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GEMEINSAMER BERICHT AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Sonderverwaltungsregion Macau: Jahresbericht 2011 /* JOIN/2012/010 final */


GEMEINSAMER BERICHT AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Sonderverwaltungsregion Macau: Jahresbericht 2011

Einleitung

Seit der Übergabe Macaus an die Volksrepublik China vor zwölf Jahren haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der Sonderverwaltungsregion (SVR) Macau genauestens mitverfolgt, um der 1999 gegenüber dem Europäischen Parlament eingegangenen Verpflichtung nachzukommen, einen Jahresbericht über die Entwicklungen vorzulegen. Der vorliegende Bericht ist der zehnte seiner Art und bezieht sich auf das Jahr 2011.

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Macau stützen sich auf gemeinsame Werte, ein europäisches Erbe und gemeinsame Interessen in Wirtschaft, Umwelt, Bildung und Kultur. Im Jahr 2011 haben sich die bilateralen Beziehungen auf der Grundlage des 1992 unterzeichneten Abkommens über Handel und Zusammenarbeit weiterentwickelt.

Die EU erkennt an, dass der Grundsatz „Ein Land – zwei Systeme“ im Jahr 2011 im Einklang mit dem Grundgesetz der SVR Macau zufriedenstellend angewandt wurde und die Grundrechte und -freiheiten der Bevölkerung Macaus geachtet wurden. Die EU hofft, dass Macau im Rahmen seines Grundgesetzes und entsprechend der Wünsche der Bevölkerung Macaus Fortschritte auf dem Weg zu mehr Demokratie erzielen wird.

Politische Entwicklung

2011 war das zweite Amtsjahr für Macaus Regierungschef Fernando Chui. In seiner jährlichen politischen Ansprache vom 15. November bekräftigte Fernando Chui, dass die oberste Priorität seiner Regierung die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung sei. Er hob außerdem politische Maßnahmen zur Diversifizierung von Macaus Wirtschaft hervor. Erstmals gab er Pläne für politische Reformen bekannt, die kontinuierlich und ordnungsgemäß eingeführt werden sollen.

Am 17. November ersuchte die Regierung der SVR Macau den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses um Auslegung des Grundgesetzes in Bezug auf Änderungen an der Methode zur Bestimmung der Mitglieder der fünften Legislativversammlung im Jahre 2013 und an der Methode zur Bestimmung des Regierungschefs im Jahr 2014. Nachdem Ende 2011 verfahrensrechtliche Aspekte geklärt worden waren, leitete die Ministerin für Verwaltung und Justiz, Florinda Chan, den Konsultationsprozess ein, mit dem die Meinungen der Öffentlichkeit zur Änderung des politischen Systems Macaus eingeholt werden sollen.

2011 wurde in Taiwan das Wirtschafts- und Kulturbüro Macaus eröffnet. In Macau wurde das Taipei-Wirtschafts- und Kulturbüro Taiwans eröffnet. Diese Büros sollen die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen Taiwan und Macau in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Tourismus und Kultur fördern.

Wirtschaftliche Entwicklung

2011 ist die Wirtschaft Macaus erheblich gewachsen. Das BIP stieg in den ersten drei Quartalen real um 21,8 %[1]; ausschlaggebend sind hierbei die florierenden Branchen Tourismus und Glücksspiel sowie die Wiederbelebung der Investitionstätigkeiten. Bei einer ständig zunehmenden Anzahl von Touristen kletterten die Glücksspieleinnahmen 2011 auf ein neues Rekordniveau von 269 Mrd. MOP[2] – ein Anstieg von 42 % gegenüber dem Jahr 2010. Die Besucherzahl erhöhte sich 2011 um 12 % auf 28 Mio.; 58 % der Touristen in Macau waren Besucher aus dem chinesischen Mutterland, die somit den größten Beitrag zum schnellen Wirtschaftswachstum in Macau leisteten. Macau ist weiterhin der weltgrößte Kasino-Markt und übertrifft bei weitem seine nächsten Wettbewerber.

Aufgrund des Tourismusbooms planen Entwickler den Bau weiterer „Casino Resorts“ in Macau. Im dritten Quartal 2011 waren insgesamt 32 neue Hotels im Bau bzw. befanden sich in der Phase der Genehmigung durch die einschlägigen Behörden[3]. Nach ihrer Fertigstellung werden mehr als 24 000 Zimmer zusätzlich zu den bereits vorhandenen 22 356 Zimmern zur Verfügung stehen. Um das übermäßige Wachstum der Kasinos einzuschränken, hat die Regierung der SVR Macau angekündigt, die Anzahl der Spieltische bis 2013 auf 5 500 zu begrenzen und danach nur einen Zuwachs von jährlich 3 % zuzulassen.

Aufgrund der schnellen Expansion der Dienstleistungsbranche hat sich das Problem des Arbeitskräftemangels noch verschärft. Die Arbeitslosenquote fiel im vierten Quartal 2011 auf 2,1 %, den niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre. Um den Bedarf seiner wachsenden Wirtschaft decken zu können, stützt sich Macau in zunehmendem Maße auf Arbeitskräfte aus dem Ausland. Die Anzahl der gebietsfremden Arbeitnehmer stieg von 75 000 im Jahr 2010 auf 94 028 Ende 2011; dies entspricht 28 % der Gesamtbeschäftigtenzahl. Die Branche fordert ein dynamischeres und flexibleres System für den Zustrom von Arbeitskräften, um den Mangel sowohl an ungelernten wie auch an Facharbeitern zu beheben.

Die Inflationsrate stieg schnell von 2,8 % (2010) auf 5,8 % (2011). Zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung und zur Bekämpfung der Inflation gewährt die Regierung der SVR Macau seit 2008 allen Bewohnern verschiedene Arten von Unterstützung und direkte Barzahlungen.

Die Diversifizierung der Wirtschaft hat weiterhin oberste Priorität. Die Glücksspielbranche hat sich schnell ausgeweitet und ist weiterhin der wichtigste Arbeitgeber mit 21 % der Gesamtbeschäftigung. Die Glücksspielsteuer trägt mit 83,5 % zu den Steuereinnahmen für 2011 bei; 2007 waren es noch 72 %[4]. Einige Verbesserungen waren in anderen Branchen wie der MICE (Meetings, Incentives, Conventions and Exhibitions) sowie der Kultur- und Kreativwirtschaft zu verzeichnen. Die meisten zur Diversifizierung der Wirtschaft von Macau unternommenen Bemühungen gingen von der Regierung aus und umfassten auch die Organisation einiger Handelsmessen und –foren großen Stils. Hotels, Restaurants und der Einzelhandel erbrachten im letzten Jahr ebenfalls gute Leistungen.

Regionale Integration steht für Macau an erster Stelle. Macau treibt die Integration mit der Pearl River Delta-Region weiter voran und erkämpft sich im Rahmen des Macau Forums für Wirtschafts- und Handelskooperation die Vermittlerrolle zwischen China und den portugiesischsprachigen Ländern. Die Rolle Macaus wurde mit einem eigenen Kapitel in Chinas Fünfjahresplan hervorgehoben. China verspricht, Macau als Drehscheibe für die internationale Tourismus- und Freizeitbranche sowie als Geschäfts- und Handelsplattform zwischen China und den portugiesischsprachigen Ländern zu fördern. China unterstützt außerdem eine moderate Diversifizierung der Wirtschaft Macaus. Das Guangdong-Macau- Kooperationsrahmenabkommen wurde unmittelbar nach der Vorstellung des 12. Fünfjahresplans im März 2011 unterzeichnet. Mit dem Abkommen soll die sozio-ökonomische Integration von Macau und Guangdong verstärkt, die Diversifizierung von Macaus Wirtschaft erleichtert und die Umsetzung der Vereinbarung über engere wirtschaftliche Zusammenarbeit (CEPA) mit China verbessert werden. Zusatz VIII zu dieser Vereinbarung wurde am 14. Dezember 2011 unterzeichnet.

Hengqin (in Zhuhai im chinesischen Mutterland) stellt im Rahmen des Guangdong-Macau-Kooperationsrahmenabkommens ein wichtiges Entwicklungsprojekt von Macau, der Kommunalverwaltung Zhuhai und der Provinz Guangdong dar. Es wird als Zone mit Vorbildfunktion für eine neue Art der Kooperation zwischen den Provinzbehörden und der SVR Macau betrachtet. 1 km2 des von Macau gepachteten Grundstücks in Hengqin wird von der Universität Macau genutzt, die verbleibenden 4 km2 werden zur Entwicklung neuer Wirtschaftszweige verwendet. Europäische Unternehmen haben großes Interesse an diesem Teil von Hengqin bekundet. Das gepachtete Gebiet wird unter die Zuständigkeit Macaus fallen; genauere Pläne werden zurzeit ausgearbeitet. Für diese geographische Erweiterung der SVR hat die Regierung der SVR Macau den Bau weiterer Kasinos ausgeschlossen.

Macau hat bei der Ausweitung seines Bündels von Abkommen über den Informationsaustausch zu Steuerzwecken bemerkenswerte Fortschritte gemacht. 2011 schloss Macau acht Abkommen über den Austausch von Steuerinformationen und ein Protokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen für den Informationsaustausch mit seinen Handelspartnern. Zuvor hatte Macau bereits fünf Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen, so dass es nun die Schwelle der zwölf von den G-20 geforderten Steuerabkommen (davon sechs mit EU-Mitgliedstaaten) überschritten hat. Die Anstrengungen Macaus, Abkommen entsprechend dem international vereinbarten Standard zu schließen, wurden vom OECD-Weltforum zu Transparenz und Informationsaustausch ordnungsgemäß in seinem Gutachterbericht (Phase I) anerkannt.

Die bilateralen Warenhandelsströme im Rahmen des Handels zwischen der EU und Macau haben sich seit 2008 umgekehrt: die EU exportiert nun mehr Waren nach Macau als umgekehrt. Diese Entwicklung resultiert aus der Schrumpfung des verarbeitenden Gewerbes Macaus und einer deutlichen Nachfrage nach Importwaren. Während der ersten neun Monate von 2011 verzeichneten die EU-Exporte nach Macau einen drastischen Anstieg von 68 % und beliefen sich auf 247 Mio. EUR, wohingegen die EU-Importe aus Macau 60 Mio. EUR ausmachten[5]. Mit 24 % der Gesamtimporte Macaus war die EU 2011 nach China der zweitgrößte Importlieferant für das Land[6]. Im Bereich Investitionen ist zu vermerken, dass es in Macau 54 Niederlassungen von EU-Unternehmen gibt[7], von denen über die Hälfte im Groß- und Einzelhandelsgeschäft tätig ist, bei den übrigen handelt es sich um Finanzinstitutionen, Verkehrs-, Kommunikations- und Industrieproduktionsunternehmen. Die Aktivitäten der Handelskammern von EU-Ländern nehmen in Macau ebenfalls immer stärker zu.

Zusammenarbeit zwischen der EU und Macau

Auch 2011 konnten die bilateralen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen der EU und Macau auf der bereits geschaffenen soliden Grundlage weiter ausgebaut werden. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der EU und Macau, einschließlich der Zusammenarbeit in neuen wichtigen Bereichen von beiderseitigem Interesse bleibt für beide Parteien ein wesentliches Ziel. Dies wurde während der konstruktiven Gespräche auf dem Jahrestreffen des Gemeinsamen Ausschusses EU-Macau am 29. Juni 2011 in Macau bekräftigt.

Auf der Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses überprüften beide Seiten die jüngsten Entwicklungen in den Beziehungen, einschließlich im Bereich Handel und Investitionen. Beide Seiten zogen bezüglich der bestehenden Kooperationstätigkeiten Bilanz, darunter über das Programm für die Zusammenarbeit im Rechtswesen und das laufende Schulungsprogramm für Dolmetscher in Macau sowie verschiedene Tätigkeiten, die in Macau im Rahmen des „European Union Business Information Programme“ für Hongkong und Macau (EUBIP) stattfinden. Beide Seiten informierten sich gegenseitig über den Stand der Zusammenarbeit in Steuerfragen und über ihren jeweiligen Standpunkt bezüglich der Möglichkeiten für eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen.

Auch zu anderen wichtigen Themen gemeinsamen Interesses fand ein fruchtbarer Austausch statt, darunter zu den Bereichen Bildung, Kulturaustausch und Umweltschutz sowie bezüglich der Frage, ob diese Bereiche für eine künftige Zusammenarbeit in Frage kommen. Die EU forderte Macau auf, das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen zu unterzeichnen. Die in diesen neuen Bereichen erreichten Fortschritte sind ein Beweis für die vertieften bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Macau.

Am 29. Juni wurde am Rande der Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses das horizontale Abkommen zwischen Macau und der Europäischen Union über bestimmte Aspekte von Luftverkehrsdiensten paraphiert. Dies bedeutet eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen im Bereich Luftverkehr.

Die Tätigkeiten des EUBIP in Macau, das von der Europäischen Kommission kofinanziert und von der Europäischen Handelskammer in Hongkong verwaltet wird, sind auch im letzten Jahr zahlreicher und vielfältiger geworden. EUBIP ist immer noch ein erfolgreiches Instrument zur Förderung eines besseren Verständnisses zwischen Unternehmen in der EU und Macau. 2011 standen die Staatsschuldenkrise in Europa, CEPA und die Handelsbeziehungen zwischen der EU und China sowie die Teilnahme an zwei wichtigen Jahresveranstaltungen in Macau (MIF und MIECF) im Vordergrund. Die Teilnahme von EU, EU-Mitgliedstaaten und europäischen Unternehmen mit einem gemeinsamen EU-Pavillon an diesen zwei Veranstaltungen hat zu einer erheblich besseren Sichtbarkeit der EU geführt und hat als eine hervorragende Plattform zur Vernetzung von Besuchern aus Macau und dem chinesischen Mutterland mit den ausstellenden EU-Unternehmen gedient. Die im Rahmen des EUBIP in Macau durchgeführten Maßnahmen stießen auf großes Interesse seitens der Handelskammern der EU-Mitgliedstaaten, die sich auch zahlreich daran beteiligten. Eine direktere Beteiligung der in Macau ansässigen Industrie an den im Rahmen des EUBIP für verschiedene Industriezweige organisierten Wirtschaftsräten könnte allerdings zu einer besseren Identifizierung mit den spezifischen Belangen und Interessen der Unternehmen und einem besseren Verständnis hierfür führen.

Die EU und die in dem Gebiet zugelassenen EU-Mitgliedstaaten erhöhten ihre Anstrengungen im Bereich der Public Diplomacy, um die Verbindungen mit Macau weiter zu intensivieren, die Kontakte zwischen den Menschen auszubauen und den Austausch im Bildungsbereich zwischen Fakultäten und Studierenden auch über das Erasmus-Mundus-Programm zu fördern. Die EU hat auch in diesem Jahr den Jean-Monnet-Lehrstuhl an der Universität von Macau unterstützt, der viele erfolgreiche Jean-Monnet-Konferenzen organisierte. Der interkulturelle Dialog wurde mit einer Fotoausstellung über die in Europa von der UNESCO anerkannten Stätten weiter vertieft.

Ende 2011 leitete die EU eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für ein akademisches Programm der EU in Macau ein, das im Zeitraum 2012-2015 laufen soll. Wichtigste Ziele sind die Entwicklung von Sensibilisierungsmaßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit der EU und der Ausbau der akademischen Zusammenarbeit mit höheren Bildungseinrichtungen in der EU; Lehrkräfte und Studierende werden auch dazu ermuntert, zu EU-relevanten Fragen zu forschen und Studien vorzunehmen.

2011 wurde ebenfalls die Zusammenarbeit zur Erhöhung der Anzahl der qualifizierten Dolmetscher für die Behörden in Macau fortgesetzt, die aufgrund der zweisprachigen (chinesisch-portugiesischen) Verwaltung einen großen Bedarf an Dolmetschern haben. Im Rahmen dieses Programms werden in Macau und Brüssel fünfmonatige Schulungen für Dolmetscher organisiert.

Die EU wird auch künftig ihre Beziehungen zur SVR Macau pflegen, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen intensivieren, die Zusammenarbeit mit Unternehmen und der Zivilgesellschaft stärken und Austausch- und Mobilitätsmaßnahmen zugunsten der Bevölkerung von Macau fördern. Die verschiedenen Austauschmaßnahmen und Dialoge zwischen der EU und Macau werden auch 2012 fortgesetzt. Die EU erwartet insbesondere im Bereich des kulturellen Austauschs und im akademischen Bereich eine Zunahme der Aktivitäten.

[1]               Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich bei den ökonomischen Daten Macaus um offizielle Angaben, die vom Amt für Statistik und Erhebungen der Regierung der SVR Macau veröffentlicht werden.

[2]               Quelle: Aufsichts- und Koordinationsbüro für Glücksspiel der Regierung der SVR Macau.

[3]               Quelle: Amt für Bodennutzung, öffentliche Arbeiten und Verkehr der Regierung der SVR Macau.

[4]               Quelle: Finanzdienstleistungsbehörde der Regierung der SVR Macau.

[5]               Quelle: Eurostat, Stand 12. Januar 2012.

[6]               Quelle: Amt für Außenhandelsstatistik, Statistik und Erhebungen der Regierung der SVR Macau.

[7]               Quelle: Amt für Statistiken über Direktinvestitionen 2010, Statistik und Erhebungen der Regierung der SVR Macau.