6.11.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 336/7


Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zur Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Errichtung eines Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität

(Der vollständige Text dieser Stellungnahme ist in englischer, französischer und deutscher Sprache auf der Internetpräsenz des EDSB unter http://www.edps.europa.eu erhältlich)

2012/C 336/05

1.   Einleitung

1.1   Konsultation des EDSB

1.

Am 28. März 2012 nahm die Kommission eine Mitteilung mit folgendem Titel an: „Kriminalitätsbekämpfung im digitalen Zeitalter: Errichtung eines Europäischen Zentrums zur Bekämpfung von Cyberkriminalität“ (1).

2.

Der EDSB stellt fest, dass der Rat am 7.-8. Juni 2012 die Schlussfolgerungen zur Errichtung eines Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität angenommen hat (2). Der Rat billigt die Zielsetzungen der Mitteilung, unterstützt die Errichtung des Zentrums (nachfolgend auch als „EC3“ bezeichnet) innerhalb von Europol und die Nutzung bestehender Strukturen zur Zusammenarbeit mit anderen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung, bestätigt, dass das EC3 als Anlaufstelle im Kampf gegen die Cyberkriminalität dienen soll, dass das EC3 eng mit den relevanten Agenturen und Akteuren auf internationaler Ebene zusammenarbeiten soll und ruft die Kommission in Konzertation mit Europol dazu auf, den Umfang der spezifischen Aufgaben auszuarbeiten, die erforderlich sind, um dafür zu sorgen, dass das EC3 vor Ende 2013 seinen Betrieb aufnehmen wird. In den Schlussfolgerungen wird jedoch nicht auf die Bedeutung der Grundrechte und insbesondere auf den Datenschutz im Zusammenhang mit der Errichtung des EC3 verwiesen.

3.

Vor Annahme der Mitteilung der Kommission hatte der EDSB die Möglichkeit, informell zum Entwurf der Mitteilung Stellung zu nehmen. Im Rahmen dieser informellen Anmerkungen unterstrich der EDSB, dass der Datenschutz ein wesentlicher Aspekt ist, der bei der Einrichtung des Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität berücksichtigt werden muss. Leider wurden diese informellen Anmerkungen bei Ausarbeitung der Mitteilung nicht berücksichtigt. Außerdem wird in den Schlussfolgerungen des Rates gefordert, dass das Zentrum bereits im nächsten Jahr seinen Betrieb aufnehmen soll. Aus diesem Grund ist der Datenschutz bei den nächsten Schritten zu berücksichtigen, die bereits in Kürze ergriffen werden.

4.

In der vorliegenden Stellungnahme wird auf die Bedeutung des Datenschutzes bei der Errichtung des EC3 eingegangen. Sie enthält spezifische Vorschläge, die bei der Ausarbeitung des Mandats des EC3 und der legislativen Überprüfung des rechtlichen Rahmens von Europol berücksichtigt werden sollten. Aus diesem Grund nahm der EDSB gemäß Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2005 die vorliegende Stellungnahme in Eigeninitiative an.

1.2   Anwendungsbereich der Mitteilung

5.

In ihrer Mitteilung verkündete die Kommission die Absicht, ein Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität als vorrangiges Ziel der Strategie der inneren Sicherheit zu errichten (3).

6.

Die Mitteilung enthält eine nicht erschöpfende Liste der verschiedenen Deliktformen der Cyberkriminalität, mit denen das Zentrum sich vorrangig befassen sollte: von organisierten kriminellen Vereinigungen begangene Cyberstraftaten, insbesondere Straftaten mit hohen illegalen Erträgen (z. B. Online-Betrug), Cyberstraftaten mit schwerwiegenden Folgen für die Opfer (z. B. mit Hilfe des Internets begangener sexueller Missbrauch von Kindern) und Cyberstraftaten (einschließlich Cyberangriffe) gegen kritische Infrastrukturen und Informationssysteme in der Union.

7.

Was die Arbeit des Zentrums angeht, werden in der Mitteilung vier Kernaufgaben aufgeführt (4):

ihre Funktion als Europäische Anlaufstelle für Informationen über Cyberstraftaten;

ihre Funktion als Europäische Sammelstelle für cyberkriminalitätsspezifisches Fachwissen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten beim Aufbau geeigneter Kapazitäten;

die Unterstützung der von den Mitgliedstaaten durchgeführten Untersuchungen über Cyberstraftaten;

Sprachrohr aller mit Untersuchungen über Cyberstraftaten befassten Strafverfolgungs- und Justizbediensteten in der EU.

8.

Die vom EC3 verarbeiteten Daten werden aus umfangreichen öffentlichen, privaten und offenen Quellen zusammengetragen, und reichern die verfügbaren polizeilichen Daten an und betreffen Informationen über Cyberstraftaten, über die Vorgehensweisen der Täter und über verdächtige Personen. Das EC3 wird auch direkt mit anderen europäischen Agenturen und Einrichtungen zusammenarbeiten. Dies geschieht durch die Mitwirkung dieser Akteure im Programmausschuss des EC3 und durch eine je nach Bedarf erfolgende operative Zusammenarbeit.

9.

Nach Ansicht der Kommission wäre das EC3 die optimale Schnittstelle zu den von Interpol ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Cyberkriminalität und zu anderen internationalen Polizeidienststellen. Das EC3 sollte auch, gemeinsam mit Interpol und den strategischen Partnern in aller Welt an besser koordinierten Antworten für die Bekämpfung von Cyberstraftaten arbeiten.

10.

Praktisch schlägt die Kommission vor, das EC3 als Teil von Europol einzurichten. Das EC3 wird Teil von Europol  (5) sein und folglich dem Rechtsrahmen von Europol unterstellt sein (6).

11.

Nach Ansicht der Kommission (7), bestehen die wichtigsten Neuerungen der aktuellen Aktivitäten von Europol, zu denen es aufgrund des vorgeschlagenen EC3 kommen wird, in: i) mehr Ressourcen zur effizienten Einholung von Informationen aus verschiedenen Quellen ii) Informationsaustausch mit Partnern außerhalb des Strafverfolgungsbereichs (hauptsächlich aus dem privaten Sektor).

1.3   Schwerpunkt der Stellungnahme

12.

Der EDSB beabsichtigt mit dieser Stellungnahme:

die Kommission aufzufordern, den Bereich der Aktivitäten des EC3 zu klären, soweit diese für den Datenschutz relevant sind;

die vorgesehenen Aktivitäten im Kontext des aktuellen Rechtsrahmens von Europol zu bewerten, insbesondere deren Vereinbarkeit mit dem Rechtsrahmen;

die relevanten Aspekte hervorzuheben, bei denen der Gesetzgeber im Kontext der zukünftigen Revision des rechtlichen Rahmens von Europol weiter ins Detail gehen sollte, um ein höheres Datenschutzniveau sicherzustellen.

13.

Die Stellungnahme ist folgendermaßen aufgebaut: In Teil 2.1 wird ausgeführt, warum der Datenschutz ein wesentliches Element bei der Errichtung des EC3 ist. In Teil 2.2 wird auf die Vereinbarkeit der in der Mitteilung für das EC3 vorgesehenen Ziele mit dem Rechtsmandat von Europol eingegangen. Teil 2.3 befasst sich mit der Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor und internationalen Partnern.

3.   Schlussfolgerungen

50.

Der EDSB betrachtet die Bekämpfung der Cyberkriminalität als Eckstein der Gewährleistung von Sicherheit im digitalen Raum und zur Schaffung des erforderlichen Vertrauens. Der EDSB stellt fest, dass die Vereinbarkeit mit den Datenschutzbestimmungen als wesentlicher Bestandteil der Bekämpfung der Cyberkriminalität und nicht als Einschränkung ihrer Effizienz betrachtet werden sollte.

51.

In der Mitteilung wird Bezug genommen auf die Errichtung eines neuen Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität innerhalb von Europol, während bereits seit einer Reihe von Jahren ein „Europol Cyber Crime Centre“ besteht. Der EDSB würde mehr Klarheit im Hinblick auf die neuen Kapazitäten und Tätigkeiten begrüßen, die das neue EC3 von dem bestehenden „Europol Cyber Crime Centre“ unterscheiden.

52.

Der EDSB empfiehlt, dass die Kompetenzen des EC3 eindeutig definiert werden und nicht nur mittels Verweis auf das Konzept der „Computerkriminalität“, das Teil des aktuellen Rechtsrahmens von Europol ist. Auch die Definition der Kompetenzen und der Datenschutzgarantien des EC3 sollten Teil der Überarbeitung der Europol-Rechtsvorschriften sein. Bis die neuen Europol-Rechtsvorschriften anwendbar sein werden, empfiehlt der EDSB der Kommission, diese Kompetenzen und Datenschutzgarantien im Mandat des Zentrums festzulegen. Dies sollte Folgendes umfassen:

eine klare Definition der Datenverarbeitungsaufgaben (insbesondere Ermittlungen und operative Unterstützungstätigkeiten), die vom Personal des Zentrums allein oder in Zusammenarbeit mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen durchgeführt werden könnten und

klare Verfahren, die auf der einen Seite die Einhaltung der Rechte natürlicher Personen (einschließlich des Rechts auf Datenschutz) sicherstellen und auf der anderen Seite Garantien dafür vorsehen, dass die Beweismittel rechtmäßig eingeholt wurden und vor einem Gericht verwendet werden können.

53.

Der EDSB ist der Ansicht, dass der Austausch personenbezogener Daten zwischen dem EC3 und Akteuren, die über „umfangreiche, öffentliche, private und offene Quellen“ verfügen, spezifische Datenschutzrisiken aufwirft, da dies häufig zur Verarbeitung von Daten führen wird, die zu kommerziellen Zwecken zusammengetragen wurden, sowie eine internationale Datenübertragung mit sich bringt. Diese Risiken werden vom aktuellen Europol-Beschluss angegangen, der vorsieht, dass Europol generell keine Daten direkt mit dem privaten Sektor und nur unter sehr konkreten Umständen mit spezifischen internationalen Organisationen austauschen darf.

54.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Bedeutung dieser beiden Tätigkeiten für das EC3 empfiehlt der EDSB, dass in Übereinstimmung mit den bestehenden Bestimmungen der Europol-Entscheidung angemessene Datenschutzgarantien vorgesehen werden. Diese Garantien sollten in dem vom Umsetzungsteam auszuarbeitenden Mandat des EC3 eingegliedert werden (und später im überarbeiteten Europol-Rechtsrahmen) und dürfen auf keinen Fall zu einem niedrigeren Datenschutzniveau führen.

Brüssel, den 29. Juni 2012

Peter HUSTINX

Europäischer Datenschutzbeauftragter


(1)  Cyberkriminalität ist im EU-Recht nicht definiert.

(2)  Schlussfolgerungen des Rates zur Errichtung eines Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität, 3127. Sitzung des Rates JUSTIZ und INNERES, Luxemburg, 7. und 8. Juni 2012.

(3)  EU-Strategie der inneren Sicherheit: Fünf Handlungsschwerpunkte für mehr Sicherheit in Europa. KOM(2010) 673 endgültig, 22. November 2010. Siehe auch die Stellungnahme des EDSB zu dieser Mitteilung vom 17. Dezember 2010 (ABl. C 101 vom 1.4.2011, S. 6).

(4)  Mitteilung S. 4-5.

(5)  Wie in der im Februar 2012 veröffentlichten Machbarkeitsstudie empfohlen, in der die verschiedenen verfügbaren Optionen bewerten wurden (Status quo, innerhalb von Europol, Teil von Europol, virtuelles Zentrum). http://ec.europa.eu/home-affairs/doc_centre/crime/docs/20120311_final_report_feasibility_study_for_a_european_cybercrime_centre.pdf

(6)  Entscheidung des Rats vom 6. April 2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamts (Europol) (2009/371/JI).

(7)  Pressemitteilung vom 28. März, Frequently Asked Questions: the new European Cybercrime Centre Reference: MEMO/12/221, Datum: 28.3.2012 http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/12/221