10.2.2012 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 37/6 |
Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates
2012/C 37/02
DER EUROPÄISCHE DATENSCHUTZBEAUFTRAGTE —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 16,
gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 7 und 8,
gestützt auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (1),
gestützt auf die Verordnung (EG) des Rates Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (2), insbesondere auf Artikel 28 Absatz 2 —
HAT FOLGENDE STELLUNGNAHME ANGENOMMEN:
I. EINLEITUNG
I.1 Konsultation des EDSB
1. |
Am 19. Juli 2011 nahm die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates an („Vorschlag“) (3). Dem Vorschlag beigefügt ist eine Mitteilung mit dem Titel „Digitaler Fahrtenschreiber: Fahrplan für künftige Tätigkeiten“ („Mitteilung“) (4). Vorschlag und Mitteilung wurden dem EDSB am selben Tag zur Konsultation übermittelt. |
2. |
Der EDSB wurde bereits im April 2011 zu einer früheren Fassung des Vorschlags informell konsultiert und hatte hierzu am 13. Mai 2011 informelle Kommentare vorgelegt. Der EDSB begrüßt die informelle Konsultation, die dazu beigetragen hat, schon in einer frühen Phase der Abfassung des Entwurfes den Text aus datenschutzrechtlicher Sicht zu verbessern. Einige dieser Kommentare wurden in dem Vorschlag berücksichtigt. Der EDSB würde einen Verweis auf diese Stellungnahme in der Präambel des Vorschlags begrüßen. |
I.2 Allgemeiner Hintergrund
3. |
Gegenstand des Vorschlags sind der Einbau und die Benutzung von Kontrollgeräten in Fahrzeugen, die der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen, zwecks Überprüfung der Einhaltung der Sozialvorschriften über Lenk- und Ruhezeiten durch Berufskraftfahrer (5). |
4. |
Seit 1985 wurde zu diesem Zweck ein Fahrtenschreibersystem entwickelt, das sich auf ein Kontrollgerät in Verbindung mit Fahrtenschreiberkarten stützt. (6). Das Kontrollgerät dient der Aufzeichnung, dem Speichern, Anzeigen und Ausdrucken von Angaben zu den Tätigkeiten des Fahrers. Eine Fahrtenschreiberkarte ist eine Smart Card für den Einsatz mit dem Kontrollgerät; mittels einer Fahrtenschreiberkarte kann der Karteninhaber vom Kontrollgerät identifiziert und können Daten übermittelt und gespeichert werden. |
5. |
Mit dem Vorschlagsentwurf soll die derzeit geltende Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr („Verordnung“) geändert und an die aktuellen technologischen Entwicklungen angepasst werden, um vermehrt digitale und nicht mehr analoge Fahrtenschreiber einsetzen zu können und um seine Funktionen so zu erweitern, dass eine neue Art des digitalen Fahrtenschreibers entsteht. Der neue digitale Fahrtenschreiber soll um folgende technologische Merkmale erweitert werden: i) Er wird ein Ortungsgerät zur automatischen Erfassung bestimmter Standortdaten des Fahrers nutzen; ii) er wird Fernkommunikationseinrichtungen für Fernkontrollen nutzen, und iii) er wird eine standardisierte Schnittstelle zu anderen intelligenten Verkehrssystemen (ITS)ausweisen, durch die er wichtiger Bestandteil der ITS-Plattform eines Fahrzeugs werden kann (7). |
6. |
Viele im Vorschlag aufgeworfene Fragen erfordern ergänzende Maßnahmen, die in der Mitteilung beschrieben sind. In der Mitteilung werden mehrere von der Kommission zu ergreifende Maßnahmen aufgeführt; so sind durch delegierte Rechtsakte insbesondere die in Anhang IB der Verordnung festgelegten technischen Spezifikationen für den digitalen Fahrtenschreiber zu aktualisieren und die Sicherheitsmechanismen zu verbessern sowie die Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein zu ändern, um die in Fahrtenschreibern verwendeten Fahrerkarten mit den entsprechenden Führerscheinen zusammenzuführen. |
I.3 Vom Vorschlag aufgeworfene Datenschutzfragen
7. |
Der Einsatz von Kontrollgeräten im Straßenverkehr beinhaltet die Verarbeitung personenbezogener Daten von Berufskraftfahrern. Die Verarbeitung beruht zu großen Teilen auf dem Einsatz von Ortungsgeräten und Fernkommunikationseinrichtungen, also von Technologien, die erhebliche Auswirkungen auf die Privatsphäre von Personen und den Schutz personenbezogener Daten haben. |
8. |
Der Vorschlag hat also äußerst sichtbare Auswirkungen auf die Privatsphäre von Berufskraftfahrern, da er insbesondere eine ständige Überwachung des Aufenthaltsorts des Fahrers sowie Fernkontrollen durch Kontrollbehörden ermöglicht, die kontinuierlich direkten Zugriff auf die in Fahrtenschreibern gespeicherten Daten haben. Darüber hinaus könnte die geplante Zusammenlegung der Fahrerkarte mit dem Führerschein auch den derzeitigen Schutz der Daten des Fahrers berühren. |
9. |
Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, dass die Verarbeitung von Daten durch Fahrtenschreiber innerhalb der Europäischen Union nach dem Datenschutzrahmen der EU erfolgt, wie er in Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in Artikel 16 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie in der Richtlinie 95/46/EG (8) und der Richtlinie 2002/58/EG (9) festgelegt ist. |
10. |
Es sei darauf hingewiesen, dass es zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung im Jahr 1985 noch keinen umfassenden Datenschutzrahmen in der EU gab. Die anstehende Überarbeitung der Verordnung bietet daher Gelegenheit, die Verordnung an die geltende Datenschutzregelung anzupassen. |
11. |
Der EDSB begrüßt insbesondere, dass in den Vorschlag ein Erwägungsgrund und eine eigene Bestimmung zum Datenschutz aufgenommen wurden. (10) Der EDSB merkt jedoch an, dass diese Bestimmungen allein nicht alle datenschutzrechtlichen Probleme lösen, die durch verschiedene im Vorschlag aufgeführte Maßnahmen aufgeworfen werden. Es sollten daher weitere Garantien in den Vorschlag sowie in die in der Mitteilung beschriebenen ergänzenden Maßnahmen aufgenommen werden. |
12. |
Der EDSB geht in der vorliegenden Stellungnahme auf mehrere Aspekte des Vorschlags ein, die einer näheren datenschutzrechtlichen Prüfung bedürfen. In der Hauptsache wird sich der EDSB mit folgenden Fragen beschäftigen, die nachstehend in Abschnitt II nacheinander geprüft werden:
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II. ANALYSE DES VORSCHLAGS
II.1 Allgemeine Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen
Allgemeine Datenschutzvorkehrungen, die von den für die Verarbeitung Verantwortlichen, den Mitgliedstaaten und den Konstrukteuren von Fahrtenschreibern zu treffen sind
13. |
Der EDSB begrüßt die Aufnahme einer speziellen Datenschutzbestimmung in Artikel 34 des Vorschlags. Artikel 34 macht eindeutig klar, dass Fahrzeugeigentümer und/oder Verkehrsunternehmen als für die Verarbeitung Verantwortliche die geltenden Datenschutzvorschriften einzuhalten haben. In diesem Zusammenhang haben sie unter anderem Berufskraftfahrer über die Verarbeitung ihrer Daten in Fahrtenschreibern zu unterrichten, den Fahrern Auskunft über ihre Daten zu geben und unrichtige oder unvollständige Daten zu berichtigen. Der EDSB unterstreicht, dass eine solche Unterrichtung alle ablaufenden Verarbeitungen umfassen muss, und er begrüßt daher, dass nach Artikel 5 Absatz 6 des Vorschlags der für die Verarbeitung Verantwortliche den Fahrer ausdrücklich über die Möglichkeit der Fernkontrolle durch Kontrollbehörden informieren muss. Der EDSB weist ferner darauf hin, dass die für die Verarbeitung Verantwortlichen die Verarbeitung gemäß Artikel 18 bis 20 der Richtlinie 95/46/EG bei den Kontrollstellen melden müssen. |
14. |
Diese Bestimmung misst auch der Pflicht von Mitgliedstaaten und unabhängigen Kontrollbehörden besonderes Gewicht bei, dafür zu sorgen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten in Fahrtenschreibern, die im Straßenverkehr eingesetzt werden, nach dem geltenden Datenschutzrecht erfolgt. Dies erfordert von den Mitgliedstaaten die Annahme besonderer Maßnahmen bezüglich des Einsatzes besonderer Technologien wie des globalen Satellitennavigationssystems (GNSS), der Nutzung der Fernkommunikation und von ITS-Schnittstellen, oder auch bezüglich des elektronischen Austauschs von Informationen über Fahrerkarten und der Speicherung von Aufzeichnungen durch Verkehrsunternehmen. Die Datenschutzbehörden in den Mitgliedstaaten sollten nach Möglichkeit vor der Annahme solcher Maßnahmen angehört werden, damit Regelwerke entstehen, die mit den geltenden Datenschutzanforderungen übereinstimmen. |
15. |
Der EDSB begrüßt, dass das Konzept des „eingebauten Datenschutzes“ (privacy by design) mit der Bestimmung in den Vorschlag übernommen wurde, dass das Kontrollgerät so konstruiert sein muss, dass es den Datenschutz gewährleistet. Der EDSB betont, dass bei der Konzeption eines digitalen Fahrtenschreibers von Anfang an darauf zu achten ist, dass dieser die Privatsphäre und den Datenschutz achtet. Diese die Privatsphäre schonenden Maßnahmen sollten auch bei der Aktualisierung der Spezifikationen in Anhang IB angemessen berücksichtigt werden. |
16. |
Wie jedoch bereits unter Punkt 11 ausgeführt, können Artikel 34 und Erwägungsgrund 15 des Vorschlags allein nicht alle datenschutzrechtlichen Bedenken in Verbindung mit dem Einsatz von Fahrtenschreibern ausräumen. Der EDSB geht daher in der vorliegenden Stellungnahme besonders auf die zusätzlichen Maßnahmen ein, die für die Gewährleistung eines zufrieden stellenden Datenschutzniveaus bei Fahrtenschreibern erforderlich sind. |
Der Vorschlag beschreibt nur unzulänglich die beim Einsatz von Fahrtenschreibern einzuhaltenden Sicherheitsanforderungen
17. |
Nach Auffassung des EDSB werden die in mehreren Teilen des Vorschlags sowie in Artikel 15 enthaltenen Sicherheitsanforderungen für den digitalen Fahrtenschreiber im Vorschlag nur unzureichend ausgeführt. Des Weiteren unterstreicht der EDSB, dass der Vorschlag den Einsatz vieler Technologien vorsieht und damit praktisch einen „neuen digitalen Fahrtenschreiber“ schafft, für den der derzeitige Anhang IB nicht mehr gilt und auch nicht mehr die relevanten Spezifikationen oder angemessenen Sicherheitsvorkehrungen enthält. |
18. |
Der EDSB weist darauf hin, dass der Branche durch Annahme einer aktualisierten Verordnung, mit der zahlreiche technische Änderungen eingeführt werden könnten, deren technische Spezifikationen in den derzeitigen überholten Anhängen nicht aufgeführt sind, Schaden aus einem unklaren rechtlichen Rahmen entstehen könnte. Es besteht somit die Gefahr, dass die Branche bis zur Aktualisierung der Spezifikationen Maßnahmen und Regelungen entwickelt, die dem Schutz der Privatsphäre abträglich sind, und diese Gefahr besteht bis zum Abschluss der Überarbeitung dieser Anhänge, also bis Ende 2014. |
19. |
Der EDSB empfiehlt nachdrücklich, bei der Einführung technologischer Aktualisierungen (GNSS, Fernkommunikation, ITS) bei Fahrtenschreibern entsprechende Datenschutz-Folgenabschätzungen zur Beurteilung der durch den Einsatz dieser Technologien entstehenden Risiken für den Schutz der Privatsphäre vorzunehmen. |
20. |
Darüber hinaus empfiehlt der EDSB, in den Vorschlag einen eigenen Artikel zum Sicherheitsniveau aufzunehmen, das in allen Phasen der Entwicklung und des Einsatzes von Fahrtenschreibern (nicht nur bei ihren Entwurf und Einbau, sondern viel wichtiger noch bei ihrem Einsatz) einzuhalten ist. In diesem Artikel sollte es im Wesentlichen um Folgendes gehen:
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21. |
Es wäre im Sinne der Förderung guter Datenschutzpraxis, wenn der EDSB und die Artikel 29-Datenschutzgruppe auf die Liste der Teilnehmer des in Artikel 41 des Vorschlags genannten Fahrtenschreiberforums gesetzt würden. |
II.2 Verhältnismäßigkeit der Datenverarbeitung
Der Vorschlag macht keine klaren und zuverlässigen Aussagen zu den Modalitäten der Verarbeitung, die einer späteren Aktualisierung von Anhang IB der Verordnung überlassen bleiben
22. |
Es mangelt dem Vorschlag an genauen und zuverlässigen Aussagen zu vielen Modalitäten der Verarbeitung, die jedoch einer Klarstellung bedürfen, um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen dem in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 95/46/EG genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dies betrifft vor allem die Arten der in Fahrtenschreibern und durch Einsatz von Ortungsgeräten verarbeiteten und gespeicherten Daten, den Aufbewahrungszeitraum solcher Daten und die Frage, welche Empfänger Zugriff auf welche Daten haben, insbesondere mit Blick auf die Fernkommunikation. |
23. |
Viele Einzelheiten zu den Verarbeitungen von Daten sind derzeit in Anhang IB der Verordnung geregelt, der aber nicht mehr den neuesten Gegebenheiten entspricht und später mit delegierten Rechtsakten der Kommission überarbeitet werden soll. Es ist daher rechtlich nicht sicher, ob die geplante Verarbeitung verhältnismäßig sein wird, da viele Maßnahmen später in Regelungsausschüssen beschlossen werden müssen. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Branche bis zur Aktualisierung der Anhänge ihre eigenen Regelungen entwickelt, die dann möglicherweise zu Unstimmigkeiten führen. |
24. |
Der EDSB unterstützt eine solche Vorgehensweise nicht und empfiehlt, im Vorschlag selbst die allgemeinen Modalitäten der Verarbeitung festzulegen und nur die genauen Einzelheiten in Anhängen zu regeln. Der EDSB bedauert, dass im Vorschlag die im digitalen Fahrtenschreiber zu erhebenden und zu speichernden Datenkategorien nicht mehr beschrieben werden, obwohl dies in Artikel 5 der dem EDSB übermittelten früheren Fassung des Vorschlags vorgesehen war (z. B. Fahrten und Geschwindigkeit des Fahrzeugs, Zeitmessung, Ort des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit des Fahrers, Identität des Fahrers, Tätigkeit des Fahrers, Ereignisse und Fehler). Artikel 34 Absatz 3 des Vorschlags sieht nunmehr lediglich vor, dass nur Daten verarbeitet werden dürfen, „die für den Zweck der Verarbeitung unbedingt notwendig sind“; nähere Angaben zu den Datenarten, die verarbeitet werden, werden nicht gemacht. |
25. |
Der EDSB empfiehlt nachdrücklich eine Beschreibung der allgemeinen Modalitäten der Verarbeitung im verfügenden Teil der Verordnung, der, anders als Anhänge, im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet wird. Diese Vorgehensweise bedeutete größere Rechtssicherheit für Berufsfahrer, die wiederum stichhaltigere Daten vor Gericht vorlegen könnten. |
26. |
Nach Auffassung des EDSB sollte bei einer Anpassung von Anhang IB an technologische Entwicklungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angemessen Rechnung getragen werden. Er empfiehlt nachdrücklich eine angemessene Konsultation des EDSB im Verlauf der Aktualisierung von Anhang IB der Verordnung. Nach Auffassung des EDSB sollte diese Aktualisierung so bald wie möglich erfolgen, damit die Industrie Fahrtenschreiber nach harmonisierten technischen Spezifikationen bauen kann. |
Nutzung von Ortungsgeräten und Aufzeichnung von Standortdaten
27. |
Der EDSB hält fest, dass laut Erwägungsgrund 5 des Vorschlags die Aufzeichnung von Standortdaten gerechtfertigt ist, da sie die Kontrolleure bei Kontrollen unterstützt. Mit Blick auf den in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 95/46/EG formulierten Grundsatz der Zweckbindung weist der EDSB darauf hin, dass die in Fahrtenschreibern gespeicherten Ortungsdaten zu keinem anderen Zweck verwendet werden sollten. |
28. |
Zwar sollen nach Artikel 4 des Vorschlags nur zwei Arten von Standortdaten aufgezeichnet werden (Feststellung der Standorte, an denen der Arbeitstag beginnt und endet), doch ist nach Auffassung des EDSB mittels des Ortungsgeräts eine Feststellung des Standorts des Fahrzeugs und damit des Fahrers jederzeit möglich. Eine solche Feststellung kann aus mehreren Gründen erfolgen, beispielsweise zur Überwachung von Geschwindigkeit und Richtung, zur Überprüfung der Frage, ob sich das Fahrzeug bewegt oder nicht, usw. Mit Blick auf Artikel 4 des Vorschlags und den Grundsatz der Zweckbindung betont der EDSB, dass derartige Verwendungszwecke nicht zulässig sind. Der EDSB unterstreicht nachdrücklich, dass der Einbau und die Nutzung solcher Geräte zum unmittelbaren und vorrangigen Zweck, Arbeitgebern die Möglichkeit zu geben, aus der Ferne und in Echtzeit Bewegungen und Aufenthaltsorte ihrer Beschäftigten zu überwachen, nicht erlaubt sein sollten. |
II.3 Zugriff auf die in digitalen Fahrtenschreibern gespeicherten Daten und deren weitere Verwendung
29. |
Der Zugriff auf die im Kontrollgerät gespeicherten Daten kann jederzeit i) Kontrollbehörden für Kontrollen und ii) dem betreffenden Unternehmen gewährt werden, damit es seinen gesetzlichen Verpflichtungen insbesondere gemäß Artikel 28 und 29 des Vorschlags nachkommen kann. Der EDSB begrüßt, dass je nach Nutzerart und/oder Identität restriktive Zugriffsrechte festgelegt wurden. |
Fernkontrolle durch Kontrollbehörden
30. |
Laut Erwägungsgrund 6 ist Fernkommunikation zu Kontrollzwecken zulässig, um gezielte Straßenkontrollen zu erleichtern und die Verwaltungslasten zu verringern, die durch stichprobenartige Überprüfungen von Verkehrsunternehmen entstehen. Der EDSB hat Verständnis für die Erleichterung, die eine solche Maßnahme mit sich bringt, erinnert aber daran, dass angemessene Garantien im Hinblick auf die Gefahren für den Schutz der Privatsphäre vorzusehen sind, die mit einem fortgesetzten Fernzugriff auf die im Kontrollgerät gespeicherten Daten verbunden sind. |
31. |
In diesem Zusammenhang stellt der EDSB zufrieden fest, dass Artikel 5 des Vorschlags eine Reihe umfassender Garantien bietet; dazu gehört insbesondere, dass i) ein solcher Fernzugriff allein auf die zuständigen Kontrollbehörden beschränkt ist, ii) die mit den Kontrollbehörden ausgetauschten Daten nur insoweit verwendet werden dürfen, als sie für gezielte Straßenkontrollen unbedingt erforderlich sind, iii) es einen eindeutig festgelegten kurzen Aufbewahrungszeitraum von zwei Stunden für Daten gibt, die bei Fernkontrollen erhoben werden, iv) der Fahrer vom Eigentümer oder Halter des Fahrzeugs über die Möglichkeit von Fernkontrollen unterrichtet wird, und v) angemessene Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen, um die Integrität und Authentifizierung der Daten zu gewährleisten. |
32. |
Nach Ansicht des EDSB ist jedoch noch nicht hinreichend klar, welche Daten per Fernkommunikation ausgetauscht werden können. Der EDSB empfiehlt eine Umformulierung von Artikel 5 Absatz 3, damit nicht übermäßig viele Daten an Kontrollbehörden übermittelt werden. Statt in Artikel Absatz 3 alle Daten aufzulisten, die nicht übermittelt werden, sollten seiner Auffassung nach erschöpfend all die Daten aufgeführt werden, die übermittelt werden dürfen. |
33. |
Im Hinblick auf Sanktionen unterstreicht der EDSB weiter, dass eine Fernkontrolle nicht automatisch zu Bußen oder Geldstrafen für den Fahrer oder das Unternehmen führen sollte. Da die eigentliche Fernkontrolle ohne Wissen der betreffenden Person geschieht, sind vor einer Entscheidung angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Die Fernkontrolle sollte als eine erste Maßnahme betrachtet werden, die zu einer gründlicheren Überprüfung im Beisein des Fahrers führen kann, sollten die Kontrollbeamten bei der ersten Kontrolle irgendwelche Unregelmäßigkeiten entdeckt haben. |
Grenzüberschreitender Datenaustausch
34. |
In der Mitteilung der Kommission werden einige Drittländer aufgeführt, die die Grundsätze der Kraftverkehrsverordnungen und der Fahrtenschreiberverordnung anwenden. In der derzeitigen Fassung des Vorschlags findet sich kein Hinweis auf einen internationalen Austausch von Fahrtenschreiberdaten. Im Vorschlag sollte klargestellt werden, ob ein alle Daten betreffender grenzüberschreitender Austausch mit Drittlandsbehörden ins Auge gefasst wird; in diesem Fall wären angemessene Datenschutzgarantien erforderlich, damit bei der Übermittlung von Daten in diese Drittländer gemäß Artikel 25 und 26 der Richtlinie 95/46/EG ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist. |
Weiterverwendung der Daten in intelligenten Verkehrssystemen (ITS)
35. |
Werden Fahrtenschreiber zu Kernbestandteilen intelligenter Verkehrssysteme, wirft dies eine Reihe von Fragen in Zusammenhang mit dem Schutz der Privatsphäre und dem Datenschutz auf, auf die der EDSB in seiner Stellungnahme zur ITS-Richtlinie hingewiesen hat (11). |
36. |
Die Weiterverarbeitung von im Fahrtenschreiber aufgezeichneten oder erzeugten Daten in intelligenten Verkehrssystemanwendungen sollte nur erfolgen, wenn die Weiterverarbeitung mit dem ursprünglichen Zweck der Erhebung nicht unvereinbar ist. Dies ist jedoch fallweise zu beurteilen. |
37. |
Die für die Verarbeitung Verantwortlichen haben dafür zu sorgen, dass die Weiterverarbeitung von Fahrtenschreiberdaten gemäß einer der in Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG aufgelisteten Rechtsgrundlagen erfolgt. Der EDSB unterstreicht, dass bei allen verfügbaren Rechtsgrundlagen in Anbetracht des Beschäftigungsumfelds, in dem die Verarbeitungen stattfinden, nur schwer Verlass auf die Einwilligung der Fahrer besteht. Fahrer können von ihren Arbeitgebern unter Druck gesetzt worden sein, bestimmte ITS-Anwendungen zu verwenden, für die sie daher nicht wirklich freiwillig ihre Einwilligung erteilt haben (12). |
38. |
Folglich schlägt der EDSB eine Änderung von Artikel 6 Absatz 2 des Vorschlags vor, der besagen sollte, dass „Fahrzeuge, die (…) mit Kontrollgerät ausgerüstet sein (müssen), das eine harmonisierte Schnittstelle besitzt, die es ermöglicht, die aufgezeichneten oder erstellten Daten in Anwendungen für intelligente Verkehrssysteme zu verwenden. Die Weiterverwendung von Fahrtenschreiberdaten sollte nur zulässig sein, wenn der Fahrer freiwillig seine Einwilligung zu einer solchen Verarbeitung erteilt hat und alle anderen Anforderungen von Artikel 6 der Richtlinie 95/46/EG erfüllt sind“. |
39. |
Der EDSB unterstreicht ferner, dass nicht alle im Fahrtenschreiber aufgezeichneten oder generierten Daten automatisch für die Verwendung in anderen ITS-Anwendungen verfügbar sein sollten, sondern nur die Daten, die für die Verarbeitung in der betreffenden ITS-Anwendung unbedingt erforderlich sind. Dies sollte in Artikel 6 Absatz 3 des Vorschlags klar zum Ausdruck gebracht werden. Der EDSB empfiehlt, für jede Anwendung eine gesonderte Beurteilung der Datenschutzlage vorzunehmen, bei der festgelegt wird, welche Daten für die Verarbeitung wirklich erforderlich sind und wie lange diese Daten aufbewahrt werden müssen. |
II.4 Fahrerkarten
Integration der Fahrerkarten in die Führerscheine
40. |
Artikel 27 sieht eine Zusammenlegung der Funktionen von Fahrerkarte und Führerschein vor. In Anbetracht des Umfangs der möglicherweise erfassten Informationen über Fahrertätigkeiten ist die Fahrerkarte mehr als ein einfacher Ausweis, der bescheinigt, dass die betreffende Person Berufskraftfahrer ist. Aus datenschutzrechtlicher Sicht dringt sie daher stärker in die Privatsphäre ein, da mit ihr überwacht werden soll, ob eine Person die Sozialvorschriften im Bereich des Kraftverkehrs eingehalten hat. |
41. |
Die Integration dieser Karte in den Führerschein ist Anlass zu datenschutzrechtlichen Bedenken, insbesondere mit Blick auf den Grundsatz der Zweckbindung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus wurden die Notwendigkeit und der Vorteil einer Integration der Fahrerkarte in den Führerschein noch nicht hinreichend nachgewiesen. So steht insbesondere keinesfalls fest, dass eine solche Integration die beste Methode ist, um Betrug und den Missbrauch von Fahrerkarten zu bekämpfen. Der EDSB empfiehlt, eine solche Integration erst nach einer Folgenabschätzung zum Schutz der Privatsphäre und zur Sicherheit ins Auge zu fassen. Dies sollte in Artikel 27 des Vorschlags deutlich erwähnt werden. |
42. |
Des Weiteren erfordert eine solche Integration eine Änderung der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein; hierzu sollte von der Kommission ein Vorschlag vorgelegt werden. Mit Blick auf die durch solche Änderungen aufgeworfenen Datenschutzfragen betont der EDSB, dass er zu diesem Vorschlag angemessen konsultiert werden möchte. |
Informationsaustausch über Fahrerkarten mittels TACHONET
43. |
Informationen über Fahrerkarten werden vor Ausstellung einer Fahrerkarte elektronisch über nationale elektronische Register ausgetauscht, um zu überprüfen, ob der Antragsteller eine solche Karte nicht bereits besitzt. Dieser Informationsaustausch erfolgt über ein bestehendes System namens TACHONET. Artikel 26 bildet die Rechtsgrundlage für einen solchen elektronischen Datenaustausch. Der EDSB begrüßt, dass die in diesen Registern gespeicherten personenbezogenen Daten sowie ihre Aufbewahrungsfristen und befugten Empfänger in Artikel 26 des Vorschlags klar aufgeführt werden. Der EDSB fordert nachdrücklich, dass alle allgemeinen Modalitäten der Verarbeitung in TACHONET in diesem Artikel beschrieben werden und nur rein technische Spezifikationen mit Durchführungsrechtsakten festgelegt werden sollten. |
44. |
Der EDSB hält fest, dass die Rolle der Kommission beim Verbund der elektronischen Register nicht hinreichend klar dargestellt ist. Seiner Ansicht nach sollte diese Rolle in den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakten deutlicher dargestellt werden. Außerdem betont er, dass bei einer etwaigen Verarbeitung personenbezogener Daten in dieser Rolle durch die Kommission die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 einzuhalten sind. |
III. SCHLUSSFOLGERUNG
45. |
Der EDSB begrüßt, dass er zu einem Vorschlag konsultiert wird, der sichtbar Auswirkungen auf den Schutz der Privatsphäre von Berufskraftfahrern hat. Insbesondere begrüßt er, dass der Vorschlag eine eigenständige Datenschutzbestimmung enthält. Der EDSB merkt jedoch an, dass diese Bestimmung allein nicht alle datenschutzrechtlichen Probleme lösen kann, die durch die im Vorschlag aufgeführten Maßnahmen aufgeworfen werden. Es sind daher weitere Garantien in dem Vorschlag sowie in den in der Mitteilung beschriebenen ergänzenden Maßnahmen erforderlich. |
46. |
Nach Ansicht des EDSB sollten die allgemeinen Modalitäten für die Verarbeitung in Fahrtenschreibern im Vorschlag selbst und nicht in Anhängen der Verordnung festgelegt werden. Die wichtigsten Aspekte der Verarbeitung sollten Gegenstand des Vorschlags selbst sein, so z. B. die Arten von in Fahrtenschreibern und mittels Ortungsgeräten gespeicherten Daten, die Empfänger und die Aufbewahrungsfristen. Die Anhänge der Verordnung sollten nur technische Einzelheiten zu den in ihrem verfügenden Teil festgeschriebenen Grundsätzen enthalten. |
47. |
Weiter hält der EDSB fest, dass die bestehenden Anhänge überholt sind; dies könnte zu unterschiedlichen Entwicklungen bei der Konzeption von Fahrtenschreibern durch die Industrie führen. Der Vorschlag führt viele technologische Aktualisierungen ein, für die es in den bestehenden Anhängen der Verordnung noch keine entsprechenden technischen Spezifikationen gibt. Es besteht die Gefahr, dass von der Industrie dem Schutz der Privatsphäre abträgliche Rahmen entwickelt werden, solange die Aktualisierung der Anhänge der Verordnung auf sich warten lässt. Der EDSB fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Anhänge der Verordnung so bald wie möglich zu aktualisieren. |
48. |
Der EDSB empfiehlt folgende Änderungen am Vorschlag vorzunehmen:
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49. |
Der EDSB ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, vor der Annahme von Maßnahmen im Bereich Fahrtenschreiber ihre nationalen Datenschutzbehörden zu konsultieren, vor allem, wenn es um den Einsatz von Ortungsgeräten, Fernkommunikation, ITS-Schnittstellen und TACHONET geht. |
50. |
Damit Datenschutzanforderungen in weiteren ergänzenden Maßnahmen der Kommission angemessener Raum gegeben wird, möchte der EDSB auf die Liste der Teilnehmer des Fahrtenschreiber-Forums gesetzt und zur Aktualisierung von Anhang IB sowie zum Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2001/126/EG über den Führerschein konsultiert werden. |
Brüssel, den 5. Oktober 2011
Giovanni BUTTARELLI
Stellvertretender Europäischer Datenschutzbeauftragter
(1) ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
(2) ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.
(3) KOM(2011) 451 endgültig.
(4) KOM(2011) 454 endgültig.
(5) Siehe insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 über Lenk- und Ruhezeiten, die Richtlinie 2002/15/EG zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, und die Richtlinie 92/6/EWG über Einbau und Benutzung von Geschwindigkeitsbegrenzern für bestimmte Kraftfahrzeugklassen in der Gemeinschaft.
(6) Es gibt folgende Arten von Fahrtenschreiberkarten: i) Fahrerkarte, ii) Kontrollkarte, iii) Werkstattkarte und iv) Unternehmenskarte; siehe die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 des Vorschlags.
(7) Siehe Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern, (ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 1).
(8) Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Bearbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
(9) Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).
(10) Siehe Erwägungsgrund 15 und Artikel 34 des Vorschlags.
(11) Stellungnahme des EDSB vom 22. Juli 2009 zu der Mitteilung der Kommission über einen Aktionsplan zur Einführung intelligenter Verkehrssysteme in Europa und dem dazugehörigen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern, ABl. C 47 vom 25.2.2010, S. 6.
http://www.edps.europa.eu/EDPSWEB/webdav/site/mySite/shared/Documents/Consultation/Opinions/2009/09-07-22_Intelligent_Transport_Systems_DE.pdf
(12) Siehe Stellungnahme 15/2011 der Artikel 29-Datenschutzgruppe zur Definition von Einwilligung: http://ec.europa.eu/justice/data-protection/article-29/documentation/opinion-recommendation/files/2011/wp187_de.pdf