesorgt werden, so dass es möglich wird, fundiertere Erkenntnisse über die ernährungsbezogenen Mittelflüsse insgesamt zu erlangen und die Rechenschaftslegung auf allen Ebenen zu stärken. Ein weiterer Beitrag zur Genauigkeit dürfte die Anwendung von Kriterien sein, die an den Zielen und erwarteten Ergebnissen der einzelnen Maßnahmen ausgerichtet sind. Die Informationen sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und überprüft werden, damit im Falle von Fehlentwicklungen oder Lücken entsprechend Abhilfe geschaffen werden kann.

5.           Ausblick – Zusammenfassung des weiteren Vorgehens der EU

Mit ihrem ausdrücklichen Engagement für die Ernährung von Mutter und Kind übernimmt die EU eine Führungsrolle im Kampf gegen den Hunger und die Ernährungsunsicherheit in der Welt. Diese Mitteilung zeigt auf, wie im Ernährungsbereich bessere Ergebnisse erzielt werden können:

1.           Die EU sollte die Länder bei ihren Anstrengungen im Kampf gegen die Unterernährung und ihrer verheerendsten Auswirkungen – Stunting und Wasting – unterstützen. Das Ernährungsproblem anzugehen, ist in erster Linie Aufgabe der Partnerländer. Diese werden ermutigt, Strategien und Aktionspläne einschließlich Kostenkalkulation zu erstellen und hierfür auch selbst Mittel bereitzustellen. Gemäß den Grundsätzen für die Wirksamkeit der Hilfe sollte die EU-Entwicklungshilfe auf die Politik und die Prioritäten der Partner ausgerichtet sein. Außerdem wird die EU die Kohärenz ihrer politischen Maßnahmen sicherstellen, die mit Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit verbunden sind.

2.           Die ersten 1 000 Tage eines Menschenlebens werden für die Verhütung von Unterernährung und ihrer Folgen als entscheidend angesehen. Die EU sollte daher zur Verbesserung der Ernährung von Mutter und Kind beitragen. Außerdem sollten Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter eine vorrangige Zielgruppe sein.

3.           Die humanitären Maßnahmen in Krisensituationen werden sich auf die am stärksten gefährdeten Personen konzentrieren, die unter akuter Unterernährung leiden oder leiden könnten. In solchen Situationen sollte die EU im Hinblick auf die Stärkung der Resilienz auch das Problem der chronischen Unterernährung angehen.

4.           Mehr Investitionen in die Ernährung sind erforderlich, um diesbezüglich bessere Ergebnisse zu erzielen, ob im Entwicklungs- oder im humanitären Kontext. Die Kommission wird für derartige Investitionen Rahmenvorgaben für die Rechnungslegung entwickeln. Sie wird Instrumente zur gemeinsamen Nutzung entwickeln, um die Verwendung der in den Ernährungsbereich investierten Mittel zu verfolgen, ebenso wie eine Methode zur Messung der Wirkung und der Ergebnisse von Anstrengungen zur Bekämpfung der Unterernährung. Die Kommission hat sich verpflichtet, die Partnerländer bei der Verringerung der Zahl der unter Stunting leidenden Kinder unter fünf Jahren bis 2025 um mindestens 7 Millionen zu unterstützen und einen Rahmen für die Rechenschaftslegung zu entwickeln, der die Messung und Verfolgung der Fortschritte ermöglicht.

5.           Das Ernährungsproblem muss im Rahmen eines sektorübergreifenden Konzepts angegangen werden. Die EU sollte daher eine Herangehensweise fördern, die der Notwendigkeit Rechnung trägt, die Politik in den Bereichen ländliche Entwicklung, nachhaltige Landwirtschaft, öffentliche Gesundheit, Wasser- und Sanitärversorgung, Sozialschutz und Bildung so anzugleichen, dass sie zur Erhöhung der Ernährungssicherheit und zur effektiven Verbesserung des Ernährungszustands von Frauen und Kindern beiträgt. Die Ernährungslage in den Ländern wird systematisch überprüft werden, damit die EU sicherstellen kann, dass Ernährungsbelange in den einschlägigen Sektorkonzepten berücksichtigt werden, und bei der Durchführung sowohl der humanitären als auch der Entwicklungshilfe verstärkt auf bessere Ergebnisse im Ernährungsbereich geachtet wird.

6.           Die Inangriffnahme des Ernährungsproblems erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der humanitären Hilfe und der Entwicklungshilfe. Die EU setzt sich für die Intensivierung dieser Zusammenarbeit ein, z. B. durch gemeinsame Vulnerabilitätsanalysen und eine gemeinsame operative Planung, wenn es um die Stärkung der Resilienz stark gefährdeter Bevölkerungsgruppen geht.

7.           Die EU sollte in Forschung investieren, um die Erkenntnisse über Effizienz und Wirksamkeit der verschiedenen ernährungsbezogenen Maßnahmen auf eine fundiertere Grundlage zu stellen. Sie wird darüber hinaus Informationssysteme und den Aufbau von Fachwissen und Kapazitäten für Ernährungsfragen fördern.

8.           Das Engagement von Unternehmen ist für die Bekämpfung der Unterernährung ein wesentliches Element. Die EU sollte sich für eine Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft einsetzen, durch die ein verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln gefördert wird.

9.           Die EU sollte dem Thema Ernährung in internationalen Gremien wie der G8/G20, der WHA oder dem Ausschuss für Welternährungssicherheit mehr Gewicht verleihen und sich weiterhin an Schlüsselinitiativen wie der SUN-Bewegung, dem UNSCN, dem Ernährungshilfe-Ausschuss, der Initiative „Zero Hunger Challenge“, der Internationalen Ernährungskonferenz (ICN2) und dem humanitären Cluster-System beteiligen. Ferner sollte die EU darauf hinwirken, dass der Ernährung in der Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015 ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Sie wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass in dieser Frage auf internationaler Ebene ein gezielterer und systematischerer Ansatz verfolgt wird.

10.         Die SUN-Bewegung hat dazu beigetragen, die Ernährungsproblematik ins Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft zu rufen. Die Kommission wird auch künftig die Arbeit dieser Bewegung und deren Anstrengungen zur Verringerung der Unterernährung in den einzelnen Ländern unterstützen. Sie wird weitere betroffene Länder und Geberländer ermuntern, sich der Bewegung anzuschließen.

Diese Mitteilung wird durch ein Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen über Unterernährung in Notsituationen ergänzt, in dem die Grundsätze der humanitären Hilfe bei Ernährungsproblemen sowie die bewährte Praxis beschrieben werden.

Das Europäische Parlament und der Rat werden ersucht, sich zu der von der Kommission vorgeschlagenen Vorgehensweise zu äußern.

Anhang 1: Glossar

Ernährungssicherheit ist gegeben, wenn alle Menschen jederzeit physischen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichender, unbedenklicher und nährstoffreicher Nahrung haben, die ihren Ernährungsbedürfnissen und ‑präferenzen im Hinblick auf ein aktives und gesundes Leben gerecht wird.

Humanitäre Krise bezeichnet ein Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen, die eine kritische Bedrohung der Gesundheit, der Sicherheit oder des Wohlergehens einer Gemeinschaft oder eines anderen großen Bevölkerungsgruppe darstellen. Humanitäre Krisen können natürliche oder anthropogene Ursachen haben, rasch oder allmählich entstehen und von kurzer oder langer Dauer sein.

Fehlernährung bezeichnet einen physischen Zustand im Zusammenhang mit der Nährstoffverwertung. Es gibt zwei Formen der Fehlernährung: Unterernährung und Überernährung.

Mikronährstoffmangel ist eine Form der Unterernährung, bei der Vitamine und Mineralien fehlen. Ein Mangel an Eisen, Jod, Vitamin A und Zink gehört zu den zehn häufigsten krankheitsbedingten Todesursachen in den Entwicklungsländern.

Ernährung bezeichnet die Art und Weise, in der Nährstoffe und andere in Nahrung enthaltene Substanzen sich allein oder in Kombination auf die Gesundheit auswirken.

Unterernährung bedeutet i) Wachstumsverzögerungen im Mutterleib und infolgedessen geringes Geburtsgewicht, ii) Stunting, iii) Wasting und Hungerödeme, iv) Mangel an wichtigen Mikronährstoffen.

Untergewicht haben Kinder, deren Gewicht im Verhältnis zu ihrer Körpergröße zu gering ist (Wasting) oder die für ihr Alter zu klein sind (Stunting).

Wasting ist ein Zustand infolge eines kürzlich eingetretenen akuten Gewichtsverlusts oder des Ausbleibens einer Gewichtszunahme während eines kurzen Zeitraums. Kriterium ist ein zu geringes Körpergewicht im Verhältnis zur Größe.

Stunting bezeichnet einen Zustand chronischer Unterernährung, der durch eine zu geringe Körpergröße im Verhältnis zum Alter gekennzeichnet ist. Da die Größe im Verhältnis zum Alter auf einen längeren Zeitraum verweist, ist dieser Wert für die langfristige Planung und Politikgestaltung von größerem Nutzen.

[1]               KOM(2011) 637.

[2]               Dok. 9369/12.

[3]               KOM(2011) 127 und KOM(2010) 126.

[4]               Dok. 9597/10.

[5]               KOM(2012) 586.

[6]               Alliance Globale pour l’Initiative Résilience (Globale Allianz für die Resilienz-Initiative).

[7]               Supporting the Horn of Africa’s Resilience (Unterstützung der Resilienz am Horn von Afrika).

[8]               SEC(2010) 265.

[9]               Black R. E. et al., Maternal and child undernutrition: global and regional exposures and health consequences, The Lancet, 2008.

[10]             UNICEF, WHO, The World Bank, Levels & Trends in Child Malnutrition, 2012 (Daten aus dem Jahr 2011).

[11]             UNICEF, Levels and trends in child mortality, 2011.

[12]             UNICEF, WHO, The World Bank, Levels & Trends in Child Malnutrition, 2012 (Daten aus dem Jahr 2011).

[13]             Ebenda.

[14]             De Benoist B. et al., Worldwide Prevalence of Anemia 1993-2005: WHO Global Database on Anaemia, WHO and Centers for Disease Control and Prevention, 2008.

[15]             Ebenda.

[16]             WHO, WFP, UNICEF, Preventing and controlling micronutrient deficiencies in populations affected by an emergency - Multiple vitamin and mineral supplements for pregnant and lactating women, and for children aged 6 to 59 months, 2007.

[17]             Black R. E. et al., Maternal and child undernutrition: global and regional exposures and health consequences, The Lancet, 2008.

[18]             S Grantham-McGregor et al., Development potential in the first 5 years for children in developing countries, The Lancet, 2007.

[19]             World Bank, Repositioning Nutrition as Central to Development - A Strategy for Large-Scale Action, 2006.

[20]             Einschließlich der Sensibilisierung von Frauen für diesbezügliche Fragen und gegebenenfalls des Themas reproduktive Gesundheit.

[21]             Die Lösung könnte zum Teil in einer sich stark auf die lokalen Gemeinschaften stützenden Politik für den ländlichen Raum mit sektorübergreifender Ausrichtung bestehen.

[22]             WHO, fünfundsechzigste Tagung der Weltgesundheitsversammlung, A65/11, 2012.

[23]             WHO, fünfundsechzigste Tagung der Weltgesundheitsversammlung, A65/11, 2012.

[24]             Sterberate bei Kindern unter 5 Jahren >2/10 000 am Tag; GAM (globale akute Mangelernährung) >15% bzw. GAM >10% bei Vorliegen erschwerender Faktoren (Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen „Undernutrition in Emergencies“).

[25]             Einschließlich der eigenen Investitionen des betreffenden Landes.