21.11.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 341/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einführung des interoperablen EU-weiten eCall-Dienstes

COM(2013) 315 final — 2013/0166 (COD)

und Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Anforderungen für die Typgenehmigung zur Einführung des bordeigenen eCall-Systems in Fahrzeuge und zur Änderung von Richtlinie 2007/46/EG

COM(2013) 316 final — 2013/0165 (COD)

2013/C 341/11

Hauptberichterstatter: Thomas McDONOGH

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 1. Juli bzw. 5. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 91 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einführung des interoperablen EU-weiten eCall-Dienstes

COM(2013) 315 final — 2013/0166 (COD).

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 27. Juni bzw. 1. Juli 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Anforderungen für die Typgenehmigung zur Einführung des bordeigenen eCall-Systems in Fahrzeuge und zur Änderung von Richtlinie 2007/46/EG

COM(2013) 316 final — 2013/0165 (COD).

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 492. Plenartagung am 18./19. September 2013 (Sitzung vom 19. September), Thomas McDONOGH zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 141 Stimmen bei 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass im Jahr 2012 im Straßenverkehr der EU 28 000 Menschen starben und 1,5 Millionen verletzt wurden. Er erachtet die Verringerung der Zahl der Straßenverkehrsopfer ein außerordentlich wichtiges gesellschaftliches Anliegen und befürwortet das ehrgeizige Vorhaben der Kommission, ihre Zahl im Zeitraum 2011-2020 im Vergleich zu 2010 um die Hälfte zu senken.

1.2

Der Ausschuss begrüßt die von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschläge für einen Beschluss und eine Verordnung über die Einführung des eCall-Dienstes: Ab Oktober 2015 sollen demzufolge alle neuen Modelle von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit dem 112-eCall-System ausgerüstet und die erforderliche Infrastruktur für reibungslosen Empfang und Abwicklung von eCall-Notrufen in Notrufzentralen (Public Safety Answering Point – PSAP) geschaffen werden, um für den eCall-Dienst eine EU-weite Kompatibilität, Interoperabilität und Kontinuität zu erreichen.

1.3

Der Ausschuss stimmt den Schlussfolgerungen aus der eCall-Folgenabschätzung zu, der zufolge die EU-Bürger nur durch die verpflichtende Einführung des eCall-Dienstes in den Genuss der damit verbundenen Vorteile kommen können. Er hatte schon in mehreren Stellungnahmen die Meinung vertreten, dass ein auf Freiwilligkeit beruhender Ansatz keine Aussicht auf Erfolg hätte.

1.4

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die Vorschläge sich nur auf neue, ab dem 1. Oktober 2015 zum ersten Mal zugelassene Fahrzeugtypen beziehen, während die derzeit angebotenen Modelle nach diesem Datum weiterhin ohne eCall-Ausstattung gebaut und verkauft werden können. Er ruft die Fahrzeughersteller dazu auf, auch aktuelle Fahrzeugmodelle, die nach Oktober 2015 noch gefertigt werden, baldmöglichst mit der eCall-Technologie nachzurüsten, selbst wenn ihnen dadurch möglicherweise Kosten entstehen.

1.5

Der Ausschuss stellt fest, dass die Ausstattung von Motorrädern und anderen motorisierten Zweirädern mit der eCall-Technologie in den Vorschlägen nicht vorgesehen ist. In Anbetracht der besonderen Unfallgefährdung von Motorradfahrern und ihren Beifahrern fordert der Ausschuss die Hersteller und Mitgliedstaaten dringend auf, das Notrufsystem eCall baldmöglichst auch auf motorisierte Zweiräder auszudehnen.

1.6

Der Ausschuss fordert die Kommission ferner erneut auf, möglichst rasch Vorschläge zur gezielten Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit motorisierter Zweiräder vorzulegen.

1.7

Der Ausschuss ist beeindruckt von dem Erfolg der in einigen Mitgliedstaaten eingerichteten Behörden für Straßenverkehrssicherheit, die für einen Überblick über die Umsetzung der nationalen Pläne für Straßenverkehrssicherheit sorgen, Empfehlungen für das Verkehrssicherheitsmanagement aussprechen und gute Praktiken im Bereich der Straßenverkehrssicherheit fördern. Der Ausschuss plädiert für die Schaffung einer europäischen Agentur für Straßenverkehrssicherheit, die die Harmonisierung und Umsetzung von Verkehrssicherheit in der gesamten EU fördern und die Einführung des eCall-Notrufsystems unterstützen würde. Dieser Agentur würden von den Mitgliedstaaten bestellte Experten für Straßenverkehrssicherheit angehören.

1.8

Der Ausschuss verweist die Europäische Kommission auf seine früheren Stellungnahmen, in denen er sich zur Straßenverkehrssicherheit und zur Notwendigkeit einer verpflichtenden Einführung des eCall-Dienstes geäußert hat (1).

2.   Inhalt der Vorschläge

2.1   eCall

eCall ist ein bordeigenes Notrufsystem in Fahrzeugen, das bei einem Unfall automatisch oder manuell die europäische Notrufnummer 112 absetzt. Bei einem schweren Unfall wählt das eCall-System selbsttätig die 112 – Europas einheitliche Notrufnummer. Es übermittelt den Standort des Fahrzeugs an die Notfalldienste, auch wenn der Fahrer bewusstlos oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, einen Telefonanruf zu tätigen. 2011 forderte die Kommission in ihrer Empfehlung 2011/750/EU, dass die Mobilfunknetzbetreiber in ihren Netzen das Unfallnotrufsystem eCall unterstützen sollten.

2.2   Nur etwa 0,7 % aller Fahrzeuge in der EU haben derzeit ein privates eCall-System an Bord, und es ist kaum eine Steigerung zu verzeichnen. Diese herstellereigenen Systeme sind nicht EU-weit untereinander kompatibel und bieten keine Kontinuität.

2.3   Vorschlag für eine Verordnung

Ziel der vorgeschlagenen Verordnung ist es, eine Typgenehmigungsanforderung für die eCall-Technologie einzuführen und ihren Einbau in neue Modelle von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen ab Oktober 2015 vorzuschreiben. Es werden die Pflichten der Hersteller und der Mitgliedstaaten, die Anforderungen der eCall-Anwender hinsichtlich Privatsphäre und Datenschutz, die betroffenen Fahrzeuge und der Termin, ab dem die Verordnung gilt, festgelegt.

2.4   Vorschlag für einen Beschluss

Durch diesen Vorschlag für einen Beschluss soll gewährleistet werden, dass alle Notrufabfragestellen (PSAP) ausgerüstet sind, um eCall-Notrufe zu bearbeiten, die bei einem Unfall automatisch oder manuell abgesetzt werden. Die Kommission will sicherstellen, dass eCalls bis zum 1. Oktober 2015 in der gesamten EU auf die gleiche Weise generiert, übertragen und bearbeitet werden.

2.5   Bestimmungen der Verordnung

In der vorgeschlagenen Verordnung sind u.a. folgende rechtlichen Anforderungen vorgesehen:

2.5.1

Die Hersteller von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen müssen gewährleisten, dass ihre neuen Fahrzeugtypen ab Oktober 2015 mit den Anforderungen entsprechenden eCall-Systemen ausgerüstet sind und so eine Typgenehmigung erhalten.

2.5.2

Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass unter die vorgeschlagene Verordnung fallende neue Fahrzeugtypen ab 1. Oktober 2015 eine EG-Typgenehmigung für vollständige Fahrzeuge (European Community Whole Vehicle Type Approval – ECWVTA) erhalten.

2.5.3

Die Typgenehmigungsbehörden müssen sich vergewissern, dass diese Fahrzeuge die vorgeschriebenen Normen erfüllen, bevor sie ein Typgenehmigungszertifikat ausstellen.

2.5.4

Die Hersteller müssen gewährleisten, dass die Fahrzeuge nicht aufgrund der eCall-Technologie ständig verfolgbar sind.

2.5.5

Es müssen Sicherungssysteme zur Verhinderung von Überwachung vorgesehen werden, und die Nutzer müssen darüber informiert werden, wie die vom System erfassten Daten verarbeitet werden.

2.5.6

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die technischen Anforderungen für bordeigene Systeme aufzustellen, die Anforderungen hinsichtlich der Privatsphäre der Nutzer festzulegen und nach einer Kosten-Nutzen-Analyse bestimmte Klassen von Pkw oder leichten Nutzfahrzeugen von der Einbauverpflichtung zu befreien.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass im Jahr 2012 im Straßenverkehr der EU 28 000 Menschen starben und 1,5 Millionen verletzt wurden. Wenn Notfalldienste zu einem Straßenverkehrsunfall gerufen werden, kommt es auf jede Minute an, um Leben zu retten und die Verletzungsfolgen zu mindern. Unfallopfer sind jedoch nicht immer physisch in der Lage, einen Notruf abzusetzen.

3.2

An dieser Stelle setzt die eCall-Technologie an und alarmiert sofort die Notfalldienste, auch wenn der Fahrer bewusstlos oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, einen Telefonanruf zu tätigen. Die eCall-Technologie soll ermöglichen, dass sich die Anfahrtszeit der Rettungskräfte in Städten um 40 % und in ländlichen Gebieten um 50 % verringert, dass bei flächendeckender Einführung mehrere hundert Leben pro Jahr in der EU gerettet werden und die Verletzungsschwere in zehntausenden von Fällen vermindert wird.

3.3

Mehrere Mitgliedstaaten haben nationale Behörden für Straßenverkehrssicherheit eingerichtet, die die jeweilige Verkehrssicherheitsstrategie bewerten und die Regierung beraten, welche prioritären Maßnahmen zu ergreifen sind. Eine europäische Agentur für Straßenverkehrssicherheit mit einem klaren Auftrag für alle Verkehrssicherheitsbereiche (Infrastruktur, Fahrzeuge, Verkehrsteilnehmer) in der ganzen EU könnte die Umsetzung einer harmonisierten EU-Strategie für Straßenverkehrssicherheit verbessern. Eine solche Agentur könnte spezifische Aufgaben mit Blick auf die Ermittlung, Beschreibung, Festlegung und Förderung bewährter Verfahren sowie die Verbesserung des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg haben.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der Vorschlag erstreckt sich nur auf die Typgenehmigung neuer Pkw und leichter Nutzfahrzeuge und sieht keine verpflichtende Ausstattung mit eCall-Technologie vor einer Erstzulassung vor, was bedeutet, dass aktuelle Modelle weiterhin ohne eCall-Ausstattung gebaut und verkauft werden können. Eine flächendeckende Einführung des eCall-Dienstes wird deshalb erst 2033 abgeschlossen sein. Zwar müssen mögliche finanzielle Auswirkungen und Konstruktionsprobleme für die Autoindustrie berücksichtigt werden, indes ruft der Ausschuss die Fahrzeughersteller dazu auf, auch aktuelle Neuwagenmodelle, die nach Oktober 2015 noch gefertigt werden, baldmöglichst mit der eCall-Technologie nachzurüsten.

4.2

Die Verordnung über die Typgenehmigungsanforderung für das bordeigene eCall-System gilt nicht für motorisierte Zweiräder (Motorräder usw.). Die Gefahr schwerer Verletzungen im Straßenverkehr ist bei Fahrern motorisierter Zweiräder 18 bis 20mal höher als bei Fahrern von Personenkraftwagen. Den Straßenverkehrssicherheitsbelangen dieser Hochrisiko-Fahrzeugklasse muss besondere Aufmerksamkeit gelten. Neben der Ausrüstung mit eCall-Technologie müssen möglichst rasch Vorschläge zur Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit motorisierter Zweiräder vorgelegt werden.

Brüssel, den 19. September 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  ABl. C 80 vom 30.3.2004, S. 77, ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 71, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 70, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 27 und ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 94.